1
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I. Die Beteiligten streiten über die
umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Warenlieferungen, die in den
Streitjahren (2014 bis 2016 sowie Januar bis Juni 2017) über
die Internetseite der Amazon Services Europe s.a.r.l. (Amazon) mit
Sitz im Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg) im Rahmen des
Modells „Verkauf durch Händler, Versand durch
Amazon“ (auch „fulfillment by amazon“ oder
„Paneuropäischer Versand durch Amazon“ genannt)
abgewickelt worden sind.
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2
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Die Klägerin und
Beschwerdeführerin (Klägerin), eine B.V. mit Sitz im
Königreich der Niederlande (Niederlande, NL), handelt mit
Nahrungsergänzungsmitteln, Lebensmitteln für Diäten
und Medizinprodukten. Sie verkauft ihre Produkte im Online-Handel
innerhalb der Europäischen Union (EU). Dazu besitzt sie ein
niederländisches Lager in X.
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3
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Der Verkauf an deutsche Kunden erfolgt
teilweise über eine eigene Internetseite der Klägerin;
die Waren werden dann direkt aus dem niederländischen Lager an
die Kunden versandt.
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Zum überwiegenden Teil erfolgt der
Warenverkauf jedoch über die Internetseiten von Amazon
entsprechend dem „Amazon Services Europe Business Solutions
Vertrag“. Dabei wurden die Waren im Streitzeitraum auf drei
verschiedene Weisen angeboten:
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- Verkauf und Versand durch die
Klägerin
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- Verkauf durch die Klägerin, Versand
durch Amazon
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- Verkauf und Versand durch einen dritten
Unternehmer.
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Wurde die Option „Verkauf durch die
Klägerin, Versand durch Amazon“ gewählt, wurde den
Kunden als Impressum und „Info“ zum Verkäufer der
Firmenname der Klägerin, deren niederländische
Rechtsform, deren Handelsregister-Nummer, deren
niederländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie deren
niederländische Adresse angezeigt.
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Die Klägerin schildert den Ablauf der
Warenlieferungen im Rahmen der Option „Verkauf durch die
Klägerin, Versand durch Amazon“ wie folgt: Sie, die
Klägerin, sende ihre Waren aus den Niederlanden an diverse
Logistikzentren von Amazon in der EU, wobei die Waren für
deutsche Privatkunden überwiegend in deutsche Logistikzentren
geliefert würden. Bei den Logistikzentren in Deutschland
handele es sich um Tochterunternehmen von Amazon. Diese lagerten
die Ware für Amazon ein und stellten diese zum Verkauf an die
Endkunden bereit. Ihr, der Klägerin, sei teilweise nicht
bekannt, in welchem Logistikzentrum sich die Ware befinde, weil
Amazon die angelieferten Waren eigenständig auf andere
Logistikzentren verteilen könne. Die Waren würden
über Amazon direkt an die Privatkunden verkauft. Die Waren
würden von Amazon für den Katalog fotografiert und
Kundenanfragen über den Kundenservice von Amazon beantwortet.
Amazon habe sich vertraglich ausdrücklich vorbehalten, die
Bewerbung der Produkte in eigener Gestaltung vorzunehmen und ggf.
auch den Verkaufspreis teilweise zu gestalten. Der Verkauf finde
ausschließlich über die Internetseiten von Amazon und
deren Verkaufsprogramm statt, wie auch der Versand der Waren ohne
Einwirkung der Klägerin an den Endabnehmer und Privatkunden
nach den Vorstellungen und dem Versandstatus des Amazon-Programms
erfolge. Entscheidungen über den Verkauf und den Abnehmer
treffe ausschließlich Amazon, auch der Versand erfolge
ausschließlich über die Amazon Logistik-Kette. Die
jeweiligen Kunden würden der Klägerin zunächst nicht
mitgeteilt. Etwaige Rücksendungen unterlägen ebenfalls
den Programmbindungen von Amazon. Die retournierten Waren
würden von Amazon zurückgenommen. Amazon entscheide
eigenständig, wie mit den von dem Kunden beanstandeten Waren
zu verfahren sei. Teilweise würden die Waren
zurückgenommen und entweder zu verbilligten Preisen wieder in
das Amazon-Programm aufgenommen oder (in geringem Umfang) mit
Versandaufschlägen an die Klägerin zurückgesandt. In
einer Vielzahl von Fällen gestatte Amazon den Kunden, die
Waren zu behalten, und erstatte gleichwohl den Verkaufspreis. Nach
der vertraglichen Vereinbarung über das Inkasso durch Amazon
sei nicht nur die Einziehung des Kaufpreises, sondern auch die
Einziehung von Umsatzsteuern vorgesehen, über die die
Klägerin von Amazon jedoch keine gesonderte Abrechnung
erhalte.
