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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) schenkte der Bedachten,
einer Freundin, im November 2004 einen Betrag in Höhe von 2
Mio. EUR. Die Bedachte entrichtete die vom Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) dafür gegen sie durch
bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22.4.2005 festgesetzte
Schenkungsteuer von 697.655 EUR.
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Auf Vorschlag von B gab die Bedachte einem
Steuerberater (S) den Auftrag, die Rückzahlung der
Schenkungsteuer zu betreiben. S beantragte demgemäß im
September 2006 beim FA, den Steuerbescheid vom 22.4.2005 aufzuheben
und die gezahlte Schenkungsteuer auf ein Konto des B als
Abtretungsempfänger zu überweisen. Der Antrag wurde
wahrheitswidrig damit begründet, dass die Klägerin die
Schenkung widerrufen habe, weil die Bedachte mit der Schenkung
verbundene Auflagen nicht erfüllt habe. Um dies zu belegen,
wurden verschiedene inhaltlich unzutreffende, teilweise
rückdatierte und zum Teil von der Klägerin oder mit ihrem
Namen unterzeichnete Unterlagen vorgelegt. Dass die Bedachte den
geschenkten Betrag an die Klägerin zurückgezahlt habe,
wurde nicht vorgetragen. Vielmehr wurde ein Darlehensvertrag
vorgelegt, nach dem die Klägerin der Bedachten den geschenkten
Betrag von 2 Mio. EUR als Darlehen gewährte, das verzinst und
ab 15.4.2007 in monatlichen Raten von 14.000 EUR zurückgezahlt
werden sollte.
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Das FA nahm daraufhin an, die mit Bescheid
vom 22.4.2005 festgesetzte Schenkungsteuer sei gemäß
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) mit Wirkung für die
Vergangenheit erloschen. Der Besteuerung unterliege nach § 29
Abs. 2 ErbStG nur der Vorteil der Bedachten aus der Nutzung des ihr
überlassenen Geldbetrags. Das FA setzte deshalb die
Schenkungsteuer durch Änderungsbescheide vom 27. Februar und
12.3.2007 auf zunächst 56.028 EUR und dann 42.895 EUR herab.
Die Unterschiedsbeträge zu der ursprünglich festgesetzten
Schenkungsteuer überwies das FA auf ein Konto des B.
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Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die
Änderungsbescheide durch unrichtige Angaben erwirkt worden
waren, setzte das FA gegen die Bedachte durch
Änderungsbescheid vom 11.1.2008 erneut Schenkungsteuer in
Höhe von 697.655 EUR fest. Die Bedachte entrichtete die Steuer
nur teilweise.
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Das FA setzte nach vorheriger Anhörung
gegen die Klägerin für die im November 2004
ausgeführte Schenkung an die Bedachte durch Bescheid vom
3.11.2008 Schenkungsteuer in Höhe von 697.655 EUR fest. In der
Begründung führte das FA bezugnehmend auf § 20 Abs.
1 ErbStG aus, bei Zuwendungen unter Lebenden seien sowohl der
Beschenkte als auch der Schenker nach § 44 Abs. 1 Satz 1 der
Abgabenordnung (AO) Gesamtschuldner. Jeder der Gesamtschuldner
schulde die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Die
Inanspruchnahme der Klägerin als Schenkerin sei
ermessensfehlerfrei, da die Erhebung der gesamten festgesetzten
Schenkungsteuer bei der Bedachten aufgrund der auch der
Klägerin bekannten wirtschaftlichen Situation keinen Erfolg
verspreche. In der dem Bescheid beigefügten Abrechnung gab das
FA an, von der festgesetzten Schenkungsteuer seien bereits
191.465,66 EUR bezahlt, so dass noch 506.189,34 EUR zu entrichten
seien.
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Das Finanzgericht (FG) wies die von der
Klägerin erhobene Untätigkeitsklage durch das in EFG
2010, 1434 = SIS 10 24 52 veröffentlichte Urteil mit der
Begründung ab, das FA habe die Schenkungsteuer zu Recht
gegenüber der Klägerin festgesetzt, die als Schenkerin
nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG neben der Bedachten
Gesamtschuldnerin sei. Die Schenkungsteuer sei zwar aufgrund der
zunächst erfolgten vollständigen Entrichtung nach §
47 i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch mit Wirkung
gegenüber der Klägerin erloschen. Die Heraufsetzung der
Schenkungsteuer durch den gegenüber der Bedachten ergangenen
Bescheid vom 11.1.2008 habe aber zum Entstehen eines neuen
Steueranspruchs geführt, für den das FA auch die
Klägerin als Gesamtschuldnerin durch Schenkungsteuerbescheid
habe in Anspruch nehmen können. Die Klägerin könne
sich deshalb nicht auf das Erlöschen der ursprünglichen
Steuerfestsetzung berufen. Entscheidend sei dabei, dass die
Steuerrückzahlungen auf den Änderungsbescheiden vom 27.
