I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union
wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Muss ein Steuerpflichtiger, der einen Investitionsgegenstand im
Hinblick auf eine steuerpflichtige Verwendung mit Recht auf
Vorsteuerabzug herstellt (hier: Errichtung eines Gebäudes zum
Betrieb einer Cafeteria), den Vorsteuerabzug nach Art. 185 Abs. 1
und Art. 187 MwStSystRL berichtigen, wenn er die zum Vorsteuerabzug
berechtigende Umsatztätigkeit (hier: Betrieb der Cafeteria)
einstellt und der Investitionsgegenstand im Umfang der zuvor
steuerpflichtigen Verwendung nunmehr ungenutzt bleibt?
II. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union ausgesetzt.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Organträgerin einer
GmbH, die ein Alten- und Pflegeheim steuerfrei betreibt. Im Jahr
2003 errichtete die GmbH in einem Anbau eine Cafeteria, die
für Besucher durch einen Außeneingang und für
Heimbewohner durch den Speisesaal des Pflegeheims zugänglich
war.
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Die Klägerin ging zunächst davon
aus, dass sie die Cafeteria ausschließlich für
steuerpflichtige Umsätze nutze. Nach einem vom Finanzgericht
(FG) in Bezug genommenen Prüfungsvermerk des Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) wurden in der Cafeteria
keine getrennten Aufzeichnungen geführt, da die Heimbewohner
nach den Angaben der Klägerin die Cafeteria überhaupt
nicht frequentierten. Der weitaus größte Teil sei
körperlich so eingeschränkt, dass an einen Besuch der
Cafeteria nicht zu denken sei. Besuch von Verwandten, Freunden und
Bekannten würden nur die wenigsten erhalten. Und die
würden dann auch noch in dem neu angebauten Speisesaal
bleiben, da dieser auch als Aufenthaltsraum diene und es dort zudem
Kaffee und teilweise Kuchen kostenlos gäbe. Die Cafeteria an
sich sei nur für auswärtige Gäste gedacht gewesen,
die dann möglichst nicht neben einem Heimbewohner in
Pantoffeln und Bademantel sitzen sollten. Nach dem Vermerk handelte
es sich um Argumente, denen sich das FA im Rahmen der
Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht verschließen konnte.
Nichtsdestotrotz erschien es dem FA unwahrscheinlich, dass
überhaupt keine Heimbewohner mit ihren Besuchern die Cafeteria
aufsuchten und nutzten. Daraufhin kam es zu einer
Verständigung, eine steuerfreie Nutzung der Cafeteria zu 10 %
anzunehmen. Dies führte zur Annahme einer Berichtigung nach
§ 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die Jahre ab
2003.
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Im Anschluss an eine
Außenprüfung ging des FA davon aus, dass die GmbH in den
Streitjahren 2009 bis 2012 in der Cafeteria keine Warenumsätze
mehr ausgeführt habe. Im Februar 2013 sei das
diesbezügliche Gewerbe abgemeldet worden. Dies habe zu einer
weiter gehenden Berichtigung nach § 15a UStG geführt, da
jetzt überhaupt keine Nutzung für Umsätze mit Recht
auf Vorsteuerabzug vorliege.
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Einspruch und Klage zum FG hatten keinen
Erfolg. Das FG ging in seinem in EFG 2018, 338 = SIS 17 25 23
veröffentlichten Urteil von einer Betriebseinstellung in den
Streitjahren aus. Zwar sei ein Leerstehen von Räumlichkeiten
kein Umsatz und trete durch einen Leerstand keine Änderung der
Verhältnisse ein. Abzustellen sei aber auf die
Verwendungsabsichten. Diese hätten sich geändert, da die
Absicht zur Nutzung für steuerpflichtige
Bewirtungsumsätze entfallen sei. Die Cafeteria habe nicht
gänzlich leer gestanden, sondern sei nunmehr
ausschließlich steuerfrei durch die Heimbewohner genutzt
worden. Da eine umsatzsteuerpflichtige Nutzung durch
auswärtige Besucher weggefallen sei, hätten sich
zwangsläufig die Nutzungsanteile dahingehend geändert,
dass nunmehr die Heimbewohner diese zu 100 % nutzen. Eine Nutzung
zu anderen Zwecken als zu umsatzsteuerfreien Zwecken liege nicht
vor.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision. Werde ein Gegenstand des Unternehmensvermögens
ohne private Nutzungsmöglichkeit nicht mehr verwendet, liege
keine Nutzungsänderung vor, die zu einer Vorsteuerberichtigung
nach § 15a UStG führe. Die Cafeteria sei eine
Fehlinvestition. Der möglichen Nutzung durch das Altenheim sei
Rechnung getragen worden. Eine Fehlinvestition dürfe aus
Gründen der steuerlichen Neutralität nicht zu einer
Vorsteuerberichtigung führen. Es handele sich um eine voll
funktionsfähige Cafeteria. Die Nutzung durch die Heimbewohner
beschränke sich immer noch auf 10 %. Die Annahme einer weiter
gehenden Nutzung widerspreche den tatsächlichen Gegebenheiten.