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Die Klägerin reichte zunächst
keine Umsatzsteuererklärungen bei dem Beklagten und
Beschwerdegegner (Finanzamt - FA - ) ein, weil sie der Auffassung
war, dass sie mit ihren Lieferungen über die Internetplattform
von Amazon steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Amazon
ausführe. Leistungsempfänger ihrer Warenlieferungen seien
nicht die Endkunden, sondern sei Amazon mit Sitz in
Luxemburg.
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Später reichte die Klägerin
Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2014 bis 2016 ein,
in denen sie steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an
Amazon erklärte. Das FA folgte diesen Steuererklärungen
nicht, sondern unterwarf in den
Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden vom 30.01.2017 (für
2014), 24.03.2017 (für 2015) und 19.06.2017 (für 2016)
diese Umsätze der deutschen Umsatzsteuer zum
ermäßigten Steuersatz. Ebenso verfuhr das FA in den
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden vom 09.08.2017 bzw.
11.08.2017 für die Monate Januar bis Juni 2017. Die
Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos
(Einspruchsentscheidung vom 04.10.2017). Das FA ging davon aus,
dass die Klägerin auch insoweit Lieferungen an deutsche
Endkunden ausgeführt habe, als sie am Paneuropäischen
Versand im Rahmen der Option „Verkauf durch die
Klägerin, Versand durch Amazon“ bzw. „fulfillment
by amazon“ (Auftragsabwicklung durch Amazon) teilgenommen
habe. Sie habe die Ware nicht an Amazon verkauft, so dass Amazon
auch keine Vertragspartei des Kaufvertrags mit dem Endkunden werde.
Darauf weise Amazon in den sehr umfangreichen Bedingungen hin.
Amazon erbringe an die Verkäufer (d.h. die Händler) als
Leistungsempfänger elektronische Dienstleistungen. Die
hierfür von Amazon erhobenen Gebühren unterlägen der
Umsatzsteuer. Der Ort der sonstigen Leistungen von Amazon an die
Klägerin liege in den Niederlanden und die Umsatzsteuer
für die sonstige Leistung von Amazon werde von der
Klägerin als Leistungsempfängerin geschuldet. Mit der
Einlagerung der Waren in die Logistikzentren von Amazon führe
die Klägerin ein innergemeinschaftliches Verbringen aus. Die
nach der Einlagerung getätigten Lieferungen an die
inländischen Kunden seien steuerbar und im Rahmen der
Versandhandelsregelung in Deutschland steuerpflichtig.
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Den Vorbehalt der Nachprüfung
ließ das FA bestehen, da die Höhe der Umsätze der
Klägerin weiter aufklärungsbedürftig sei.
