Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 6.6.2018 - 2 K 3284/17
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Köln
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine
Berufsgenossenschaft in der Rechtsform einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts (X). Auf der Grundlage von § 140 Abs.
3 Satz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) bietet die
Klägerin ihren Mitgliedern als Trägerin der
Auslandsversicherung den Abschluss einer Auslandsunfallversicherung
(AUV) gemäß § 140 Abs. 2 SGB VII für deren
Arbeitnehmer an. Nach § 3 Abs. 1 der Richtlinien für die
Auslandsunfallversicherung u.a. der X vom 01.01.2016 (Richtlinien
AUV) wird „auf Antrag des Unternehmers (…) für ins
Ausland entsandte Personen Versicherungsschutz gegen
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Versicherungsfälle)
im Ausland gewährt, wenn diese Personen nicht bereits aufgrund
des Sozialgesetzbuches (Ausstrahlung) oder des zwischen- oder
überstaatlichen Rechts versichert sind“. Nach § 4
Abs. 1 der Richtlinien AUV ist Voraussetzung für die
Gewährung des Versicherungsschutzes eine
Auslandstätigkeit im Zusammenhang mit einer Beschäftigung
oder ehrenamtlichen Tätigkeit bei einem inländischen
Unternehmen. Das Bundesversicherungsamt teilte der Klägerin
2013 mit, dass die AUV Teil der öffentlich-rechtlichen
Sozialversicherung und somit nicht von der Fachaufsicht betroffen
sind.
|
|
|
2
|
Im November 2017 (Streitjahr) vereinnahmte
die Klägerin für bei ihr abgeschlossene AUV
Versicherungsentgelte in Höhe von 3.530 EUR. Die
Versicherungen betrafen Personen, die in den USA, in China, Indien,
Südkorea, Thailand, Mexiko, Israel und Südafrika
tätig waren. Die Klägerin gab für den
Voranmeldungszeitraum November 2017 eine als Steuerfestsetzung
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltende
Versicherungsteueranmeldung ab (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 des
Versicherungsteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres - VersStG -
i.V.m. § 168 der Abgabenordnung - AO - ) und erklärte
darin eine Versicherungsteuer von 563,61 EUR.
|
|
|
3
|
Die hiergegen gerichtete Sprungklage hatte
keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte die
Versicherungsteuerpflicht der AUV. Die Voraussetzungen der
Steuerbarkeit im Inland lägen gemäß § 1 Abs. 2
Satz 2 VersStG vor. Die mit der AUV abgedeckten Risiken entstammten
nicht ausschließlich der im Ausland gelegenen Sphäre der
versicherten Personen. Das Versicherungsverhältnis werde
maßgeblich zur Absicherung der den Versicherungsnehmer und
Arbeitgeber treffenden Haftungsrisiken abgeschlossen. Denn ohne die
AUV sähe sich der Arbeitgeber Ansprüchen gegenüber,
die der im Ausland tätige Arbeitnehmer auf
arbeitsvertraglicher Basis geltend machen könne. Die
Steuerbarkeit der AUV im Inland widerspreche auch nicht dem
Unionsrecht, das nicht auf den Aufenthalt der versicherten Person,
sondern auf die Risikobelegenheit abstelle. Die im Inland
versicherungsteuerbare AUV sei auch steuerpflichtig. Es handele
sich bei der AUV um eine Versicherung nach § 140 Abs. 2 SGB
VII, die nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 3 VersStG
falle.
|
|
|
4
|
Hiergegen richtet sich die Revision der
Klägerin, die sich auf die Verletzung materiellen Rechts
stützt. Für die Steuerbarkeit komme es nach § 1 Abs.
2 Satz 2 Nr. 2 VersStG wie auch nach Unionsrecht darauf an, wo das
versicherte Risiko belegen sei. Das beurteile sich entgegen der
Auffassung des FG nicht danach, wo der Versicherungsnehmer
ansässig sei. Selbst wenn man die Steuerbarkeit der
Versicherungsentgelte der AUV bejahte, wären sie steuerfrei.