Schon aus Gründen der Verkehrssicherheit und der
Unfallverhütung sei der Zugang zur Cafeteria verschlossen
gewesen. Die Ablehnung einer Teilwertabschreibung belege, dass noch
eine Absicht zur Nutzung bestehe. Hiergegen wendet das FA ein, dass
sich die Nutzung geändert habe, da die Absicht,
steuerpflichtige Umsätze auszuführen, entfallen sei.
Daher liege nur noch eine Verwendung für steuerfreie
Umsätze vor.
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II. Der Senat legt dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) die im Leitsatz bezeichnete Frage
zur Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) vor und
setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
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1. Rechtlicher Rahmen
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a) Unionsrecht
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Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL bestimmt:
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„Die Berichtigung erfolgt
insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung
des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe
der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel
bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten
Rabatten.“
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Art. 187 MwStSystRL lautet wie folgt:
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„(1) Bei Investitionsgütern
erfolgt die Berichtigung während eines Zeitraums von fünf
Jahren einschließlich des Jahres, in dem diese Güter
erworben oder hergestellt wurden.
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Die Mitgliedstaaten können jedoch
für die Berichtigung einen Zeitraum von fünf vollen
Jahren festlegen, der mit der erstmaligen Verwendung dieser
Güter beginnt.
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Bei Grundstücken, die als
Investitionsgut erworben wurden, kann der Zeitraum für die
Berichtigung bis auf 20 Jahre verlängert werden.
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(2) Die jährliche Berichtigung
betrifft nur ein Fünftel beziehungsweise im Falle der
Verlängerung des Berichtigungszeitraums den entsprechenden
Bruchteil der Mehrwertsteuer, mit der diese Investitionsgüter
belastet waren.
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Die in Unterabsatz 1 genannte Berichtigung
erfolgt entsprechend den Änderungen des Rechts auf
Vorsteuerabzug, die in den folgenden Jahren gegenüber dem
Recht für das Jahr eingetreten sind, in dem die Güter
erworben, hergestellt oder gegebenenfalls erstmalig verwendet
wurden.“
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b) Nationales Recht
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§ 15a Abs. 1 UStG ordnet an:
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„Ändern sich bei einem
Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von
Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem
Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den
ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden
Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der
Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der
auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden
Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken
einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei
Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen
Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf
fremdem Grund und Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von
fünf Jahren ein Zeitraum von zehn Jahren.“
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2. Zur Vorlagefrage
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a) Willensunabhängige
Erfolglosigkeit
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Klärungsbedürftig und nach
Auffassung des Senats durch den EuGH zu entscheiden ist, ob eine
vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängige Erfolglosigkeit,
die zu einer bloßen Nichtnutzung eines Investitionsguts
führt, eine Änderung der Faktoren bewirkt, die bei der
Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden
(Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL).
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aa) Der Unternehmer wird durch den
Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner
wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten
Mehrwertsteuer entlastet. Damit wird völlige Neutralität
hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen
Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis
gewährleistet, sofern diese Tätigkeiten selbst der
Mehrwertsteuer unterliegen (EuGH-Urteile Centralan Property vom
15.12.2005 C-63/04, EU:C:2005:773, Rz 51, und Imofloresmira -
Investimentos Imobiliários vom 28.2.2018 C-672/16,
EU:C:2018:134, Rz 38).
