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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist der Vater zweier Kinder, die in den Streitjahren
2006 und 2007 die deutsch-französische Gruppe eines
städtischen Kindergartens besuchten. Die mit dem Kläger
zusammenlebende Mutter der Kinder war wie dieser in den
Streitjahren berufstätig.
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In dem Kindergarten kamen neben deutschen
Erzieherinnen auch sogenannte französische
Sprachassistentinnen zum Einsatz, die von dem Verein X e.V. (im
Folgenden: Verein) bezahlt wurden. Zweck des Vereins ist unter
anderem die sozialpädagogische Betreuung von Kindern unter
besonderer Vermittlung der französischen Sprache und Kultur.
Zwischen der Stadt A - Jugendamt - als dem Kindergartenträger
und dem Verein bestand in den Streitjahren eine
Kooperationsvereinbarung, wonach das Jugendamt und der Verein
partnerschaftlich die konzeptionelle Entwicklung des in der
Kindertagesstätte (Kita) eingerichteten Teilbereichs
deutsch-französischer Kindergarten fördern sollten.
Aufgrund dieser Vereinbarung wurden im deutsch-französischen
Kitabereich neben den bei der Stadt angestellten Erzieherinnen die
beim Verein beschäftigten französischsprachigen
Sprachassistentinnen eingesetzt. Die Fachaufsicht über die
Sprachassistentinnen lag bei der Kindergartenleitung bzw. dem
Jugendamt. Die Kinder wurden im zweisprachigen Kindergarten nach
der sogenannten Immersionsmethode betreut, d.h. die Erzieherinnen
sprechen ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen
ausschließlich französisch. Letztere unterstützen
ihre Aussagen mit Gestik und Mimik, ohne Übersetzungen
vorzunehmen. Ein Lehrplan existiert nicht. Die Erzieherinnen und
Sprachassistentinnen arbeiteten in der Planung, der
Durchführung und der Auswertung der pädagogischen
Aufgaben partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen.
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Den Zahlungen des Klägers lag ein
gesonderter Leistungsvertrag zugrunde, in dem er sich aufgrund des
Kooperationsvertrages zwischen Jugendamt und Verein verpflichtete,
für den Einsatz der Sprachassistentinnen die jeweils
festgesetzten Leistungsvergütungen an den Verein zu
zahlen.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) lehnte den Abzug der in den Streitjahren an den
Verein gezahlten Leistungsvergütungen als erwerbsbedingte
Kinderbetreuungskosten im Sinne des in den Streitjahren geltenden
§ 4f Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab.
Während der Einspruch erfolglos blieb, entsprach das
Finanzgericht (FG) mit dem angegriffenen Urteil dem Begehren des
Klägers.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe das Tatbestandsmerkmal
„Dienstleistungen zur Betreuung“ in § 4f Satz 1
EStG und das Tatbestandsmerkmal „Unterricht“ in §
4f Satz 3 EStG verkannt. Betreuung sei die behütende oder
beaufsichtigende Betreuung, d.h. die persönliche Fürsorge
für das Kind müsse der Dienstleistung erkennbar zugrunde
liegen. Bei den gemäß § 4f Satz 3 EStG nicht
abzugsfähigen Aufwendungen für Unterricht u.ä.
handele es sich um Kosten, die durch die Freibeträge des
§ 32 Abs. 6 EStG bereits abgegolten seien. Die Abgrenzung
richte sich danach, ob der Betreuungszweck wesentlicher Bestandteil
der Dienstleistung sei. Wenn dies bejaht werden könne, dann
seien weitere Motive für die Inanspruchnahme der
Betreuungseinrichtung unschädlich. Das FG habe verkannt, dass
der Betreuungszweck durch den Einsatz der französischen
Sprachassistentinnen nicht den überwiegenden Bestandteil der
zu erbringenden Leistung darstelle. Aus der Konzeption der Kita und
der Kooperationsvereinbarung mit dem Verein ergebe sich das Ziel
des Erlernens einer Zweitsprache. Dies sei der überwiegende
Bestandteil der zu erbringenden Leistung der Sprachassistentinnen.
Dass nebenbei auch Betreuungsleistungen erbracht würden, sei
nicht von der Hand zu weisen, aber nicht rechtserheblich. Denn
jeder Musik- oder Sportlehrer erbringe neben seiner
hauptsächlichen Unterrichtsleistung zwangsläufig auch
eine Betreuung der Kinder im Sinne einer behütenden Aufsicht.
