Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 3.7.2013 1 K 608/10 = SIS 13 31 88 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Alleinerbe seiner am 20.1.2007 verstorbenen
Mutter (M).
|
|
|
2
|
M hatte zusammen mit ihrer Tochter (T) bis
zu deren Ableben am 29.10.2004 in der Republik Österreich
(Österreich) gewohnt und danach ihren Wohnsitz in die
Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) verlegt. Sie war Miterbin
der T. Der Nachlass der T wurde von dem nach österreichischem
Recht eingesetzten Gerichtskommissär erst nach dem Tod der M
verteilt. Der Kläger erhielt als Erbe der M den auf diese
entfallenden Anteil am Nachlass der T. Für den Vorerwerb der M
wurde in Österreich Erbschaftsteuer in Höhe von 11.961,91
EUR festgesetzt und vom Kläger bezahlt.
|
|
|
3
|
Der Kläger machte in der
Erbschaftsteuererklärung für seinen Erwerb nach M die
österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit
geltend und beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben
Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine
Steuerermäßigung nach § 27 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes in der für den Streitfall
maßgebenden Fassung (ErbStG). Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) zog im Bescheid vom
28.10.2009 zwar die auf den Vorerwerb der M entfallende
österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit
ab, lehnte aber eine Berücksichtigung der
Steuerermäßigung i.S. des § 27 ErbStG ab. Der
Einspruch, mit dem der Kläger eine Steuerermäßigung
in Höhe von 4.785 EUR (= 40 % von 11.961,91 EUR) begehrte,
blieb ohne Erfolg.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
der Begründung ab, dass § 27 ErbStG einen nach diesem
Gesetz besteuerten Vorerwerb voraussetze und ein solcher nicht
vorliege. Der Vorerwerb der M im Oktober 2004 habe nicht der
deutschen Erbschaftsteuer unterlegen. Beim Ableben der T seien sie
und M keine Inländer gewesen. Zum Nachlass der T habe auch
kein Inlandsvermögen gehört. Die
Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung verletze
nicht die unionsrechtlich gewährleistete
Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 und Art. 65 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Das
Urteil des FG ist veröffentlicht in EFG 2013, 2035 = SIS 13 31 88.
|
|
|
5
|
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung von § 27 ErbStG.
|
|
|
6
|
Der Senat hat mit Beschluss vom 20.1.2015
II R 37/13 (BFHE 248, 213, BStBl II 2015, 497 = SIS 15 04 06) das
Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung
vorgelegt, ob die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1
i.V.m. Art. 65 AEUV der Regelung des § 27 ErbStG
entgegensteht. Der EuGH hat mit Urteil Feilen vom 30.6.2016
C-123/15 = SIS 16 17 39 (EU:C:2016:496) die Frage verneint.
|
|
|
7
|
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und den Steuerbescheid vom 28.10.2009 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.2.2010 dahin zu
ändern, dass die Erbschaftsteuer um 4.785 EUR herabgesetzt
wird.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb
für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens durch
Personen der Steuerklasse I die Steuerermäßigung nach
§ 27 ErbStG nicht zu gewähren ist.
|
|
|
10
|
1. Fällt Personen der Steuerklasse I von
Todes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor
dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden
ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war,
ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende
Steuerbetrag nach § 27 Abs. 1 ErbStG um einen im Einzelnen
festgelegten Vomhundertsatz. Die Steuerermäßigung
beläuft sich auf 40 %, wenn zwischen den beiden Zeitpunkten
der Entstehung der Steuer mehr als zwei Jahre, aber nicht mehr als
drei Jahre liegen. Die Ermäßigung nach § 27 Abs. 1
ErbStG darf den Betrag nicht überschreiten, der sich bei
Anwendung der in § 27 Abs. 1 ErbStG genannten
Vomhundertsätze auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber
für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat (§
27 Abs. 3 ErbStG). Begünstigt sind Erwerbe durch Personen der
Steuerklasse I; dazu zählen nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse
I Nr. 2 ErbStG die Kinder und nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I
Nr. 4 ErbStG die Eltern bei Erwerben von Todes wegen.
|
|
|
11
|
a) Die Steuerermäßigung setzt nach
dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG voraus, dass für den
Vorerwerb „nach diesem Gesetz“ eine Steuer zu
erheben war. Sie ist deshalb nicht zu gewähren, wenn für
den Vorerwerb keine Erbschaftsteuer nach dem ErbStG, sondern eine
Erbschaftsteuer nach ausländischem Recht festzusetzen war.