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Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf wies
die Klage mit Urteil vom 11.10.2019 – 1 K 2693/17 U ab. Es
entschied, die Klägerin habe unter Einschaltung von Amazon als
sog. Fulfillment-Dienstleister Lieferungen an deutsche Endkunden
ausgeführt. Soweit die Ware von der Klägerin zuvor in ein
deutsches Logistikzentrum verbracht worden sei, sei die Lieferung
an deutsche Kunden steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 1
Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Leistungsempfänger sei der Endkunde. Der Kaufvertrag des
Endkunden komme mit der Klägerin zustande. Auch die
übermittelte Rechnung weise die Klägerin als
Verkäuferin aus. Soweit die Klägerin (zunächst)
keine Kenntnis vom Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrages
und vom jeweiligen Vertragspartner habe, habe sie Amazon
bevollmächtigt, mit Wirkung für und gegen sie
Kaufverträge abzuschließen. Hierbei liege es in der
Natur der Sache, dass der Vollmachtgeber unmittelbar keine Kenntnis
von den tatsächlich mit Wirkung für und gegen ihn
geschlossenen Rechtsgeschäften habe. Im Rahmen der monatlichen
Abrechnungen könne die Klägerin jedoch die Details der
Kaufverträge in ihrem bei Amazon online geführten
Abrechnungsbereich abrufen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht
aus dem Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag. Dieser
sei nicht als schuldrechtlicher Kaufvertrag der Klägerin mit
Amazon über die von der Klägerin in die Logistikzentren
von Amazon verbrachten Waren anzusehen, sondern es handele sich um
einen umfangreichen Dienstleistungsvertrag, aufgrund dessen Amazon
im Namen der Klägerin Kaufverträge für diese
abschließe, während der Versand der Waren und das
Inkasso durch Amazon in eigenem Namen, aber im Auftrag der
Klägerin erfolge. Die Leistungen von Amazon bestünden in
der Einlagerung der Ware, der Versendung an die jeweilige
Kundenadresse und ggf. in der Entgegennahme von
Kunden-Rücksendungen. Der Umstand, dass die Klägerin nach
dem Verbringen der Ware in ein Logistikzentrum von Amazon keinen
unmittelbaren Einfluss mehr auf die Ware habe, führe nicht
dazu, dass Amazon als Leistungsempfänger von Warenlieferungen
anzusehen sei. Schuldrechtlicher Vertragspartner der Klägerin
sei stets der Endkunde, der lediglich über den Vertriebskanal,
der von Amazon bereitgestellt werde, die Ware von der Klägerin
erwerbe. Dies überlagere die fehlende unmittelbare Einwirkung
auf die Ware, zumal von Amazon stets deutlich gemacht werde, dass
Amazon die Dienstleistungen für den Auftraggeber erbringe.
Entsprechend werde auch auf den Internetseiten von Amazon
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verkauf durch die
Klägerin und nur der Versand durch Amazon erfolge.
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Soweit die Klägerin Ware aus den
Niederlanden in ein deutsches Logistikzentrum von Amazon verbracht
habe, habe sie damit ein innergemeinschaftliches Verbringen
verwirklicht. Dieses innergemeinschaftliche Verbringen in den
Niederlanden sei dort gemäß der dem deutschen § 6a
Abs. 2 UStG vergleichbaren Vorschrift steuerfrei. In der
Bundesrepublik Deutschland - Deutschland - (§ 3d Satz 1 UStG)
finde ein innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1a UStG) statt,
bei dem die Klägerin allerdings zum Vorsteuerabzug berechtigt
sei (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Dies sei für die
Klägerin auch erkennbar gewesen, da unter F.15 des Amazon
Services Europe Business Solutions Vertrages darauf hingewiesen
werde.
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Nichts anderes ergebe sich im Ergebnis,
soweit Waren der Klägerin in ein Amazon Logistikzentrum in
einem anderen Mitgliedstaat der EU verbracht worden seien. Denn die
Lieferungen aus den anderen Mitgliedstaaten nach Deutschland seien
aufgrund der Versandhandelsregelung des § 3c Abs. 1 Satz 1
UStG ebenfalls in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Das
Verbringen der Ware aus den Niederlanden in die anderen
Mitgliedstaaten der EU habe zunächst zu einem
innergemeinschaftlichen Verbringen in den Niederlanden mit sich
daran anschließenden innergemeinschaftlichen Erwerben in den
anderen Mitgliedstaaten der EU geführt. Die Lieferungen der
Waren an die deutschen Endkunden seien jedoch nicht in den anderen
Mitgliedstaaten der EU steuerbar und steuerpflichtig, sondern
gemäß § 3c UStG in Deutschland. Die privaten
Abnehmer der Klägerin gehörten zu dem in § 3c Abs. 2
UStG genannten Personenkreis.
