Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20.07.2022 - 10 K 686/20 F =
SIS 22 19 99 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
Außergerichtliche Kosten der
Beigeladenen werden nicht erstattet.
1
|
I. Streitig ist bei der
Steuerermäßigung für Einkünfte aus
Gewerbebetrieb nach § 35 des Einkommensteuergesetzes in der im
Jahr 2018 (Streitjahr) geltenden Fassung (EStG), ob bei einem vom
Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ein nach dem Ende des
Wirtschaftsjahrs, aber noch vor Ende des Kalenderjahrs
ausgeschiedener Mitunternehmer zu berücksichtigen ist.
|
|
|
2
|
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine KG, an der im Jahr ihrer Gründung
2004 neben der Komplementärin (V-GmbH) als Kommanditist H
beteiligt war. Die Gesellschafter der Klägerin sind an deren
Ergebnis nach dem Verhältnis ihrer Anteile an dem Festkapital
der Klägerin beteiligt. Das Festkapital der Klägerin
beträgt 26.000 EUR, die V-GmbH ist daran mit einer Einlage von
1.000 EUR (entspricht 3,85 %), H war mit 25.000 EUR (entspricht
96,15 %) beteiligt. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn
für Wirtschaftsjahre vom 01.07. bis zum 30.06. In § 18
Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin ist unter anderem
geregelt, dass die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters mit
den Erben fortgesetzt wird, wenn es sich hierbei um den Ehegatten
oder einen Abkömmling handelt.
|
|
|
3
|
Am xx.08.2018 verstarb H. Er wurde je zur
Hälfte beerbt von seiner Ehefrau I (Beigeladene zu 1.) und von
seiner Tochter S (Beigeladene zu 2.). Am yy.01.2019 wurden I und S
mit einer Kommanditeinlage von je 12.500 EUR im Wege der
Sondererbfolge nach H als Kommanditisten der Klägerin in das
Handelsregister eingetragen.
|
|
|
4
|
Für das Streitjahr gab die
Klägerin am 12.08.2019 eine Erklärung zur gesonderten und
einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die
Einkommensbesteuerung ab. Als Feststellungsbeteiligte benannte sie
die V-GmbH sowie H.
|
|
|
5
|
Am 10.10.2019 erließ der Beklagte und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) den Bescheid für 2018
über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) und des
verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG. Als
Feststellungsbeteiligte wurden neben der V-GmbH der
„Gesamtrechtsnachfolger/in nach“ H
aufgeführt. In den Erläuterungen des Bescheids wurde
darauf hingewiesen, dass H verstorben und von I und S beerbt worden
sei.
|
|
|
6
|
Ebenfalls am 10.10.2019 erließ das FA
einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2018
für die Klägerin (Feststellung nach § 35 Abs. 2
EStG). Darin wurde der Gewerbesteuermessbetrag von 3.465 EUR
aufgeteilt auf die V-GmbH (133,40 EUR), I (1.665,80 EUR) und S
(1.665,80 EUR). Die für den Feststellungszeitraum
tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer der Klägerin von
16.979 EUR wurde ebenfalls aufgeteilt auf die V-GmbH (653,70 EUR),
I (8.162,65 EUR) und S (8.162,65 EUR).
|
|
|
7
|
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch zum
Finanzgericht (FG) Düsseldorf erhobenen Klage verfolgte die
Klägerin das Ziel der Zurechnung der
Gewerbesteuermessbeträge an H weiter.
|
|
|
8
|
Das FG gab der Klage mit Urteil vom
20.07.2022 - 10 K 686/20 F überwiegend statt. Es änderte
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung
nach § 35 Abs. 2 EStG vom 10.10.2019 insoweit, als I und S
nicht selbst als Feststellungsbeteiligte aufzunehmen seien, sondern
ihnen als Miterben nach H ein Anteil an dem Gewerbesteuermessbetrag
von 3.331,60 EUR sowie eine anteilig tatsächlich zu zahlende
Gewerbesteuer von 16.325,30 EUR zuzuweisen sei. Im Übrigen
wies das FG die Klage hinsichtlich des Gewinnfeststellungsbescheids
und der Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG ab. Die Revision
ließ es nur wegen der gesonderten und einheitlichen
Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG zu.
