Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.08.2020 - 15 K
10223/18 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) beantragte bei der Beklagten und
Revisionsklägerin (Deutsche Rentenversicherung Bund –
Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen - ZfA - ),
für in den Jahren 2015 bis 2017 beabsichtigte Sondertilgungen
eines für die Anschaffung einer Wohnung aufgenommenen
Darlehens aus ihrem zertifizierten Altersvorsorgevertrag einen
Betrag von insgesamt 10.350 EUR verwenden zu dürfen.
Entsprechend dem beigefügten Darlehensvertrag war
jährlich eine Sondertilgung in Höhe von 5 % der
ursprünglichen Darlehenssumme von 69.000 EUR möglich.
Laufende Tilgungszahlungen musste die Klägerin nicht
erbringen.
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Durch Gestattungsbescheid vom 15.06.2015
teilte die ZfA der Klägerin mit, sie könne einen Betrag
bis zu einer Höhe von 10.350 EUR aus ihrem
Altersvorsorgevertrag für Sondertilgungen für die Jahre
2015 bis 2017 verwenden. In diesem Bescheid wies die ZfA zudem
darauf hin, dass der Entnahmevorgang und die
wohnungswirtschaftliche Verwendung in einem unmittelbaren
zeitlichen Zusammenhang erfolgen müssten. Dieser sei gewahrt,
wenn die beabsichtigte Darlehnstilgung innerhalb von zwölf
Monaten nach der ggf. ersten Kapitalauszahlung vorgenommen werde.
Werde der Zeitrahmen nicht eingehalten, könne eine
schädliche Verwendung des entnommenen Kapitals vorliegen. Der
Gestattungsbescheid ergehe insoweit unter der auflösenden
Bedingung, dass die Klägerin die wohnungswirtschaftliche
Verwendung des entnommenen Altersvorsorgevermögens
nachweise.
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Die Anbieterin zahlte das Kapital aus dem
Altersvorsorgevertrag am 09.07.2015 an die Klägerin aus. Diese
leistete am 14.07.2015 für 2015, am 03.02.2016 für 2016
und am 12.06.2017 für 2017 jeweils eine Sondertilgung in
Höhe von 3.450 EUR.
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Mit Bescheid vom 17.08.2017 stellte die ZfA
die teilweise Unwirksamkeit des Gestattungsbescheids
rückwirkend zum Zeitpunkt seines Erlasses fest. Die
Sondertilgung für 2017 sei nicht mehr im unmittelbaren
zeitlichen Zusammenhang zur Auszahlung des Kapitals erfolgt, so
dass insoweit eine schädliche Verwendung vorliege. Den von der
Klägerin eingelegten Einspruch gegen den Feststellungsbescheid
wies die ZfA als unbegründet zurück und setzte mit
Bescheid vom 07.05.2018 aufgrund der schädlichen Verwendung
einen Rückzahlungsbetrag in Höhe von 1.641,05 EUR
fest.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage führte zur Aufhebung des
Rückforderungsbescheids (EFG 2021, 847). Das Finanzgericht
(FG) verneinte eine schädliche Verwendung, da entgegen der
Annahme der ZfA auch das für die Sondertilgung 2017 entnommene
Kapital für wohnungswirtschaftliche Zwecke verwendet worden
sei. Entgegen der Ansicht der ZfA erfordere die
wohnungswirtschaftliche Verwendung durch Darlehenstilgung keine
Unmittelbarkeit. Zwar sei der Wortlaut des § 92a Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht eindeutig. Ausgehend
von der Gesetzeshistorie müsse aber davon ausgegangen werden,
dass eine Unmittelbarkeit nur für die wohnungswirtschaftliche
Verwendung des entnommenen Altersvorsorgevermögens zur
Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung nötig sei.
Darüber hinaus sei es treuwidrig, wenn sich die ZfA auf eine
fehlende Unmittelbarkeit berufe, obwohl ihr aufgrund der
vorgelegten Unterlagen klar gewesen sein müsse, dass ein Teil
der bewilligten Entnahme nicht zeitgerecht habe verwendet werden
können. Auch liege keine schädliche Verwendung aufgrund
der teilweisen Feststellung der Unwirksamkeit des
Gestattungsbescheids vor, da diese Feststellung kein
Grundlagenbescheid für den streitgegenständlichen
Rückforderungsbescheid darstelle.
