Pay-TV, Steuersatz: Die Ausstrahlung eines Fernsehprogramms ist keine Filmvorführung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980 (Bestätigung von Abschn. 167 Abs. 2 Satz 2 UStR 1996/2005). - Urt.; BFH 26.1.2006, V R 70/03; SIS 06 16 48
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob auf Umsätze des Bezahlfernsehens der ermäßigte
Steuersatz anzuwenden ist.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft
(KG), betätigt sich als Anbieter für Bezahlfernsehen
(sog. „Pay-TV“) auf dem deutschen Markt. Die
Klägerin erstellt in einem Abwicklungsstudio von
Informationsträgern (Filmkopien oder Magnetbändern) ein
Fernsehprogramm und strahlt es über Satelliten, Kabelnetze und
sonstige technische Einrichtungen verschlüsselt aus. Zwischen
der Klägerin und den Empfängern wird ein
Abonnementvertrag mit monatlichem Pauschalentgelt abgeschlossen.
Die Abonnenten können das Programm mit Hilfe eines von der
Klägerin zur Verfügung gestellten Geräts
entschlüsseln und auf einem Fernsehgerät
betrachten.
In ihrer Umsatzsteuererklärung
für das Jahr 1990 (Streitjahr) unterwarf die Klägerin
diese Umsätze dem allgemeinen Steuersatz. Das Finanzamt A
übernahm die Angaben der Klägerin und setzte die
Umsatzsteuer entsprechend fest. Im Dezember 1995 stellte die
Klägerin einen Antrag auf Änderung der
Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr; sie hielt den
ermäßigten Steuersatz auf die Umsätze des
Bezahlfernsehens gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b
des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 für anwendbar. Das
zuständig gewordene Finanzamt für Großunternehmen
in B lehnte diesen Antrag ab. Den Einspruch wies der mittlerweile
zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) unter Berufung auf Abschn. 167 Abs. 2 Satz 2 der
Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR 1996/2005) als unbegründet
zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab
(EFG 2004, 375 = SIS 04 08 35).
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Abs. 2 Nr. 7
Buchst. b UStG 1980, § 15 Abs. 3 des Urheberrechtsgesetzes -
UrhG - ). Sie meint, das FG habe den Begriff der
Filmvorführung sowohl nach nationalem Recht als auch unter
Berücksichtigung der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG -
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage - (Richtlinie 77/388/EWG) rechtsfehlerhaft
ausgelegt.
Sie macht ferner geltend, sie stehe in
Konkurrenz zu Kinobetreibern, deren Filmvorführungen dem
ermäßigten Steuersatz unterlägen. Kinoprogramme und
ihr Angebot beständen jedenfalls in einem nennenswerten Umfang
aus aktuellen Spielfilmen. Die Verwertungskette eines Spielfilms
verlaufe regelmäßig von den Kinos über sie, die
Klägerin, zum frei empfangbaren Fernsehen (sog.
„Free-TV“). Üblicherweise seien Spielfilme im Kino
zu sehen, bevor sie von ihr ausgestrahlt würden.
Zwar unterlägen auch die Leistungen
der privaten Fernsehanstalten, die in Konkurrenz zu ihren
Leistungen stünden, der Regelbesteuerung. Jedoch sei die
Besonderheit zu beachten, dass diese sich überwiegend durch
Werbeeinnahmen finanzierten und die Kunden im Regelfall zum
Vorsteuerabzug berechtigt seien.
Schließlich spreche auch das
Gemeinschaftsrecht dafür, Fernsehsendungen unter den Begriff
der öffentlichen Filmvorführung zu subsumieren. Sie, die
Klägerin, werde durch die Anwendung des Regelsteuersatzes in
ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den
öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern von
Fernsehleistungen eingeschränkt. Wegen dieser
Konkurrenzsituation sei § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980
jedenfalls analog anzuwenden.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung, die
Einspruchsentscheidung des FA vom 12.10.2000 und den
Ablehnungsbescheid des Finanzamts für Großunternehmen in
B vom 31.3.1999 aufzuheben sowie die Umsatzsteuer unter
Änderung des Umsatzsteuerbescheids des Finanzamts A für
das Jahr 1990 vom 24.2.1995 auf 8.783.982,60 DM
festzusetzen.
