1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine von der Stadt A
(Gemeinde) nach § 114a Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung des
Landes Nordrhein-Westfalen (GO NRW) errichtete Anstalt des
öffentlichen Rechts. Sie erbringt für die Gemeinde
Beistandsleistungen, die u.a. im Bau der Straßen, Wege und
Plätze bestehen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wurden in
der Zeit vom 26.11.2007 bis 28.2.2008 mehrere Fahrzeuge der
Gemeinde auf die Klägerin umgemeldet. Vor ihrer Ummeldung
waren diese Fahrzeuge wegen ihres ausschließlichen Einsatzes
für den Wegebau gemäß § 3 Nr. 3 des
Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der ab 1.5.2005 gültigen
Fassung (KraftStG) von der Kraftfahrzeugsteuer befreit.
|
|
|
2
|
Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheiden vom
17.12.2007, 7.1.2008, 14.1.2008, 11.2.2008, 19.2.2008, 10.3.2008
und 26.3.2008 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) gegenüber der Klägerin
Kraftfahrzeugsteuer für die auf sie umgemeldeten Fahrzeuge
fest.
|
|
|
3
|
Am 20.3.2008 beantragte die Klägerin,
die Fahrzeuge nach § 3 Nr. 3 KraftStG von der Steuer zu
befreien, da sie diese ausschließlich zum Wegebau verwende.
Das FA lehnte die Anträge mit Bescheid vom 14.4.2008 ab. Der
Einspruch blieb erfolglos.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
der Begründung ab, das FA habe eine Neufestsetzung der
Kraftfahrzeugsteuer auf 0 EUR zu Recht abgelehnt. Die
Voraussetzungen des § 3 Nr. 3 KraftStG lägen nicht vor,
da die Fahrzeuge nicht auf eine Gemeinde zugelassen seien. Ebenso
wenig komme mangels Regelungslücke eine analoge Anwendung des
§ 3 Nr. 3 KraftStG in Betracht. Das Urteil ist in EFG 2011,
181 = SIS 10 29 01 veröffentlicht.
|
|
|
5
|
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung der §§ 3 Nr. 3, 12 Abs. 2 Nr. 4
KraftStG. Sie sei als Anstalt des öffentlichen Rechts unter
den Begriff der „Gemeinde“ i.S. von § 3 Nr. 3
KraftStG zu subsumieren. Denn sie erbringe die auf sie
übertragenen Aufgaben „Straßenbau und
-unterhaltung“ als Beistandsleistung für die Gemeinde
und übernehme diese Aufgaben als Erfüllungsgehilfe.
Mithin handele es sich weiterhin um Aufgaben der Gemeinde im
weitesten Sinne. Ferner sei, trotz ihrer rechtlichen
Selbständigkeit, die Einflussnahme der Gemeinde stark
ausgeprägt. Jedenfalls sei § 3 Nr. 3 KraftStG analog
anzuwenden. Es liege eine Regelungslücke vor. Denn der
Gesetzgeber habe bei der Neufassung des KraftStG vom 30.6.1955 die
erst viele Jahre später geschaffene Möglichkeit der
Gemeinden, öffentliche Aufgaben auf Anstalten des
öffentlichen Rechts zu übertragen, nicht
berücksichtigt.
|
|
|
6
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom
14.4.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.12.2008
aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Kraftfahrzeugsteuer
für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ab dem
20.3.2008, für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ab
dem 28.1.2008, für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen
ab dem 19.2.2008 und für das Fahrzeug mit dem amtlichen
Kennzeichen ab dem 28.2.2008 auf 0 EUR festzusetzen.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend entschieden,
dass die Klägerin keinen Anspruch auf Neufestsetzung der
Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1
KraftStG für die in ihren Anträgen vom 20.3.2008
bezeichneten Fahrzeuge hatte, da das Halten dieser Fahrzeuge nicht
nach § 3 Nr. 3 KraftStG von der Steuer befreit und die
jeweilige Steuerfestsetzung daher nicht fehlerhaft gewesen ist.
|
|
|
9
|
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG ist
die Steuer, wenn eine Steuerfestsetzung fehlerhaft ist, zur
Beseitigung des Fehlers neu festzusetzen. Diese Voraussetzungen
liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere war das Halten der
hier fraglichen Fahrzeuge weder in direkter noch analoger Anwendung
des § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG von der Steuer befreit.
|
|
|
10
|
a) Gemäß § 3 Nr. 3 Satz 1
KraftStG ist das Halten von Fahrzeugen von der Steuer befreit,
solange sie u.a. für eine Gemeinde zugelassen sind und
ausschließlich zum Wegebau verwendet werden. Für die
Anwendbarkeit des § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG genügt es
nicht, dass das Fahrzeug lediglich im Auftrag einer Gemeinde
ausschließlich zum Wegebau verwendet wird. Dies ergibt sich
bereits aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift, wonach das Fahrzeug
für eine Gemeinde zugelassen sein muss.
