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I. Die Beteiligten streiten um den Abzug
von Vorsteuerbeträgen aus der Vergütung und den Auslagen
für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) wurde vom Amtsgericht - Insolvenzgericht - (AG) mit
Beschluss vom 16.12.2003 zum Insolvenzverwalter über das
Vermögen des X bestellt. Dieser betrieb bis zum 1.11.2002 als
Einzelunternehmer ein Malergeschäft und verstarb am 22.9.2006.
Das Insolvenzverfahren wurde daraufhin über den Nachlass des X
fortgeführt.
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In seinem Gutachten vom 29.10.2003 stellte
der Insolvenzverwalter fest, dass der Malerbetrieb nicht
fortgeführt werden könne und verwertbares Vermögen
mit Ausnahme des im Eigentum des Schuldners stehenden und von
diesem bewohnten Grundstücks nicht vorhanden sei.
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Auf den nach Abschluss des
Insolvenzverfahrens gestellten Antrag des Insolvenzverwalters vom
24.9.2007 setzte das AG mit Beschluss vom 16.10.2007 die
Vergütung auf 21.119,27 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer
(4.012,66 EUR) und die Auslagen auf 5.279,81 EUR zuzüglich 19
% Umsatzsteuer (1.003,16 EUR) fest.
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Am 4.12.2007 reichte der Kläger als
Insolvenzverwalter für den Insolvenzschuldner X die
Umsatzsteuererklärung 2007 beim Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) ein, in der er
Umsätze von 0 EUR erklärte. Er machte die im Beschluss
des Insolvenzgerichts für die Insolvenzverwaltervergütung
und Auslagen festgesetzte Umsatzsteuer als Vorsteuer zugunsten der
Insolvenzmasse geltend. Das FA lehnte dies mit Schreiben vom
8.1.2008 ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 29.8.2008 als unbegründet
zurück. Das verwertbare Vermögen des Insolvenzschuldners
habe nur aus dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstück
bestanden. Da dieses nicht zum Unternehmensvermögen
gehört habe, sei der Insolvenzverwalter mit dessen Verwertung
nicht für das Unternehmen, sondern für den
nichtunternehmerischen Bereich des Schuldners tätig geworden.
Außerdem sei der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1
des Umsatzsteuergesetzes 2005 in der im Streitjahr geltenden
Fassung (UStG) ausgeschlossen, weil die Lieferung des
Grundstücks steuerfrei erfolgt sei.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
dem in EFG 2010, 1843 = SIS 10 29 32 veröffentlichten Urteil
statt, da der Kläger als Insolvenzverwalter mit seiner
Geschäftsführung eine Tätigkeit für das
Unternehmen des Insolvenzschuldners ausgeführt habe.
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Zur Begründung seiner Revision
führte das FA aus, das Insolvenzverfahren eines
Einzelgewerbetreibenden erfasse nicht nur das unternehmerische,
sondern das gesamte Vermögen. Die Insolvenzverwaltung des
Vermögens einer natürlichen Person stehe daher
zwangsläufig auch mit dem nichtunternehmerischen Bereich in
Zusammenhang.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
Nürnberg vom 11.5.2010 2 K 1513/2008 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Es sei lebensfremd und im Hinblick auf die
Aufgabenstellung des Insolvenzverwalters nach § 1 der
Insolvenzordnung (InsO) unzulässig, im Rahmen des
Insolvenzverfahrens zwischen persönlichem und
unternehmerischem Bereich zu differenzieren.
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II. Die Revision des FA ist aus anderen als
den geltend gemachten Gründen begründet. Sie führt
zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Der Senat kann offen lassen, ob die materiellen Voraussetzungen
des Vorsteuerabzugs aus der Vergütung und den Auslagen
für die Tätigkeit des Klägers als Insolvenzverwalter
vorliegen. Denn es fehlt jedenfalls an einer für die
Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erforderlichen
ordnungsgemäßen Rechnung über diese Leistung. Der
Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 64 Abs. 1 InsO zur
Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung ist keine Rechnung
i.S. der §§ 14, 14a UStG.
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1. Die Ausübung des Rechts auf
Vorsteuerabzug setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG
voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a
ausgestellte Rechnung besitzt. Daran fehlt es im Streitfall.
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Eine Rechnung ist nach der Legaldefinition des
§ 14 Abs. 1 Satz 1 UStG jedes Dokument, mit dem über eine
Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird,
gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr
bezeichnet wird. Eine Rechnung kann auch im Namen und für
Rechnung des Unternehmers von einem Dritten ausgestellt werden
(§ 14 Abs. 2 Satz 4 UStG). Diese Vorschriften beruhen auf Art.
218 und Art. 220 der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über
das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL),
wonach jeder Steuerpflichtige für die Lieferungen von
Gegenständen oder die Dienstleistungen, die er an einen
anderen Steuerpflichtigen bewirkt, eine Rechnung entweder selbst
ausstellt oder dafür Sorge trägt, dass eine Rechnung in
seinem Namen und für seine Rechnung von einem Dritten
ausgestellt wird.
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a) Nach den bindenden Feststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger als Insolvenzverwalter
kein Dokument erstellt, mit dem er die von ihm erbrachten
Dienstleistungen gegenüber dem Insolvenzschuldner abrechnete.