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Mit ihrer Revision macht die ZfA geltend,
weder sei die Sondertilgung für 2017 im unmittelbaren
zeitlichen Zusammenhang zur Kapitalauszahlung erfolgt noch habe die
ZfA durch den Erlass des Rückforderungsbescheids treuwidrig
gehandelt. Unzutreffend gehe das FG davon aus, dass das
Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit nur auf die Anschaffung oder
Herstellung in § 92a Abs. 1 Satz 1 EStG zu beziehen sei. Schon
die erste Fassung des § 92a EStG habe eine unmittelbare
Verwendung für die Anschaffung oder Herstellung einer selbst
genutzten Wohnimmobilie vorgesehen. Die später
eingeführte Entschuldungsvariante sei erkennbar sprachlich
durch das Wort „oder“ hiermit verbunden
worden. Daran habe der Gesetzgeber bislang nichts geändert.
Die Tilgungsmöglichkeit sei lediglich auf den Zeitraum der
Ansparphase erweitert worden. Der Wille des Gesetzgebers gehe
dahin, das Erfordernis einer zeitlichen Nähe zwischen der
Entnahme und der Verwendung des Altersvorsorgekapitals für
alle drei Varianten (Anschaffung, Herstellung, Tilgung) einheitlich
zu regeln. Auch sei sicherzustellen, dass eine zweckwidrige
Verwendung des entnommenen Kapitals ausgeschlossen werde. Nur ein
vorgegebener zeitlicher Rahmen gewährleiste die gesetzlich
vorgesehene Überprüfung der Verwendung.
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Die ZfA beantragt,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Sie schließt sich den
Ausführungen im finanzgerichtlichen Urteil an und vertieft ihr
Vorbringen aus dem Klageverfahren.
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II. Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§
126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Der angefochtene Bescheid über die
Festsetzung des Rückzahlungsbetrags (nachfolgend
vereinfachend:
„Rückforderungsbescheid“)
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten. Die rechtliche Beurteilung des
Rückforderungsbescheids ist nicht davon abhängig, ob
zwischenzeitlich die teilweise Unwirksamkeit des vorangegangenen
Gestattungsbescheids festgestellt oder eine solche Feststellung
wieder aufgehoben worden ist (dazu unten 1.). Auch in der
Tilgungsvariante des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG muss die
Verwendung des geförderten Altersvorsorgekapitals für
wohnungswirtschaftliche Zwecke eine unmittelbare sein (unten 2.).
Vorliegend stellt die im Juni 2017 vorgenommene Sondertilgung - wie
von der ZfA angenommen - keine unmittelbare Verwendung des bereits
im Juli 2015 ausgezahlten Altersvorsorgekapitals dar (unten 3.).
Die Grundsätze von Treu und Glauben stehen der
Rückforderung der Altersvorsorgezulage nicht entgegen (unten
4.).
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1. Ob die ZfA die teilweise Unwirksamkeit des
Feststellungsbescheids festgestellt hat oder ob ein solcher
Feststellungsbescheid - wie die Klägerin behauptet -
später wieder aufgehoben worden ist, ist für die
Beurteilung der Wirksamkeit und Rechtsmäßigkeit des
vorliegend allein streitgegenständlichen
Rückforderungsbescheids ohne Belang.
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a) Zwar ist die ZfA befugt, die Unwirksamkeit
des gemäß § 92b Abs. 1 EStG ergangenen Bescheids
über die Gestattung der wohnungswirtschaftlichen Verwendung
geförderten Altersvorsorgekapitals durch Verwaltungsakt
festzustellen, auch wenn hierfür keine ausdrückliche
Ermächtigung im Gesetz zu finden ist und für den Senat
auch (weiterhin) nicht erkennbar ist, welcher eigenständige
Regelungszweck mit einem solchen Feststellungsbescheid verfolgt
werden könnte (vgl. bereits Senatsurteil vom 12.02.2020 - X R
28/18, BFHE 268, 218, BStBl II 2020, 496 = SIS 20 07 70, Rz 16
ff.).
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b) Für die hier zu beurteilende
Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheids wegen
schädlicher Verwendung geförderten
Altersvorsorgevermögens (§ 93 Abs. 1 i.V.m. § 94
Abs. 2 EStG) ist jedoch entscheidend, dass einem Bescheid über
die Feststellung der (teilweisen) Unwirksamkeit des
Gestattungsbescheids insoweit keine inhaltliche Bindungswirkung
zukommt. Denn die rechtlichen Wirkungen eines Bescheids über
die Gestattung der wohnungswirtschaftlichen Verwendung
geförderten Altersvorsorgekapitals nach § 92b EStG, auf
den sich der Feststellungsbescheid bezieht, sind darauf
beschränkt, dem Zulageberechtigten zu gestatten und dem
Anbieter mitzuteilen, dass Altersvorsorgekapital für einen
bestimmten Zweck förderunschädlich ausgezahlt und genutzt
werden kann (Senatsbeschluss vom 23.05.2016 - X R 54/13, BFH/NV
2016, 1457 = SIS 16 18 95, Rz 21 f.). Weicht die spätere
tatsächliche Verwendung des geförderten
Altersvorsorgekapitals durch den Zulageberechtigten von den
gesetzlichen Voraussetzungen einer wohnungswirtschaftlichen
Verwendung ab, hat ein Rückforderungsbescheid unabhängig
davon zu ergehen, ob der Gestattungsbescheid noch wirksam ist. Denn
im vorangegangenen Gestattungsbescheid konnte naturgemäß
eine spätere abweichende tatsächliche Verwendung noch
nicht beurteilt werden, so dass sich dessen Regelungsgehalt nicht
hierauf beziehen kann.
