Das Bundesministerium der Finanzen wird
aufgefordert, dem Verfahren IX R 26/19 beizutreten.
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I. Streitig ist die Aufteilung des
Kaufpreises für eine vermietete Eigentumswohnung auf
Gebäude sowie Grund und Boden für Zwecke der Bemessung
der Absetzung für Abnutzung (AfA).
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine
Grundstücksgemeinschaft, erwarb mit notariellem Vertrag vom
26.04.2017 die 38,83 qm große Eigentumswohnung (Nr. 12)
A-Straße in Z verbunden mit einem Miteigentumsanteil von
38,577/1.000 an dem Grundstück mit einer Größe von
1.185 qm und dem Sondernutzungsrecht an einem Kellerraum sowie an
einem Doppelgaragenplatz. Es handelt sich um eine Einzimmerwohnung
im zweiten Obergeschoss eines im Jahr 1973 fertiggestellten
Mehrfamilienhauses, die vermietet wird.
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Nach dem Kaufvertrag betrug der Kaufpreis
110.000 EUR, wovon per 30.04.2017 2.642,05 EUR auf den Anteil an
der Instandhaltungsrücklage entfielen. Zudem enthielt der
Kaufvertrag folgende Regelung: „Im Kaufpreis enthalten ist
das Entgelt für den anteiligen Wert des Grundstücks, den
die Beteiligten nach bestem Wissen zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses mit EUR 20.000,00 beziffern.“ Die
Anschaffungskosten beliefen sich einschließlich Nebenkosten
auf 118.002 EUR.
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In ihrer Feststellungserklärung
für das Jahr 2017 berücksichtigte die Klägerin eine
AfA-Bemessungsgrundlage in Höhe von 96.547,47 EUR. Dabei legte
sie die Kaufpreisaufteilung des notariellen Kaufvertrags zugrunde
und berechnete einen Gebäudeanteil von 81,81 % (20 000/110
000).
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Hingegen ermittelte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) auf der Grundlage der vom
Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Internet bereitgestellten
„Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für
ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“
(abzurufen unter www.bundesfinanzministerium.de) einen
Gebäudeanteil von 27,03 %. Dem lagen ein Bodenwert von 77.713
EUR (1.185 qm [Fläche] x 1.700 EUR/qm [Bodenrichtwert] x 38
577/1.000.000 [Miteigentumsanteil]) sowie ein Gebäudewert von
28.782 EUR (39 qm [Wohnfläche] x 738 EUR/qm [typisierte
Herstellungskosten]) zugrunde. Dementsprechend wurden die
Anschaffungskosten von 118.002 EUR aufgeteilt und in Höhe von
31.896 EUR der AfA unterworfen (Bescheid für 2017 über
die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen vom 05.10.2018).
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Im Einspruchsverfahrens trug die
Klägerin - vom FA nach Gründen für die wesentliche
Abweichung des im Kaufvertrag angegebenen Bodenwerts vom
Bodenrichtwert befragt - vor, sie habe sich vor dem Erwerb der
Wohnung umfassend mit dem von einer „Stararchitektin“
erbauten Gebäude auseinandergesetzt. Dabei seien nicht nur der
Zustand des Gebäudes, sondern auch der Zuschnitt der Wohnung
und die Raumaufteilung, die Gestaltung der Hausflure und die
großen Balkone kaufentscheidend gewesen. Hingegen sei die
Lage des Grundstücks (zwischen S-Bahn und Autobahn, nahe einem
Platz mit hoher Verbrechensrate, Kopfsteinpflaster vor der
Tür) nicht gut. Daher sei der Bodenrichtwert völlig
absurd und haltlos. Der im Kaufvertrag ausgewiesene Anteil sei von
den Kaufvertragsparteien - es handele sich um fremde Dritte -
wohlbedacht und angemessen zugeordnet worden. Allein die
Aufwendungen für eine Renovierung von Bad und Küche
wären höher als der nach der Arbeitshilfe zugrunde zu
legende Gebäudewertanteil.
