Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 4.6.2018 - 2 K
2232/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist italienische
Staatsangehörige und lebte in den Streitjahren 2013 und 2014
in Italien. An einer Wohnung im Inland, die ihrem Vater
gehörte, stand ihr ein Nießbrauchsrecht und damit ein
dingliches Nutzungsrecht nach §§ 1030 ff. des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu. Aufgrund des
Nießbrauches war die Klägerin berechtigt, die Nutzungen
der Sache zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB). Als
Nießbraucherin war die Klägerin auch zum Besitz der
Sache berechtigt (§ 1036 Abs. 1 BGB). Die Klägerin
vermietete die Wohnung kurzfristig über
Internetportale.
|
|
|
2
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ging davon aus, dass die Klägerin aufgrund
der Kurzfristigkeit der Vermietungen steuerpflichtige Leistungen
erbracht habe. Der hiergegen eingelegte Einspruch war nur insoweit
erfolgreich, als das FA von der Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes ausging.
|
|
|
3
|
Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte
keinen Erfolg. Die Klägerin sei nicht zur Inanspruchnahme der
Kleinunternehmerregelung berechtigt, da sie in den Streitjahren in
Italien ansässig gewesen sei. Dies ergebe sich aus § 19
Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und aus Art. 283 Abs. 1
Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
|
|
|
4
|
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision. Die Schlüsselübergabe wie auch die
Reinigung seien im Inland durch freie Mitarbeiter erfolgt. Sie habe
sich bei ihren Aufenthalten in X (Inland) persönlich um
Verwaltung und Instandhaltung gekümmert. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
wie auch der des Bundesfinanzhofs (BFH) liege eine feste
Niederlassung vor. Das FG habe zudem gegen die
Sachaufklärungspflicht des § 76 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) verstoßen.
|
|
|
5
|
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Sache an das FG
zurückzuverweisen.
|
|
|
6
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
Es liege weder eine Ansässigkeit noch
eine Betriebsstätte im Inland vor.
|
|
|
8
|
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
FGO). Wie das FG zutreffend entschieden hat, ist die Klägerin
aufgrund ihrer Ansässigkeit im Ausland nicht berechtigt, die
Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch zu
nehmen.
|
|
|
9
|
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wurde in
den Streitjahren die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1
Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von Unternehmern, die im Inland
oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten
ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete
Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im
vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat
und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht
übersteigen wird. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 282 ff.
MwStSystRL. Die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen nach
diesem Abschnitt gelten dabei gemäß Art. 282 MwStSystRL
für Lieferungen von Gegenständen und für
Dienstleistungen, die von Kleinunternehmen bewirkt werden. Dabei
ordnet Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL an, dass dieser
Abschnitt nicht für die Lieferungen von Gegenständen und
Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen gilt,
der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die
Mehrwertsteuer geschuldet wird.
|
|
|
10
|
2. Hierzu hat der EuGH in seinem Urteil
Schmelz vom 26.10.2010 - C-97/09 (EU:C:2010:632 = SIS 10 33 44), in
dem es um die Frage ging, ob ein Steuerpflichtiger, der in einem
Mitgliedstaat eine Wohnung steuerpflichtig vermietet und dabei aber
in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die
Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen kann, dem nationalen
Gericht geantwortet: „Die Prüfung der Fragen hat
nichts ergeben, was die Gültigkeit der Art. 24 Abs. 3 und 28i
der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG … sowie des Art. 283 Abs.
1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG … im Hinblick auf Art.