Denn der Wortlaut des § 4 Nr. 3 VersStG, der eine
Unfallversicherung nach dem SGB VII, soweit sie nicht auf §
140 SGB VII beruhe, von der Steuerfreiheit ausnehme, fuße auf
einem Redaktionsversehen. Jedenfalls sei die Vorschrift
teleologisch und verfassungsrechtlich aufgrund der Vergleichbarkeit
mit der gesetzlichen Unfallversicherung in einer Weise zu
reduzieren, auch die AUV in die Steuerfreiheit
einzubeziehen.
|
|
|
5
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung und die Steueranmeldung
für November 2017 vom 07.12.2017 aufzuheben.
|
|
|
6
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Bundeszentralamt für Steuern - BZSt - ) beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
Die Versicherungsentgelte der AUV seien
steuerbar. Die Versicherungsverhältnisse dienten dazu, den
Arbeitgeber-Versicherungsnehmer gegen Ansprüche der eigenen
Arbeitnehmer zu versichern. Das Haftungswagnis realisiere sich
immer am Sitz des Unternehmens/Arbeitgebers. Dies entspreche auch
dem Gemeinschaftsrecht. Überdies betreffe der Streitfall
Personen, die in Drittländern tätig gewesen seien.
Deshalb sei die „Risikobelegenheit“ jenseits der
Vorgaben des europäischen Richtlinienrechts autonom gesetzlich
geregelt. Die Versicherungsentgelte seien nach § 4 Nr. 3
VersStG auch steuerpflichtig, da das Gesetz die AUV nach § 140
SGB VII von der Steuerfreiheit ausnehme.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil
ist aufzuheben, weil es § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG
verletzt hat (unter 1.). Die Sache ist aber nicht spruchreif, weil
der Bundesfinanzhof (BFH) aufgrund fehlender Feststellungen nicht
erkennen kann, ob sich die Versicherungsverhältnisse auf
ausländische Betriebsstätten, Tochtergesellschaften oder
Einrichtungen der Versicherungsnehmer beziehen (unter 2.).
|
|
|
9
|
1. Die Klägerin muss als Versicherer nach
§ 7 Abs. 2 VersStG für ihre Mitglieder als
Versicherungsnehmer und Steuerschuldner (§ 7 Abs. 1 VersStG)
die Versicherungsteuer entrichten (§ 43 Satz 2 AO). Denn die
AUV, um die es hier geht, ist ein die Versicherungsteuer nach
§ 1 Abs. 1 VersStG auslösendes
Versicherungsverhältnis. Versicherungsverhältnis ist das
Rechtsverhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer und
seine Wirkungen. Wesentliches Merkmal für ein
„Versicherungsverhältnis“ i.S. des § 1
Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen
Entgelt übernommenen Wagnisses (BFH-Urteil vom 08.12.2010 - II
R 12/08, BFHE 232, 223, BStBl II 2012, 383 = SIS 11 05 89).
|
|
|
10
|
Die Steuerpflicht richtet sich - wovon die
Vorinstanz wie auch die Beteiligten zutreffend ausgehen - nach
§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG. Besteht danach das
Versicherungsverhältnis - wie hier mit der Klägerin - mit
einem Versicherer, der im Gebiet der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union niedergelassen ist, und geht es nicht - wie
hier - um die Versicherung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG
genannten Risiken (unbewegliche Sachen, Fahrzeuge oder
Reiserisiken), so besteht die Steuerpflicht, wenn der
Versicherungsnehmer keine natürliche Person ist und sich bei
Zahlung des Versicherungsentgelts der Sitz des Unternehmens, die
Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung, auf die
sich das Versicherungsverhältnis bezieht, im Geltungsbereich
dieses Gesetzes befindet. Das FG hat aber den örtlichen Bezug
des Versicherungsverhältnisses zum Inland rechtsfehlerhaft
schon deshalb bejaht, weil die AUV zu einem Haftungsausschluss des
Versicherungsnehmers gegenüber dem versicherten Arbeitnehmer
führe, der dem Sitz des Versicherungsnehmers im Inland
zuzurechnen sei. Damit hat das FG das versicherte Risiko einer AUV
verkannt und aufgrund unzutreffender Maßstäbe in das
Inland verlagert.