|
|
|
11
|
Im Streitfall ist der Tatbestand des § 3
Nr. 3 Satz 1 KraftStG nicht erfüllt. Denn die Fahrzeuge wurden
nicht von einer Gemeinde gehalten. Halterin der Fahrzeuge war
vielmehr die Klägerin, bei der es sich um eine
rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts handelt
(vgl. § 114a Abs. 1 Satz 1 GO NRW). Zwar nimmt die
Klägerin öffentliche Aufgaben für eine Gemeinde wahr
und hat die Gemeinde als Anstaltsträgerin über ihre
Vertretung im Verwaltungsrat auch die Möglichkeit, die
Willensbildung bei der Klägerin zu beeinflussen. Dies
führt, entgegen ihrer Auffassung, jedoch nicht dazu, dass die
Klägerin unter den Begriff der „Gemeinde“
zu subsumieren ist. Vielmehr hat sie als rechtsfähige Anstalt
des öffentlichen Rechts den Charakter eines selbständigen
Verwaltungsträgers (Rehn/Cronauge/Lennep/Knirsch, GO NRW,
§ 114a, S. 5).
|
|
|
12
|
b) Die Voraussetzungen für eine
entsprechende Anwendung des § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG liegen
nicht vor.
|
|
|
13
|
aa) Eine Analogie setzt eine planwidrige
Regelungslücke voraus. Eine solche Regelungslücke liegt
vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig,
d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung
nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf
bestimmte Tatbestände widerspricht (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.8.2010 III R 47/09, BFHE 230, 563,
BStBl II 2011, 589 = SIS 10 35 40, m.w.N.).
|
|
|
14
|
bb) § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG
enthält keine planwidrige Regelungslücke für den
Fall, dass ein ausschließlich zum Wegebau verwendetes
Fahrzeug nicht von einer Gemeinde, sondern von einem Dritten
gehalten wird, der das Fahrzeug ausschließlich im Auftrag der
Gemeinde verwendet.
|
|
|
15
|
Durch § 3 Nr. 3 KraftStG sollen
Gebietskörperschaften für ihre im Dienst des
öffentlichen Wohls erforderlichen Fahrzeuge bei Beachtung
gewisser Voraussetzungen steuerlich entlastet werden (vgl.
BFH-Urteil vom 12.5.1965 II 59/62 U, BFHE 82, 492, BStBl III 1965,
425 = SIS 65 02 45, zu dem mit § 3 Nr. 3 KraftStG
wortlautidentischen § 2 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes
1961 i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 17.3.1964, BGBl I 1964,
145, BStBl I 1964, 243 - KraftStÄndG 1964 - ). Der Gesetzgeber
wollte hingegen das Halten eines Fahrzeugs nicht allein deshalb von
der Steuer befreien, weil dieses im Auftrag einer Gemeinde
ausschließlich zum Wegebau eingesetzt wird.
|
|
|
16
|
Hierfür spricht, worauf das FG zutreffend
hinweist, zum einen ein Vergleich des § 3 Nr. 3 KraftStG mit
§ 3 Nrn. 2, 4 und 5 KraftStG. Denn anders als in § 3 Nr.
3 KraftStG genügt es für die
Steuerbefreiungstatbestände des § 3 Nrn. 2, 4 und 5
KraftStG, dass sie für eine bestimmte Behörde verwendet
(§ 3 Nr. 2 KraftStG) oder für eine bestimmte
Tätigkeit eingesetzt werden (§ 3 Nrn. 4 und 5 KraftStG).
Hätte es der Gesetzgeber für eine Steuerbefreiung
ausreichen lassen wollen, dass ein Fahrzeug ausschließlich
zum Wegebau im Auftrag einer Gemeinde verwendet wird, hätte er
für § 3 Nr. 3 Satz 1 KraftStG eine ähnliche
Formulierung wie in § 3 Nr. 2 oder § 3 Nrn. 4 und 5
KraftStG gewählt.
|
|
|
17
|
Zum anderen ergibt sich aus den
Gesetzesmaterialien zum KraftStÄndG 1964, dass der Gesetzgeber
sich bewusst dafür entschieden hat, die Steuerbefreiung nicht
zu gewähren, wenn das Fahrzeug von einem Dritten gehalten
wird, der ausschließlich im Auftrag der
Gebietskörperschaft das Fahrzeug zum Wegebau verwendet.
|
|
|
18
|
Der Finanzausschuss hatte einen entsprechenden
Änderungsantrag einzelner Abgeordneter (vgl. Verhandlungen des
Deutschen Bundestags - 4. Wahlperiode, Stenographische Berichte,
Band 53, 79. Sitzung, S. 3866, Anlage 6, Umdruck 305) abgelehnt.
Eine Ausdehnung der Steuerbefreiung nach § 2 Nr. 3 des
Kraftfahrzeugsteuergesetzes i.d.F. vom 2.1.1961 auf die Fahrzeuge,
die nicht für diese Gebietskörperschaften zugelassen
seien, jedoch in ihrem Auftrag für die bezeichneten Zwecke
verwendet würden, sei nicht vertretbar (Bericht der
Abgeordneten Frau Beyer, BTDrucks IV/1690, S. 1).
|
|
|
19
|
Der Gesetzgeber hat sich somit bei der
Schaffung des § 3 Nr. 3 KraftStG (damals § 2 Nr. 3 des
Kraftfahrzeugsteuergesetzes i.d.F. des KraftStÄndG 1964)
bewusst dafür entschieden, zum Wegebau verwendete Fahrzeuge
unabhängig davon, ob diese (ausschließlich) im Auftrag
einer Gemeinde verwendet werden, nicht von der Steuer zu befreien,
wenn sie von keiner Gemeinde, sondern von einem Dritten gehalten
werden.
|