Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg,
vom 26.10.2017 - 10 K 614/17 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) nahm als Kandidatin an der
Wahl zum Europäischen Parlament 2014 auf dem Listenplatz
… des Wahlvorschlags ihrer Partei teil. Da dieser Listenplatz
nach dem Wahlergebnis nicht für ein Mandat im
Europäischen Parlament ausreichte, erhielt sie die Position
eines Nachrückers für den Fall des Ausscheidens eines der
gewählten Abgeordneten ihrer Partei. Im Rahmen ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 machte
die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Kandidatur entstandene
Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen PKW,
Übernachtungen, Verpflegungsmehraufwand, Arbeitsmittel,
Umzugskosten sowie Kosten für doppelte Haushaltsführung,
Telefon und Internet in Höhe von 7.197,88 EUR als
Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften geltend.
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Mit Bescheid vom 23.10.2015 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die
Einkommensteuer für 2014 auf … EUR fest. Dabei lehnte es
den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten
unter Verweis auf § 22 Nr. 4 Satz 3 des
Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden
Fassung (EStG) ab. Im Laufe des hiergegen geführten
Einspruchsverfahrens wurde der Einkommensteuerbescheid aus nicht
streitgegenständlichen Gründen mit Bescheid vom
19.02.2016 geändert und die Einkommensteuer auf … EUR
herabgesetzt.
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Der Einspruch und die Klage blieben ohne
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in EFG 2018,
213 veröffentlichten Urteil aus, dem Abzug der Wahlkampfkosten
als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften stehe §
22 Nr. 4 Satz 3 EStG entgegen. Zu den nicht abziehbaren
Wahlkampfkosten zählten nicht nur die für den Wahlkampf
im engeren Sinne aufgewendeten Kosten, sondern auch solche
Aufwendungen, die der Klägerin in unmittelbarem Zusammenhang
mit ihrer Aufstellung zur Kandidatin und dem Erhalt des
Nachrückerstatus sowie den jeweils damit verbundenen
organisatorischen Vorbereitungsmaßnahmen entstanden seien.
Denn diese Aufwendungen seien untrennbar mit dem Wahlkampf im
engeren Sinne verbunden. Beginn und Ende eines Wahlkampfes seien
gesetzlich nicht geregelt und daher zeitlich nicht eindeutig
eingrenzbar. Zum Wahlkampf gehöre nicht nur die Schlussphase
der letzten Wochen vor dem Wahltag, sondern auch die
Vorbereitungsphase und die Vorwahlkampfzeit.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 22 Nr. 4
EStG). Sie trägt vor, die Aufwendungen seien in Aufwendungen
zur Erlangung des Kandidatenstatus, in Kosten für die
organisatorische Vorbereitung als Kandidatin, in Kosten für
Ausbildung und zum Erhalt des Nachrückerstatus sowie in
Wahlkampfkosten als Kandidatin zu unterteilen. In Bezug auf die
drei erstgenannten Aufwendungsarten handele es sich bereits nicht
um Wahlkampfkosten i.S. des § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG, sondern um
vorab entstandene Werbungskosten für die Erzielung sonstiger
Einkünfte als Abgeordnete. Der Gesetzgeber habe die
Abgeordnetenbezüge als steuerpflichtige sonstige
Einkünfte qualifiziert. Daher seien auch vorab entstandene
Werbungskosten zum Abzug zugelassen. Aufwendungen für die
Erlangung oder Wiedererlangung eines Mandats könnten demnach
abzugsfähige Werbungskosten darstellen, soweit es sich nicht
um Wahlkampfkosten handele oder Ersatz geleistet werde. Dabei sei
zu berücksichtigen, dass es der Entscheidung des Gesetzgebers
widerspreche, wenn Wahlkampfkosten insoweit als Synonym für
vorab entstandene Werbungskosten für die Erlangung oder
Wiedererlangung eines Mandats verstanden würden. Nicht alle
Aufwendungen für die Erlangung oder Wiedererlangung eines
Mandats seien Wahlkampfkosten. Insoweit sei eine zeitliche Grenze
zu ziehen, wonach Wahlkampfkosten erst ab dem Zeitpunkt vorliegen,
ab dem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Wahlwerbesendungen
ausgestrahlt werden. Aber auch soweit es sich bei den Aufwendungen
um Wahlkampfkosten handele, bei denen der Kampf um die
Wählerstimmen im Vordergrund stehe, könne das
Abzugsverbot keine Wirkung entfalten. Bei einer erfolglosen
Kandidatur bestünden keine Abzugsbeschränkungen. Die von
ihr getragenen Aufwendungen stünden nicht im Zusammenhang mit
steuerfreien Einnahmen, die einen Abzug der Kosten
ausschließen könnten, da ihr kein gesetzlicher Anspruch
auf steuerfreie Wahlkostenerstattung zustehe.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG München vom 26.10.2017 - 10 K 614/17 und die
Einspruchsentscheidung vom 02.02.2017 aufzuheben und unter
Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 2014 vom
19.02.2016 Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften in
Höhe von 7.197,88 EUR zu berücksichtigen und die
Einkommensteuer 2014 entsprechend herabzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
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Das FG hat zu Recht die im Zusammenhang mit
der Wahl zum Europäischen Parlament und zur Erlangung des
Nachrückerstatus geltend gemachten Aufwendungen als
Wahlkampfkosten angesehen und deren Abzug als Werbungskosten bei
den sonstigen Einkünften abgelehnt.