|
|
|
11
|
a) Die AUV, die dem Streitfall zugrunde liegt,
ist gemäß § 140 Abs. 2 SGB VII eine Versicherung
gegen Unfälle, die Personen im Zusammenhang mit einer
Beschäftigung bei einem inländischen Unternehmen im
Ausland erleiden. Diese Versicherung ist nur dann in Deutschland
steuerbar, wenn sich das Versicherungsverhältnis, also die
AUV, auf den hier befindlichen Sitz des Unternehmens, die
Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung bezieht. Das
Versicherungsverhältnis bezieht sich auf einen dieser Orte im
Inland, wenn hier - also im Inland - das versicherte Risiko liegt
(vgl. Grünwald/Dallmayr, VersStG, FeuerschStG, Kommentar, 1.
Aufl. 2016, § 1 VersStG Rz 280; Schmidt, eKomm, ab 01.01.2015,
§ 1 VersStG Rz. 67, Aktualisierung v. 23.05.2017). Das
entspricht dem unionalen Rechtsrahmen, der sich aus der Richtlinie
2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der
Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit -
Solvabilität II - (Amtsblatt der Europäischen Union vom
17.12.2009 L 335/1) - im Folgenden Richtlinie 2009/138/EG - ergibt.
Nach Art. 13 Nr. 13
Buchst. d Doppelbuchst. ii der Richtlinie 2009/138/EG ist
„Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“
in Fällen wie denen des Streitfalls, in dem der
Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, die Niederlassung
dieses Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht.
Dabei ist „Niederlassung“ eines Unternehmens
sein Sitz oder eine seiner Zweigniederlassungen (Art. 13 Nr. 12 der
Richtlinie 2009/138/EG). Ist damit der Ort der Belegenheit des
Risikos als der Ort maßgebend, an dem die Tätigkeit
ausgeübt wird, deren Risiko durch den Vertrag gedeckt wird,
muss auf konkrete und physische Merkmale statt auf rechtliche
Merkmale abgestellt werden (so Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union - EuGH - Kvaerner vom 14.06.2001 -
C-191/99, EU:C:2001:332, Rz 44, 47, 48, HFR 2001, 919 = SIS 02 04 67, zur gleichlautenden Vorgängervorschrift in Art. 2 der
Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22.06.1988, Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften L 172 vom 04.07.1988, S. 1 bis
14; EuGH-Urteil „A“ vom 17.01.2019 - C-74/18,
EU:C:2019:33, Versicherungsrecht 2019, 1107).
|
|
|
12
|
b) Das versicherte Risiko ist bei einer
Versicherung i.S. des § 140 Abs. 2 SGB VII der Unfall, den die
versicherte Person im Ausland erleidet. § 140 SGB VII soll die
Lücke im Unfallversicherungsschutz schließen, und zwar
für Tätigkeiten im Ausland, die mit einem
inländischen Unternehmen zusammenhängen, die aber im
Ausland wegen des Territorialitätsprinzips (§ 3 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV - ) nicht versichert
wären und auf die auch die Ausstrahlung nach § 4 SGB IV
nicht anwendbar ist. Die Unfallversicherungsträger richten
diese Versicherung gegen Unfälle nach § 140 Abs. 2 SGB
VII aufgrund eines Beschlusses der Vertreterversammlung ein. Der
Beschluss der Vertreterversammlung schafft autonomes Recht (Ricke
in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 140 SGB VII
Rz 9), wie es in den Richtlinien AUV zum Ausdruck kommt.
