1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), ein in Slowenien
ansässiges Luftfahrtunternehmen, verbrachte im Dezember 2003
ein ihr gehörendes Kleinflugzeug durch einen bei ihr
angestellten Piloten nach Deutschland in der Absicht, es zu
verkaufen, nachdem ein hier ansässiges Unternehmen ein
Kaufinteresse bekundet und um einen Probeflug gebeten hatte. Das
Flugzeug wurde bei dem Verbringen den Zollbehörden nicht
gestellt; eine schriftliche oder mündliche Zollanmeldung wurde
nicht abgegeben. Der beabsichtigte Verkauf kam nicht
zustande.
|
|
|
2
|
Mit der Begründung, dass der
durchgeführte Probeflug von Nürnberg nach Hamburg am
8.1.2004 ein unzulässiger entgeltlicher
innergemeinschaftlicher Flug gewesen sei, setzte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA - ) mit Bescheid vom
13.7.2004 Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) gegen die
Klägerin fest. Den Einspruch der Klägerin wies das HZA
mit Einspruchsentscheidung vom 19.5.2008 mit der Begründung
zurück, die Voraussetzungen für eine formlose
Überführung des Flugzeugs in das Verfahren der
vorübergehenden Verwendung seien nicht erfüllt
gewesen.
|
|
|
3
|
Die hiergegen erhobene Klage wies das
Finanzgericht (FG) aus den in der ZfZ 2010, Beilage 1, Seite 1
veröffentlichten Gründen ab.
|
|
|
4
|
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, dass die Voraussetzungen des Art. 202 Abs. 1 Buchst. a des
Zollkodex (ZK) nicht vorlägen, weil das Flugzeug nicht
vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht
worden sei. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
14.6.2005 VII R 44/02 (BFHE 210, 78, ZfZ 2005, 340 = SIS 05 33 30)
sowie einer Berufungsentscheidung des österreichischen
Unabhängigen Finanzsenats (UFS) vom 24.2.2006 Zl.
ZRV/0131-Z2L/05 (ZfZ 2006, 372) komme es für die formlose
Überführung eines Beförderungsmittels in die
vorübergehende Verwendung allein darauf an, ob die in Art. 558
der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) hierfür
genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt des Grenzübertritts
objektiv vorlägen, nicht aber auf innere Tatsachen bzw. eine
eventuelle Absicht des Verwenders, sich an die aus diesem
Zollverfahren folgenden Beschränkungen nicht zu halten. Im
Rahmen des ihr (der Klägerin) somit bewilligten Zollverfahrens
der vorübergehenden Verwendung habe sie die ihr obliegenden
Pflichten nicht verletzt, weil der Probeflug unentgeltlich
durchgeführt worden sei. Im Übrigen sei die Abgabenschuld
verjährt, weil die Einspruchsentscheidung vom 19.5.2008 in
Anbetracht ihrer im Vergleich zum ursprünglichen
Steuerbescheid abweichenden Begründung als ein neuer
Steuerbescheid anzusehen sei.
|
|
|
5
|
Das HZA schließt sich der Ansicht des
FG an, dass die Voraussetzungen für die formlose
Überführung eines Beförderungsmittels in die
vorübergehende Verwendung im Streitfall nicht vorgelegen
hätten, weil das Flugzeug nicht zum Zweck der Personen- oder
Warenbeförderung, sondern als Ware zur Ansicht in das
Zollgebiet verbracht worden sei. Der Abgabenanspruch sei nicht
verjährt. Die Klägerin habe erstmals mit ihrer
Einspruchsbegründung darauf hingewiesen, dass das Flugzeug zum
Verkauf an einen Interessenten eingeführt worden sei. Die
daher unzutreffende rechtliche Begründung im angefochtenen
Abgabenbescheid habe somit in der Einspruchsentscheidung berichtigt
werden dürfen.
|
|
|
6
|
II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
|
|
|
7
|
Die Revision ist zurückzuweisen (§
126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
|
|
|
8
|
1. Zutreffend hat das FG ausgeführt, dass
die ZKDVO in Teil II Titel III Kapitel 5 Abschnitt 2 in sieben
Unterabschnitten bestimmte Waren beschreibt, die unter den dort
jeweils aufgeführten Voraussetzungen in das Zollverfahren der
vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung
von den Einfuhrabgaben übergeführt werden können.
Während der Unterabschnitt 1 Beförderungsmittel betrifft,
welche, wenn sie (z.B.) im Luftverkehr eingesetzt werden und die in
Art. 558 ZKDVO genannten Voraussetzungen erfüllen, nach Art.