Hilfsweise regt sie an, dem Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Rahmen eines
Vorabentscheidungsersuchens folgende Fragen vorzulegen:
1.
|
Ist es mit dem sich allgemein und speziell
aus Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG ergebenden
Neutralitätsgebot vereinbar, wenn öffentlich-rechtlich
organisierte Fernsehanstalten hinsichtlich der gegen Gebühren
gesendeten Programme von der Umsatzsteuer befreit werden respektive
nach Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nicht als
Steuerpflichtige behandelt werden, während privatrechtlich
organisierte Fernsehsender insoweit als Steuerpflichtige behandelt
werden und ihre Leistungen mit dem Normalsteuersatz versteuern
müssen, obgleich die öffentlich-rechtlichen
Fernsehanstalten und die privaten Fernsehanbieter gleichartige
Leistungen erbringen und daher zueinander in Wettbewerb
stehen?
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2.
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Falls die Frage 1 verneint wird: Hat dann
für die Vergangenheit der private Anbieter einen Anspruch
darauf, dass er ebenfalls von der Umsatzbesteuerung bis zu einer
Neuregelung durch den nationalen Gesetzgeber befreit wird oder
seine Leistungen zumindest mit dem ermäßigten Steuersatz
besteuert werden?
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass
auf die Umsätze der Klägerin nicht der
ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst.
b UStG 1980 anzuwenden ist. Die Klägerin führt keine
Filme vor. Eine analoge Anwendung der Vorschrift scheidet ebenfalls
aus. Auch des von der Klägerin hilfsweise angeregten
Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH bedarf es nicht.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG
1980 ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für
„die Überlassung von Filmen zur Auswertung und
Vorführung sowie die Filmvorführungen“.
Regelungsgegenstand dieser seit dem UStG 1967 bestehenden
Begünstigung ist (auf der Umsatzendstufe) die
Filmvorführung in einem Filmtheater; entsprechend ist Zweck
der Vorschrift die umsatzsteuerrechtliche Begünstigung der
Filmtheater (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
29.11.1984 V R 96/84, BFHE 142, 319, BStBl II 1985, 271 = SIS 85 02 22, unter 1. und 3. b).
a) Bei den vorgeführten Werken muss es
sich urheberrechtlich um Filme handeln (vgl. BFH-Urteil vom
10.12.1997 XI R 73/96, Dia-Show, BFHE 185, 79, BStBl II 1998, 222 =
SIS 98 07 48, unter II. 1.).
b) Die Steuerermäßigung setzt
ferner als begünstigte Leistung die
„Vorführung“ des Films voraus. Der Senat
knüpft bei der Auslegung dieses Begriffs an den Begriff der
öffentlichen Filmvorführung in § 19 Abs. 4 Satz 1
UrhG an (vgl. BFH-Urteil vom 18.6.1993 V R 19/89, BFH/NV 1994,
587).
aa) § 19 Abs. 4 Satz 1 UrhG lautet:
„Das Vorführungsrecht ist das
Recht, ein Werk der bildenden Künste, ein Lichtbildwerk, ein
Filmwerk oder Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art
durch technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu
machen.“
§ 20 UrhG definiert das Senderecht:
„Das Senderecht ist das Recht, das
Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk,
Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
bb) Danach sind Fernsehsendungen keine
Filmvorführungen. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH) ist der Begriff der Filmvorführung
i.S. des § 19 Abs. 4 UrhG vom Begriff der Sendung i.S. des
§ 20 UrhG abzugrenzen und zu unterscheiden (zu dieser
Abgrenzung und Unterscheidung vgl. BGH-Urteile vom 8.7.1993 I ZR
124/91, BGHZ 123, 149, unter II. 2.; vom 11.7.1996 I ZR 22/94, NJW
1996, 3084, unter II. 2. a; Loewenheim/Hoeren, Handbuch des
Urheberrechts, § 21 Rz. 41; Schricker/v. Ungern-Sternberg,
Urheberrecht, § 19 UrhG Rz. 40; Ehrhardt in Wandtke/Bullinger,
Praxiskommentar zum Urheberrecht, §§ 20 bis 20b UrhG Rz.
8 f.; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Gesetz zur Regelung des
Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, § 19a UrhG Rz.
10; s. auch die 24. Begründungserwägung der nach dem
Streitjahr in Kraft getretenen Richtlinie 2001/29/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur
Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der
verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 167, S.
