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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist als freie Journalistin weit überwiegend
für eine Rundfunkanstalt (X) tätig. Sie wird von X
jeweils für einzelne Programmvorhaben verpflichtet.
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Ihre Tätigkeit wurde von X nach
Tagessätzen vergütet. Die Höhe und Anzahl der
Tagessätze für die jeweils zu erbringende Leistung legte
sie vor Beginn der Tätigkeit unabhängig von der
tatsächlich aufgewendeten bzw. aufzuwendenden Zeit fest. Die
Klägerin konnte sodann entscheiden, ob sie die Leistung
für dieses Entgelt ausführte. Für jede Produktion
schloss die Klägerin mit X einen gesonderten so genannten
„Mitwirkendenvertrag
(Beschäftigungsvertrag)“.
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Neben den Honorarzahlungen erhielt die
Klägerin von X in den Streitjahren 2002 und 2003 Urlaubsgeld
und Beitragszuschüsse zu einer privaten Kranken- und
Pflegeversicherung. Der Anspruch auf diese Zahlungen war im
„Tarifvertrag für auf Produktionsdauer Beschäftigte
der X“ geregelt. Die so genannten
„Arbeitgeberzuschüsse“ zur Kranken- und
Pflegeversicherung ließ die Klägerin im Rahmen ihrer
Umsatzsteuererklärungen unberücksichtigt.
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Anlässlich einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Prüfer die
Auffassung, die Zuschüsse der X zur Kranken- und
Pflegeversicherung stellten umsatzsteuerrechtliches Entgelt
für die Leistungen der Klägerin dar.
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Entsprechend den
Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) geänderte
Umsatzsteuerjahresbescheide für die Streitjahre.
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Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht
(FG) war der Ansicht, die Klägerin sei zwar Unternehmerin i.S.
des § 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG), die
Zuschüsse der X zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung
stellten jedoch kein Entgelt im umsatzsteuerrechtlichen Sinne dar.
Sie seien kein Bestandteil der vertraglich vereinbarten
Leistungsvergütung. Zu ihrer Zahlung sei X vielmehr gesetzlich
verpflichtet. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den
Beitragszuschüssen und den Leistungen der Klägerin sei
nicht erkennbar. Das Urteil ist veröffentlich in EFG 2009, 292
= SIS 09 27 55.
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Das FA trägt zur Begründung
seiner Revision im Wesentlichen vor, entgegen der Würdigung
durch das FG stünden die Beitragszuschüsse in
unmittelbarem Zusammenhang mit den erbrachten Leistungen. Mit der
Beauftragung der Klägerin erhalte diese als
„unständig Beschäftigte“ unter den weiteren
in § 257 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche
Krankenversicherung (SGB V) genannten Voraussetzungen einen
Anspruch auf Zahlung von Beitragszuschüssen zu ihrer
freiwilligen Krankenversicherung. Auch wenn diese Verpflichtung der
X nicht privatrechtlich begründet sei, sondern auf den
gesetzlichen Bestimmungen des § 257 Abs. 2 SGB V bzw. §
61 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Elftes Buch - Soziale
Pflegeversicherung (SGB XI) beruhe, ändere dies nichts daran,
dass X diese Beitragszuschüsse ebenso wie die originären
Honorarzahlungen aufwende, um die Leistungen der Klägerin zu
erhalten. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen den Leistungen der
Klägerin und den Beitragszuschüssen sei nicht durch die
gesetzliche Verpflichtung der X unterbrochen.
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Das FA beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Recht hat das FG entschieden,
dass die von X gezahlten Beitragszuschüsse zur privaten
Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin
umsatzsteuerrechtlich nicht als Entgelt zu beurteilen sind.
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1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen
der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein
Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens
ausführt. Es kann offen bleiben, ob die Klägerin
Unternehmerin i.S. des § 2 UStG war. Denn jedenfalls handelte
es sich bei den von X gezahlten Zuschüssen zur privaten
Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin nicht um Entgelt
i.S. der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 UStG.
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a) Der Umsatz wird bei Lieferungen und
sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG)
gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG nach dem
Entgelt bemessen, wobei Entgelt alles ist, was der
Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten,
jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Regelung beruht auf
Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG
des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG). Danach ist bei Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen Besteuerungsgrundlage alles, was den Wert der
Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende
für diese Umsätze vom Abnehmer oder
Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält
oder erhalten soll. Gemäß Art. 11 Teil A Abs. 2 Buchst.
a der Richtlinie 77/388/EWG sind in die Besteuerungsgrundlage die
Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme
der Mehrwertsteuer selbst einzubeziehen.