|
|
|
9
|
Das FA rügt mit seiner Revision die
Verletzung von Bundesrecht, insbesondere eine fehlerhafte Anwendung
des § 35 Abs. 2 EStG durch das FG. Das FA habe in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) in den Urteilen vom 14.01.2016 - IV R 5/14 (BFHE 253, 67,
BStBl II 2016, 875 = SIS 16 09 17) und vom 14.01.2016 - IV R 48/12
= SIS 16 11 40 die Zurechnung des Gewerbesteuermessbetrags und der
tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer auf die am Ende des
Erhebungszeitraums an der Klägerin beteiligten Mitunternehmer
I und S vorgenommen. An dieser Rechtsprechung sei auch im Fall
eines abweichenden Wirtschaftsjahrs festzuhalten und auf die
Verhältnisse zum Ende des Erhebungszeitraums am 31.12.
abzustellen.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt,
|
|
das Urteil des FG Düsseldorf vom
20.07.2022 - 10 K 686/20 F insoweit aufzuheben, als es der Klage
gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 35
Abs. 2 EStG für 2018 stattgegeben hat, und die Klage auch
insoweit abzuweisen.
|
|
|
11
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid
über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2018 nach § 35
Abs. 2 EStG. Hierin enthalten ist die Feststellung des
Gewerbesteuermessbetrags, der tatsächlich zu zahlenden
Gewerbesteuer (§ 35 Abs. 4 EStG) und der auf die einzelnen
Mitunternehmer entfallenden Anteile. Dieser Feststellungsbescheid
ist ein eigenständiger Verwaltungsakt. Er kann - muss aber
nicht - als Sammelbescheid zusammen mit dem
Gewinnfeststellungsbescheid (nach § 179 Abs. 2 Satz 2, §
180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung) ergehen
(BFH-Urteile vom 14.01.2016 - IV R 5/14, BFHE 253, 67, BStBl II
2016, 875 = SIS 16 09 17, Rz 26; vom 28.10.2021 - IV R 12/19 = SIS 22 00 59, Rz 15).
|
|
|
14
|
Im Streitfall sind beide Bescheide isoliert
voneinander erlassen worden. Das FG hat über beide Bescheide
entschieden und die Revision nur bezogen auf seine Entscheidung
über den Feststellungsbescheid nach § 35 Abs. 2 EStG
zugelassen. Nur dieser Bescheid ist Gegenstand des
Revisionsverfahrens.
|
|
|
15
|
2. Die zulässige Revision des FA ist als
unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das
FG hat zu Recht die Zulässigkeit der auf Abänderung des
Feststellungsbescheids nach § 35 Abs. 2 EStG gerichteten Klage
bejaht (dazu unter a) und zutreffend der Klage in der Sache
stattgegeben (dazu unter b).
|
|
|
16
|
a) Die Klage ist zulässig.
|
|
|
17
|
aa) Die Klägerin ist klagebefugt.
|
|
|
18
|
Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a FGO
i.d.F. des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22.12.2023
(BGBl 2023 I Nr. 411; zur Anwendbarkeit für Verfahren, die bei
Inkrafttreten der Norm am 01.01.2024 bereits anhängig sind, s.
BFH-Urteil vom 08.08.2024 - IV R 1/20, BStBl II 2025, 122 = SIS 24 16 62, Rz 25) ist die Klägerin als rechtsfähige
Personenvereinigung zur Klageerhebung gegen Bescheide über die
gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
befugt.
|
|
|
19
|
bb) Die Klage ist als Anfechtungsklage in
Gestalt der Abänderungsklage statthaft.
|
|
|
20
|
Nach § 40 Abs. 1 FGO kann mit einer
Anfechtungsklage die Aufhebung oder in den Fällen des §
100 Abs. 2 FGO auch die Änderung eines Verwaltungsakts durch
das Gericht begehrt werden; für eine Verurteilung zum Erlass
eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts ist die
Verpflichtungsklage statthaft.
|
|
|
21
|
Wie das FG zutreffend entschieden hat, handelt
es sich bei dem Begehren, einen Anteil an einem
Gewerbesteuermessbetrag sowie an der tatsächlich zu zahlenden
Gewerbesteuer gemäß § 35 Abs. 2, Abs. 4 EStG
für eine Steuerermäßigung zugeordnet zu erhalten,
das die Finanzbehörde zunächst im Rahmen einer
Sachentscheidung abgelehnt hat, um ein Anfechtungsbegehren,
gerichtet auf Abänderung des erlassenen Verwaltungsakts (vgl.