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Dem folgte das FA im Rahmen der
Einspruchsentscheidung vom 08.05.2019 nur insoweit, als es nunmehr
einen Gebäudewertanteil von 30,9 % und damit eine
AfA-Bemessungsgrundlage von 36.463 EUR ansetzte. Dem lag zugrunde,
dass es bei der Berechnung des Gebäudeanteils den
Tiefgaragenstellplatz (5.965 EUR; Gebäudewert somit insgesamt
34.747 EUR) außer Acht gelassen hatte.
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Dagegen erhob die Klägerin Klage und
machte ergänzend geltend, dass der im Kaufvertrag ausgewiesene
Gebäudewertanteil noch weit unter den aktuellen
Gebäudeherstellungskosten von mindestens 2.000 EUR pro qm
liege, so dass ein Betrag von 80.000 EUR als Mindestwert für
den Gebäudeanteil anzusehen sei. Veröffentlichungen des
Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes sei zu entnehmen, dass
Baukosten von 2.400 EUR pro qm und anteilige Grundstückskosten
von 600 EUR pro qm für innerstädtische Lagen anzusetzen
seien, woraus sich - wie im Kaufvertrag ausgewiesen - ein
Bodenwertanteil von 20 % ergebe. Es treffe zwar zu, dass die
Kaufpreisaufteilung im notariellen Kaufvertrag von der
Käuferseite veranlasst gewesen sei und die Verkäuferseite
keine Veranlassung gehabt habe, sich dieser zu widersetzen. Der
Aufteilung liege jedoch zugrunde, dass eine kalkulierte Rendite von
6,71 % - bezogen allein auf den Gebäudewert - habe erreicht
werden sollen. Dabei sei auch zu beachten, dass der Verkäufer
Bad und Küche umfangreich modernisiert habe.
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Mit Urteil vom 14.08.2019 wies das
Finanzgericht (FG) die Klage als unbegründet ab. Zur
Begründung führte es aus, der Senat sei zu der
Überzeugung gelangt, dass die vertragliche Kaufpreisaufteilung
im Streitfall nicht die realen Wertverhältnisse widerspiegele.
Er halte die Arbeitshilfe für die Wertermittlung, insbesondere
für die Ermittlung des Gebäudesachwerts,
grundsätzlich für geeignet, messe ihren Ergebnissen eine
große indizielle Bedeutung zu, um bei erheblicher Abweichung
die Marktangemessenheit der vertraglich vereinbarten
Kaufpreisaufteilung widerlegen zu können, und sehe in ihr - im
Fall der Widerlegung - eine geeignete Schätzungshilfe.
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Im Streitfall bestünden keine
gewichtigen konkreten Umstände, aus denen sich eine
nennenswerte Abweichung der realen Wertverhältnisse von den
Ergebnissen der Arbeitshilfe ergebe. Weder die Umstände, die
nach Ansicht der Klägerin eine schlechte Lage der Wohnung und
damit einen geringeren Bodenwert begründen sollten, noch die
für einen höheren Gebäudewert angeführten
Aspekte seien nachvollziehbar. Daher gelange der Senat im Wege der
Schätzung zu einer Kaufpreisaufteilung, wie sie sich aus der
Arbeitshilfe ergebe.
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Da sich der Senat nicht allein auf die
Bodenrichtwerte stütze, sondern auf die Arbeitshilfe, in der
die Bodenrichtwerte lediglich einflössen, sehe er sich nicht
im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach eine
wesentliche Diskrepanz zu den Bodenrichtwerten es nicht ohne
weiteres rechtfertige, die auf Grund und Gebäude entfallenden
Anschaffungskosten zu schätzen. Die Arbeitshilfe gehe
über eine bloße Bestimmung der Bodenrichtwerte und deren
Abgleich mit der kaufvertraglichen Bestimmung des Bodenwertanteils
deutlich hinaus. Sie sei methodisch geeignet und entspreche der
Vorgabe der Rechtsprechung, Bodenwert und Gebäudewert
unabhängig voneinander zu ermitteln; ihre Ergebnisse seien
nachvollziehbar. Bei Eigentumswohnungen erweise sich zudem das
Sachwertverfahren als sachgerecht.
