Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 29.11.2017 - 2 K
1032/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten über die
Frage, ob bei einem Antrag nach § 26a Abs. 2 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) die Sonderausgaben vor oder nach
Durchführung der Höchstbetragsberechnung hälftig
aufzuteilen sind.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist verheiratet. Für das Jahr 2013
(Streitjahr) beantragte sie die Einzelveranlagung nach § 26a
EStG. Übereinstimmend mit ihrem Ehemann beantragte sie
außerdem, die Sonderausgaben gemäß § 26a Abs.
2 Satz 2 EStG hälftig aufzuteilen.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) führte die Veranlagung mit Bescheid vom
13.07.2015 durch. Hierbei wurde der Höchstbetrag der
Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 4a EStG nach
der für die Klägerin günstigeren Regelung des §
10 Abs. 3 in der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung
des EStG zuzüglich des Erhöhungsbetrags nach Satz 3
durchgeführt (Günstigerprüfung mit
Erhöhungsbetrag). Hierzu ermittelte das FA Vorwegabzug,
Grundhöchstbetrag, hälftigen Höchstbetrag und
Erhöhungsbetrag, indem es bei beiden Ehegatten zunächst
die Vorsorgeaufwendungen ansetzte, welche die Klägerin und ihr
Ehemann jeweils getragen hatten. Anschließend verteilte es
die beiden Ergebnisse jeweils hälftig auf die Ehegatten.
Abgezogen wurde bei der Klägerin letztlich die Hälfte aus
dem Ergebnis ihrer Höchstbetragsberechnung zuzüglich der
Hälfte der Höchstbetragsberechnung ihres Ehemannes (2.981
EUR).
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Hiergegen wandte sich die Klägerin mit
dem Einspruch. Sie trug vor, dass die Aufwendungen vor der
Günstigerprüfung den jeweiligen Ehegatten hälftig
zuzurechnen seien und erst im Anschluss die
Günstigerprüfung zu erfolgen habe. Mit dergestalt auf
beide Ehegatten hälftig aufgeteilten Sonderausgaben legte sie
eine Berechnung vor, in der sie auf einen abziehbaren Betrag von
4.557 EUR kam. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gab der
anschließenden Klage statt. Es war der Ansicht, dass
Wortlaut, historische und systematische Auslegung sowie Sinn und
Zweck der Regelung, insbesondere die vom Gesetzgeber bezweckte
Steuervereinfachung, dafür sprächen, die Sonderausgaben,
außergewöhnlichen Belastungen und die
Steuerermäßigung nach § 35a EStG hälftig auf
die Ehegatten aufzuteilen und die Höchstbetragsberechnungen
und Günstigerprüfungen erst in einem zweiten
Rechenschritt individuell bei jedem der Ehegatten
vorzunehmen.
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
das die Verletzung des § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG rügt. Es
ist der Ansicht, dass bereits der Begriff der Sonderausgaben in
§ 26a Abs. 2 Satz 1 EStG das Ergebnis des mit
„Sonderausgaben“ überschriebenen Teils II Ziffer 5
des EStG meint. Hiermit sei auch die Höchstbetragsberechnung
aus § 10 Abs. 3 und 4 EStG umfasst. Dieses Ergebnis sei auf
die Ehegatten aufzuteilen. Weiter heiße es in § 26a Abs.
2 Satz 2 EStG „abziehen“, da nur die Abzugsbeträge
abgezogen werden könnten, nicht aber die Sonderausgaben
selbst. Zudem sei eine Aufteilung der Abzugsbeträge
systematisch richtig, da nur so dem Prinzip der
Individualbesteuerung Rechnung getragen werde. Entgegen der Ansicht
des FG spreche auch der Gedanke der Vereinfachung für eine
Aufteilung der Abzugsbeträge. Bei Berücksichtigung nur
der Sonderausgaben, die der Steuerpflichtige wirtschaftlich
getragen habe, sei eine Einzelveranlagung möglich, ohne
zusätzlich die Steuererklärung des Ehegatten auswerten
und die Einzelbeträge aufteilen zu müssen.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die Vorentscheidung und
meint, aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergebe sich, dass die
Aufwendungen selbst aufzuteilen seien, da nur so das
Besteuerungsverfahren einfacher, transparenter und
nachvollziehbarer für den Steuerpflichtigen werde. Eine
gegenteilige Auslegung sei weder dem Wortlaut noch der
Gesetzeshistorie zu entnehmen.