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2. Gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 EStG kann der Zulageberechtigte das in einem
Altersvorsorgevertrag gebildete und geförderte Kapital - unter
weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen - bis zum Beginn
der Auszahlungsphase unmittelbar für die Anschaffung oder
Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck
aufgenommenen Darlehens verwenden. Das gesetzliche
Unmittelbarkeitserfordernis gilt dabei nicht nur in Fällen der
Verwendung geförderten Altersvorsorgekapitals für die
Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung, sondern auch für
die Tilgung eines zur Finanzierung der Anschaffung oder Herstellung
aufgenommenen Darlehens.
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a) Der Gesetzeswortlaut ist insoweit
allerdings nicht eindeutig. Nur in Bezug auf die erste
Tatbestandsvariante („für die
Anschaffung“) steht sprachlich
zweifelsfrei fest, dass die Verwendung insoweit
„unmittelbar“ sein muss. Schon
die zweite Tatbestandsvariante
(„Herstellung“) ist durch die
Konjunktion „oder“ von der ersten
Variante abgetrennt, ohne dass jedoch das Adjektiv
„unmittelbar“ wiederholt wird.
Gleiches gilt für die dritte Tatbestandsvariante
(„zur Tilgung“). Der
Gesetzeswortlaut lässt daher sowohl die Auslegung zu, dass
sich das Adjektiv „unmittelbar“ -
als „vor die Klammer gezogen“ -
auf alle drei Tatbestandsvarianten gleichermaßen beziehen
soll, als auch eine Auslegung, wonach das
Unmittelbarkeitserfordernis nur für die ersten beiden
Varianten - eventuell auch nur für die erste Variante - gelten
soll.
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b) Auch eine systematische Auslegung unter
Heranziehung anderer Regelungen innerhalb des § 92a EStG (dazu
unten aa) oder innerhalb des EStG (unten bb) führt nicht zu
eindeutigen Ergebnissen.
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aa) Zwar verwendet der Gesetzgeber in §
92a Abs. 2 Sätze 2 und 7 EStG jeweils die Formulierung
„im Zeitpunkt der unmittelbaren
Darlehenstilgung“. Daraus lässt sich
für die Auslegung der - vorliegend maßgebenden - Norm
des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aber nichts ableiten, weil
der Regelungsgegenstand des § 92a Abs. 2 Sätze 2 und 7
EStG sich auf „Beiträge, die nach § 82 Absatz 1
Satz 3 wie Tilgungsleistungen behandelt
wurden“ beschränkt. § 92a Abs. 2
Satz 1 EStG unterscheidet gerade zwischen dem - vorliegend allein
einschlägigen - Altersvorsorge-Eigenheimbetrag einerseits und
den Tilgungsleistungen i.S. des § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
andererseits, zu denen auch die in § 92a Abs. 2 Sätze 2
und 7 EStG geregelten Tilgungsleistungen nach § 82 Abs. 1 Satz
3 EStG gehören.
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Die zuletzt genannten Normen sollen mit ihrem
speziellen Unmittelbarkeitserfordernis sicherstellen, dass auch
diese besondere Art von Altersvorsorgebeiträgen zu
gefördertem Vermögen und folglich zu steuerlich
verhaftetem Altersvorsorgekapital führt. Im Fall des
Altersvorsorge-Eigenheimbetrags nach § 92a Abs. 1 EStG ist die
Ausgangslage aber eine andere, da es sich um bereits
gefördertes Altersvorsorgekapital handelt, bei dem unter
bestimmten Voraussetzungen eine Verwendung zu
wohnungswirtschaftlichen Zwecken als förderunschädlich
angesehen wird.