232 Abs. 1 Buchst. b, Art. 233 Abs. 1 Buchst. b ZKDVO konkludent
durch einfaches Überschreiten der Zollgrenze zur
vorübergehenden Verwendung angemeldet werden können mit
der Folge, dass gemäß Art. 234 Abs. 1 ZKDVO das
Beförderungsmittel als gestellt und die Zollanmeldung als
angenommen gilt, betrifft der Unterabschnitt 6 Waren für
Veranstaltungen oder zum Verkauf, die unter den in Art. 576 ZKDVO
genannten Voraussetzungen ebenfalls in das Zollverfahren der
vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung
von den Einfuhrabgaben übergeführt werden können,
jedoch nicht durch eine konkludente Zollanmeldung gemäß
Art. 232, 233 ZKDVO.
|
|
|
9
|
Bei einem in das Zollgebiet der Gemeinschaft
verbrachten Beförderungsmittel kommen daher mehrere
Möglichkeiten seiner vorübergehenden Verwendung mit
jeweils verschiedenen Arten der Zollanmeldung für dieses
Verfahren in Betracht: z.B. zum eigenen Gebrauch oder zum Zweck
seiner gewerblichen Verwendung als Beförderungsmittel (Art.
555 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO) im Zollgebiet unter den Voraussetzungen
des Art. 558 Abs. 1 ZKDVO; zum anderen aber auch zum Zweck einer
Verwendung als Ware, die einem Kaufinteressenten im Zollgebiet der
Gemeinschaft zur Ansicht vorgeführt werden soll. Die Frage, in
welcher Weise das Beförderungsmittel zur vorübergehenden
Verwendung anzumelden ist, ist daher mit dem FG danach zu
entscheiden, welche tatsächliche Verwendungsabsicht nach den
Umständen des Einzelfalls feststellbar ist (ebenso
Witte/Henke, Zollkodex, 5. Aufl., Art. 141 Rz 2, mit Hinweis auf
Abs. 5 der Dienstvorschrift Vorübergehende Verwendung,
Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung Z 19 01).
|
|
|
10
|
Im Streitfall gilt danach das Flugzeug der
Klägerin gemäß Art. 234 Abs. 2 ZKDVO als
vorschriftswidrig verbracht, denn es hätte, da es nach den
Feststellungen des FG nach den seinerzeit objektiv erkennbaren
Umständen bereits im Zeitpunkt seines Verbringens in das
Zollgebiet der Gemeinschaft dort nicht als Beförderungsmittel
gewerblich verwendet, sondern zum Zweck seines Verkaufs einem
potenziellen Käufer vorgeführt werden sollte, bei der
zuständigen Zollbehörde ausdrücklich zum
Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung angemeldet werden
müssen; eine konkludente Anmeldung durch einfaches
Überschreiten der Zollgrenze war nicht möglich, wie das
FG zutreffend erkannt hat. Daran ändert auch das Vorbringen
der Revision nichts, dass mit dieser Vorführung
notwendigerweise auch Probeflüge mit den Kaufinteressenten
verbunden gewesen seien, denn diese waren nicht der eigentliche
Verwendungszweck, sondern lediglich Teil der den Kaufinteressenten
zu bietenden Ansicht der zum Verkauf dargebotenen Ware i.S. des
Art. 576 Abs. 2 ZKDVO.
|
|
|
11
|
2. Das Urteil in BFHE 210, 78, ZfZ 2005, 340 =
SIS 05 33 30, auf das sich die Klägerin beruft, steht dem
nicht entgegen. Der erkennende Senat hat mit jenem Urteil
entschieden, dass allein die im Zeitpunkt des Grenzübertritts
bestehende Absicht, ein Beförderungsmittel im Zollgebiet der
Gemeinschaft zur Durchführung eines unzulässigen
Binnentransports zu verwenden, nicht dazu führt, dass dieses
als vorschriftswidrig verbracht gilt. Maßgebend für die
Beurteilung, ob die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 ZKDVO
erfüllt sind, seien nur die im Zeitpunkt der
Willensäußerung vorliegenden objektiven Voraussetzungen,
nicht jedoch innere Tatsachen wie etwa die Absicht, das verbrachte
Beförderungsmittel zu einem späteren Zeitpunkt anders zu
verwenden, als es nach den Bestimmungen über das Zollverfahren
zulässig ist, zu dem das Beförderungsmittel durch die
Willensäußerung konkludent angemeldet wurde.