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II. Die Revision ist unbegründet und wird
daher zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend entschieden,
dass die Vorsorgeaufwendungen hälftig auf die Ehegatten
aufzuteilen und die Höchstbetragsberechnungen und
Günstigerprüfungen erst in einem zweiten Rechenschritt
individuell bei jedem der Ehegatten vorzunehmen sind.
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1. Gemäß § 26a Abs. 2 Satz 1
EStG werden Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen
und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG demjenigen
Ehegatten zugerechnet, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen
hat. Abweichend davon werden sie nach Satz 2 auf
übereinstimmenden Antrag der Ehegatten jeweils zur Hälfte
abgezogen.
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2. Nach Auffassung des Senats sind die
Vorsorgeaufwendungen beider Ehegatten vor der
Günstigerprüfung den jeweiligen Ehegatten hälftig
zuzurechnen, erst im Anschluss ist die Günstigerprüfung
bei jedem Ehegatten getrennt durchzuführen.
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a) Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der
Vorschrift, denn das Wort „sie“ in Satz 2
bezieht sich auf die in Satz 1 genannten Aufwendungen und nicht auf
die „Sonderausgaben…“ oder
Abzugsbeträge (so auch ausdrücklich Bericht des
Finanzausschusses in BTDrucks 17/6146, S. 14). Dem steht nicht
entgegen, dass Satz 2 - anders als Satz 1 - vom
„Abziehen“ statt vom
„Zurechnen“ spricht, da beide Worte im Kontext
des § 26a EStG synonym verwendet werden.
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b) Bestätigt wird dies auch durch die
ebenfalls in § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG in Bezug genommenen
außergewöhnlichen Belastungen und die
Steuerermäßigung nach § 35a EStG. Denn auch hier
ist eine Aufteilung der Aufwendungen vorzunehmen.
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aa) Im Bereich der
außergewöhnlichen Belastungen ergibt sich dies aus
§ 33 Abs. 1 EStG. Denn § 33 Abs. 1 EStG definiert die
außergewöhnliche Belastung als Aufwendungen, die noch
nicht durch die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG
gemindert sind. Wenn § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG den
hälftigen Abzug von außergewöhnlichen Belastungen
regelt, so muss das heißen, dass die Aufwendungen, die ein
Ehegatte getragen hat, beim anderen zur Hälfte anzusetzen
sind. Erst nach der Aufteilung wird unter Berücksichtigung der
zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) der abziehbare Betrag
ermittelt.
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bb) Entsprechendes gilt für die
Steuerermäßigungen nach § 35a EStG. Hier kann nicht
die Steuerermäßigung zur Hälfte abgezogen werden,
abziehbar sind vielmehr Aufwendungen, die zur
Steuerermäßigung führen; sie sind im Antragsfalle
hälftig auf die Ehegatten aufzuteilen.
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c) Zu Unrecht meint das FG, dass nur die
Verteilung der Abzugsbeträge der vom Gesetzgeber gewollten
Steuervereinfachung gerecht würde. Vielmehr erübrigt sich
durch die hälftige Aufteilung der Aufwendungen die
Prüfung, wer von beiden Ehegatten die jeweilige Belastung
wirtschaftlich getragen hat.
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d) Dem gefundenen Ergebnis steht auch nicht
das Prinzip der Individualbesteuerung entgegen, wie das FA meint,
denn § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG stellt eine Ausnahme von diesem
Grundsatz dar (Tormöhlen in Korn, § 26a EStG Rz 7.2;
Pflüger in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 26a EStG Rz 52;
Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26a Rz
A17).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143
Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.
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