Der geltend gemachte Vorsteuerabzug beruht vielmehr auf der
Festsetzung der Vergütung und der Auslagen in dem Beschluss
des AG vom 16.10.2007.
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b) Dieser Beschluss ist keine Rechnung eines
Dritten i.S. von § 14 Abs. 1 UStG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz
4 UStG und ist somit nicht geeignet, das Fehlen einer eigenen
Abrechnung des Insolvenzverwalters zu ersetzen. Der Beschluss des
Insolvenzgerichts ist kein Dokument, mit dem gegenüber dem
Insolvenzschuldner über die Leistung des Insolvenzverwalters
abgerechnet wird.
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aa) Das Insolvenzgericht setzt die
Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des
Insolvenzverwalters nach § 64 Abs. 1 InsO i.V.m. § 65
InsO und §§ 1 bis 9 der Insolvenzrechtlichen
Vergütungsverordnung (InsVV) durch Beschluss fest. Dieser
Beschluss bildet den Abschluss des Verfahrens über die
Festsetzung der Vergütung und Auslagen des
Insolvenzverwalters. Zweck des Festsetzungsverfahrens ist
einerseits die Verfahrensvereinfachung, da der Insolvenzverwalter
die Vergütung und die Auslagen nicht im Klagewege geltend zu
machen braucht, anderseits die Kontrolle der Vergütungs- und
Auslagenhöhe durch das Gericht (Nowak in Münchener
Kommentar zur InsO, 2. Aufl. § 8 InsVV Rz 1/Anhang zu §
65 InsO). Der Beschluss ist demgemäß in erster Linie an
den Insolvenzverwalter selbst gerichtet und ihm besonders
zuzustellen, daneben auch dem Schuldner und, wenn ein
Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des
Ausschusses (§ 64 Abs. 2 InsO).
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bb) Der Beurteilung als Rechnung i.S. des
§ 14 UStG steht außerdem entgegen, dass das
Insolvenzgericht als staatliches Organ nicht - als Dritter -
für, sondern gegenüber dem Insolvenzverwalter in
Ausübung durch Gesetz zugewiesener hoheitlicher Befugnisse
tätig wird. Es bewilligt lediglich den Vergütungsanspruch
gegen die Masse (vgl. Weiss, UR 1986, 155).
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cc) Gegen die Annahme einer Rechnung spricht
schließlich, dass nach Erstellung einer eigenen Rechnung des
Insolvenzverwalters eine Mehrfachabrechnung vorläge mit der
Gefahr einer Steuerschuldnerschaft nach § 14c UStG.
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In Übereinstimmung damit verlangen nicht
nur die Verwaltung (Abschn. 15.2. Abs. 7 Sätze 7 und 8 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), sondern auch das Schrifttum
(Weiss, UR 1986, 153 ff., 155; Stadie in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 905; Haarmeyer/Wuthke/
Förster, Kommentar zur Insolvenzrechtlichen Vergütung, 4.
Aufl., § 7 Rz 5; Waza/Uhländer, Schmittmann, Insolvenzen
und Steuern, 8. Aufl., Rz 2097; ebenso Mößlang, DStR
1989, 194 ff., 197 für die Vergütung des
Zwangsverwalters) für den Vorsteuerabzug aus der
Tätigkeit des Insolvenzverwalters die Ausstellung einer
eigenen Rechnung des Insolvenzverwalters.
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2. Der Versagung des Vorsteuerabzugs aus dem
Beschluss eines Insolvenzgerichts steht die bisherige
Rechtsprechung des Senats nicht entgegen.
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a) Im Urteil vom 20.2.1986 V R 16/81 (BFHE
146, 287, BStBl II 1986, 579 = SIS 86 13 30) hatte der Senat
entschieden, dass die Gemeinschuldnerin die an den Konkursverwalter
gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann, wenn ihr dieser
eine Rechnung oder eine Urkunde i.S. des § 1 Abs. 1 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1967/1971 erteilt, in der
die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wird. An der Berechtigung
des Konkursverwalters zur Rechnungserteilung mit gesondert
ausgewiesener Umsatzsteuer ändere sich nichts dadurch, dass
das Entgelt gerichtlich festgesetzt werde oder sich aus einer
amtlichen Gebührenordnung ergebe. In den Gründen
führte der Senat unter II.3. zwar aus, der Beschluss des
Konkursgerichts über die Festsetzung der Vergütung sei
für den Vorsteuerabzug nicht ausreichend, weil darin der
Betrag der in der Vergütung enthaltenen Umsatzsteuer nicht
aufgeführt sei. Aus diesem sachverhaltsbedingten Hinweis
ergibt sich indes nicht, dass der Beschluss des Konkursgerichts den
Vorsteuerabzug eröffnet, wenn in dem Beschluss das Entgelt und
die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden.
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b) Eine davon abweichende Aussage ist auch dem
Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7.4.2005 V B 187/04
(BFH/NV 2005, 1640 = SIS 05 37 87) nicht zu entnehmen. In diesem
wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig
verworfen und lediglich der Inhalt des BFH-Urteils in BFHE 146,
287, BStBl II 1986, 579 = SIS 86 13 30 klargestellt.
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3. Das FG hat in seiner Entscheidung die
formalen Anforderungen an den Vorsteuerabzug nicht
berücksichtigt. Seine Entscheidung ist daher aufzuheben. Die
Sache ist spruchreif und die Klage abzuweisen.
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