BFH-Urteil vom 22.09.2011 - IV R 8/09, BFHE 235, 287, BStBl II
2012, 183 = SIS 11 37 31, Rz 18).
|
|
|
22
|
b) Das FG hat der Klage auch in der Sache zu
Recht stattgegeben.
|
|
|
23
|
Für die Aufteilung des
Steuerermäßigungsbetrags waren der Steuermessbetrag
sowie die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen
Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des abweichenden
Wirtschaftsjahrs am 30.06.2018 an der Klägerin beteiligt
waren. Dazu gehörte neben der Komplementärin V-GmbH auch
der erst nach diesem Zeitpunkt durch Tod ausgeschiedene
Kommanditist H; die Beigeladenen I und S sind lediglich als dessen
Sonderrechtsnachfolger Adressaten der geänderten
Feststellung.
|
|
|
24
|
aa) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert
um die sonstigen Steuerermäßigungen mit Ausnahme von
§§ 34f, 34g, 35a EStG, soweit sie anteilig auf im zu
versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte
entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag), bei
Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer im Sinne des
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG um das 3,8-Fache des jeweils
für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden
Erhebungszeitraum festgesetzten anteiligen
Gewerbesteuermessbetrags. Der Abzug des
Steuerermäßigungsbetrags ist nach § 35 Abs. 1 Satz
5 EStG auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer
beschränkt.
|
|
|
25
|
Bei Mitunternehmerschaften im Sinne des §
15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist nach § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG
der Betrag des Gewerbesteuermessbetrags, die tatsächlich zu
zahlende Gewerbesteuer und der auf die einzelnen Mitunternehmer
entfallende Anteil gesondert und einheitlich festzustellen. Der
Anteil eines Mitunternehmers richtet sich nach seinem Anteil am
Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssels; Vorabgewinnanteile sind nicht zu
berücksichtigen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 EStG).
|
|
|
26
|
Für die Ermittlung der
Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 EStG sind die
Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, die Feststellung des
Anteils an dem festzusetzenden Gewerbesteuermessbetrag nach §
35 Abs. 2 Satz 1 EStG und die Festsetzung der Gewerbesteuer
Grundlagenbescheide (§ 35 Abs. 3 Satz 2 EStG). Für die
Ermittlung des anteiligen Gewerbesteuermessbetrags nach § 35
Abs. 2 EStG sind die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und
die Festsetzung des anteiligen Gewerbesteuermessbetrags aus der
Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft Grundlagenbescheide
(§ 35 Abs. 3 Satz 3 EStG). Für die Aufteilung und die
Feststellung der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer bei
Mitunternehmerschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG gelten § 35 Abs. 2 und Abs. 3 EStG entsprechend (§
35 Abs. 4 EStG).
|
|
|
27
|
bb) Wie der BFH bereits entschieden hat,
knüpft die § 35 EStG zugrunde liegende gesetzgeberische
Typisierung, die Verteilung anhand des allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssels vorzunehmen (§ 35 Abs. 2 Satz
2 EStG), maßgeblich an die Steuerschuldnerschaft der
Personengesellschaft an. Schuldner der Gewerbesteuer ist
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes
(GewStG) die (Personen-)Gesellschaft. Die Gewerbesteuer mindert
folglich den Gesamthandsgewinn der Personengesellschaft, der nach
dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten
Gewinnverteilungsschlüssel den Gesellschaftern zugewiesen
wird. Insoweit trifft der Aufwand alle Gesellschafter auf der
Grundlage des gesellschaftsvertraglichen
Gewinnverteilungsschlüssels (BFH-Urteile vom 14.01.2016 - IV R
5/14, BFHE 253, 67, BStBl II 2016, 875 = SIS 16 09 17, Rz 36; vom
14.01.2016 - IV R 48/12 = SIS 16 11 40, Rz 31). In seinen Urteilen
vom 14.01.2016 - IV R 5/14 (BFHE 253, 67, BStBl II 2016, 875 = SIS 16 09 17) und vom 14.01.2016 - IV R 48/12 = SIS 16 11 40 hat der
BFH aus der Anknüpfung an die Steuerschuldnerschaft der
Personengesellschaft gefolgert, dass der allgemeine
Gewinnverteilungsschlüssel als Maßstab der Aufteilung
für die Ermittlung der Steuerermäßigung für
den Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbesteuer am Ende des
gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums zu bestimmen sei.
|
|
|
28
|
cc) Die diesen Urteilen zugrunde liegenden
Fallkonstellationen betrafen kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahre.
