Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11.2.2016 1 K
171/15 aufgehoben.
Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Streitig ist die Anwendung von § 5a
Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. von Art. 1
Nr. 3 des Gesetzes zur bestätigenden Regelung verschiedener
steuerlicher und verkehrsrechtlicher Vorschriften des
Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBeglG2004BestG) vom 5.4.2011 (BGBl
I 2011, 554) auf Verluste, die vor Abschluss des Bauvertrags
über ein Handelsschiff angefallen sind.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im März 2006
zunächst als Vorratsgesellschaft gegründet. Kommanditist
der Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt A, Komplementärin die
A-GmbH. Als Gesellschaftszweck legte man den Betrieb und die
Veräußerung von Seeschiffen, insbesondere den Betrieb
eines Schiffs namens „MS ...“ fest.
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In den Streitjahren (2006 bis 2009)
erzielte die Klägerin keine Betriebseinnahmen. In dieser Zeit
fielen lediglich allgemeine Verwaltungskosten an. Hierbei handelte
es sich um Aufwendungen für Rechts- und Beratungskosten sowie
für Abschluss- und Prüfungskosten. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die
Verluste zunächst in Bescheiden über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
(Gewinnfeststellungsbescheide). Diese wiesen folgende Verluste aus:
285 EUR (2006), 626,95 EUR (2007), 305 EUR (2008) und 306,20 EUR
(2009). (Nur) die Bescheide für 2008 und 2009 ergingen nach
§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
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2010 schloss die Klägerin einen
Vertrag über den Bau und die Lieferung eines Handelsschiffs.
Das Schiff wurde 2012 an die Klägerin übergeben und wird
seitdem als „MS ...“ im internationalen Schiffsverkehr
betrieben.
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Im Jahr 2012 optierte die Klägerin zur
Tonnagegewinnermittlung nach § 5a EStG. Daraufhin stellte das
FA für sämtliche Streitjahre die Einkünfte jeweils
mit 0 EUR fest. Zur Begründung verwies es auf § 5a Abs. 3
Satz 2 EStG i.d.F. des HBeglG2004BestG, demzufolge auf Grund der
Wahl der Gewinnermittlung nach § 5a EStG Verluste vor
Indienststellung des Schiffs nicht zu berücksichtigen seien.
Die Änderungsbescheide für 2006 und 2007 geben als
Rechtsgrundlage für die Änderung jeweils § 173 Abs.
1 Nr. 1 AO an, die Änderungsbescheide für 2008 und 2009
§ 164 Abs. 2 AO. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb
erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 3.6.2015).
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Das Finanzgericht (FG) wies die daraufhin
erhobene Klage mit Urteil vom 11.2.2015 1 K 171/15 als
unbegründet ab.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragt, das FG-Urteil, die
Einspruchsentscheidung vom 3.6.2015 und die Bescheide über die
gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
für 2006 und für 2007, beide vom 13.6.2012, ersatzlos
aufzuheben sowie die Bescheide über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008
vom 13.6.2012 und für 2009 vom 14.9.2015 dahin zu ändern,
dass laufende Gesamthandsverluste für 2008 in Höhe von
305 EUR und für 2009 in Höhe von 306,20 EUR festgestellt
werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die bisherigen Feststellungen des
FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die
Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen
Änderungsbescheide gegeben sind.
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1. Als Rechtsgrundlage für die streitigen
Änderungsbescheide kommt für die Streitjahre 2006 und
2007 nur § 5a Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 2 EStG i.d.F. des
HBeglG2004BestG in Betracht. Die Änderungsbescheide für
die Jahre 2008 und 2009, für die die Ausgangsbescheide jeweils
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen waren, konnten
hingegen neben § 5a Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 2 EStG i.d.F.
des HBeglG2004BestG auch auf § 164 Abs. 2 AO gestützt
werden.
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a) Nach § 5a Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F.
des HBeglG2004BestG sind vor Indienststellung des Handelsschiffs
durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr
erwirtschaftete Gewinne nicht zu besteuern und Verluste weder
ausgleichsfähig noch verrechenbar, wenn im Jahr der
Indienststellung eines solchen Schiffs wirksam zur Besteuerung nach
der Tonnage optiert wurde. Bereits erlassene Steuerbescheide sind
insoweit zu ändern (Satz 3). Das gilt auch dann, wenn der
Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist; die Festsetzungsfrist
endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den
Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem der Gewinn erstmals
nach Absatz 1 ermittelt wird (Satz 4).