10).
cc) Ausgehend davon ist auch
umsatzsteuerrechtlich unter einer Filmvorführung die
Darbietung eines Films gegenüber einem Publikum zu verstehen
(BFH-Urteil vom 7.3.1995 XI R 46/93, BFHE 177, 165, BStBl II 1995,
429 = SIS 95 12 34).
dd) Zu Unrecht meint die Klägerin, der
BFH habe umsatzsteuerrechtlich auch die Sendung als Vorführung
angesehen. Die von der Klägerin zitierten Ausführungen
des BFH (in BFHE 142, 319, BStBl II 1985, 271 = SIS 85 02 22, unter
3. a) beziehen sich auf die „Überlassung zur
Vorführung“ und nicht die
„Filmvorführung“.
c) Dass § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG
1980 keine Steuerermäßigung für Fernsehsendungen
vorsieht, wird durch die historische und systematische Auslegung
der Vorschrift bestätigt.
Der Finanzausschuss des Bundestages hatte zwar
nach eingehender Beratung auch vorgesehen, Rundfunk und Fernsehen
in die Umsatzsteuer einzubeziehen und mit einem
„begünstigten“ Steuersatz zu besteuern (zu
BTDrucks V/1581, S. 4). Allerdings hatte der Gesetzgeber zur
Erreichung dieses Ziels in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG
1967 eine eigene Steuerermäßigungsvorschrift für
Fernsehsendungen vorgesehen. Dies zeigt, dass Fernsehsendungen
nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980 fallen,
sonst hätte es damals des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a
UStG 1967 nicht bedurft.
d) Der von der Klägerin begehrten
Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf
Fernsehsendungen steht außerdem entgegen, dass nach
ständiger Rechtsprechung
Steuerermäßigungsvorschriften eng auszulegen sind, da
sie Ausnahmen von einem allgemeinen Grundsatz darstellen (vgl. z.B.
EuGH-Urteil vom 18.1.2001 Rs. C-83/99, Kommission/Spanien, Slg.
2001, I-445 = SIS 01 05 45, Randnr. 19; BFH-Urteil vom 22.1.2004 V
R 41/02, BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757 = SIS 04 16 94, unter
II. 1. b).
2. Nach diesen Grundsätzen ist das FG zu
Recht davon ausgegangen, dass die Leistungen der Klägerin dem
allgemeinen Steuersatz unterliegen. Das Bezahlfernsehen ist keine
Filmvorführung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG
1980.
a) Der Senat pflichtet der Klägerin zwar
darin bei, dass auch das Bezahlfernsehen eine
„öffentliche Wiedergabe“ in
unkörperlicher Form i.S. des § 15 Abs. 2 Nr. 2 UrhG a.F.
(jetzt: § 15 Abs. 2 Nr. 3 UrhG) ist. Dies verdeutlicht Art. 1
Buchst. a der Richtlinie des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung
bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABlEG Nr. L
298, S. 23), der den Begriff der Fernsehsendung definiert als
„die drahtlose oder drahtgebundene, erdgebundene oder
durch Satelliten vermittelte, unverschlüsselte oder
verschlüsselte Erstsendung von Fernsehprogrammen, die zum
Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt ist“. Auch das
verschlüsselte Bezahlfernsehen ist deshalb grundsätzlich
eine Fernsehsendung in diesem Sinne und die Abonnenten sind die
Öffentlichkeit (vgl. EuGH-Urteil vom 2.6.2005 Rs. C-89/04,
Mediakabel, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2005,
251, Randnr. 30, 32, 38 f., 45).
Die Klägerin führt aber nicht in
einem Kino Filme vor, sondern sendet sie. Fernsehsendungen sind
nach den Ausführungen unter II. 1. nicht begünstigt. Dies
gilt auch für das Bezahlfernsehen.
b) Soweit die Klägerin im Ergebnis eine
analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG
1967 auf das Bezahlfernsehen begehrt, ist diese Analogie nicht
möglich.
aa) Eine Analogie setzt voraus, dass das
Gesetz eine Lücke aufweist, d.h. eine planwidrige
Unvollständigkeit, die durch die Anwendung einer Vorschrift
geschlossen werden kann, die nicht den gleichen, aber einen
ähnlichen Tatbestand regelt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
22.6.1983 II R 64/82, BFHE 138, 493 = SIS 83 17 01; vom 25.10.1988
VII R 190/85, BFH/NV 1989, 601; Canaris, Die Feststellung von
Lücken im Gesetz, 16, 39).