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bb) Dabei bleibt das Recht auf Vorsteuerabzug
auch dann erhalten, wenn der Steuerpflichtige die Gegenstände
und Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben,
später aufgrund von Umständen, die von seinem Willen
unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze
verwenden konnte (EuGH-Urteile INZO vom 29.2.1996 C-110/94,
EU:C:1996:67, Rz 20; Ghent Coal Terminal vom 15.1.1998 C-37/95,
EU:C:1998:1, Rz 19 f., und Imofloresmira - Investimentos
Imobiliários, EU:C:2018:134, Rz 40 und 42). Andernfalls
käme es entgegen dem Grundsatz der Neutralität zu
willkürlichen Unterscheidungen, da die endgültige
Zulassung der Abzüge davon abhinge, ob Investitionen zu
steuerbaren Umsätzen führen (EuGH-Urteile INZO,
EU:C:1996:67, Rz 22, und Imofloresmira - Investimentos
Imobiliários, EU:C:2018:134, Rz 43). Es ist daher mit dem
Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht vereinbar, die
endgültige Zulassung der Vorsteuerabzüge von den
Ergebnissen der vom Steuerpflichtigen ausgeübten
wirtschaftlichen Tätigkeit abhängig zu machen. Dies
führe zu ungerechtfertigten Unterscheidungen zwischen
Unternehmen mit demselben Profil und derselben Tätigkeit in
Bezug auf die steuerliche Behandlung von identischen
Immobilieninvestitionstätigkeiten (EuGH-Urteil Imofloresmira -
Investimentos Imobiliários, EU:C:2018:134, Rz 44).
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b) Gleichstellung absichtsloser
Nichtverwendung und Nichtverwendung in Absicht steuerpflichtiger
Verwendung
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Die vom Willen des Unternehmers
unabhängige Nichtverwendung ohne weitere Nutzungsabsicht kann
einer Nichtverwendung trotz Absicht zu einer steuerpflichtigen
Nutzung, wie sie dem EuGH-Urteil Imofloresmira - Investimentos
Imobiliários (EU:C:2018:134) zugrunde lag, gleichzustellen
sein.
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Hat der Unternehmer in der Absicht einer zum
Vorsteuerabzug berechtigenden Nutzung ein Wirtschaftsgut
hergestellt und kann er die beabsichtigte Nutzung wegen einer von
seinem Willen unabhängigen Erfolglosigkeit nicht dauerhaft
verwirklichen, würde das sich hieraus ergebende Fehlen
jeglicher Nutzung und jeglicher Verwendungsabsicht keine
Änderung der Verhältnisse bewirken, die zu einer
Vorsteuerberichtigung führt.
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3. Zur Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage
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Die bereits in den Streitjahren bestehende
Schließung des Betriebs der Cafeteria beruhte nach den
für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) auf der
fehlenden wirtschaftlichen Rentabilität und damit auf der
Erfolglosigkeit der Klägerin, die für sich genommen keine
Änderung der Verhältnisse begründete.
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Die Schließung des Betriebs der
Cafeteria führte nicht dazu, dass eine ausschließlich
steuerfreie Nutzung durch die Heimbewohner vorlag. Denn durch die
Betriebsschließung hat sich der Umfang der steuerfreien
Verwendung durch die Heimbewohner nicht geändert. Diese blieb
vielmehr unter Berücksichtigung der Umstände, die nach
dem vom FG in Bezug genommenen Prüfungsvermerk zur Annahme
einer steuerfreien Mitverwendung führten, unverändert.
Die Nutzung für den steuerpflichtigen Betrieb der Cafeteria
entfiel ersatzlos, ohne dass an die Stelle dieser bisherigen
Verwendung eine erhöhte Nutzung durch die Heimbewohner trat.
Somit lag neben der unveränderten Nutzung durch die
Heimbewohner statt des früheren Betriebs der Cafeteria ein
nunmehr brachliegender Betrieb mit insoweit ungenutzten
Räumlichkeiten vor. Es könnte rechtsfehlerhaft sein, die
so unterbleibende Nutzung dahingehend zu deuten, dass nunmehr eine
ausschließliche Nutzung für steuerfreie Zwecke
vorliegt.
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Sonstige Umstände, die zu einer
Vorsteuerberichtigung führen könnten, sind nicht gegeben.
Insbesondere ist die bisherige Nutzung nicht durch eine
andersartige steuerfreie Verwendung wie etwa bei einer nach §
4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung der Räumlichkeiten
ersetzt worden, die dann trotz Erfolglosigkeit der
ursprünglichen Verwendungsabsicht zu einer
Vorsteuerberichtigung führen würde.
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Auch eine Privatverwendung oder sonstige
Nutzung des Anbaus, die nach Erfolglosigkeit eine Entnahme
gemäß § 3 Abs. 1b UStG begründen könnte,
die bei ihrer Steuerfreiheit eine Vorsteuerberichtigung nach §
15a Abs. 8 UStG bewirkt, ist nicht ersichtlich. Insbesondere blieb
der Anbau im Hinblick auf die fortgesetzte Mitnutzung durch die
Heimbewohner Unternehmensgegenstand und war nicht Gegenstand einer
Entnahme.
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4. Zum Rechtsgrund der Vorlage
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Die Vorlage beruht auf Art. 267 des Vertrages
über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
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5. Zur Verfahrensaussetzung
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Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO.
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