Februar und 12.3.2007 beruht hätten und deshalb nicht ohne
Grund vorgenommen worden seien.
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Die Klägerin rügt mit der
Revision insbesondere Verletzung von §§ 44 und 47 AO. Die
Schenkungsteuer sei ihr gegenüber dadurch endgültig
erloschen, dass sie die Bedachte in voller Höhe entrichtet
habe. Die Änderungsbescheide vom 27. Februar und 12.3.2007 und
die darauf beruhenden Steuererstattungen so wie die erneute
Festsetzung von Schenkungsteuer gegen die Bedachte in der
ursprünglichen Höhe durch den Bescheid vom 11.1.2008
hätten sich ihr, der Klägerin, gegenüber nicht
ausgewirkt.
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Die Klägerin ist ferner der Ansicht,
für die Entscheidung über die Revision sei nicht der II.
Senat des Bundesfinanzhofs (BFH), sondern dessen VII. Senat
zuständig. Es gehe um eine Streitigkeit aus dem allgemeinen
Abgabenrecht. Bei dem angefochtenen Steuerbescheid handle es sich
der Sache nach um einen Rückforderungsbescheid.
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Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung und den Schenkungsteuerbescheid vom 3.11.2008
aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen
Schenkungsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Unrecht angenommen,
dass das FA die Schenkungsteuer gegenüber der Klägerin
festsetzen durfte.
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1. Für die Entscheidung ist entgegen der
Ansicht der Klägerin der II. Senat und nicht der VII. Senat
des BFH zuständig. Die Zuständigkeit des II. Senats
ergibt sich aus Abschn. A, Sachliche Zuständigkeit der Senate,
II. Senat Nr. 3 des Geschäftsverteilungsplans des BFH für
das Jahr 2012. Danach ist der II. Senat ebenso wie nach den
Geschäftsverteilungsplänen für die Vorjahre für
die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständig. Maßgebend
ist dabei, dass ein Schenkungsteuerbescheid und nicht ein
Rückforderungsbescheid im Sinne des Abschn. A, VII. Senat Nr.
5 Buchst. c des Geschäftsverteilungsplans ergangen und
angefochten ist.
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2. Für die Festsetzung der
Schenkungsteuer gegenüber der Klägerin durch den Bescheid
vom 3.11.2008 gibt es keine Rechtsgrundlage.
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a) Steuerschuldner ist gemäß §
20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Erwerber, bei einer Schenkung auch der
Schenker. Erwerber und Schenker sind nach § 44 Abs. 1 Satz 1
AO Gesamtschuldner, weil sie nebeneinander dieselbe Leistung aus
dem Steuerschuldverhältnis schulden.
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Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner
wirkt nach § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch für die
übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt für die Aufrechnung
und für eine geleistete Sicherheit (§ 44 Abs. 2 Satz 2
AO). Andere Tatsachen wirken gemäß § 44 Abs. 2 Satz
3 AO nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person
sie eintreten. Das gilt sowohl materiell-rechtlich als auch
für Verfahrensvorgänge (Schwarz in Schwarz, AO, § 44
Rz 22).
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Entrichtet der Bedachte die ihm gegenüber
festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlischt diese
gemäß § 47 i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch
mit Wirkung gegenüber dem Schenker und kann daher diesem
gegenüber nicht mehr festgesetzt werden (Boeker in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 44 AO Rz 26; Kruse
in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 44 AO
Rz 17; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 44 Rz 55; Schwarz,
a.a.O., § 44 Rz 20; Klein/Ratschow, AO, 10. Aufl., § 44
Rz 16; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 44
Rz 18; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der AO vgl. BFH-Urteil vom
4.6.1975 II R 7/73, BFHE 116, 319, BStBl II 1975, 895 = SIS 75 05 20).
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Wird die Steuer später dem Bedachten oder
einem von diesem bestimmten Dritten (Zessionar) zurückgezahlt,
etwa weil im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Vollziehung
des Schenkungsteuerbescheids aufgehoben (§ 361 Abs. 2 Satz 3
AO, § 69 Abs. 2 Satz 7, Abs. 3 Satz 3 FGO), einem Einspruch
oder einer Klage stattgegeben oder aus anderen Gründen ein
Änderungsbescheid zugunsten des Bedachten erlassen wird,
handelt es sich um Tatsachen, die nicht in der Person des Schenkers
eintreten und daher gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AO
nicht für und gegen diesen wirken. Die durch Zahlung
gegenüber dem Schenker erloschene Steuer lebt somit in solchen
Fällen diesem gegenüber nicht wieder auf und kann daher
ihm gegenüber auch nicht festgesetzt werden (Schwarz, a.a.O.,
§ 44 Rz 20; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der AO vgl.