bb) Soweit die Klägerin geltend macht,
die Aufhebung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1967 habe
zu solch einer Lücke geführt, trifft dies nicht zu. Der
Gesetzgeber hat diese Steuerermäßigung bewusst nicht in
das UStG 1980 übernommen, weil er sie für gegenstandslos
gehalten hat (vgl. BTDrucks 8/1779, S. 40 zu Abs. 2 Nr. 7). Er
befand sich dabei auch nicht in einem Irrtum; die Vorschrift war im
Jahr 1980 gegenstandslos. Ihre Abschaffung führte deshalb zu
keiner planwidrigen Lücke.
cc) Das Auftreten des Bezahlfernsehens im
Streitjahr hat nicht zu einem späteren Entstehen einer solchen
Lücke geführt (sog. „sekundäre
Lücke“, Engisch, Einführung in das juristische
Denken, 187; vgl. zu einer solchen Situation BFH-Urteil vom
1.2.2000 VII R 49/99, BFHE 191, 202, BStBl II 2000, 334 = SIS 00 08 34). Das Umsatzsteuergesetz ordnet für steuerpflichtige
Leistungen in § 12 Abs. 1 UStG 1980 die Besteuerung mit dem
allgemeinen Steuersatz an, was zunächst gegen das
nachträgliche Entstehen einer planwidrigen Lücke bei
neuartigen Leistungen spricht. Aus der Absicht des Gesetzgebers des
UStG 1967, die Ausstrahlung von Fernsehsendungen der zu diesem
Zeitpunkt öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gegen
Rundfunkgebühr als steuerpflichtig zu behandeln, aber im
Rahmen der Grundversorgung ermäßigt zu besteuern, folgt
schon deshalb nichts anderes, weil diese Absicht im Gesetz keinen
Niederschlag mehr findet. Überdies kann aus den Absichten des
Gesetzgebers des UStG 1967 nicht geschlossen werden, der
Gesetzgeber des Streitjahres habe dieselbe Absicht für das
Bezahlfernsehen gehabt. Vielmehr lässt der Umstand, dass der
Gesetzgeber trotz des ihm bekannten Entstehens des Bezahlfernsehens
eine dem früheren § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1967
ähnliche Vorschrift nicht (wieder) eingeführt hat,
zumindest auch den Schluss zu, dass er die Anwendung des § 12
Abs. 1 UStG 1980 auf Leistungen des Bezahlfernsehens für
zutreffend hielt. Bei dieser Sachlage darf der BFH nicht entgegen
§ 12 Abs. 1 UStG 1980 eine Steuerermäßigung im Wege
der Analogie einführen.
c) Aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
folgt kein Anspruch auf Gleichstellung des Bezahlfernsehens mit
Filmvorführungen, da sich das Betrachten eines Films auf dem
heimischen Fernsehgerät in mehrfacher Hinsicht von der
Filmvorführung unterscheidet (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE
142, 319, BStBl II 1985, 271 = SIS 85 02 22, unter 3. c, zum
Videothekar). Zudem hat die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung bestätigt, dass die Ausstrahlung eines Films in
ihrem Programm regelmäßig erst nach dem
„Durchlauf“ in den Kinos erfolgt. Dies zeigt die
Verschiedenartigkeit der Leistungen auch in zeitlicher
Hinsicht.