Nicht zu entscheiden hatte der BFH bislang über den zeitlichen
Bezugspunkt des Verteilungsmaßstabs in § 35 Abs. 2 Satz
2 EStG in einem Fall wie dem Streitfall, der ein vom Kalenderjahr
abweichendes Wirtschaftsjahr betrifft.
|
|
|
29
|
Zu Recht hat das FG entschieden, dass unter
Berücksichtigung auch derartiger Fälle letztlich nicht
auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums
abzustellen ist, sondern auf das Ende des jeweiligen
Wirtschaftsjahrs. Mit dem FG geht der BFH daher nunmehr davon aus,
dass zeitlicher Bezugspunkt des allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssels als maßgeblicher
Verteilungsmaßstab in § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG stets das
Ende des Wirtschaftsjahrs ist, das der Ermittlung des
Gewerbeertrags für den jeweiligen Erhebungszeitraum zugrunde
lag. Dieser modifizierte Ansatz führt in den Fällen eines
kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahrs zu keinem anderen Ergebnis
als bisher, da hier das Ende des Wirtschaftsjahrs mit dem Ende des
Erhebungszeitraums zusammenfällt (Ende des Kalenderjahrs); er
führt aber zugleich auch für vom Kalenderjahr abweichende
Wirtschaftsjahre zu einem sachgerechten Ergebnis.
|
|
|
30
|
(1) Grundsätzlich sollen nur solche
Gesellschafter die Ermäßigung nach § 35 EStG
erhalten, deren Einkünfte wirtschaftlich mit Gewerbesteuer
belastet sind. Es entspricht allerdings dem typisierenden und damit
auch von Vereinfachungsgesichtspunkten getragenen gesetzgeberischen
Konzept des § 35 EStG, den Anteil eines Mitunternehmers am
Gewerbesteuermessbetrag, der sich nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG
nach seinem Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach
Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels
richtet, nicht entsprechend der tatsächlichen
Zugehörigkeit des einzelnen Mitunternehmers, sondern
typisierend auf einen bestimmten Stichtag bezogen zu ermitteln
(vgl. BFH-Urteil vom 14.01.2016 - IV R 5/14, BFHE 253, 67, BStBl II
2016, 875 = SIS 16 09 17, Rz 34 ff., 52).
|
|
|
31
|
Eine Typisierung muss jedoch den typischen
Fall als Leitbild wählen (vgl. z.B. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 28.11.2023 - 2 BvL 8/13, BVerfGE 168,
1 = SIS 24 01 44, Rz 152). Der Stichtag für die Anwendung des
allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels muss danach so
gewählt sein, dass sowohl bei kalenderjahrgleichem wie auch
bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr jedenfalls
eine teilweise Identität und damit ein teilweiser Gleichlauf
besteht zwischen denjenigen Mitunternehmern, die den
erwirtschafteten Gewinn versteuern müssen, und denjenigen
Mitunternehmern, die angesichts der Gewerbesteuerbelastung der
Gesellschaft eine Steuerermäßigung erhalten. Das ist bei
einem Abstellen auf das Ende des Erhebungszeitraums bei einem vom
Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr jedoch nicht der Fall.
Dieser Stichtag steht zu dem abweichenden Wirtschaftsjahr (und
dessen Bilanzstichtag) in keinerlei Beziehung. Stellt man hingegen
für die Bestimmung des Anteils eines Mitunternehmers am
Gewerbesteuermessbetrag stets auf den allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssel am Ende des jeweiligen
Wirtschaftsjahrs ab, erhalten zwar - als Folge der
stichtagsbezogenen Typisierung - auch bei einem vom Kalenderjahr
abweichenden Wirtschaftsjahr vor dessen Ablauf ausgeschiedene
Mitunternehmer keinen Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zugeordnet.
Ebenso wie im Fall des kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahrs werden
jedoch diejenigen Mitunternehmer berücksichtigt, die am Ende
des Wirtschaftsjahrs an der Mitunternehmerschaft noch beteiligt
waren und erst danach ausgeschieden sind. Insoweit besteht in
beiden Fällen jedenfalls Teilidentität zwischen
denjenigen Mitunternehmern, die den erwirtschafteten Gewinn
versteuern müssen, und denjenigen Mitunternehmern, die
angesichts der Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft eine
Steuerermäßigung erhalten.
|
|
|
32
|
(2) Auch die Systematik des
Einkommensteuergesetzes und des Gewerbesteuergesetzes in Bezug auf
abweichende Wirtschaftsjahre spricht dafür, den zeitlichen
Bezugspunkt des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels als
maßgeblichen Verteilungsmaßstab in § 35 Abs. 2
Satz 2 EStG stets auf das Ende des Wirtschaftsjahrs zu bestimmen,
das der Ermittlung des Gewerbeertrags für den jeweiligen
Erhebungszeitraum zugrunde lag.