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Da die Klägerin keine Angaben zur
Aufteilung der Umsätze gemacht, sondern nur den Gesamtumsatz
beziffert habe, sei angesichts der Höhe der Gesamtumsätze
trotz der gegenteiligen Behauptung der Klägerin, davon
auszugehen, dass die Lieferschwellen überschritten wurden. Der
Transport sei auch nicht durch die Abnehmer veranlasst worden,
sondern sei nach dem Amazon Services Europe Business Solutions
Vertrag im Auftrag der Klägerin durch Amazon erfolgt.
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Auch die Höhe der Steuerfestsetzung
sei nicht zu beanstanden.
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15
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Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung
der Revision beantragt die Klägerin, die Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur
Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zuzulassen.
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II. Soweit die Klägerin
Zulassungsgründe benannt hat, ist die Beschwerde
unzulässig, da es an Darlegungen i.S. des § 116 Abs. 3
Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fehlt. Die Rechtssache hat
außerdem nicht offensichtlich eine grundsätzliche
Bedeutung, da die Entscheidung des FG in Einklang mit der
Auffassung in der Literatur steht und das vom FG gefundene Ergebnis
sowohl durch den mit Wirkung zum 01.01.2021 eingefügten Art.
14a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über
das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) als auch durch
§ 25e UStG bestätigt wird.
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1. Die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt.
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a) Wird die Beschwerde mit der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat
der Beschwerdeführer zur Erfüllung der
Darlegungsanforderungen eine hinreichend bestimmte, für die
Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage
herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.
Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter
Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in
Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen,
weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen
Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall
klärbar ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
26.09.2017 - XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240 = SIS 17 26 14, Rz 12 f.,
m.w.N.). Insbesondere sind Ausführungen dazu erforderlich, in
welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die
Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (vgl.
BFH-Beschluss vom 01.03.2016 - XI B 51/15, BFH/NV 2016, 957 = SIS 16 10 09, Rz 8, m.w.N.). Allein der Vortrag, dass zu einer
bestimmten Rechtsfrage noch keine Entscheidung des BFH vorliegt,
rechtfertigt noch nicht die Revisionszulassung wegen
grundsätzlicher Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 12.06.2019 -
XI B 71/18, BFH/NV 2019, 1329 = SIS 19 15 79, Rz 6, m.w.N.).
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19
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b) Diesen Darlegungsanforderungen genügt
die Beschwerde nicht. Die - weitgehend im Stile einer
Revisionsbegründung - abgefasste Beschwerdebegründung
enthält bereits keine abstrakte Rechtsfrage, sondern
Ausführungen dazu, warum die Klägerin meint, dass sie
Lieferungen an Amazon und nicht an die deutschen Endkunden
ausgeführt habe. Außerdem geht die Klägerin nicht
auf - zu dem Problemkreis bereits vorliegende - Rechtsprechung
(vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 26.7.2018 - I ZR
20/17, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2018, 1059, Rz 3,
20; s. dazu auch Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos
Sánchez-Bordona vom 28.11.2019 in der Rechtssache C-567/18
Coty Germany GmbH gegen Amazon Services Europe Sàrl, Amazon
FC Graben GmbH, Amazon Europe Core Sàrl, Amazon EU
Sàrl, EU:C:2019:1031, Rz 56 f., 60 f.) und Literatur (z.B.
Denker/Trinks, Umsatz-Steuerberater - UStB - 2017, 54, 55 f.;
Hammerl/Fietz, Neue Wirtschafts-Briefe 2017, 1753 ff.) ein.
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20
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c) Die Klägerin hält im Kern die
Rechtsauffassung des FG für falsch und stellt die materielle
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage.
Dies vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu
rechtfertigen (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse vom 12.10.2018 -
XI B 65/18, BFH/NV 2019, 129 = SIS 18 19 27, Rz 16; vom 13.03.2019
- XI B 97/18, BFH/NV 2019, 711 = SIS 19 06 46, Rz 9, s. auch unten
unter II.3.b).