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b) Das HBeglG2004BestG, mit dem der
Gesetzgeber potentiell formell verfassungswidrige Regelungen des
Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29.12.2003 (BGBl I 2003, 3076)
wie u.a. § 5a Abs. 3 EStG bestätigt hat, trat nach seinem
Art. 8 am Tag nach seiner Verkündung, also am 12.4.2011, in
Kraft, so dass es auch auf den im Jahr 2012 gestellten Antrag der
Klägerin, ab Beginn dieses Jahres den Gewinn nach der Tonnage
zu ermitteln, anzuwenden ist.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin
lässt sich § 5a Abs. 3 EStG i.d.F. des HBeglG2004BestG
keine zeitliche Begrenzung der Änderungsmöglichkeit auf
das Jahr der Indienststellung des Schiffs entnehmen. Vielmehr
ergibt sich das Gegenteil insbesondere aus Satz 4 dieser Norm. Wenn
der Gesetzgeber dort anordnet, dass selbst unanfechtbare
Steuerbescheide geändert werden können und die
Festsetzungsfrist insoweit nicht endet, bevor die Festsetzungsfrist
für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem der Gewinn
erstmals nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelt wird, ergibt sich
daraus eindeutig, dass der Gesetzgeber insoweit die Änderung
von Steuerbescheiden für Veranlagungszeiträume vor dem
Jahr der Indienststellung ermöglichen wollte.
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c) Entgegen der in den
Änderungsbescheiden noch vertretenen Auffassung des FA kommt
hingegen als Rechtsgrundlage für die streitigen
Änderungsbescheide für die Jahre 2006 und 2007 § 173
Abs. 1 Nr. 1 AO nicht in Betracht. Denn die Ausübung der
Option der Klägerin zur Besteuerung nach der Tonnage im Jahr
2012 stellt bezogen auf die Jahre 2006 und 2007 keine neue Tatsache
i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dar. Auch hat das FG die
Umstände des Streitfalls in revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise dahin gewürdigt, dass die Klägerin
schon in den Streitjahren mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt
habe, es sich bei den streitigen Aufwendungen also dem Grunde nach
um Betriebsausgaben der Klägerin handelt.
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2. Zwischen den Beteiligten ist nicht im
Streit, dass die Klägerin mit Wirkung ab dem Jahr 2012 wirksam
zur Gewinnermittlung nach der Tonnage optiert hat. Insoweit sieht
der Senat von weiteren Ausführungen ab.
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3. Folge der Option zur Besteuerung nach der
Tonnage ist nach § 5a Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. des
HBeglG2004BestG, dass vor Indienststellung des Handelsschiffs durch
den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr
erwirtschaftete Gewinne nicht zu besteuern und Verluste weder
ausgleichsfähig noch verrechenbar sind; bereits erlassene
Steuerbescheide sind insoweit zu ändern (Satz 3). Die
bloße Gründung einer Gesellschaft zählt indes noch
nicht zum Betrieb von Handelsschiffen, weil eine entsprechende
Investitionsentscheidung erst anschließend getroffen werden
kann.
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Ob Gewinne „durch den Betrieb von
Handelsschiffen im internationalen Verkehr
erwirtschaftet“ wurden, bestimmt sich nach § 5a Abs.
2 EStG. Nach dessen Satz 2 gehören zum Betrieb von
Handelsschiffen im internationalen Verkehr u.a. auch die
unmittelbar mit ihrem Einsatz oder ihrer Vercharterung
zusammenhängenden Neben- und Hilfsgeschäfte.
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a) Hilfsgeschäfte sind solche
Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb üblicherweise
mit sich bringt und die die Aufnahme, Fortführung und
Abwicklung der Haupttätigkeit erst ermöglichen. Typisch
für Hilfsgeschäfte ist es, dass sie dem
Hauptgeschäft auch zeitlich vorgehen können. Zu Recht ist
das FG davon ausgegangen, dass auch der Abschluss von
Beratungsverträgen und der Auftrag zur Erstellung von
Jahresabschlüssen danach Hilfsgeschäfte sein
können.