|
|
|
33
|
§ 35 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG
bestimmt den „Gewinn der
Mitunternehmerschaft“ zum maßgebenden
Ausgangspunkt für die anteilige Zuordnung der
Ermäßigung nach der angefallenen Gewerbesteuer auf die
Mitunternehmer. Dieser Gewinn einer Mitunternehmerschaft wird stets
nach dem Wirtschaftsjahr ermittelt (§ 4a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Sowohl das Einkommensteuer- als auch das Gewerbesteuerrecht stellen
zwar für das Entstehen der Steuer auf das Ende des
Kalenderjahrs ab (§ 25 Abs. 1 EStG, §§ 18, 14 Satz 2
GewStG). Das von einem Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr
wird jedoch sowohl im Einkommensteuer- als auch im
Gewerbesteuerrecht nach Maßgabe seines Endes zugeordnet: Die
im abweichenden Wirtschaftsjahr erzielten Gewinne und
Gewerbeerträge werden als in dem Kalenderjahr beziehungsweise
Erhebungszeitraum bezogen fingiert, in dem das Wirtschaftsjahr
endet (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 10 Abs. 2 GewStG).
Veränderungen bei dem Gewinn oder dem Gewerbeertrag im
Zeitraum zwischen dem Ende des abweichenden Wirtschaftsjahrs und
dem Ende des Kalenderjahrs werden hierbei dem nächsten
Kalenderjahr beziehungsweise Erhebungszeitraum zugewiesen.
|
|
|
34
|
Es fügt sich in diese gesetzliche
Systematik der steuerlichen Berücksichtigung der
Gewinnermittlung bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr ein, wenn
danach für Zwecke des § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG auf den
Gewinnverteilungsschlüssel am Ende des (gegebenenfalls
abweichenden) Wirtschaftsjahrs abgestellt wird.
|
|
|
35
|
(3) Für ein Abstellen auf das Ende des
Wirtschaftsjahrs spricht schließlich auch eine in § 35
Abs. 3 Satz 3 EStG zum Ausdruck kommende verfahrensrechtliche
Verknüpfung. Danach ist die Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrags Grundlagenbescheid für die Aufteilung
desselben. Da es wegen der Bezugsfiktion des § 10 Abs. 2
GewStG für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags auf
die Verhältnisse zum Ende des abweichenden Wirtschaftsjahrs
ankommt, ist es systemkonform, auch für seine Aufteilung auf
diesen Zeitpunkt abzustellen.
|
|
|
36
|
dd) Die hiergegen erhobenen Einwendungen des
FA greifen nicht durch. So steht ein Mehraufwand für die
Finanzverwaltung, der mit einer (erneuten) Anpassung der
Datenverarbeitung für den Fall der Ermäßigung bei
einem abweichenden Wirtschaftsjahr verbunden ist, der oben
ausgeführten Fortentwicklung der Rechtsprechung nicht
entgegen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
haben die Vertreter des FA erklärt, dass die erforderliche
Anpassung der Datenverarbeitung technisch machbar sei. Es bestehen
keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Aufwand
unverhältnismäßig sein könnte.
|
|
|
37
|
Wie die Ermäßigung zu ermitteln
ist, wenn in einem Erhebungszeitraum zwei Wirtschaftsjahre enden
(abweichendes Wirtschaftsjahr mit anschließendem
Rumpfwirtschaftsjahr durch Umstellung auf das kalenderjahrgleiche
Wirtschaftsjahr), hat der Senat im Streitfall nicht zu
entscheiden.
|
|
|
38
|
ee) Waren danach für die Aufteilung des
Steuerermäßigungsbetrags der Steuermessbetrag sowie die
tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen
Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des abweichenden
Wirtschaftsjahrs am 30.06.2018 an der Klägerin beteiligt
waren, hat das FG den angefochtenen Feststellungsbescheid nach
§ 35 Abs. 2 EStG insoweit zutreffend dahin geändert, dass
I und S nicht selbst als Feststellungsbeteiligte, sondern in ihrer
Funktion als Rechtsnachfolger des H zu erfassen sind. Da dies
zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht, sieht der Senat
insoweit von weiteren Ausführungen ab.
|
|
|
39
|
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2, § 139 Abs. 4 FGO. Die Beigeladenen haben keine
Sachanträge gestellt oder das Verfahren anderweitig wesentlich
gefördert, so dass eine Erstattung ihrer
außergerichtlichen Kosten nicht angezeigt ist.
|