Eine ausländische Steuer ist keine Steuer „nach
diesem Gesetz“ (Jochum in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer-
und Schenkungsteuergesetz, § 27 Rz 36; Jülicher in Troll/
Gebel/Jülicher, ErbStG, § 27 Rz 18).
|
|
|
12
|
b) § 27 Abs. 1 ErbStG ist entgegen der
Auffassung des Klägers nicht erweiternd dahin auszulegen, dass
diese Vorschrift auch Erwerbe erfasst, denen ein nach
ausländischem Recht steuerpflichtiger Vorerwerb vorausgegangen
ist. Der Grundgedanke des § 27 ErbStG besteht zwar darin, bei
mehrmaligem Übergang desselben Vermögens innerhalb von
zehn Jahren auf den begünstigten Erwerberkreis die auf dieses
Vermögen entfallende Steuer, soweit das Vermögen beim
Vorerwerber der Besteuerung unterlag, bis höchstens 50 % zu
ermäßigen (BTDrucks 13/4839, S. 71). Diesen
Grundgedanken hat der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 27
Abs. 1 ErbStG aber dahin eingeschränkt, dass für den
Vorerwerb eine Steuer nach dem ErbStG zu erheben war. Vorerwerbe,
die nur im Ausland steuerpflichtig sind, führen nicht zu einer
Minderung der Erbschaftsteuer für einen nachfolgenden, im
Inland steuerpflichtigen Erwerb.
|
|
|
13
|
2. Die unionsrechtlich gewährleistete
Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV) steht
diesem eingeschränkten Anwendungsbereich des § 27 ErbStG
nicht entgegen (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496 = SIS 16 17 39).
|
|
|
14
|
§ 27 ErbStG führt zwar zu einer
Beschränkung des Kapitalverkehrs i.S. von Art. 63 Abs. 1 AEUV
(EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz 22). Diese Beschränkung
ist aber durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kohärenz
des Steuersystems zu wahren (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz
41). Die Ausgestaltung der Steuervergünstigung dahin, dass die
Ermäßigung der Erbschaftsteuer Personen zugutekommt,
denen von Todes wegen Vermögen anfällt, für das bei
einem vorherigen Erbanfall eine solche Steuer in Deutschland
erhoben wurde, folgt einer spiegelbildlichen Logik (EuGH-Urteil
Feilen, EU:C:2016:496, Rz 33). Diese Logik wäre gestört,
wenn dieser Steuervorteil auch Personen zugutekäme, die
Vermögen erben, für das in Deutschland keine
Erbschaftsteuer erhoben wurde. Folglich besteht ein unmittelbarer
Zusammenhang zwischen dem durch § 27 ErbStG zu
gewährenden Steuervorteil und der früheren Besteuerung
(EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz 34). Die
Ermäßigung der Erbschaftsteuer, die prozentual nach dem
Zeitraum zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der
Steuerpflicht berechnet wird und an die Bedingung geknüpft
ist, dass für das Vermögen diese Steuer in den letzten
zehn Jahren in Deutschland bereits erhoben wurde, ist geeignet, das
Ziel von § 27 ErbStG zu erreichen, die Doppelbesteuerung von
Vermögen teilweise zu vermeiden, wenn der Nachlass
Vermögen enthält, das von nahen Verwandten erworben wird
und bereits früher besteuert wurde (EuGH-Urteil Feilen,
EU:C:2016:496, Rz 37). In Bezug auf dieses Ziel ist es auch
verhältnismäßig, die Ermäßigung nur in
den Fällen zu gewähren, in denen der Vorerwerb des
Vermögens in Deutschland besteuert wurde (EuGH-Urteil Feilen,
EU:C:2016:496, Rz 40).
|
|
|
15
|
3. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des
§ 27 ErbStG nicht erfüllt. Der Kläger erhielt zwar
als Alleinerbe das Vermögen der M, das im Wesentlichen aus
deren Anteil am Nachlass der T, also aus Auslandsvermögen
bestand. Für den Vorerwerb der M aufgrund des Erbanfalls nach
T wurde jedoch keine Erbschaftsteuer nach dem ErbStG festgesetzt,
weil eine Steuerpflicht i.S. des § 2 Abs. 1 ErbStG nicht
eingetreten war. Nach den Feststellungen des FG waren M und T zum
Zeitpunkt des Ablebens der T keine Inländer i.S. des § 2
Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG. Beide hatten ihren Wohnsitz in
Österreich. Der Nachlass der T bestand nur aus
Auslandsvermögen, so dass auch eine Steuerpflicht nach §
2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mangels eines Anfalls von
Inlandsvermögen i.S. des § 121 des Bewertungsgesetzes
nicht gegeben war.
|
|
|
16
|
Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an,
dass sowohl M beim Vorerwerb im Jahr 2004 nach § 15 Abs. 1
Steuerklasse I Nr. 4 ErbStG als auch der Kläger beim Erwerb im
Jahr 2007 nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG zur
Steuerklasse I gehörten.
|
|
|
17
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.
|