Die Beschwerde des Beklagten gegen den
Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15.7.2019 -
3 K 91/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Der Kläger und Beschwerdegegner
(Kläger) ist gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter. Er
begehrte beim Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA -
) u.a. Auskunft darüber, wann das FA gegen den
Insolvenzschuldner erstmals Vollstreckungsmaßnahmen
eingeleitet hat, die nicht zur sofortigen Befriedigung der zu
vollstreckenden Forderungen geführt haben, und ob und wenn ja
wann der Insolvenzschuldner um Stundung, Aussetzung der
Vollstreckung oder Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung
gebeten hat. Ferner bat er um Auflistung sämtlicher Zahlungen,
die das FA seit erfolglosen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
bzw. Anträgen auf Stundung, Aussetzung der Vollstreckung bzw.
Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung von dem Schuldner
erhalten hat. Der Auskunftsanspruch wurde ausschließlich auf
§ 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen
für das Land Mecklenburg-Vorpommern
(Informationsfreiheitsgesetz) gestützt.
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Mit Bescheid vom 19.02.2019 lehnte das FA
den Auskunftsantrag nach § 32c Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung
(AO) ab. Die gewünschten Auskünfte dienten offensichtlich
der Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher
Anfechtungsansprüche nach §§ 129 ff. der
Insolvenzordnung. In der Rechtsbehelfsbelehrung wies das FA darauf
hin, dass gegen die Entscheidung Klage beim Finanzgericht (FG)
erhoben werden könne.
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Der Kläger hat gegen den
Ablehnungsbescheid am 20.03.2019 Klage vor dem FG erhoben und
zugleich beantragt, den Rechtsstreit an das zuständige
Verwaltungsgericht (VG) zu verweisen. Das FG ist dem Begehren
nachgekommen und hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 15.07.2019
nach § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG)
an das zuständige VG verwiesen. Es hat die Beschwerde nach
§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG zugelassen.
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Das FA hat Beschwerde erhoben und
sinngemäß beantragt, den Verweisungsbeschluss
aufzuheben. Es vertritt die Auffassung, dass zulässiger
Rechtsweg der Finanzrechtsweg sei.
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II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die
Entscheidung des FG, den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 Satz 1
GVG an das zuständige VG zu verweisen, ist nicht zu
beanstanden.
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1. Ist der beschrittene Rechtsweg
unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der
Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit nach
§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Gericht des
zulässigen Rechtsweges. Der Beschluss ist für das
Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich
des Rechtsweges bindend.
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2. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) ist der Rechtsweg zu den
Finanzgerichten für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten
über eine Abgabenangelegenheit eröffnet. Für
sonstige öffentlich-rechtliche Streitigkeiten
nichtverfassungsrechtlicher Art ist nach § 40 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Rechtsweg zu den
Verwaltungsgerichten gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch
Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen
worden ist. Ob in einem Streitfall der Rechtsweg zu den
Finanzgerichten oder zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten
eröffnet ist, richtet sich nach dem jeweiligen
Klagebegehren.
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Stützt ein Kläger einen
Auskunftsanspruch nicht auf die AO, sondern ausschließlich
auf die Vorschriften eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), ist
nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Rechtsweg zu den
Finanzgerichten nicht eröffnet (vgl. Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 17.09.2018 - 7 B 6/18;
Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 08.01.2013 - VII ER-S 1/12). Der
Auskunftsanspruch ist zwar öffentlich-rechtlicher Natur. Er
hängt aber nicht mit der Verwaltung von Abgaben i.S. des
§ 33 FGO zusammen. Für solche Streitigkeiten ist folglich
nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg
eröffnet.
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3. Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist
auch nicht aufgrund ausdrücklicher Zuweisung gegeben.
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a) Nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ist der
Finanzrechtsweg auch in anderen als den in § 33 Abs. 1 Nummern
1 bis 3 FGO bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten
gegeben, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz
der Finanzrechtsweg ausdrücklich eröffnet ist. Eine
solche Bestimmung des Rechtsweges enthält § 32i Abs. 2
AO. Nach dieser Vorschrift ist für Klagen der betroffenen
Person hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gegen
Finanzbehörden oder gegen deren Auftragsverarbeiter wegen
eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im
Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 oder der darin
enthaltenen Rechte der betroffenen Person der Finanzrechtsweg
gegeben.
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b) § 32i Abs. 2 AO ist nicht über
seinen Wortlaut hinaus auch auf solche Rechtsstreitigkeiten
anzuwenden, in denen der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf
Vorschriften eines IFG stützt.