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1. Gemäß § 22 Nr. 4 Satz 3
EStG dürfen Wahlkampfkosten zur Erlangung eines Mandats im
Bundestag, im Europäischen Parlament oder im Parlament eines
Landes nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Nach dem Wortsinn
der Vorschrift gilt dies unabhängig davon, ob die Kandidatur
erfolgreich oder erfolglos war. Das Abzugsverbot für
Wahlkampfkosten ist zwar im Anschluss an die Vorschriften über
steuerpflichtige und steuerfreie Einnahmen der Abgeordneten
geregelt. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nur für diesen
Personenkreis gilt. Für die Anwendung des Abzugsverbots des
§ 22 Nr. 4 Satz 3 EStG auch bei erfolgloser Kandidatur
sprechen vielmehr die Regelungsabsicht und die Normvorstellungen
des Gesetzgebers (s. schon Urteil des Bundesfinanzhofs vom
08.12.1987 - IX R 255/87, BFHE 152, 245, BStBl II 1988, 435 = SIS 88 08 42); denn der Gesetzgeber hat von der steuerlichen
Berücksichtigung der Wahlkampfkosten u.a. deshalb abgesehen,
weil sie wegen der je nach Einkommenshöhe unterschiedlichen
steuerlichen Auswirkungen die Gefahr in sich birgt, den Grundsatz
der Chancengleichheit aller Wahlbewerber zu beeinflussen (vgl.
BTDrucks 7/5531, 26, 27 und 7/5903, 7; s. dazu auch Kammerbeschluss
des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 26.07.1988 - 1 BvR
614/88, HFR 1988, 532). Bei erfolgloser Kandidatur ist
demgegenüber der Anwendungsbereich des in § 22 Nr. 4 Satz
2 EStG geregelten Abzugsverbots, wonach die durch das Mandat
veranlassten Aufwendungen nicht als Werbungskosten abgezogen werden
dürfen, wenn zu deren Abgeltung Aufwandsentschädigungen
gezahlt werden, nicht eröffnet, weil es an der Erlangung des
insoweit erforderlichen Mandats mangelt (gl.A. Killat in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 22 EStG Rz 475).
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Unter Wahlkampfkosten sind sämtliche
Aufwendungen zu verstehen, die zur Erlangung oder Wiedererlangung
eines der genannten Mandate gemacht werden (ebenso Blümich/
Nacke, § 22 EStG Rz 177; Hessisches FG, Urteil vom 16.02.1983
- I 164/80, EFG 1983, 494 = SIS 83 21 40, rechtskräftig).