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bb) Soweit in verschiedenen anderen
Vorschriften des EStG, etwa in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4, §
9 Abs. 4a Satz 13, § 10a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 oder § 22
Nr. 3 Satz 4 EStG, das Wort
„unmittelbar“ verwendet wird,
ergibt sich hieraus für die Auslegung des § 92a Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG kein zwingender Rückschluss. In allen
Fällen wird - anders als bei § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Alternative 3 EStG - schon vom Wortlaut ein unmittelbarer
Zusammenhang erkennbar gefordert. Das vorliegend zu beurteilende
Sonderproblem, dass der Gesetzeswortlaut offenlässt, ob das
Adjektiv „unmittelbar“ sich trotz
nur einmaliger Verwendung auf alle drei Tatbestandsvarianten
bezieht, stellt sich bei den aufgeführten anderen Vorschriften
des EStG von vornherein nicht.
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c) Jedoch verlangt der Sinn und Zweck der vom
Gesetzgeber angeordneten Förderunschädlichkeit der
Verwendung von Altersvorsorgekapital für bestimmte
Darlehenstilgungen, dass nicht nur in Anschaffungs- und
Herstellungsfällen, sondern auch im Fall der Tilgung von
Anschaffungs- oder Herstellungsdarlehen das geförderte Kapital
„unmittelbar“ für den
jeweils begünstigten wohnungswirtschaftlichen Zweck verwendet
wird.
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aa) Mit der alternativ zur Kapitalverwendung
für die Anschaffung oder Herstellung des Wohneigentums
begünstigten Tilgung eines zur Finanzierung der Anschaffung
oder Herstellung aufgenommenen Darlehens wollte der Gesetzgeber zur
Entschuldung des Zulageberechtigten beitragen. So soll durch die
Ablösung von Darlehen, deren Mittel der Finanzierung des
Erwerbs von Wohneigentum dienten, ein Beitrag zum
„mietfreien Wohnen im Alter“
geleistet werden (BT-Drucks. 16/8869, S. 16 f.). Diese Form der
wohnungswirtschaftlichen Verwendung soll dem Zulageberechtigten
ermöglichen, die Zins- und Tilgungskosten aus der
selbstgenutzten Wohnimmobilie zu senken (vgl. Senatsurteil in BFHE
268, 218, BStBl II 2020, 496 = SIS 20 07 70, Rz 30, m.w.N.). Mit
dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz vom 24.06.2013 (BGBl I 2013,
1667) hat der Gesetzgeber diese Tilgungsmöglichkeit auf den
Zeitraum der Ansparphase bis zum Beginn der Auszahlungsphase
erweitert.
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bb) Um das angestrebte „mietfreie
Wohnen im Alter“ zu erreichen, das allein
als Rechtfertigungsgrund für die förderunschädliche
vorzeitige Verwendung des zur Erlangung laufender Altersbezüge
gebundenen Kapitals dienen kann, muss sichergestellt sein, dass das
entnehmbare geförderte Altersvorsorgekapital nicht
zweckentfremdet verwendet wird. Mitnahmeeffekte sind
auszuschließen. Im Zusammenhang mit der Verwendung von
gefördertem Kapital zur Anschaffung oder Herstellung einer
Wohnung wird dies durch das im Wortlaut des § 92a Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 EStG verankerte Unmittelbarkeitserfordernis eindeutig
sichergestellt.
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Die Tilgungsvariante ist nach ihrem Normzweck
aufs Engste mit der Anschaffungs- oder Herstellungsvariante
verknüpft. Denn begünstigt sind nur Tilgungen eines
„zu diesem Zweck“ - also zum
Zweck der Finanzierung der Anschaffung oder Herstellung einer
selbstgenutzten Wohnung - aufgenommenen Darlehens. Daher muss das
Unmittelbarkeitserfordernis gleichermaßen für die
Tilgungsvariante gelten, da andernfalls eine zweckwidrige
Verwendung, insbesondere durch die zwischenzeitliche
Möglichkeit der Begleichung allgemeiner Lebenshaltungskosten,
möglich wäre. Denn ohne eine unmittelbare - also enge -
zeitliche Verbindung zwischen der Entnahme des geförderten
Kapitals und seiner begünstigten Verwendung in Gestalt der
Tilgung des Darlehens i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
hätte es allein der Zulageberechtigte in der Hand, wann er das
zunächst seinem allgemeinen Vermögen zugeführte
Kapital zur Tilgung verwendet. Nur die vom Senat vorgenommene
Auslegung führt zudem zu einem systematischen Gleichklang der
drei in dieser Vorschrift genannten Varianten, für die das
geförderte Altersvorsorgekapital jeweils in
förderunschädlicher Weise eingesetzt werden kann.
