Reinvestition, Rücklage, Übertragung, StEntlG 1999/2000/2002: Während der Gültigkeitsdauer des § 6 b Abs. 10 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 konnten die stillen Reserven, die infolge der Veräußerung eines zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehörenden Wirtschaftsgutes aufgedeckt wurden, nicht auf Reinvestitionen im Gesamthandsvermögen einer Schwestergesellschaft übertragen werden. Das galt auch dann, wenn der veräußernde Gesellschafter als einziger am Vermögen der Schwestergesellschaft beteiligt war. - Urt.; BFH 9.2.2006, IV R 23/04; SIS 06 20 50
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist in der Form einer GmbH
& Co. KG als Fertigungs- und Handelsunternehmen tätig. An
ihr sind neben der Komplementär-GmbH sechs natürliche
Personen als Kommanditisten beteiligt, darunter der Beigeladene.
Der Beigeladene hatte an die Klägerin ein Grundstück in A
vermietet. Anlässlich des Umzugs der Klägerin nach C im
Jahr 1999 (Streitjahr) verkaufte der Beigeladene das
Grundstück. Den nach Abzug des Buchwertes und nach Tilgung von
Grundschulden und Veräußerungskosten verbliebenen
Erlös aus der Grundstücksveräußerung in
Höhe von 408.264,20 DM übertrug er als Einlage auf die
B-KG, die mit diesen Mitteln einen Anbau an ihr
Betriebsgebäude in C errichtete und an die Klägerin
vermietete. Die B-KG besteht aus einer GmbH als persönlich
haftender Gesellschafterin und dem Beigeladenen als einzigem
Kommanditisten. Die Komplementär-GmbH erhält nach Angaben
der Klägerin eine feste Haftungsvergütung von
jährlich 5.000 DM, eine Verzinsung des Kapitals sowie Ersatz
der Geschäftsführungskosten, ist aber weder am Gewinn
oder Verlust noch am Vermögen beteiligt.
Der Steuerberater der Klägerin teilte
diesen Sachverhalt dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt
- FA - ) anlässlich einer Besprechung mit. Er vertrat die
Auffassung, die anlässlich des Grundstücksverkaufs
aufgedeckten stillen Reserven könnten nach § 6b des
Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die Herstellung des Anbaus durch
die B-KG übertragen werden. Das FA hielt dem entgegen, dass
nach § 6b Abs. 10 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24.3.1999 (BGBl I 1999,
402, BStBl I 1999, 304) die Übertragung bei
Veräußerungen von Anlagegütern des
Sonderbetriebsvermögens nur wiederum auf Anlagegüter des
Sonderbetriebsvermögens, nicht jedoch des
Gesamthandsvermögens möglich sei.
Demzufolge berücksichtigte das FA im
Gewinnfeststellungsbescheid 1999 den Veräußerungsgewinn
in Höhe von 408.264,20 DM bei dem Sonderbilanzergebnis des
Beigeladenen und rechnete ihm Einkünfte in Höhe von
insgesamt 335.644 DM zu.
Hiergegen erhob die Klägerin
Sprungklage, mit der sie geltend machte, die vom Gesetz geforderte
Identität zwischen Veräußerer und Reinvestor liege
vor. Der Beigeladene habe die stillen Reserven in seinem
Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin als
Veräußerer realisiert und in ein ihm allein
zuzurechnendes Betriebsvermögen reinvestiert. Da es sich bei
der Schwestergesellschaft B-KG um eine sog. Ein-Mann-GmbH & Co.
KG handele, an deren Vermögen die Komplementärin nicht
beteiligt sei, liege kein Gesamthandsvermögen vor.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Die
Entscheidung des Finanzgerichts (FG) vom 7.4.2004 2 K 40/01 ist in
EFG 2004, 1042 = SIS 04 34 26 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts
gestützt ist.
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung des angefochtenen Urteils den Bescheid über die
gesonderte und einheitliche Feststellung vom 6.2.2001 dahin gehend
zu ändern, dass der festgestellte Gewinn um 408.264 DM
ermäßigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag
gestellt.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
Klägerin den bei der Veräußerung des zum
Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen gehörenden
Grundstücks in A erzielten Gewinn nicht nach § 6b Abs. 1
EStG abziehen darf.
a) Nach § 6b Abs. 1 EStG in der im
Streitjahr (1999) geltenden Fassung des StEntlG 1999/2000/2002
können Steuerpflichtige, die Grund und Boden oder Gebäude
veräußern, im Wirtschaftsjahr der Veräußerung
von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes,
das im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im
vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt worden
ist, einen Betrag bis zur Höhe des bei der
Veräußerung entstandenen Gewinns abziehen. Nach Abs. 4
der Vorschrift ist u.a. Voraussetzung für die Anwendung des
Abs. 1, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter im
Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre
ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen
Betriebsstätte gehört haben und dass die angeschafften
oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen
einer inländischen Betriebsstätte eines Betriebs des
Steuerpflichtigen gehörten. Nach § 6b Abs. 10 EStG tritt
bei Personengesellschaften und Gemeinschaften an die Stelle des
Steuerpflichtigen die Gesellschaft oder die Gemeinschaft, soweit
Wirtschaftsgüter zum Gesamthandsvermögen der Gesellschaft
oder Gemeinschaft gehören.
b) Mit der Einführung des § 6b Abs.