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d) Die Rechtssache hat auch nicht
offensichtlich eine grundsätzliche Bedeutung.
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aa) Zwar kann nach der Rechtsprechung des BFH
von Darlegungen zur grundsätzlichen Bedeutung abgesehen
werden, wenn die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
offenkundig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 09.05.1988 - IV B 35/87,
BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725 = SIS 88 16 18, Rz 11; vom
19.10.1993 - VII B 154/93, BFH/NV 1994, 835, Rz 9; vom 14.06.1996 -
X B 197/95, BFH/NV 1996, 840, Rz 2; vom 02.11.2004 - X B 59/04,
BFH/NV 2005, 209 = SIS 05 07 74, Rz 19; vom 29.08.2007 - IV B
51/06, juris, Rz 1; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9.
Aufl., § 116 Rz 27). Offenkundigkeit wird angenommen, wenn
eine Rechtsfrage seit längerer Zeit in der Literatur
kontrovers diskutiert, vom BFH noch nicht geklärt und für
eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von Bedeutung ist (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 17.06.1997 - VIII B 72/96, BFH/NV 1997,
882, Rz 5; vom 15.05.2007 - IX B 166/06, juris, Rz 7; Lange in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 174). Aber auch
bei offenkundiger grundsätzlicher Bedeutung ist zu fordern,
dass der Beschwerdeführer die Rechtsfrage bezeichnet, die der
Klärung bedarf (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.11.1994 - IX B
94/94, juris, Rz 2; vom 01.03.2007 - VI B 92/06, BFH/NV 2007, 1172
= SIS 07 16 16, Rz 3).
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bb) Hieran fehlt es jedoch im Streitfall. Die
Klägerin hat bereits keine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen.
Außerdem wird eine solche abstrakte Rechtsfrage in der
Literatur nicht kontrovers diskutiert.
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2. Da das Erfordernis einer Entscheidung des
BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative
1 FGO) ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen
Bedeutung ist, kommt die Zulassung der Revision zur Fortbildung des
Rechts aus denselben Gründen nicht in Frage (vgl. allgemein
BFH-Beschlüsse vom 11.12.2014 - XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363 =
SIS 15 01 52, Rz 12; vom 24.07.2017 - XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635
= SIS 17 19 36, Rz 16).
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3. Ihr Begehren, die Revision zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, hat die
Klägerin ebenfalls nicht hinreichend begründet.
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a) Falls das Vorbringen der Klägerin
dahin zu verstehen sein sollte, dass sie vom Vorliegen einer
Divergenz ausgeht, hat die Klägerin keine tragenden abstrakten
Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus
einer behaupteten Divergenzentscheidung andererseits
herausgearbeitet und einander so gegenüber gestellt, dass die
behauptete Abweichung erkennbar wird (vgl. zu diesem Erfordernis
BFH-Beschlüsse vom 05.07.2018 - XI B 17/18, BFH/NV 2018, 1139
= SIS 18 14 31, Rz 19 f.; vom 13.03.2019 - XI B 89/18, BFH/NV 2019,
945 = SIS 19 08 61, Rz 23).
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b) Soweit der Begründung die Behauptung
zu entnehmen sein könnte, es liege ein schwerwiegender
Rechtsanwendungsfehler des FG vor, hat die Klägerin auch dies
nicht hinreichend dargelegt.
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28
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aa) In der Beschwerdebegründung muss bei
Geltendmachung dieses Zulassungsgrundes substantiiert dargelegt
werden, weshalb die Vorentscheidung unter keinem denkbaren Aspekt
rechtlich vertretbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 14.08.2018 - XI B
2/18, BFH/NV 2019, 1 = SIS 18 17 62, Rz 18, m.w.N.). Darzulegen
sind insbesondere der schwerwiegende Fehler, seine
Offensichtlichkeit, seine Entscheidungserheblichkeit sowie seine
Korrekturmöglichkeit im Revisionsverfahren (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 20.02.2018 - XI B 129/17, BFH/NV 2018, 641
= SIS 18 05 20, Rz 12; vom 26.04.2018 - XI B 117/17, BFH/NV 2018,
953 = SIS 18 10 37, Rz 59).