d) Auch mit den Leistungen der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist von Verfassungs
wegen keine Gleichbehandlung geboten, da es sich um
unterschiedliche Leistungen handelt. Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk ist kein Bezahlfernsehen (Loewenheim/Castendyk, a.a.O.,
§ 75 Rz. 37), sondern nach Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (Urteil vom 27.7.1971 2 BvF
1/68, 2 BvR 702/68, BStBl II 1971, 567 = SIS 71 02 98) eine
Tätigkeit nicht gewerblicher oder beruflicher Art. Der
Gesetzgeber hat die Veranstaltung von Programmen, die über den
Markt nicht oder nicht in wünschenswerter Qualität
zustande kommen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk
auferlegt, und muss dafür seine Finanzierung sicherstellen
(BVerfG-Beschluss vom 26.10.2005 1 BvR 396/98, BGBl I 2005, 3726,
unter C. I. 2. b bb, m.w.N.). Die Gebührenfinanzierung ist die
dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße
Finanzierungsart, weil sie die Möglichkeit eröffnet, die
Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen zu
gewährleisten; dabei ist es gerechtfertigt, ohne
Rücksicht auf Nutzungsgewohnheiten die Gebührenpflicht
allein an den Teilnehmerstatus zu knüpfen (BVerfG-Urteil vom
22.2.1994 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60). Dies ist ein Ausgleich
dafür, dass die privaten Programme im Übrigen weniger
strengen Anforderungen unterliegen als die
öffentlich-rechtlichen (u.a. BVerfG-Urteil vom 5.2.1991 1 BvF
1/85, 1/88, BVerfGE 83, 238, 297, m.w.N.). So hat der Gesetzgeber
den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verboten, durch
die Veranstaltung von Bezahlfernsehen zu der Klägerin in
Wettbewerb zu treten (§ 13 Abs. 1 Satz 2 des
Rundfunkstaatsvertrages i.d.F. des 7.
Rundfunkänderungsstaatsvertrages, z.B. Niedersächsisches
Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl ND - 2004, 27, 29, unter
6.).
3. Die Beurteilung des FG steht auch in
Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.
a) Die Klägerin kann sich trotz ihrer
medienrechtlichen Zulassung nicht unmittelbar auf die
Steuerbefreiung für öffentliche Fernsehanstalten (Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. q der Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Denn
Tätigkeiten mit „gewerblichem Charakter“
sind von dieser Steuerbefreiung generell ausgenommen. Im Streitfall
ist vom gewerblichen Charakter des Bezahlfernsehens auszugehen.
b) Auch der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz
der Neutralität der Mehrwertsteuer gebietet nicht, das
Bezahlfernsehen der Klägerin ermäßigt zu
besteuern.
aa) Art. 12 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie
77/388/EWG in der für das Streitjahr geltenden Fassung
lautete: „Bestimmte Lieferungen und bestimmte
Dienstleistungen können jedoch erhöhten oder
ermäßigten Sätzen unterworfen werden.“
Soweit sich die Klägerin auf Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m.
Anhang H Nr. 7 der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie
92/77/EWG des Rates vom 19.10.1992 zur Ergänzung des
gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der
Richtlinie 77/388/EWG - Annäherung der
Mehrwertsteuer-Sätze - (ABlEG Nr. L 316, S. 1) beruft, galt
diese Bestimmung im Streitjahr noch nicht.
Art. 12 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie
77/388/EWG in der für das Streitjahr geltenden Fassung
enthielt demnach eine sehr weit gefasste Ermächtigung der
Mitgliedstaaten zur Anwendung ermäßigter
Steuersätze.
bb) Jedoch verbot es auch unter der Geltung
dieser Bestimmung der Grundsatz der Neutralität, gleichartige
und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder
Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu
behandeln, so dass auf solche Waren oder Dienstleistungen ein
einheitlicher Steuersatz anzuwenden war (EuGH-Urteile vom 3.5.2001
C-481/98, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-3369 = SIS 01 07 76,
Randnr. 21 ff.; vom 11.10.2001 C-267/99, Adam, Slg. 2001, I-7467 =
SIS 01 13 15, Randnr. 36; vgl. auch Urteil vom 23.10.2003 Rs.
C-109/02, Kommission/Deutschland, BStBl II 2004, 337, 482 = SIS 04 01 30, Randnr. 20, zu den im Streitjahr noch nicht in Kraft
getretenen Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 3 und Anhang H Nr. 7 der
Richtlinie 77/388/EWG n.F.).
cc) Im Streitfall gebietet der Grundsatz der
Neutralität nicht deswegen eine Steuerermäßigung
für Fernsehsendungen, weil Filmvorführungen
ermäßigt besteuert werden. Insoweit handelt es sich -
wie unter II. 2. c dargestellt - nicht um gleichartige Leistungen,
die gleich besteuert werden müssten.
dd) Der Grundsatz der Neutralität
gebietet auch nicht deswegen eine Steuerermäßigung
für die Leistungen des Bezahlfernsehens, weil die
öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten - wie die
Klägerin meint, zu Unrecht - vom BVerfG als Nichtunternehmer
beurteilt worden sind. Denn es liegen - wie unter II. 2. d
dargestellt - keine gleichartigen Leistungen vor, die gleich
besteuert werden müssten.
