Möglicherweise sind in Ihrem Browser Cookies deaktiviert. Stellen Sie sicher, dass Cookies aktiviert sind.
Beitrittsaufforderung an das BMF, nachträgliche Anschaffungskosten bei Gesellschaftereinlagen "in letzter Minute"
Beitrittsaufforderung an das BMF, nachträgliche Anschaffungskosten bei Gesellschaftereinlagen "in letzter Minute": Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Zuzahlungen, die der Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und die bei der Kapitalgesellschaft als Kapitalrücklage auszuweisen sind (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB), bei diesem in jedem Fall und zu jedem denkbaren Zeitpunkt zu - nachträglichen - Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB führen und mithin im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind und ob solche Zuzahlungen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) darstellen könnten. - Urt.; BFH 11.10.2017, IX R 5/15; SIS 17 20 31
Kapitel:
Verschiedenes > AO, Verschiedenes
Fundstellen
-
BFH 11.10.2017, IX R 5/15 (ECLI:DE:BFH:2017:B.111017.IXR5.15.0)
BStBl 2018 II S. 18
DStR 2017 S. 2478
Anmerkungen:
-/- in GmbH-Stpr 3/2018 S. 87
-/- in NWB 47/2017 S. 3554
T. Köster in DStZ 24/2017 S. 899
Ch. Levedag in GmbHR 24/2017 S. R 376
B. Rätke in BBK 23/2017 S. 1081
E. Ratschow in BFH/PR 2/2018 S. 23
M. Seppelt in BB 4/2018 S. 178
Normen
[EStG] § 17
[AO 1977] § 42
[HGB] § 255 Abs. 1 Satz 1, § 255 Abs. 1 Satz 2, § 272 Abs. 2 Nr. 4
Zitiert in... / geändert durch...
-
LfSt Niedersachsen 27.4.2018, SIS 18 07 07, MoMiG, Auswirkungen auf nachträgliche Anschaffungskosten: Das Landesamt für Steuern Niedersachsen hat sei...
-
BFH 27.3.2018, SIS 18 08 77, Voraussetzungen des Antrags auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buc...
-
LfSt Niedersachsen 13.3.2018, SIS 18 04 49, MoMiG, Auswirkungen auf nachträgliche Anschaffungskosten: Im Hinblick auf die BFH-Entscheidungen vom 11.1...
-
OFD Frankfurt 6.12.2017, SIS 18 00 19, Nachträgliche Anschaffungskosten, Ablösung von Gesellschafterdarlehen durch Gesellschaftereinlagen: Die O...
Das Bundesministerium der Finanzen wird
aufgefordert, dem Verfahren IX R 5/15 beizutreten.
1
|
I. Streitig ist die Berücksichtigung
von nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung
eines Veräußerungsverlusts nach § 17 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr
maßgeblichen Fassung.
|
|
|
2
|
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2010) vom Beklagten
und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war seit 2003
neben seinen drei Brüdern (L, D und F) mit einem Anteil von
12.782,30 EUR (25.000 DM) an der von seinem Vater im Jahr 1989
gegründeten A-GmbH beteiligt. Der Kläger und sein Bruder
D waren als Geschäftsführer bestellt. Das Stammkapital
der A-GmbH betrug 51.640,48 EUR. Der Vater des Klägers war
zunächst noch mit einem Anteil von 511,28 EUR (1.000 DM) an
der GmbH beteiligt. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2004 ging
dessen Anteil auf die Mutter des Klägers über.
|
|
|
3
|
Bereits im Jahr 1999 hatte der Kläger
eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der A-GmbH
gegenüber einer Bank übernommen. Zum 31.12.2003 beliefen
sich die Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber der Bank auf
207.921,83 EUR. Darüber hinaus stand der Bank eine Grundschuld
auf einem der Mutter des Klägers gehörenden
Grundstücks von 177.418,28 EUR als Sicherheit zur
Verfügung. Die Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber der
Bank waren bis zum 31.12.2009 auf 348.786,43 EUR angestiegen. In
den Jahren 2008 und 2009 hat die A-GmbH lediglich Verluste in
Höhe von 308.425 EUR bzw. 91.989 EUR erzielt. Zum Ende des
Jahres 2009 stellte die A-GmbH ihren Geschäftsbetrieb ein und
veräußerte ihr gesamtes Anlagevermögen sowie Roh-,
Hilfs- und Betriebsstoffe und unfertige Erzeugnisse an die I-GmbH.
An dieser waren neben dem Kläger sein Bruder D und ein Dritter
zu gleichen Teilen beteiligt. Durch den Tod der Mutter im Februar
2010 gingen deren Anteil an der A-GmbH ebenso wie das
Grundstück im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den
Kläger und seine Brüder als Erbengemeinschaft zu gleichen
Teilen über.
|
|
|
4
|
Im Zeitraum zwischen Juni und November 2010
leisteten der Kläger und seine drei Brüder - jeweils in
gleicher Höhe - Zuführungen in die Kapitalrücklage
der A-GmbH in Höhe von insgesamt 281.800 EUR, um eine
ansonsten drohende Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden. Ein
Teil der Einzahlung in Höhe von 222.000 EUR stammte aus der
mit der Bank abgestimmten Veräußerung des
Grundstücks an den Bruder F. Nachdem die Bank Ende 2010 einen
Teilverzicht auf ihre gegenüber der A-GmbH bestehenden
Forderungen in Aussicht gestellt hatte, zahlte die A-GmbH an die
Bank einen Betrag von insgesamt 275.000 EUR. Mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 14.12.2010 veräußerten der
Kläger und seine Brüder schließlich ihre Anteile an
der A-GmbH zu einem Kaufpreis von 0 EUR an die I-GmbH. Die
Grundschuld zugunsten der Bank wurde im Januar 2011 im Grundbuch
gelöscht. In ihrer Bilanz zum 31.12.2010 wies die A-GmbH ein
Stammkapital in Höhe von 51.640,48 EUR, einen
Jahresüberschuss in Höhe von 72.199 EUR sowie einen
Verlustvortrag in Höhe von ./. 404.030 EUR aus.