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bb) Daran fehlt es hier. Mit den Angriffen der
Klägerin gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage
durch das FG wird kein zur Zulassung der Revision führender
besonders schwerer und offensichtlicher Fehler der Vorentscheidung
geltend gemacht (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse vom 14.04.2016
- XI B 97/15, BFH/NV 2016, 1304 = SIS 16 16 79, Rz 25; in BFH/NV
2018, 240 = SIS 17 26 14, Rz 29).
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cc) Die Vorentscheidung ist außerdem
zutreffend. Sie stimmt in ihrer zivilrechtlichen Beurteilung mit
der unter II.1.b zitierten Rechtsprechung des BGH und in ihrer
umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung mit der Auffassung in der
Literatur überein.
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dd) Für die Beurteilung des FG spricht
außerdem der mit Wirkung zum 01.01.2021 eingefügte Art.
14a MwStSystRL.
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Nach Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL i.d.F. der
Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 05.12.2017 zur
Änderung der Richtlinie 2006/112/EG und der Richtlinie
2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten
für die Erbringung von Dienstleistungen und für
Fernverkäufe von Gegenständen (Amtsblatt der
Europäischen Union Nr. L 348 vom 29.12.2017, S. 7; s. dazu z.B. auch Kemper, UR 2020, 56,
59) werden ab 01.01.2021
Steuerpflichtige, die die innergemeinschaftliche Lieferung von
Gegenständen durch einen nicht in der Gemeinschaft
ansässigen Steuerpflichtigen an eine nicht steuerpflichtige
Person durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle,
beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals
oder Ähnlichem, unterstützen, so behandelt, als ob sie
diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten.
Zur Begründung der Einführung dieser fiktiven
Lieferkommission ist im 7. Erwägungsgrund angeführt, dass
ein Großteil der Fernverkäufe von Gegenständen, die
sowohl von einem Mitgliedstaat in einen anderen als auch aus
Drittgebieten oder Drittländern in die Gemeinschaft erfolgen,
durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle,
beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals
oder Ähnlichem unterstützt wird, wobei häufig auf
Warenlager-Regelungen zurückgegriffen wird. Die
Mitgliedstaaten könnten bestimmen, dass eine andere Person als
der Steuerschuldner der Mehrwertsteuer in solchen Fällen
gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Mehrwertsteuer haften
muss. Dies habe sich jedoch als unzureichend erwiesen, um eine
wirksame und effiziente Erhebung der Mehrwertsteuer
sicherzustellen. Zur Erreichung dieses Ziels und zur Verringerung
des Verwaltungsaufwands für Verkäufer, Steuerverwaltungen
und Erwerber sei es daher erforderlich, die Steuerpflichtigen, die
Fernverkäufe von Gegenständen durch die Nutzung einer
solchen elektronischen Schnittstelle unterstützen, bei der
Erhebung der Mehrwertsteuer auf diese Verkäufe einzubeziehen,
indem vorgesehen wird, dass sie als die Personen gelten, die diese
Verkäufe getätigt haben.
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Dies bestätigt, dass auch aus Sicht des
Richtliniengebers der Marktplatz-Betreiber nicht generell die
Lieferung an den Endkunden ausführt.
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ee) Aus denselben Gründen spricht
für die Beurteilung des FG auch § 25e UStG i.d.F. des
Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel
mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher
Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338). Damit werden seit
01.01.2019 zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen die
Betreiber eines elektronischen Marktplatzes für die nicht
entrichtete Umsatzsteuer aus der Lieferung eines Unternehmers, die
auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich
begründet worden ist, unter den in § 25e UStG genannten
weiteren Voraussetzungen in Haftung genommen (vgl. BTDrucks
19/4455, S. 27, 61 ff.).
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4. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5
Satz 2 Halbsatz 2 FGO ohne weitere Begründung.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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