|
|
|
13
|
§ 140 Abs. 2 SGB VII erfasst damit vor
allem längere oder dauernde Auslandstätigkeiten jenseits
der Ausstrahlung und jenseits der von zwischenstaatlichen Abkommen
oder supranationaler Regelungen erfassten Fälle (vgl. dazu
Ricke, a.a.O., § 140 SGB VII Rz 3, m.w.N.; Niemann in
Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 140 Rz 39
ff.). Die Norm und die auf ihrer Grundlage beruhende Richtlinie
erstrecken sich auf alle im Inland nach dem SGB VII versicherbaren
Tätigkeiten (§ 3 der Richtlinien AUV; vgl. dazu Ricke, a.a.O., § 140 SGB VII
Rz 8, m.w.N.; Niemann in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 140
Rz 47). Das versicherte Risiko ergibt sich deshalb aus § 7
Abs. 1 SGB VII. Es sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
(sowie deren mittelbare Folgen; vgl. im Einzelnen §§ 5
und 8 der Richtlinien AUV und dazu Ricke, a.a.O., § 140 SGB
VII Rz 10 f.).
|
|
|
14
|
c) Anders als das FG in seiner Vorentscheidung
ausführt, ist die Absicherung der den Versicherungsnehmer und
Arbeitgeber treffenden Haftungsrisiken kein versichertes Risiko.
Die Haftungsbeschränkung ist die Rechtsfolge einer AUV, nicht
aber das versicherte Risiko selbst.
|
|
|
15
|
aa) Nach § 104 Abs. 1 SGB VII, der auch
bei einer AUV anwendbar ist (§ 3 Abs. 3 der Richtlinien AUV),
sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen
tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die
Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren
Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen
Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein
Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den
Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8
Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt
haben. Von diesen Ausnahmen abgesehen, wird die an sich nach den
Vorschriften des Privatrechts für die Folgen des
Arbeitsunfalls gegebene Haftung des Arbeitgebers durch dieses in
mehrfachen Beziehungen für den Versicherten günstigere
soziale Schutzsystem abgelöst; zugleich wird Gefahren für
den Betriebsfrieden begegnet, die sich aus einer Auseinandersetzung
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um Haftungsfragen ergeben
können (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 10.12.1974 -
VI ZR 73/73, BGHZ 63, 313; dazu auch Hollo in Schlegel/Voelzke,
a.a.O., § 104 SGB VII Rz 8 f.). Der Haftungsausschluss ist
wesentliches Element des Gesamtsystems der gesetzlichen
Unfallversicherung (BGH-Beschluss vom 16.09.1993 - IX ZB 82/90,
BGHZ 123, 268) und verhindert, die teilnehmenden Unternehmer, die
als Unfallversicherungsträger die Kosten der AUV tragen
(§ 2 der Richtlinien AUV), doppelt zu belasten: kollektiv mit
Beiträgen zur AUV und individuell mit Schadensersatzleistungen
(Ricke, a.a.O., § 104 SGB VII Rz 2a ff., m.w.N.; Rolfs in
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 104 SGB
VII Rz 1; Hollo in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 104 SGB VII Rz
10 f.).
|
|
|
16
|
bb) Auch wenn die Haftungsersetzung durch
Versicherungsschutz zugleich wie eine Haftpflichtversicherung
wirkt, ergibt sich das versicherte Risiko aus dem
Versicherungsverhältnis für die in das Ausland entsandte
Person. Für diese Personen wird Versicherungsschutz gegen
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Versicherungsfälle)
gewährt (§ 2 der Richtlinien AUV) und diese
Versicherungsfälle bilden das versicherte Risiko. Denn der
Unfallversicherungsträger tritt für die sich aus dieser
Versicherung ergebenden Verpflichtungen ein (§ 2 Abs. 2 der
Richtlinien AUV). Die Schädigung durch die versicherte Person
führt im Ausland einen Versicherungsfall der Geschädigten
herbei (§§ 7 bis 9 SGB VII) und ist dem Unternehmen der
Schädiger zuzurechnen.