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Die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich
auf Klagen „hinsichtlich der Verarbeitung
personenbezogener Daten“ und „wegen eines
Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen“
(Beschluss des VG Düsseldorf vom 07.03.2019 - 29 K 8023/18,
Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht -
ZInsO - 2019, 969, Rz 4). Damit sind ausschließlich Klagen
von Personen gemeint, deren Daten nicht in Einklang mit
datenschutzrechtlichen Bestimmungen verarbeitet worden sind. §
32i Abs. 2 AO regelt damit den Rechtsweg für Klagen dieser
Personen gegenüber der verantwortlichen Finanzbehörde
oder zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde sowie
für die gerichtliche Überprüfung von Anordnungen der
Datenschutzaufsichtsbehörden gegenüber den
Finanzbehörden, nicht aber für Klagen Dritter (vgl.
BVerwG-Beschluss vom 28.10.2019 - 10 B 21/19, ZInsO 2020, 143, Rz
8; Beschluss des VG Düsseldorf in ZInsO 2019, 969, Rz 4,
m.w.N.). Der Insolvenzverwalter ist weder eine betroffene Person
i.S. von Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung
der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO - ),
noch verfolgt er datenschutzrechtliche Betroffenenrechte aus Art.
12 ff. DSGVO (BVerwG-Beschluss in ZInsO 2020, 143, Rz 10; Beschluss
des Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen -
OVG NRW - vom 13.06.2019 - 15 E 376/19, ZInsO 2019, 1539, Rz
16).
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4. Aus § 32e AO lässt sich ebenfalls
nicht herleiten, dass der Finanzrechtsweg auch für solche
Rechtsstreitigkeiten eröffnet ist, in denen der Kläger
seinen Auskunftsanspruch auf Vorschriften eines IFG
stützt.
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a) Nach § 32e Satz 1 AO gelten die Art.
12 bis 15 der DSGVO i.V.m. den §§ 32a bis 32d AO
entsprechend, soweit die betroffene Person oder ein Dritter nach
dem Informationsfreiheitsgesetz vom 05.09.2005 (BGBl I S. 2722) in
der jeweils geltenden Fassung oder nach entsprechenden Gesetzen der
Länder gegenüber der Finanzbehörde einen Anspruch
auf Informationszugang hat. Weitergehende
Informationsansprüche über steuerliche Daten sind
insoweit ausgeschlossen (§ 32e Satz 2 AO).
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b) § 32e AO soll einen
materiell-rechtlichen Gleichlauf zwischen
informationsfreiheitsrechtlichen Ansprüchen und Art. 12 bis 15
DSGVO bewirken (vgl. Beschluss des OVG NRW in ZInsO 2019, 1539, Rz
23). Die Regelung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers
sicherstellen, dass die Bestimmungen der DSGVO und der §§
32a bis 32d AO nicht durch IFG des Bundes oder der Länder
verdrängt oder umgangen werden können (vgl. BTDrucks
18/12611, S. 89). Eine Zuweisung des Rechtsweges enthält die
Vorschrift jedoch nicht. Die Vorgaben der §§ 32a ff. AO
sind lediglich im Rahmen der materiellen Prüfung eines
Auskunftsanspruchs nach einem IFG von den Verwaltungsgerichten zu
beachten.
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c) Trotz des vom Gesetzgeber gewünschten
materiellen Gleichklangs führt § 32e AO i.V.m. § 32i
Abs. 2 AO nicht dazu, dass Auskunftsansprüche gegen die
Finanzbehörden, die auf Vorschriften der IFG gestützt
sind, vor den Finanzgerichten zu verhandeln sind. Auch wenn so eine
„prozessuale Harmonisierung“ (vgl. Krumm in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 32i AO
Rz 6; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 32e AO Rz 17) aus
Gründen des effektiven Rechtsschutzes sinnvoll wäre, hat
der Gesetzgeber weder in § 32e AO noch in § 32i Abs. 2 AO
entsprechende Regelungen getroffen (vgl. Beschluss des OVG NRW in
ZInsO 2019, 1539, Rz 23). Danach sind weiterhin die
Verwaltungsgerichte für Auskunftsansprüche nach dem IFG
zuständig (Beschluss des OVG NRW in ZInsO 2019, 1539; Schober
in Gosch, AO § 32e Rz 9; a.A. Krumm in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 32i AO Rz 6). Dass neben den Finanzgerichten auch
Verwaltungsgerichte zum Teil dieselben Normen der DSGVO und der AO
anzuwenden haben, mag als unpraktisch empfunden werden; die
Rechtsordnung nimmt dies jedoch in Kauf und sieht in Art. 95 Abs. 3
des Grundgesetzes einen Lösungsmechanismus vor
(BVerwG-Beschluss in ZInsO 2020, 143, Rz 12).
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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