10 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 hatte sich der Gesetzgeber
von der bisher herrschenden gesellschafterbezogenen
Betrachtungsweise (vgl. z.B. R 41b Abs. 6 Satz 1 des Amtlichen
Einkommensteuer-Handbuchs - EStH - 1998) getrennt und der
Mindermeinung (z.B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und
Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 10 I.1.b) angeschlossen,
derzufolge § 6b EStG gesellschaftsbezogen auszulegen ist
(Müller in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, Steuerreform
1999/2000/2002, § 6b EStG Anm. 37, m.w.N.). Das hatte zur
Folge, dass in der Zeit, in der diese Vorschrift gegolten hat
(Veranlagungszeiträume 1999 bis 2001) - und mithin auch im
Streitjahr -, der Gewinn aus der Veräußerung eines
Wirtschaftsgutes aus dem Sonderbetriebsvermögen eines
Mitunternehmers nicht mehr anteilig auf Investitionen im
Gesamthandsvermögen einer anderen Personengesellschaft, an der
der Mitunternehmer ebenfalls beteiligt ist, übertragen werden
konnte (einhellige Auffassung, z.B. R 41b Abs. 6 EStH 1999;
Schmidt, EStG, 18. Aufl. 1999, § 15 Rz. 419 a; Müller,
a.a.O., Anm. 37, 38).
2. So verhält es sich auch im Streitfall.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der bei der
Veräußerung des Grundstücks in A erzielte Gewinn
auf eine Investition im Gesamthandsvermögen der B-KG nicht
deswegen übertragen werden, weil am Vermögen dieser
Gesellschaft allein der Beigeladene beteiligt war. Die
Klägerin vertritt die Auffassung, dass
Gesellschaftsvermögen, das einem Gesellschafter allein
zuzurechnen sei, dem Sonderbetriebsvermögen eines
Gesellschafters in einer Weise vergleichbar sei, dass es im Bereich
des § 6b EStG wie Sonderbetriebsvermögen behandelt werden
müsse. Das ist indessen nicht der Fall.
a) Gesellschaftsrechtlich ist auch das
Gesellschaftsvermögen einer OHG oder einer KG, bei der nur ein
Gesellschafter am Kapital beteiligt ist, Gesamthandsvermögen.
Das gilt unabhängig von der Frage, ob generell - also bei den
vorstehend nicht genannten Gesamthandsgemeinschaften und
-gesellschaften - die einzelnen Gesamthänder oder die
Gesamthand als solche Rechtsträger des
Gesamthandsvermögens sind (zum Streitstand s. K. Schmidt,
Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 8 III.2.). Denn nach der
ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in §§ 124 Abs.
1, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) können OHG und KG
als solche Eigentum erwerben. Ist demnach in einer zweigliedrigen
KG ein Gesellschafter - wie hier die Komplementär-GmbH - nicht
am Gesellschaftsvermögen beteiligt, ändert das nichts
daran, dass das Vermögen zum Gesamthandsvermögen der KG
als Rechtsträgerin gehört; für den Gesellschafter
ohne Vermögensanteil wird lediglich kein Kapitalkonto
geführt (Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und
Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S.
289; K. Schmidt, a.a.O., § 47 III.1.).
b) Es besteht kein Anlass, abweichend vom
Wortlaut den Begriff des Gesamthandsvermögens, so wie er in
§ 6b Abs. 10 EStG verwendet wird, anders auszulegen. Vielmehr
spricht der Gesetzeszweck dagegen, das Gesellschaftsvermögen
einer zweigliedrigen KG, an deren Vermögen nur einer der
beiden Gesellschafter beteiligt ist, wie
Sonderbetriebsvermögen zu behandeln.
Die Einführung des § 6b Abs. 10 EStG
durch das StEntlG 1999/2000/2002 diente nicht nur - wie in der
Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/23, S. 173 f.) ausgeführt
- dazu, die Übertragung von Veräußerungsgewinnen
auf Beteiligungen an Personengesellschaften zu verhindern, deren
Zweck in der Verschaffung von Abschreibungsverlusten bestand.