|
|
|
17
|
Es mag zwar sein, dass der wirtschaftliche
Zweck der AUV für die Mitglieder der Klägerin als
Versicherungsnehmer in der Absicherung der sie treffenden
Haftungsrisiken liegt, wie sie sich als Folge der AUV aus §
104 SGB VII ergibt (vgl. oben unter aa). Der Tatbestand des §
1 Abs. 2 Satz 2 VersStG stellt aber nicht auf die wirtschaftliche
Zweckrichtung oder Folgewirkung der Risikoübernahme ab,
sondern knüpft ausschließlich an die geographische
Belegenheit des Risikos an. Demgemäß ist für die
Anwendung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG auf die im
Streitfall geschlossenen AUV allein entscheidend, dass sich die
versicherten Risiken (d.h. die im Versicherungsvertrag bezeichneten
Schäden in Bezug auf den Unfall, den die versicherte Person im
Ausland erleidet) am Ort der Belegenheit im Ausland verwirklichen
(vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2013 - II R 53/11, BFHE 244, 56, BStBl
II 2014, 352 = SIS 14 04 74, Rz 19 ff., m.w.N.).
|
|
|
18
|
d) Ist damit das versicherte Risiko bei einer
AUV durch §§ 7 und 8 SGB VII festgelegt, umfasst eine AUV
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach Maßgabe des
SGB VII und der ergänzenden Vorschriften. Gemäß
§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle
Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz
nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden
Tätigkeit (zur versicherten Tätigkeit s. Urteil des
Bundessozialgerichts vom 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R, Neue
Zeitschrift für Sozialrecht 2014, 303). So liegt im Fall eines
Arbeitsunfalls der Ort dort, wo der Arbeitnehmer im Ausland
tätig wird. Das kann eine Tochtergesellschaft des
Versicherungsnehmers sein (dazu EuGH-Urteil Kvaerner,
EU:C:2001:332, Rz 57, HFR 2001, 919 = SIS 02 04 67), aber auch eine
Betriebsstätte als Niederlassung oder Einrichtung im
jeweiligen Ausland. Das versicherte Risiko liegt jedenfalls nicht
allein deshalb am inländischen Sitz des
Arbeitgeber-Versicherungsnehmers, weil sich dort die Folge der AUV
- die Haftungsbeschränkung - realisiert. Vielmehr ist bei der
hier vorliegenden Versicherung fremder Risiken (nämlich
solcher der versicherten Arbeitnehmer) auf den Aufenthaltsort der
Risikoperson abzustellen. Dieser Aufenthaltsort der versicherten
Arbeitnehmer ist ein konkretes und physisches Merkmal zur
Bestimmung des Risikoorts und führt zu einer Einrichtung i.S.
des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG, die einer
Betriebsstätte entspricht und auf die sich das
Versicherungsverhältnis bezieht (vgl. dazu Schmidt, a.a.O.,
§ 1 VersStG Rz 74; Grünwald/Dallmayr, a.a.O., § 1
VersStG Rz 280). Versichert werden durch die AUV, um die es im
Streitfall geht, als entsandte Arbeitnehmer Personen, die in den
USA, in China, Indien, Südkorea, Thailand, Mexiko, Israel und
Südafrika tätig waren. Es kommt deshalb darauf an, ob
ihre Tätigkeit einer Niederlassung, Tochtergesellschaft oder
einer Betriebsstätte zuordenbar ist. Werden die Arbeitnehmer
direkt vom inländischen Sitz der Versicherungsnehmer aus im
Ausland tätig, kann ihr (dauerhafter oder langfristiger)
Tätigkeitsort im jeweiligen Ausland - als eine Einrichtung -
auch der Ort sein, auf die sich das Versicherungsverhältnis
bezieht. Das Versicherungsverhältnis ist stets risikobezogen
zu verorten. Liegt das versicherte Risiko - wie hier - in einer
Tätigkeit im Ausland, erfasst § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
VersStG mit dem Ortsmerkmal der Einrichtung alle langfristigen oder
dauerhaften Beschäftigungsorte des versicherten
Arbeitnehmers.
|
|
|
19
|
e) Die hier gefundene Auslegung des § 1
Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG erfasst auch versicherte Personen, die
sich - wie hier - in Drittländern aufhalten. Das Gesetz stellt
nur darauf ab, dass der Versicherer in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens
über den Europäischen Wirtschaftsraum niedergelassen ist.