49 EG berühren könnte.“
|
|
|
11
|
3. Der EuGH hat dies insbesondere wie folgt
begründet:
|
|
|
12
|
a) Mit der Beschränkung der
Mehrwertsteuerbefreiung auf die Steuerpflichtigen, die in dem
Mitgliedstaat, der eine solche Befreiung eingeführt hat,
ansässig sind, kann verhindert werden, dass Steuerpflichtige,
die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, ohne dort
ansässig zu sein, der Besteuerung ihrer Tätigkeiten unter
dem Deckmantel der dort geltenden Befreiungen ganz oder zum
großen Teil entgehen könnten, auch wenn diese
Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der
Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmens objektiv
überschreiten würden, was mit dem Erfordernis, durch die
Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung, die eine solche
Befreiungsregelung darstellt, nur Kleinunternehmen zu fördern,
nicht zu vereinbaren wäre (Rz 70). Beim gegenwärtigen
Stand der Entwicklung der Mehrwertsteuerregelung rechtfertigen das
Ziel, die Wirksamkeit der Steueraufsicht im Hinblick auf die
Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und
etwaigen Missbräuchen zu gewährleisten, und das Ziel der
Kleinunternehmerregelung, mit der die Wettbewerbsfähigkeit der
Kleinunternehmen gestärkt werden soll, es zum einen, dass die
Anwendbarkeit der Mehrwertsteuerbefreiung auf die Tätigkeiten
der Kleinunternehmen beschränkt wird, die im Hoheitsgebiet des
Mitgliedstaats, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird,
ansässig sind, und zum anderen, dass der zu
berücksichtigende Jahresumsatz derjenige ist, der in dem
Mitgliedstaat erzielt wird, in dem das Unternehmen ansässig
ist (Rz 71). Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass die
Beschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf diejenigen
Kleinunternehmen, die in dem Mitgliedstaat, in dem die
Mehrwertsteuer geschuldet wird, ansässig sind, nicht über
das hinausgeht, was zur Erreichung dieser beiden Ziele erforderlich
ist (Rz 72).
|
|
|
13
|
b) Zudem hat der EuGH in seinem Urteil Schmelz
(EU:C:2010:632 = SIS 10 33 44) Rz 38 f. zur Anwendbarkeit der
Niederlassungsfreiheit entschieden, dass Voraussetzung hierfür
grundsätzlich ist, „dass eine dauernde Präsenz
im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt ist und dass im Fall des
Erwerbs und des Besitzes von Grundstücken deren Verwaltung
aktiv erfolgt“, wobei sich eine solche dauernde
Präsenz „auf der Grundlage objektiver und
nachprüfbarer Anhaltspunkte feststellen lassen [muss], die
sich u. a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins in
Form von Geschäftsräumen, Personal und
Ausrüstungsgegenständen beziehen“. Aus der
Sachverhaltsschilderung des vorlegenden Gerichts ergebe sich, dass
Frau Schmelz diese Voraussetzungen nicht erfülle (Urteil
Schmelz, EU:C:2010:632 = SIS 10 33 44, Rz 39).
|
|
|
14
|
4. Danach beschränkt sich die
Kleinunternehmerregelung auf Unternehmer, die im Mitgliedstaat der
Leistungserbringung ansässig sind. Ferner ist die Vermietung
einer Wohnung jedenfalls für die Anwendung der
Kleinunternehmerregelung weder als ansässigkeits- noch als
niederlassungsbegründend anzusehen (s. oben II.3.b), so dass
es auf die weiteren Überlegungen der Klägerin zu
Betriebsstätten oder festen Niederlassungen ebenso wenig
ankommt wie auf die Definition in § 13b Abs. 7 UStG. Daher
kann die Klägerin, die in den Streitjahren in Italien
ansässig war, die Kleinunternehmerregelung für ihre
steuerpflichtigen Umsätze im Inland nicht in Anspruch
nehmen.
|
|
|
15
|
5. Die Verfahrensrüge greift nicht durch,
da die fachkundig vor dem FG vertretene Klägerin im Termin zur
mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht erschienen ist, so
dass insoweit von einem Rügeverzicht nach § 295 der
Zivilprozessordnung auszugehen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 5.3.2014
- IX B 111/13, BFH/NV 2014, 887 = SIS 14 13 47).
|
|
|
16
|
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
136 Abs. 2 FGO.
|