Vielmehr bestand die Zielsetzung der Änderung insbesondere
darin, die Einschränkung der sog. finalen Entnahmelehre in
§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002
abzusichern (Müller, a.a.O., Rz. 14; Kanzler, FR 2002, 117,
120 unter Bezugnahme auf die Begründung zum
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG -, BTDrucks
14/6882, S. 33). Die Einschränkung der finalen Entnahmelehre
hatte u.a. zur Folge, dass Wirtschaftsgüter aus einem
Betriebsvermögen nicht mehr wie bisher zum Buchwert auf eine
gewerblich geprägte Personengesellschaft ausgelagert werden
konnten (vgl. z.B Strahl, FR 2001, 1154, 1155). Diese Rechtsfolge
hätte umgangen werden können, wenn nicht zugleich die
gesellschafterbezogene Betrachtung in § 6b EStG aufgegeben
worden wäre. Der Eigentümer eines zum
Sonderbetriebsvermögen bei einer KG I gehörenden
Grundstücks hätte dieses Grundstück an eine
neugegründete KG II verkaufen und den hierbei entstehenden
Gewinn durch Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG
neutralisieren können (Strahl, FR 2001, 1154, 1155; Kanzler,
FR 2002, 117, 120). Dieser Weg wäre auch dann gangbar gewesen,
wenn der Eigentümer des veräußerten
Wirtschaftsgutes allein am Vermögen der KG II beteiligt
gewesen wäre. In den meisten Fällen wäre ganz
bewusst eine solche Gestaltung gewählt worden. Dagegen
wäre es nicht möglich gewesen, das Grundstück auf
diese Weise gewinnneutral in das Sonderbetriebsvermögen des
Steuerpflichtigen bei der KG II zu überführen. Denn ein
Grundstück, das im Eigentum eines Gesellschafters steht,
jedoch nach wie vor der KG I zu dienen bestimmt ist, gehört
weiterhin zum Sonderbetriebsvermögen bei der KG I. Hieran wird
deutlich, dass sich jedenfalls im Anwendungsbereich der
§§ 6 Abs. 5 Satz 3 und 6b EStG
Sonderbetriebsvermögen und einem Gesellschafter allein
zuzurechnendes Gesamthandsvermögen wesentlich
unterscheiden.
c) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von
der Klägerin ins Feld geführten Aufsatz von Groh (DB
2002, 1904, 1906, linke Spalte, letzter Absatz). Es geht dort um
die Frage, ob die unentgeltliche direkte Übertragung einzelner
Wirtschaftsgüter zwischen den Gesamthandsvermögen von
Schwesterpersonengesellschaften möglich ist. Groh bejaht diese
Frage mit der Begründung, es handle sich - wie vor 1999 - um
die Überführung zwischen zwei Betriebsvermögen des
Gesellschafters. Davon, dass eine Übertragung, die bis Ende
1998 von einer Schwestergesellschaft auf die andere zum Buchwert
möglich gewesen sei, auch ab 1999 möglich sei, ist
dagegen nicht die Rede. Vielmehr ist eindeutig gemeint, dass die
vor 1999 geltende Rechtslage seit der Wiedereinführung des
Transparenzprinzips durch das UntStFG (also ab dem 1.1.2001) wieder
Gültigkeit erlangte.
3. Die in der Verfügung der
Oberfinanzdirektion (OFD) Berlin vom 19.7.2002 St 122 - S 2241 -
2/02- (DStR 2002, 1811 = SIS 02 93 61) vertretene Auffassung,
derzufolge bei Ausscheiden eines mit 0 v.H. beteiligten
Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Gesellschaft die
Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf den anderen
Gesellschafter keine Übertragung i.S. des § 6 Abs. 3 EStG
darstelle, weil dem anderen Gesellschafter das Vermögen
bereits vorher zuzuordnen sei, betrifft nicht die Unterscheidung
zwischen Sonderbetriebsvermögen und Gesamthandsvermögen
und ist daher nicht einschlägig.
4. Wie das FG hat auch der erkennende Senat
keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 6b EStG i.d.F.
des StEntlG 1999/2000/2002. Insbesondere vermag er solche Bedenken
nicht daraus herzuleiten, dass die Vorschrift nur drei Jahre lang
galt. Wegen der Begründung kann auf die Ausführungen im
Urteil des FG verwiesen werden, zumal die Klägerin diesen
Punkt mit der Revision nicht mehr aufgegriffen hat.
Ob etwas anderes für den
Veranlagungszeitraum 2001 gelten könnte, in dem infolge der
Änderung durch das UntStFG in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
wieder die gesellschafterbezogene Betrachtung galt, während
§ 6b EStG nach wie vor von der gesellschaftsbezogenen
Anschauung geprägt war, bedarf im Streitfall, der
ausschließlich das Jahr 1999 betrifft, keiner
Entscheidung.