|
|
|
5
|
In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Jahr 2010 machten die Kläger einen
Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von
83.232,30 EUR geltend, den sie aus einem anteiligen Verlust der
Stammeinlage in Höhe von 12.782,30 EUR und nachträglichen
Anschaffungskosten aus der Kapitalzuführung in Höhe von
70.450 EUR errechneten. Im Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr berücksichtigte das FA lediglich den Verlust der
eingezahlten Stammeinlage.
|
|
|
6
|
Im Einspruchsverfahren beantragten die
Kläger erstmals, auch den auf den Kläger im Wege der
Erbfolge übergegangenen Anteil der verstorbenen Mutter an der
Stammeinlage in Höhe von 127,82 EUR im Rahmen der
nachträglichen Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Im
Änderungsbescheid für das Streitjahr vom 9.8.2013
erkannte das FA nunmehr einen Veräußerungsverlust des
Klägers in Höhe von 39.006 EUR an. Diesen ermittelte es,
indem es die von allen Gesellschaftern geltend gemachten
Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 333.440,48 EUR
(281.800 EUR Kapitalrücklage zzgl. 51.640,48 EUR Stammkapital)
um die zugunsten der Bank eingetragenen verzinslichen Grundschuld
von 177.418,20 EUR minderte und die verbleibenden 156.022,19 EUR
auf den Kläger und seine Brüder verteilte. Mit
Einspruchsentscheidung vom 13.9.2013 wies das FA den gegen den
Änderungsbescheid gerichteten Einspruch der Kläger als
unbegründet zurück.
|
|
|
7
|
Die dagegen erhobene Klage hatte keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat angenommen, dass dem Kläger
aus den Einzahlungen in die Kapitalrücklage letztlich nur in
Höhe von 1.700 EUR nachträgliche Anschaffungskosten
entstanden seien. Denn die weitere Zuführung in die
Kapitalrücklage in Höhe von insgesamt 275.000 EUR habe
wirtschaftlich betrachtet der Ablösung der von
Gesellschafterseite gewährten Sicherheiten (Grundschuld und
Bürgschaften des Bruders D und des Klägers) gedient.
Soweit die Zahlung der A-GmbH an die Bank der Ablösung der
Grundschuld gedient habe, seien dem Kläger bereits deshalb
keine nachträglichen Anschaffungskosten entstanden, weil ihm
zu keinem Zeitpunkt ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen
die A-GmbH zugestanden habe. Soweit die Zahlung an die Bank zur
Ablösung der Bürgschaft erfolgt sei, seien im Streitfall
die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts weiterhin
anzuwenden. Nach diesen Grundsätzen sei davon auszugehen, dass
die Bürgschaft des Klägers erst durch
„Stehenlassen“ bei Kriseneintritt im Jahr 2008
eigenkapitalersetzend geworden sei und daher die
Rückgriffsforderung mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt des
Kriseneintritts anzusetzen sei. Nach Auffassung des FG könne
im Ergebnis offenbleiben, ob dieser Rückgriffsanspruch bei
Kriseneintritt überhaupt noch werthaltig gewesen sei.
Jedenfalls fehlten Anhaltspunkte dafür, dass sich hieraus
weitere nachträgliche Anschaffungskosten ergeben könnten,
die die vom FA bereits anerkannten Anschaffungskosten
übersteigen.
|
|
|
8
|
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 EStG). Die
Einzahlungen in die Kapitalrücklage durch die Gesellschafter
seien als nachträgliche Anschaffungskosten zu
berücksichtigen, unabhängig davon, dass die A-GmbH sie
zur Tilgung ihrer Bankverbindlichkeiten und damit gleichzeitig zur
Ablösung der Gesellschaftersicherheiten verwendet
habe.
|
|
|
9
|
Die Kläger beantragen
sinngemäß, das Urteil des FG vom 18.12.2014 aufzuheben
und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 9.8.2013 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 13.9.2013 dahingehend zu ändern,
dass bei den Einkünften aus Veräußerung von
Anteilen an Kapitalgesellschaften zusätzlich
nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 44.354,40
EUR berücksichtigt werden.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum
Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob
Zuzahlungen, die der Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und
die bei der Kapitalgesellschaft als Kapitalrücklage
auszuweisen sind (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs -
HGB - ), bei diesem in jedem Fall und zu jedem denkbaren Zeitpunkt
zu - nachträglichen - Anschaffungskosten i.S. des § 255
Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB führen und mithin im Rahmen der
Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu
berücksichtigen sind und ob solche Zuzahlungen einen
Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42
der Abgabenordnung - AO - ) darstellen könnten. Vor diesem
Hintergrund hält es der Senat für angezeigt, das
Bundesministerium der Finanzen (BMF) an diesem Revisionsverfahren
zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern (§ 122 Abs. 2 Satz
3 der Finanzgerichtsordnung).
|