Urteil des Reichsfinanzhofs vom 7.3.1922 V A 157/21, RFHE 8, 280;
a.A. Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG,
3. Auflage § 20 Rz 10), und zwar nicht nur, wenn die
Erstattung zu Unrecht erfolgt ist (so aber Boeker, a.a.O., §
44 AO Rz 30; Kruse, a.a.O., § 44 AO Rz 22; Klein/Ratschow,
a.a.O., § 44 Rz 16), sondern auch, wenn sie auf einer
finanzbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung beruht und
daher jedenfalls formell rechtmäßig ist. Entscheidend
ist nicht die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der
Erstattung der Steuer an den Bedachten oder einen von diesem
bestimmten Dritten, sondern dass die Erstattung und die dieser
zugrunde liegende finanzbehördliche oder gerichtliche
Entscheidung keine Tatsachen sind, die in der Person des Schenkers
eintreten, und daher ihm gegenüber nach § 44 Abs. 2 Satz
3 AO keine Wirkung entfalten.
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Es führt zu keinem anderen Ergebnis, wenn
der Schenker durch sein Verhalten zu der vollständigen oder
teilweisen Rückzahlung der Steuer beigetragen hat. Die
entscheidenden Tatsachen, nämlich die Rückzahlung der
Steuer an den Bedachten oder einen von diesem bestimmten Dritten
und der Erlass der der Rückzahlung zugrunde liegenden
finanzbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung
gegenüber dem Bedachten, treten nämlich auch in diesem
Fall nicht in der Person des Schenkers ein. Beruht die Herabsetzung
der gegenüber dem Bedachten festgesetzten Steuer auf einer
Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und war der Schenker an dieser
Steuerhinterziehung als (Mit-)Täter (§ 25 Abs. 1 und 2
des Strafgesetzbuchs - StGB - ), Anstifter (§ 26 StGB) oder
Gehilfe (§ 27 StGB) beteiligt, werden die berechtigten
fiskalischen Interessen dadurch gewahrt, dass der Schenker nach
§ 71 AO für die verkürzte Steuer haftet.
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Für die vom FG vertretene Ansicht, der
Erlass eines Änderungsbescheids, durch den die
zwischenzeitlich herabgesetzte und teilweise erstattete
Schenkungsteuer gegen den Bedachten wieder in der
ursprünglichen Höhe festgesetzt wird, führe zur
Entstehung eines neuen Steueranspruchs, für den auch der
Schenker als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden
könne, gibt es keine gesetzliche Grundlage (a.A. Buciek,
a.a.O., § 44 Rz 61; Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG, Rz
6.1). Die rechtmäßige Festsetzung einer Steuer durch
Steuerbescheid nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO setzt das Bestehen
eines Steueranspruchs voraus und führt nicht selbst zum
Entstehen eines Steueranspruchs. Ein Steueranspruch entsteht nach
§ 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das
Gesetz die Leistungspflicht knüpft, und hängt nicht von
einer Steuerfestsetzung ab (BFH-Urteile vom 13.5.1987 II R 189/83,
BFHE 149, 514, BStBl II 1988, 188 = SIS 87 15 45, und vom 17.1.1989
VIII R 370/83, BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563 = SIS 89 11 13,
unter 3.c; Schuster in HHSp, § 38 AO Rz 12, § 155 AO Rz
17; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 38 AO Rz 10 f.; Seer
in Tipke/Kruse, a.a.O., § 155 AO Rz 14; Koenig, a.a.O., §
38 Rz 32). Die Finanzämter haben keinen Einfluss darauf, ob
ein Steuerschuldverhältnis entsteht (BFH-Urteil vom 27.3.1990
VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939 = SIS 90 21 53,
unter III.3.b).
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b) Das FA durfte demgemäß die
Schenkungsteuer nicht gegen die Klägerin festsetzen. Die
Steuer war ihr gegenüber durch die vollständige
Entrichtung durch die Bedachte erloschen (§ 47 AO). Die
gegenüber der Bedachten ergangenen Änderungsbescheide und
die teilweise Rückzahlung der Steuer stellen Tatsachen dar,
die nicht in der Person der Klägerin eingetreten sind und ihr
gegenüber gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AO keine
Wirkung entfalten.
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