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b) (Auch) Hilfsgeschäfte gehören
nach § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG aber nur dann zum Betrieb von
Handelsschiffen im internationalen Verkehr, wenn sie unmittelbar
mit deren Einsatz oder ihrer Vercharterung zusammenhängen. Mit
dem Merkmal der Unmittelbarkeit soll sichergestellt werden, dass
nicht sämtliche mit dem Einsatz oder der Vercharterung eines
Handelsschiffs im internationalen Verkehr zusammenhängenden
Geschäfte in den Anwendungsbereich des § 5a EStG
einbezogen werden, sondern nur solche, die in einem besonderen,
engen Zusammenhang mit dem Einsatz oder der Vercharterung eines
Handelsschiffs stehen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
13.4.2017 IV R 14/14, BFHE 257, 413 = SIS 17 10 22). Dies setzt
nach Ansicht des Senats voraus, dass die konkrete
Investitionsentscheidung für den Betrieb eines Handelsschiffs
im internationalen Verkehr bereits getroffen wurde. Vor diesem
Zeitpunkt vorgenommene Geschäfte erfüllen danach das
Unmittelbarkeitserfordernis nicht. Das bedeutet andererseits nicht,
dass jedes Geschäft, das nach diesem Zeitpunkt vorgenommen
wird, das Unmittelbarkeitserfordernis erfüllt. Dementsprechend
stellen z.B. Kapitalanlagen in der Investitionsphase eines
Schiffsbetriebs grundsätzlich selbst dann keine
Hilfsgeschäfte dar, die unmittelbar mit dem Einsatz oder der
Vercharterung des Schiffs zusammenhängen, wenn zu diesem
Zeitpunkt die konkrete Investitionsentscheidung schon getroffen ist
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 257, 413 = SIS 17 10 22).
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Nach diesen Maßstäben stellt die
Gründung einer Gesellschaft noch kein Hilfsgeschäft dar,
das in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einsatz oder der
Vercharterung eines Handelsschiffs steht. Denn erst nach der
Gründung der Gesellschaft kann die Investitionsentscheidung
für die Gesellschaft getroffen werden.
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c) Die konkrete Investitionsentscheidung zeigt
sich spätestens im Abschluss des Bau- oder Kaufvertrags
über das zu betreibende Schiff. Regelmäßig wird sie
aber schon vor diesem Zeitpunkt getroffen sein. Entscheidend sind
die Umstände des konkreten Einzelfalls.
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Der Bezeichnung des Unternehmensgegenstands
kommt dabei für den Nachweis der Investitionsentscheidung
regelmäßig nur geringe Bedeutung zu. Erforderlich sind
vielmehr Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, ein konkretes
Schiff herzustellen bzw. zu erwerben, um es als Handelsschiff im
internationalen Verkehr zu betreiben. Hierzu zählen allerdings
auch Maßnahmen, die auf die Beschaffung der entsprechenden
finanziellen Mittel für den Erwerb bzw. die Herstellung eines
solchen Schiffs gerichtet sind.
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Allein das Vorhalten einer Gesellschaft, um im
Fall eines aussichtsreichen Geschäfts sofort tätig werden
zu können, reicht danach regelmäßig nicht aus. In
aller Regel wird die konkrete Investitionsentscheidung mit Kosten
verbunden sein, die über die Kosten für das Vorhalten der
Gesellschaft hinausgehen.
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4. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher
aufzuheben.
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Die Sache ist nicht spruchreif. Die bisherigen
Feststellungen des FG reichen nicht aus, um dem Senat die
Entscheidung zu ermöglichen, ob und ggf. in welchem Streitjahr
die Klägerin die konkrete Investitionsentscheidung getroffen
hat. Es fehlen z.B. Feststellungen dazu, ob und ggf. in welchem
Umfang es sich bei den für das Streitjahr 2006, das Jahr der
Gründung der Klägerin, geltend gemachten Aufwendungen um
reine Gründungskosten handelt, die von einer
Änderungsmöglichkeit nach § 5a Abs. 3 Satz 2 i.V.m.
Satz 3 EStG i.d.F. des HBeglG2004BestG grundsätzlich nicht
erfasst werden. Ferner bedarf es der Feststellung dazu, durch
welche Maßnahmen die Rechts- und Beratungskosten in den
Streitjahren veranlasst wurden. Durch die Zurückverweisung
erhält das FG Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen
nachzuholen.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143
Abs. 2 FGO.
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