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I. Nach einem im Dezember 1999
abgeschlossenen Anlageberatungsvertrag beauftragte eine
Kapitalanlagegesellschaft (KAG), die einen Publikumsfonds als
Sondervermögen nach dem Gesetz über
Kapitalanlagegesellschaften verwaltete, die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), sie „bei der
Verwaltung des Fondsvermögens zu beraten“. Die
Klägerin hatte „unter ständiger Beobachtung des
Fondsvermögens Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von
Vermögensgegenständen [zu] erteilen“. Die
Klägerin hatte hierbei „den Grundsatz der
Risikomischung, die gesetzlichen Anlagebeschränkungen (...)
sowie die ... Anlagebedingungen ... zu berücksichtigen“.
Die Vergütung der Klägerin erfolgte nach einem vom Wert
des Sondervermögens berechneten Prozentsatz. Bei der
Klägerin handelte es sich nicht um eine KAG.
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Im Rahmen des Beratungsvertrags
übermittelte die Klägerin in den Streitjahren 1999 bis
2002 Empfehlungen zum An- und Verkauf von Wertpapieren per Telefon,
Telefax oder Web-Server, ohne dabei umfangreiche Expertisen zu
erstellen. Die KAG stellte die Empfehlungen in ihr Order-System
ein, um diese einer Überprüfung zu unterziehen. Die
Anlageempfehlungen der Klägerin setzte die KAG - oft innerhalb
weniger Minuten - um, soweit kein Verstoß gegen gesetzliche
oder sonstige für das Sondervermögen bestehende
Anlagegrenzen vorlag. Zu den Empfehlungen über die
Zusammensetzung der Fonds-Vermögen traf die KAG hinsichtlich
der Vermögenswerte keine eigene Auswahl, ihr verblieb aber die
Letztentscheidung und Letztverantwortung. Die Klägerin erhielt
Rückmeldungen zur Ausführung der Empfehlungen sowie
tägliche Aufstellungen über die Zusammensetzung des von
ihr beratenen Investmentvermögens.
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Die Entgelte aus diesen Beratungsleistungen
behandelte die Klägerin zunächst als steuerpflichtig. Im
Rahmen einer Außenprüfung beantragte die Klägerin
die Beratungsleistungen als nach § 4 Nr. 8 Buchst. h des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfrei zu behandeln.
Demgegenüber ging der Prüfer von der Steuerpflicht dieser
Leistungen aus. Gegen die aufgrund der Außenprüfung
ergangenen Änderungsbescheide 1999 bis 2002 legte die
Klägerin Einspruch ein, der ohne Erfolg blieb.
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Auch die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte
aus den in EFG 2011, 1193 = SIS 11 07 71 genannten Gründen
keinen Erfolg.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 5.5.2011 V
R 51/10 (BFHE 233, 460, BStBl II 2011, 740 = SIS 11 18 31) das
Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) - Az. C-275/11 = SIS 13 07 65 -
folgende Fragen zur Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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„Zur Auslegung der ‘Verwaltung
von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften’
i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG:
Ist die Leistung eines außenstehenden Verwalters eines
Sondervermögens nur dann hinreichend spezifisch und damit
steuerfrei, wenn
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a) er eine Verwaltungstätigkeit und
nicht nur eine Beratungstätigkeit ausübt oder
wenn
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b) sich die Leistung ihrer Art nach
aufgrund einer für die Steuerfreiheit nach dieser Bestimmung
charakteristischen Besonderheit von anderen Leistungen
unterscheidet oder wenn
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c) er aufgrund einer
Aufgabenübertragung nach Art. 5g der geänderten
Richtlinie 85/611/EWG tätig ist?“
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Der EuGH hat in seinem Urteil vom 7.3.2013
C-275/11 = SIS 13 07 65, GfBk hierauf wie folgt
geantwortet:
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„Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der
Sechsten Richtlinie ... ist in dem Sinne auszulegen, dass von einem
Dritten gegenüber einer KAG als Verwalterin eines
Sondervermögens erbrachte Beratungsdienstleistungen für
Wertpapieranlagen für die Zwecke der in der genannten
Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiung unter den Begriff
‘Verwaltung von Sondervermögen durch
Kapitalanlagegesellschaften’ fallen, selbst wenn der Dritte
nicht aufgrund einer Aufgabenübertragung nach Art. 5g der
Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20.12.1985 zur Koordinierung
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte
Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in
der durch die Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 21.1.2002 geänderten Fassung
tätig ist.“
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Umsatzsteueränderungsbescheide vom
24.8.2008 dahin gehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer
für 1999 auf ... EUR, für 2000 auf ... EUR, für 2001
auf ... EUR und für 2002 auf ... EUR festgesetzt wird.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage
stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Nach dem EuGH-Urteil GfBk sind die Leistungen der
Klägerin entgegen dem Urteil des FG steuerfrei.
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1. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG in
seiner in den Streitjahren 1999 bis 2002 geltenden Fassung sind
steuerfrei „die Verwaltung von Sondervermögen nach
dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und die Verwaltung
von Versorgungseinrichtungen im Sinne des
Versicherungsaufsichtsgesetzes“. Unionsrechtlich beruht
dies auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG.
Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer „die
Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten
Sondervermögen durch
Kapitalanlagegesellschaften“.
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Nach dem EuGH-Urteil GfBk fallen die von einem
Dritten gegenüber einer KAG als Verwalterin eines
Sondervermögens erbrachten Beratungsdienstleistungen für
Wertpapieranlagen unter den Begriff „Verwaltung von
Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften“.
Der EuGH führt hierfür an, dass „Leistungen, die
in der Abgabe von Empfehlungen zum An- und Verkauf von
Vermögenswerten gegenüber einer KAG bestehen, eine enge
Verbindung zu der spezifischen Tätigkeit einer KAG
aufweisen“ (EuGH-Urteil GfBk Rdnr. 24), und
„dass der Umstand, dass Beratungs- und
Informationsleistungen nicht in Anhang II der Richtlinie 85/611 in
der durch die Richtlinie 2001/107 geänderten Fassung
aufgeführt sind“, der Steuerfreiheit nicht
entgegensteht (EuGH-Urteil GfBk Rdnr. 25). Gegen die Steuerfreiheit
spreche auch nicht, „dass die von einem Dritten erbrachten
Beratungs- und Informationsleistungen keine Änderung der
rechtlichen oder finanziellen Lage des Fonds bewirken“
(EuGH-Urteil GfBk Rdnr. 26); weiter sei für die Steuerfreiheit
unerheblich, dass es „Sache der fraglichen KAG war, die
von der GfBk abgegebenen Empfehlungen zum An- und Verkauf von
Vermögenswerten nach Überprüfung ihrer Vereinbarkeit
mit den Anlagegrenzen umzusetzen“ (EuGH-Urteil GfBk Rdnr.
27), und dass die Steuerfreiheit der durch einen Berater an die KAG
erbrachten Leistungen auch nicht zu einem Verstoß gegen den
Grundsatz der Neutralität führt (EuGH-Urteil GfBk Rdnrn.
29 ff.).
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2. Danach sind die Beratungsleistungen der
Klägerin, die sie für die KAG erbracht hat, nach § 4
Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfrei. Das Urteil des FG war daher
aufzuheben und der Klage stattzugeben.
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