Das Gesetz unterscheidet aber nicht mit Blick auf die versicherte
Person. Deshalb erschließt sich dem Senat die Argumentation
des BZSt nicht, dass die Ortsregeln des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr.
2 VersStG bei einem Drittlandsfall „alternativ“
nebeneinanderstünden und es ausreiche, dass sich entweder der
Sitz oder die Betriebsstätte im Geltungsbereich des VersStG
befänden. Indes geht es hier um die Auslegung des
Tatbestandsmerkmals mit der Wortfolge „die sich auf das
Versicherungsverhältnis bezieht“. Diese
Voraussetzung bezieht sich entsprechend dem unionsrechtlichen
Rahmen (Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138/EG) auf alle Formen
der „Niederlassung“, also auf den Sitz, die
Tochtergesellschaft, die Betriebsstätte oder auf eine sonstige
Einrichtung.
|
|
|
20
|
2. Da die Vorentscheidung diesen
Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben.
|
|
|
21
|
a) Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat,
von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend, keinerlei
Feststellungen dazu getroffen, in welcher Weise die Arbeitnehmer
des jeweiligen Versicherungsnehmers der Klägerin im Ausland
tätig geworden sind, ob sie von einer Tochtergesellschaft oder
einer Betriebsstätte aus tätig geworden sind oder ob ihr
jeweiliger Arbeitgeber (Versicherungsnehmer) sie direkt von seinem
Sitz im Inland aus in das Ausland entsandt hatte und sie dort einen
langfristigen oder dauerhaften Tätigkeitsort innehatten. Zwar
spricht vieles dafür, dass die Versicherungsnehmer für
ihre ausschließlich in Drittländern, nämlich nach
den Feststellungen des FG in den USA, in China, Indien,
Südkorea, Thailand, Mexiko, Israel und Südafrika i.S. von
§ 140 Abs. 2 SGB VII tätig gewordenen Arbeitnehmer als
Versicherte den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
VersStG nicht erfüllen. Indes wird das FG den Sachverhalt
anhand der vom Senat entwickelten Maßstäbe zu
überprüfen haben. Dabei wird es auch der Frage
nachzugehen haben, ob die Arbeitnehmer, soweit sie zwischenzeitlich
im Inland tätig geworden sind, hier der gesetzlichen
Unfallversicherung unterliegen (§§ 3, 4 SGB IV).
|
|
|
22
|
b) Es kommt auf die weiteren Feststellungen
auch an. Denn die AUV gemäß § 140 Abs. 2 SGB VII
ist nicht nach § 4 Nr. 3 VersStG steuerfrei. § 4 Nr. 3
VersStG nimmt von der Besteuerung aus die Zahlung des
Versicherungsentgelts für „eine Unfallversicherung
nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch, soweit sie nicht auf §
140 [SGB VII] beruht“. Da die AUV auf § 140 Abs. 2
SGB VII beruht, ist die Steuerbefreiung nicht anwendbar. Der
eindeutige Wortlaut der Vorschrift ist auch nicht teleologisch oder
verfassungsrechtlich korrigierbar. Zwar mögen sich aus der
Gesetzeshistorie, wie sie die Klägerin darlegt,
Widersprüche ergeben (vgl. dazu Schmidt, a.a.O., § 4
VersStG Rz 14). Indes ist die Vorschrift systemgerecht, weil sie
nur die Unfallversicherungen von der Steuerbefreiung ausnimmt,
für die eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss besteht.
Das ist bei den gesetzlichen Versicherungen nach dem SGB VII der
Fall, nicht hingegen bei denjenigen des § 140 SGB VII. Auch
wenn die AUV einer gesetzlichen Versicherung ähnlich ist,
besteht der auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
erhebliche Unterschied darin, dass ihr Abschluss freiwillig ist
(vgl. zum Ganzen auch Franz, DStR 2019, 2006).
|
|
|
23
|
3. Die Kostenentscheidung wird dem FG nach
§ 143 Abs. 2 FGO übertragen.
|