|
|
|
12
|
Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in
welchem ein Fahrzeug (Sattelzugmaschine) nach den objektiven
Tatsachen zweifellos lediglich als Beförderungsmittel
zur gewerblichen Verwendung in das Zollgebiet der Gemeinschaft
verbracht und deshalb durch Grenzübertritt konkludent zur
vorübergehenden Verwendung angemeldet worden war. So liegt der
Streitfall indes nicht. Vielmehr ist nach den Feststellungen des FG
davon auszugehen, dass im Zeitpunkt des Verbringens nichts darauf
hindeutete, das Flugzeug solle im Zollgebiet der Gemeinschaft
lediglich als Beförderungsmittel zum Transport von Personen
oder Waren genutzt werden, sondern vielmehr nach den objektiv
erkennbaren Umständen (telefonische und schriftliche
Korrespondenz mit einem potenziellen Käufer) die Absicht
bestand, das Flugzeug zu verkaufen, es also als eine zu verkaufende
Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft zu verbringen. Zu den
objektiven Tatsachen, an die nach dem Senatsurteil in BFHE 210, 78,
ZfZ 2005, 340 = SIS 05 33 30 der gesetzliche Tatbestand des Art.
718 Abs. 3 ZKDVO a.F. (entspricht Art. 558 Abs. 1 ZKDVO)
anknüpft, nämlich die Voraussetzungen, die in der
betreffenden Ware bzw. bei ihrer Verwendung tatsächlich
erfüllt sein müssen, gehört nicht lediglich die
Tatsache, dass die Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft mit
einem Beförderungsmittel überschritten wird, sondern auch
die erkennbare Absicht, dieses Beförderungsmittel im
Zollgebiet der Gemeinschaft im (u.a.) Luftverkehr einzusetzen (so
der Wortlaut des Art. 558 Abs. 1 ZKDVO) und nicht als Handelsware
zu verwenden.
|
|
|
13
|
Der Senat hält die Auslegung der im
Streitfall maßgebenden unionsrechtlichen Vorschriften
für zweifelsfrei und sieht keine Verpflichtung, die Sache dem
Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung
gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union vorzulegen. Entsprechende Zweifel
werden insbesondere nicht durch die UFS-Entscheidung in ZfZ 2006,
372 begründet, da nicht erkennbar ist, dass dieser
Entscheidung ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. In jenem
Fall war die als Abgabenschuldner in Anspruch genommene Person mit
einem PKW in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingereist, um mit
einem Autohändler über den Kauf eines anderen Fahrzeugs
zu verhandeln. Anschließend war der PKW auf dem Gelände
des Autohändlers mit einem angebrachten Verkaufsangebot
verblieben, um festzustellen, ob sich ein Kaufinteressent finden
lasse. Mit dem Sachverhalt des Streitfalls, in dem bereits im
Zeitpunkt des Verbringens anhand objektiv erkennbarer Umstände
feststand, dass das Flugzeug einem bestimmten Kaufinteressenten zur
Ansicht vorgeführt werden sollte, lässt sich jener Fall
nicht vergleichen.
|
|
|
14
|
3. Die Einfuhrabgaben sind nicht
verjährt.
|
|
|
15
|
Nach Art. 221 Abs. 3 ZK darf die Mitteilung
des Abgabenbetrags nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem
Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen; diese
Frist wird allerdings ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein
Rechtsbehelf eingelegt wird, und zwar für die Dauer des
Rechtsbehelfs. Für den Streitfall folgt daraus, dass der
Abgabenbetrag mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 13.7.2004
fristgerecht mitgeteilt worden ist; für die Dauer der von
Seiten der Klägerin eingelegten Rechtsbehelfe ist die
Verjährungsfrist ausgesetzt.
|
|
|
16
|
Anders als die Revision meint, ist mit der
Einspruchsentscheidung vom 19.5.2008 der Abgabenanspruch nicht auf
ein anderes Ereignis als im Abgabenbescheid vom 13.7.2004
gestützt worden. Der Sachverhalt, welcher Gegenstand der
rechtlichen Prüfung war, ob er zur Entstehung der
Einfuhrabgabenschuld geführt hatte, war unverändert im
gesamten Verlauf des Verfahrens das Verbringen des Flugzeugs in das
Zollgebiet der Gemeinschaft und seine Verwendung im Zollgebiet. Das
HZA hat diesen Sachverhalt lediglich rechtlich anders bewertet,
indem es zunächst annahm, die Abgabenschuld sei durch einen
als unzulässigen Binnenverkehr zu wertenden Probeflug
entstanden, und später mit der Einspruchsentscheidung die
(zutreffende) Ansicht vertrat, dass die Abgabenschuld bereits mit
dem Verbringen des Flugzeugs in das Zollgebiet der Gemeinschaft
entstanden sei. Die seitens der Revision behauptete Divergenz zum
BFH-Urteil vom 19.1.1994 II R 32/90 (BFH/NV 1994, 758) besteht
daher nicht.
|
|
|