Dies gilt auch gemeinschaftsrechtlich, wie
Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 und 4, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. q
und Anhang D Nr. 13 der Richtlinie 77/388/EWG zweifelsfrei
bestätigen. Grundversorgung und Bezahlfernsehen sind danach
gemeinschaftsrechtlich keine gleichartigen Leistungen, die gleich
besteuert werden müssten; denn der Gemeinschaftsgesetzgeber
führt in diesen Bestimmungen die
„Grundversorgung“ der Bevölkerung und
gewerbliche Fernsehdienstleistungen einer unterschiedlichen
Besteuerung zu: Die „Grundversorgung“ ist
steuerfrei zu belassen, während Fernsehleistungen mit
gewerblichem Charakter steuerpflichtig sind.
Es handelt sich somit um eine Differenzierung
nach der Art der Leistung und nicht - wie die Klägerin meint -
nach der Organisationsform des Leistenden. Ein Mitgliedstaat darf
die öffentliche Hand - hier: eine öffentlich-rechtliche
Rundfunkanstalt - gemeinschaftsrechtlich jedenfalls insoweit als
Nichtunternehmer ansehen, als sie - hier: nach Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. q der Richtlinie 77/388/EWG - steuerfreie Leistungen
erbringt (vgl. EuGH-Urteil vom 6.2.1997 C-247/95, Marktgemeinde
Welden, Slg. 1997, I-779, UVR 1997, 130 = SIS 97 17 39 mit Anm.
Wagner); für nicht unbedeutende Leistungen im Sinne des
Anhangs D (hier: Nr. 13) der Richtlinie 77/388/EWG hingegen ist sie
gemeinschaftsrechtlich als Unternehmer anzusehen.
Würden z.B. die
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zukünftig -
entgegen dem Verbot in § 13 Abs. 1 Satz 2 des
Rundfunkstaatsvertrages - Programme gegen Entgelt ausstrahlen,
wären sie diesbezüglich gemeinschaftsrechtlich (Art. 4
Abs. 5 Unterabs. 3, Anhang D Nr. 13 der Richtlinie 77/388/EWG)
Unternehmer; ihr Bezahlfernsehen wäre steuerbar und
steuerpflichtig und unterläge, da die Bundesrepublik
Deutschland von der Ermächtigung in Anhang H Nr. 7 der
Richtlinie 77/388/EWG keinen Gebrauch gemacht hat, der Besteuerung
mit dem allgemeinen Steuersatz.
c) Da der Senat demnach den
gemeinschaftsrechtlichen Ausgangspunkt der Klägerin nicht
teilt, erübrigt sich mangels Entscheidungserheblichkeit eine
Anrufung des EuGH nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften (EGV) zu den von ihr aufgeworfenen
Fragen. Auch zur Frage, ob im Streitfall gleichartige Leistungen
vorliegen oder nicht, bedarf es nach den Grundsätzen des EuGH
keiner Vorabentscheidung (z.B. EuGH-Urteile vom 6.10.1982 Rs.
283/81, C.I.L.F.I.T. u.a., Slg. 1982, 3415; vom 15.9.2005 C-495/03,
Intermodal Transports, BFH/NV 2006, Beilage 1, 43 = SIS 05 46 18,
Randnr. 33). Denn durch die Rechtsprechung des EuGH ist bereits
geklärt, dass im Rahmen der gerichtlichen Zusammenarbeit nach
Art. 234 EGV die Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf den
Einzelfall den nationalen Gerichten obliegt (EuGH-Urteile vom
27.3.1963 in den verbundenen Rechtssachen 28/62 bis 30/62, Da
Costa, Slg. 1963, 60; zusammenfassend Gaitanides in von der
Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die
Europäische Union und Vertrag zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft, Art. 234 EGV Rz. 30 ff.). Die
Prüfung der Frage, ob unter Berücksichtigung der
konkreten Umstände des Einzelfalls und der Rechtsprechung des
EuGH ein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der
Mehrwertsteuer vorliegt, ist danach Sache der nationalen Gerichte
(z.B. EuGH-Urteil vom 12.1.2006 C-246/04 = SIS 06 10 92, Turn- und
Sportunion Waldburg, noch nicht veröffentlicht, Randnr. 46, zu
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG; vgl.
auch EuGH-Urteil Adam in Slg. 2001, I-7467, Randnr. 40).