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Dagegen richtet sich die Revision der
Klägerin. In Ergänzung ihres Vorbringens im
Klageverfahren macht sie geltend, dass die tatsächlichen
Wertverhältnisse in der Arbeitshilfe durch typisierte
Schätzungen im Bereich des Gebäudewerts nicht zutreffend
dargestellt würden. Selbst der Gesetzgeber halte - wie sich an
§ 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zeige - Baukosten in
Höhe von 2.000 EUR pro qm für einfache Wohnräume
für nicht realisierbar; die Fördergrenze sei daher auf
3.000 EUR pro qm - mit baldiger Anpassung auf 3.500 EUR pro qm -
festgelegt worden. Die vorliegend berücksichtigten Baukosten
gemäß Sachwertrichtlinie 2012 betrügen indes 1.405
EUR pro qm (ohne Alterswertminderung). Im Übrigen habe das FG
den im Klageverfahren angeführten Aspekt des „Werts des
Wohnens“ völlig außer Acht gelassen. Die
Ermittlung des Gebäudeanteils durch die Finanzverwaltung sei
einseitig nach dem Sachwert erfolgt. Den mit der Vermietung
erzielten Einnahmen der Klägerin stünden keine dem
Wohnwert entsprechenden Werbungskosten gegenüber.
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Die Klägerin beantrag, das Urteil des
FG Berlin-Brandenburg vom 14.8.2019 aufzuheben und den
Feststellungsbescheid vom 5.10.2018 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 08.05.2019 dahingehend abzuändern,
dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Vermietung des
Objekts A-Straße eine AfA-Bemessungsgrundlage unter
Berücksichtigung eines Gebäudeanteils von 81,8 % zugrunde
gelegt wird.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Vorinstanz habe die Rechtsprechung zur
Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die erworbenen
Wirtschaftsgüter zutreffend angewandt. Es hätten
erhebliche Zweifel an der vereinbarten Kaufpreisaufteilung
bestanden, die die Klägerin nicht durch andere qualifizierte
Indizien hätte entkräften können. So weiche der im
Kaufvertrag festgelegte Wert für den Grund und Boden vom
maßgeblichen Bodenrichtwert im Zeitpunkt des Erwerbs um mehr
als 70 % ab. Zudem habe die Klägerin bei der Bemessung des
Gebäudewerts einseitig subjektive Interessen verfolgt, die
gegen einen sachgerechten Aufteilungsmaßstab sprächen.
Sie habe sich an ihren Renditevorstellungen orientiert, die
Marktverhältnisse aber nicht in die Betrachtung
einbezogen.
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Vor diesem Hintergrund sei die
Überprüfung der Kaufpreisaufteilung gerechtfertigt
gewesen. Die vom BMF herausgegebene Arbeitshilfe stelle dafür
ein geeignetes Instrument dar. Sie gehe insbesondere über eine
bloße Bestimmung der Bodenrichtwerte und deren Vergleich mit
dem kaufvertraglichen Bodenanteil hinaus. Ihr lägen die
Vorschriften der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des
Baugesetzbuchs, hier des Sachwertverfahrens nach der
Immobilienwertermittlungsverordnung, zugrunde. Der Gebäudewert
werde - entgegen den Ausführungen der Klägerin - auf der
Grundlage der Normalherstellungskosten (NHK) 2010, die als
Ausgangswert herangezogen würden, ermittelt. Schließlich
erfolge eine Indizierung des Preises entsprechend des Baupreisindex
(im Streitfall mit 116,8 % der NHK 2010). Dadurch erfolge eine
Angleichung an heutige Werte. Damit würden den aktuellen
Bodenrichtwerten auch angepasste Baukosten
gegenübergestellt.