Auch wenn im Streitfall die Vermittlung der französischen
Sprache nicht unterrichtsmäßig erfolge, was angesichts
des Alters der Kinder nicht funktionieren könne, so falle sie
doch in den Bereich des § 4f Satz 3 EStG. Es gehe nämlich
um die Vermittlung besonderer Fähigkeiten im Sinne dieser
Vorschrift. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
vom 19.1.2007 IV C 4 - S 2221 - 2/07 (BStBl I 2007, 184 = SIS 07 05 94) sei von einer Aufteilung in Betreuungs- und andere Leistungen
abzusehen.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass
die an den Verein geleisteten Zahlungen als erwerbsbedingte
Kinderbetreuungskosten bei der Einkünfteermittlung abzuziehen
sind.
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1. a) Nach § 4f Satz 1 EStG in der in den
Streitjahren geltenden Fassung können Aufwendungen für
Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des
Steuerpflichtigen gehörenden Kindes i.S. des § 32 Abs. 1
EStG, die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen
anfallen, unter anderem bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, in Höhe von zwei Dritteln der
Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie
Betriebsausgaben abgezogen werden. Nach § 4f Satz 3 EStG sind
Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer
Fähigkeiten sowie für sportliche und andere
Freizeitbetätigungen nicht begünstigt. Für den
Bereich der Überschusseinkunftsarten gelten diese Regelungen
sinngemäß (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG), so dass
erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten wie Werbungskosten bei der
Einkünfteermittlung zu berücksichtigen sind.
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b) Der vom Gesetz nicht definierte Begriff der
Kinderbetreuung ist weit zu fassen. Aus dem Wortlaut - das Verb
betreuen stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet so viel
wie schützen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch) - und
dem Zusammenhang mit der Altersgrenze von 14 Jahren ergibt sich
zunächst, dass mit der in § 4f Satz 1 EStG enthaltenen
Formulierung „Betreuung eines Kindes“ jedenfalls
die behütende und beaufsichtigende Betreuung im Sinne eines
Schutzes vor Gefahren, Verletzungen und Schäden erfasst werden
soll (das sogenannte „Aufpassen“ auf das Kind).
Darüber hinausgehend ist Betreuung aber grundsätzlich als
Personensorge i.S. des § 1631 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zu verstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
28.11.1986 III R 1/86, BFHE 149, 211, BStBl II 1987, 490 = SIS 87 13 02) und erfasst daher - mit Ausnahme der durch das Kindergeld
oder die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG bereits
abgegoltenen Verpflegung des Kindes - auch die Elemente der Pflege
und Erziehung, also die Sorge für das geistige, seelische und
körperliche Wohl des Kindes. Da es nicht in dem so
verstandenen fürsorgerischen Interesse des Kindes liegt,
lediglich „verwahrt“ zu werden, umfasst der
Betreuungsbegriff daher insbesondere auch die pädagogisch
sinnvolle Gestaltung der im Kindergarten und in ähnlichen
Einrichtungen verbrachten Zeit. Dass der Gesetzgeber keinen auf die
Beaufsichtigung und die Behütung beschränkten
Betreuungsbegriff vertreten hat, zeigt sich auch an dem zeitgleich
mit § 4f EStG eingeführten subsidiären
Sonderausgabentatbestand in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Mit der
dort im Hinblick auf drei- bis sechsjährige Kinder
vorgesehenen Abzugsmöglichkeit wollte der Gesetzgeber -
wiederum unter Ausschluss von Aufwendungen für
Unterrichtsdienstleistungen und ähnliches (§ 10 Abs. 1
Nr. 5 Satz 2 EStG) - vor allem den Abzug der
Kindergartengebühren sicherstellen (BTDrucks 16/643, S. 9;
BTDrucks 16/974, S. 6). Es spricht nichts dafür, dass dem
Gesetzgeber hierbei nicht das Bild eines modernen Kindergartens,
wie es in § 22 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII)
gezeichnet wird, vor Augen stand. Tageseinrichtungen für
Kinder haben danach einen Förderauftrag. Dieser umfasst nach
§ 22 Abs. 3 SGB VIII Erziehung, Bildung und Betreuung des
Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale,
körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Werden dem
Kind im Rahmen einer so verstandenen Betreuung und Erziehung beim
Basteln und Werken, beim gemeinsamen Singen und Musizieren, beim
Einüben eines fremdsprachigen Weihnachts- oder Kinderliedes
oder beim Ballspiel erste handwerkliche, musische, sprachliche oder
sportliche Fähigkeiten, also frühkindliche Bildung,
vermittelt, dann steht dies einer Berücksichtigung der
geleisteten Aufwendungen nach § 4f Satz 1 EStG nicht entgegen,
unabhängig davon, ob es sich bei den genannten
Fähigkeiten um allgemeine oder besondere im Sinne des Satzes 3
des § 4f EStG handeln sollte. Denn die Vermittlung besonderer
Fähigkeiten steht hier nicht im Vordergrund, sondern ist
unselbständiger Bestandteil der Betreuung. Danach werden von
§ 4f Satz 1 EStG insbesondere Aufwendungen für die
Unterbringung des Kindes in Kindergärten, Kitas und
ähnlichen Einrichtungen begünstigt (so schon BFH-Urteil
vom 6.11.1997 III R 27/91, BFHE 184, 493, BStBl II 1998, 187 = SIS 98 05 10, zu § 33c EStG a.F.). Der Bildungsauftrag dieser
Einrichtungen hindert den vollständigen Abzug der von den
Eltern geleisteten Beiträge und Gebühren
grundsätzlich nicht (gleicher Auffassung z.B. Hey, NJW 2006,
2001; Krömker in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4f EStG Rz 10;
Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 4f EStG Rz B
27).
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c) Nach § 4f Satz 3 EStG nicht
begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die
Vermittlung besonderer Fähigkeiten liegen demnach nur vor,
wenn, wie die in der Gesetzesbegründung genannten Beispiele
des Musikunterrichts oder des Computerkurses zeigen (BTDrucks
16/643, S. 9), die Dienstleistungen in einem regelmäßig
organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbständigten
Rahmen stattfinden und die vom Leistungserbringer während der
Unterrichts- oder Kurszeit ausgeübte Aufsicht über das
Kind und damit die - behütende - Betreuung gegenüber der
Vermittlung der besonderen (sprachlichen, musischen, sportlichen)
Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den
Hintergrund rückt.
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2. Diesen Rechtsgrundsätzen entspricht
die angegriffene Entscheidung. Nach der auf tatsächlichem
Gebiet liegenden und damit grundsätzlich bindenden (§ 118
Abs. 2 FGO) Würdigung des FG hinsichtlich Konzeption und
praktischer Verwirklichung des deutsch-französischen
Kindergartenprojekts haben die deutschen Erzieherinnen und die
französischen Sprachassistentinnen die Kinder des Klägers
in den deutsch-französischen Gruppen partnerschaftlich betreut
und beim Spielen, Singen und ähnlichen kindergartentypischen
Aktivitäten neben der damit einhergehenden Erlernung erster
französischer Wörter und Sätze sicherlich auch zur
Verbesserung der noch ausbaufähigen Kenntnisse der deutschen
Sprache beigetragen. Die kindergartentypische Betreuung der Kinder
stand hierbei jedoch im Vordergrund. Darin lag auch der Hauptzweck
des Einsatzes der französischen Sprachassistentinnen. Diese
sollten den Kindern in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den
deutschen Erzieherinnen eine bilinguale und interkulturelle
Erziehung ermöglichen. Das FG hat zusätzlich in für
den Senat bindender Weise festgestellt, dass der Kläger -
abgesehen vom spielerischen Spracherwerb - gerade auch das Ziel
einer allgemein besseren Betreuung durch Einsatz eines
zusätzlichen Betreuers verfolgt hat. Kosten, die aufgewandt
werden, um in den Genuss eines günstigeren
Betreuungsschlüssels zu kommen, werden aber unproblematisch
von § 4f Satz 1 EStG erfasst. Aufwendungen, die der
Steuerpflichtige für eine solche Betreuung und Erziehung
seiner Kinder tätigt, unterfallen dem Anwendungsbereich des
§ 4f Satz 1 EStG. Dass die Zahlungen nicht an die Stadt A als
Kindergartenträger, sondern an deren Kooperationspartner, den
Verein, geleistet wurden, ist unschädlich.
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