Anders als die Klägerin meint, umfasst der Begriff der
Wahlkampfkosten bereits nach seinem Wortsinn auch die Aufwendungen
für die Erlangung ihres Kandidatenstatus, die Aufwendungen
für die organisatorische Vorbereitung als Kandidatin sowie die
Aufwendungen zur Erlangung und zum Erhalt des
Nachrückerstatus. Der Wahlkampf dient den Parteien dazu, durch
Präsentation ihrer Ziele und Kandidatinnen und Kandidaten
Wahlberechtigte zu motivieren und zu veranlassen, sich für die
beworbene Partei zu entscheiden, um am Wahltag einen möglichst
hohen Stimmenanteil zu erreichen. Die Aufstellung der einzelnen
Kandidatinnen und Kandidaten und die Erstellung der
Wahlvorschlagsliste sind unabdingbare Voraussetzungen für die
Präsentation der Kandidaten und deren Schlusswahlkampf
für die Partei. Dass sich die Tätigkeiten im Zusammenhang
mit der Bewerbung um einen Listenplatz nicht in erster Linie an die
Wähler richten, schließt die Zuordnung der dafür
getätigten Aufwendungen zu den Wahlkampfkosten i.S. des §
22 Nr. 4 Satz 3 EStG nicht aus. Sowohl der Schlusswahlkampf der
Kandidatinnen und Kandidaten für ihre Partei als auch deren
Bewerbung im Vorfeld innerhalb der Partei für die Aufnahme in
die Wahlvorschlagsliste und den Erhalt eines aussichtsreichen
Listenplatzes erfolgen mit dem Ziel, ein Mandat für die Partei
zu erlangen oder wiederzuerlangen. Eine zeitliche Grenze, bis zu
der vorab entstandene Werbungskosten bei den sonstigen
Einkünften aus § 22 Nr. 4 EStG anzuerkennen wären
bzw. ab der nicht abziehbare Wahlkampfkosten i.S. des § 22 Nr.
4 Satz 3 EStG vorliegen, lässt sich daher nicht ziehen. Da die
geltend gemachten Aufwandsarten im untrennbaren sachlichen
Zusammenhang mit dem Wahlkampf stehen, gebietet es zudem der
dargelegte Normzweck, diese als nicht abziehbare Wahlkampfkosten
anzusehen, weil deren steuerliche Berücksichtigung den
Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlbewerber
beeinträchtigen könnte.
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2. Das FG ist daher zu Recht davon
ausgegangen, dass die Wahlkampfkosten auch die Aufwendungen
für die Erlangung des Nachrückerstatus umfassen. Nach
§ 2 Abs. 1 des Europawahlgesetzes (EuWG) erfolgt die Wahl nach
den Grundsätzen der Verhältniswahl mit
Listenwahlvorschlägen. Der Wahlvorschlag einer Partei
beinhaltet die Namen der Bewerber in erkennbarer Reihenfolge (vgl.
§ 9 Abs. 2 EuWG). Die auf die Wahlvorschläge je nach
Stimmenanteil entfallenden Sitze werden in der festgelegten
Reihenfolge besetzt. Ein Kandidat steht bereits bei Aufstellung und
Einreichung des Wahlvorschlags als möglicher Listennachfolger
fest. Stirbt ein gewählter Bewerber oder erklärt er dem
Bundeswahlleiter die Ablehnung der Wahl oder stirbt ein
Abgeordneter oder scheidet sonst nachträglich aus dem
Europäischen Parlament aus, wird der Sitz nach § 24 Abs.
1 EuWG durch seinen Ersatzbewerber oder, sofern ein solcher nicht
existiert, durch den nächsten noch nicht für gewählt
erklärten Bewerber aus dem Wahlvorschlag besetzt.
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Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin
schließlich darauf, dass ihr kein gesetzlicher Anspruch auf
steuerfreie Wahlkostenerstattung zustehe. Das Abzugsverbot in
§ 22 Nr. 4 Satz 3 EStG beruht auch auf dem Regelungsgedanken,
dass nach § 18 des Parteiengesetzes den politischen Parteien
die notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes bei Erreichen
bestimmter Stimmenanteile pauschal ersetzt werden. Diese Erstattung
der notwendigen Wahlkampfaufwendungen kommt auch den Wahlbewerbern
der Parteien im Wettbewerb um die Wählerstimmen zugute
(BVerfG-Beschluss vom 09.03.1976 - 2 BvR 89/74, BVerfGE 41, 399,
unter B.II.4.a, Rz 51). Für den parteigebundenen Wahlbewerber
wie die Klägerin kommt der Ersatz der Aufwendungen für
den Wahlkampf durch ihre Partei in Betracht (BVerfG-Kammerbeschluss
in HFR 1988, 532).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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