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3. Die im Juni 2017 vorgenommene Sondertilgung stellt
keine unmittelbare Verwendung des bereits im Juli 2015 ausgezahlten
Altersvorsorgekapitals dar.
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a) Die Finanzverwaltung hat das
Unmittelbarkeitserfordernis des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
- allerdings beschränkt auf Anschaffungs- oder
Herstellungsfälle - zunächst dahingehend ausgelegt, dass
Verwendungen
begünstigt sind, die innerhalb von einem Monat vor der
Antragstellung bei der ZfA und bis zu zwölf Monate nach der
Auszahlung des geförderten Altersvorsorgekapitals vorgenommen
werden (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
24.07.2013 - IV C 3 - S 2015/11/10002, BStBl I 2013, 1022 = SIS 13 24 91, Rz 242). Der erstgenannte Zeitraum wurde später auf
sechs Monate vor der Antragstellung erweitert (BMF-Schreiben vom
21.12.2017 - IV C 3 - S 2015/17/10001:005, BStBl I 2018, 93 = SIS 17 24 34, Rz 252).
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b) Ob dieser Zeitraum als zutreffende
Auslegung des Gesetzes angesehen werden kann, bedarf vorliegend
keiner Entscheidung. Hiergegen könnte sprechen, dass das
geförderte Kapital in einem derart langen Zeitraum
zunächst für andere Zwecke verwendet werden könnte.
Der Senat hat daher bereits in einer früheren Entscheidung
darauf hingewiesen, dass das Unmittelbarkeitserfordernis in der -
vom Normzweck her eng mit § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
verwandten - Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG in
der bis 2004 geltenden Fassung von der ständigen
höchstrichterlichen Rechtsprechung deutlich restriktiver
ausgelegt worden ist. Dort musste das Kapital „ohne
Zwischenschritt“ für die
begünstigten Zwecke verwendet werden; insbesondere die
Zwischenschaltung eines Bankkontos des Steuerpflichtigen stand der
Begünstigung entgegen (vgl. Senatsurteil vom 27.01.2016 - X R
23/14, BFH/NV 2016, 1018 = SIS 16 11 38, Rz 43, m.w.N.). Die
Finanzverwaltung sah in derartigen Fällen einen Zeitraum von
maximal 30 Tagen als unschädlich an (BMF-Schreiben vom 15.06.2000 - IV C 4 - S 2221 - 86/00,
BStBl I 2000, 1118 = SIS 00 08 54, Rz
53).
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c) Im Streitfall kann dies aber offenbleiben.
Denn auch wenn der Auslegung der Finanzverwaltung zu folgen
wäre, läge die im Juni 2017 vorgenommene Sondertilgung
außerhalb einer im Juli 2015 beginnenden
Zwölf-Monats-Frist. Sie kann daher nicht mehr als unmittelbare
Verwendung des ausgezahlten Altersvorsorgekapitals angesehen
werden.
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4. Dem Erlass des Rückforderungsbescheids
stehen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs) nicht entgegen. Aufgrund des
ausdrücklichen Hinweises der ZfA im Gestattungsbescheid, dass
die Entnahme in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur
Gestattung zu erfolgen habe, und aufgrund der Nennung des aus Sicht
der ZfA relevanten Zeitraums von zwölf Monaten nach der
Kapitalauszahlung konnte kein schützenswertes Vertrauen der
Klägerin in Bezug auf die erst nach diesem Zeitraum erfolgte
Sondertilgung für 2017 entstehen. Da der Gestattungsbescheid
darüber hinaus der Klägerin nur mitteilt, bis zu welcher
Höhe eine wohnungswirtschaftliche Verwendung des
geförderten Kapitals vorliegen kann, wie es § 92b Abs. 1
Satz 3 EStG auch ausdrücklich vorsieht, war dieser Bescheid
keinesfalls geeignet, bei der Klägerin den Eindruck
hervorzurufen, auch eine Tilgung, die fast zwei Jahre nach der
Kapitalauszahlung vorgenommen wird, könne begünstigt
sein.
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5. Aufgrund der Rechtmäßigkeit des
Rückforderungsbescheids kann offenbleiben, ob eine
schädliche Verwendung darüber hinaus auch deshalb
anzunehmen ist, weil die Klägerin das geförderte Kapital
nach Aktenlage für die Sondertilgung eines Darlehens ihres
Ehemanns entnommen hat. Im Hinblick auf das auch im
Revisionsverfahren geltende Verböserungsverbot (§ 121
Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ist es dem
Bundesfinanzhof versagt, eine Erhöhung des
Rückforderungsbetrags auszusprechen.
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6. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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7. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
§ 135 Abs. 1 FGO.
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