Auf die Revision des Klägers werden das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 9.12.2015 - 2 K 1715/11,
die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 27.4.2011 sowie der
Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 4.8.2010 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem
Kläger die beantragte Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b des
Umsatzsteuergesetzes zu erteilen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
der A-GmbH (nachfolgend: A). A betrieb bis zur Eröffnung des
Insolvenzverfahrens im Jahre 2011 - neben weiteren mit ihr
über die gemeinsame Muttergesellschaft (B ... AG) verbundenen
Unternehmen der B-Gruppe - ein Unternehmen, das insbesondere
Postzustellungsaufträge im Inland ausführte.
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A beantragte im Jahr 2010 beim Beklagten
und Revisionsbeklagten (Bundeszentralamt für Steuern - BZSt -
), ihr eine Bescheinigung über die
„Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf das Produkt
Postzustellungsaufträge (PZA) gemäß §§
176 ff. ZPO [Zivilprozessordnung]“ nach § 4 Nr. 11b des
Umsatzsteuergesetzes in der ab dem 01.07.2010 geltenden Fassung
(UStG) zu erteilen. Zur Begründung führte A aus, dass das
Produkt „Postzustellungsauftrag“ dem
Post-Universaldienst zuzuordnen sei.
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A hatte sich gemäß § 4 Nr.
11b UStG über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem BZSt
verpflichtet, bundesweit flächendeckende förmliche
Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der
Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung
regeln, entsprechend der seitens der Bundesnetzagentur zu diesem
Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet
anzubieten.
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Das BZSt lehnte den Antrag auf Erteilung
einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG durch Bescheid vom
04.08.2010 mit der Begründung ab, das Produkt
„Postzustellungsauftrag“ sei keine
Post-Universaldienstleistung.
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Am 01.07.2011 wurde das Insolvenzverfahren
über das Vermögen der A eröffnet und der Kläger
zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Das Finanzgericht (FG) wies die vom
Kläger weiterverfolgte Klage mit seinem in EFG 2016, 774 = SIS 16 10 46 veröffentlichten Urteil mit der Begründung ab,
dass ein „Postzustellungsauftrag“ bei
unionsrechtskonformer Auslegung von § 4 Nr. 11b UStG nicht zu
den Post-Universaldienstleistungen gehöre.
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Mit seiner Revision macht der Kläger
geltend, förmliche Zustellungen seien in allen
EU-Mitgliedstaaten - mit Ausnahme des Königreichs Schweden -
von der Umsatzsteuer befreit.
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Der Kläger beantragt, das FG-Urteil,
die Einspruchsentscheidung vom 27.04.2011 und den
Ablehnungsbescheid vom 04.08.2010 aufzuheben und das BZSt zu
verpflichten, die beantragte Bescheinigung gemäß §
4 Nr. 11b UStG zu erteilen.
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Das BZSt beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und das Verfahren an das FG
zurückzuverweisen.
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Im Revisionsverfahren hat der erkennende
Senat mit Beschluss vom 31.05.2017 - V
R 8/16 (BFHE 259, 464, BStBl II 2018, 245 = SIS 17 22 62) den Gerichtshof der Europäischen
Union (EuGH) um Vorabentscheidung zur Klärung folgender Fragen
zur Auslegung der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL)
ersucht:
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„1. Ist die förmliche Zustellung
von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen
Vorschriften (Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze,
die die Verwaltungszustellung regeln - § 33 Absatz 1 des
Postgesetzes - ) eine Post-Universaldienstleistung nach Art. 3 Abs.
4 der Richtlinie 97/67/EG vom 15.12.1997 (Post-Richtlinie)?
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2. Sollte die Frage 1. zu bejahen
sein:
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Ist ein Unternehmer, der die förmliche
Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen
Vorschriften durchführt, ein ‘Anbieter von
Universaldienstleistungen’ im Sinne des Art. 2 Nr. 13 der
Richtlinie 97/67/EG vom 15.12.1997, der die Leistungen des
postalischen Universaldienstes ganz oder teilweise erbringt, und
sind diese Leistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem steuerfrei?“
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Hierauf hat der EuGH mit Urteil Winterhoff
u.a. vom 16.10.2019 - C-4/18 und C-5/18 (EU:C:2019:860) wie folgt
geantwortet:
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„Art. 2 Nr. 13 und Art. 3 der
Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die
Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und
die Verbesserung der Dienstequalität in der durch die
Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 20.02.2008 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass
Anbieter von Briefzustelldienstleistungen wie die in den
Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in ihrer Eigenschaft als
Inhaber einer nationalen Lizenz, die ihnen die Erbringung dieser
Dienstleistung gestattet, verpflichtet sind, förmliche
Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder
Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts
durchzuführen, als ‘Universaldiensteanbieter’ im
Sinne dieser Bestimmungen anzusehen sind, so dass solche
förmlichen Zustellungen als von ‘öffentlichen
Posteinrichtungen’ erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem von der
Umsatzsteuer zu befreien sind.“
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Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur
Stellungnahme. Das BZSt hält die Sache für nicht
spruchreif, weil noch weitere tatbestandliche Voraussetzungen von
§ 4 Nr. 11b UStG, Art. 3 der Postdienste-Richtlinie sowie
§ 11 Abs. 1 und 2 des Postgesetzes (PostG) i.V.m. §§
1 ff. der Post-Universaldienstleistungsverordnung zu prüfen
seien.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung der
Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG. Bei den von A
ausgeführten Postzustellungsaufträgen handelt es sich um
Universaldienstleistungen.
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1. § 4 Nr. 11b Satz 1 UStG befreit
Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie
97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die
Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und
die Verbesserung der Dienstequalität (Richtlinie 97/67/EG).
Gemäß § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG setzt die
Steuerbefreiung voraus, dass der Unternehmer sich entsprechend
einer Bescheinigung des BZSt gegenüber dieser Behörde
verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit der
Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich dieser Leistungen
nach Satz 1 anzubieten.
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Nach dem EuGH-Urteil Winterhoff u.a.
(EU:C:2019:860), dem sich der erkennende Senat anschließt (s.
das BFH-Urteil vom 06.02.2020 in der Sache V R 36/19), hat sich A
verpflichtet, mit der Ausführung von Postzustellungen
derartige Universaldienstleistungen zu erbringen. Denn wie in der
Vorentscheidung festgestellt, hat A sich gemäß § 4
Nr. 11b Satz 2 UStG über ihre Muttergesellschaft
gegenüber dem BZSt verpflichtet, flächendeckende
förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der
Grundlage der Prozessordnungen und der Gesetze, die die
Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der
Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten
Bundesgebiet anzubieten.
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2. Da die Vorentscheidung diesen
Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die
Sache ist - entgegen der Auffassung des BZSt - spruchreif. Es
besteht ein Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung, denn weitere
Voraussetzungen stellt § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG nicht auf. Im
Übrigen wäre die Versagung der Steuerbefreiung für
Universaldienstleistungen aufgrund von Besonderheiten des
nationalen Rechts ein Verstoß gegen das Unionsrecht
(EuGH-Urteil Winterhoff u.a., EU:C:2019:860, Rz 66). Die
Bescheinigung ist bei Vorliegen von Universaldienstleistungen daher
zwingend zu erteilen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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