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Die Klägerin gehe fehl in der Annahme,
dass die aus einer verstärkten Nachfrage und damit Verknappung
resultierende Preissteigerung von Wohnimmobilien einer bestimmten
Lage aufgrund der Berechnungssystematik der Arbeitshilfe des BMF
praktisch nur zu einer Erhöhung des Bodenwerts und damit zu
einer entsprechenden Verschiebung bei der Kaufpreisaufteilung von
Bestandsimmobilien führe. Lediglich auf eine Marktanpassung
der (vorläufigen) Sachwerte sei verzichtet worden, da sich
diese im gleichen Verhältnis auf den Grund und Boden
einerseits sowie das Gebäude andererseits auswirke. Die Summe
der ermittelten Einzelwerte (vorläufige Sachwerte) weise damit
ohne Marktanpassung zwar nicht den Verkehrswert aus. Das
Aufteilungsverhältnis ändere sich jedoch nicht.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin
seien die in der Kaufpreisaufteilung berücksichtigten
typisierten Herstellungskosten angemessen. Nach der Indizierung der
NHK aus 2010 von 1.405 EUR pro qm auf das Jahr 2017 ergäben
sich Herstellungskosten von 1.642 EUR pro qm Wohnfläche
für ein Gebäude mit dem Standard des Jahres 1973. Dies
stelle keinen Widerspruch zur Förderhöchstgrenze von
2.000 EUR pro qm bzw. Baukostenobergrenze nach § 7b EStG von
3.000 EUR pro qm für einen aktuellen Baustandard dar, sondern
sei plausibel.
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Die Arbeitshilfe ermögliche damit, in
einem typisierten Verfahren die Kaufpreisaufteilung entweder selbst
vorzunehmen oder die Plausibilität einer Kaufpreisaufteilung
zu prüfen. Es handele sich um eine qualifizierte
Schätzung, der natürlich immanent sei, dass nicht jeder
Einzelfall bewertet werden könne. Dabei könne der
Steuerpflichtige aber Besonderheiten, die eine abweichende
Bewertung rechtfertigten, z.B. im Wege einer sachverständigen
Stellungnahme geltend machen. Dies sei ein Korrektiv, um preisliche
Unterschiede und Ungerechtigkeiten auszugleichen. Durch diese
Systematik sei eine verhältnismäßige und für
die Beteiligten planbare Handhabung der Wertermittlung einerseits
und eine Möglichkeit zur Berücksichtigung des Einzelfalls
andererseits geschaffen worden. Im Streitfall habe die
Klägerin aber keine derartigen Besonderheiten geltend gemacht,
die eine Abweichung von der Wertermittlung der Arbeitshilfe
rechtfertigen würden. Die im Klageverfahren vorgebrachten
allgemein gehaltenen Ausführungen seien jedenfalls nicht
geeignet, die Berechnung des Gebäudeanteils anhand eines
typisierten Verfahrens in Zweifel zu ziehen.
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II. Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum
Anlass, sich grundlegend mit der Frage zu befassen, welche
Bedeutung der vom BMF zur Verfügung gestellten
„Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises
für ein bebautes Grundstück
(Kaufpreisaufteilung)“ bei der Aufteilung eines
vertraglich vereinbarten Kaufpreises auf Grund und Gebäude
nach den realen Verkehrswerten (vgl. Senatsurteil vom 16.9.2015 -
IX R 12/14, BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397 = SIS 15 29 04)
für Zwecke der AfA-Bemessung zukommt. Vor diesem Hintergrund
hält es der Senat für angezeigt, das BMF an diesem
Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern
(§ 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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