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b) Nach der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine
Zahlung/Aufwendung grundsätzlich (nur) dann
Entgelt/Gegenleistung für eine bestimmte Leistung, wenn sie
„für die Leistung“ bzw. „für
diese Umsätze“ gewährt wird bzw. der Leistende
sie hierfür erhält (BFH-Urteil vom 19.10.2001 V R 75/98,
BFH/NV 2002, 547 = SIS 02 58 91, unter II.3.c der Gründe).
Zahlt eine Rundfunkanstalt aufgrund einer
satzungsmäßigen Verpflichtung zugunsten ihrer freien
Mitarbeiter Beiträge an eine Pensionskasse für freie
Mitarbeiter der Deutschen Rundfunkanstalten, gehören auch
diese Beiträge zum Entgelt für die Leistungen der
Mitarbeiter (vgl. BFH-Urteil vom 9.10.2002 V R 73/01, BFHE 200,
130, BStBl II 2003, 217 = SIS 03 05 89).
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Gesetzlich geschuldete
Sozialversicherungsbeiträge können hingegen kein Entgelt
i.S. von § 10 UStG sein, da der Leistungsempfänger in
diesen Fällen eine eigene Verbindlichkeit tilgt (vgl.
BFH-Urteil vom 25.6.2009 V R 37/08, BFHE 226, 415, BStBl II 2009,
873 = SIS 09 28 47). Nicht zum Entgelt nach § 10 UStG
gehören öffentlich-rechtliche Abgaben, die der
Leistungsempfänger aufgrund einer ihn treffenden Verpflichtung
schuldet, auch wenn sie durch die bezogene Leistung veranlasst
sind. Kein Entgelt ist daher beispielsweise die vom Erwerber
gezahlte Grunderwerbsteuer, auch wenn die Zahlung der
Grunderwerbsteuer durch den Erwerber den Grundstückslieferer
von seiner Grunderwerbsteuerschuld befreit. Dementsprechend
erhöhen auch andere öffentlich-rechtliche Abgaben, die
der Leistungsempfänger aufgrund einer ihn treffenden
Verpflichtung zu entrichten hat (wie nach dem
Arbeitsförderungsgesetz und dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch
- Gesetzliche Rentenversicherung - für den Arbeitgeber von
Gesetzes wegen bestehenden Beitragspflichten) nicht das Entgelt
(vgl. zum Ganzen BFH-Urteil in BFHE 226, 415, BStBl II 2009, 873 =
SIS 09 28 47).
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c) Die zitierten BFH-Urteile stimmen mit der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
überein. Hiernach ist Besteuerungsgrundlage einer Lieferung
von Gegenständen i.S. des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG alles, was in unmittelbarem Zusammenhang mit
der Lieferung als Gegenleistung erlangt wird, in Geld
ausgedrückt werden kann und einen subjektiven Wert darstellt
(vgl. EuGH-Urteile vom 23.11.1988 Rs. C-230/87 -
Naturally Yours Cosmetics -, Slg. 1988, 6365; vom 3.7.2001
Rs. C-380/99 - Bertelsmann -, Slg. 2001, I-5163, BFH/NV
2001, Beilage 3, 192 = SIS 01 09 78, Randnr. 17). Sowohl nach der
BFH- als auch nach der EuGH-Rechtsprechung sind gezahlte
Beträge somit nur dann Entgelt, wenn der Anspruch auf Zahlung
unmittelbar mit der erbrachten Leistung zusammenhängt (vgl.
allgemein hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 547 = SIS 02 58 91,
unter II.3.c der Gründe).
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d) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist
das FG zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den von X
gezahlten Zuschüssen zur privaten Kranken- und
Pflegeversicherung der Klägerin nicht um Entgelt i.S. der
§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 UStG handelt.
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aa) Die Klägerin hat diese Beträge
nicht für die von ihr ausgeführten Leistungen erhalten,
sondern weil X hierzu gesetzlich und unabdingbar verpflichtet
war.
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Nach den mit der Revision nicht angegriffenen
Feststellungen des FG war die Klägerin in den Streitjahren
eine nach § 232 Abs. 3 SGB V so genannte
„unständig Beschäftigte“ bei X. Als
solche war sie grundsätzlich gemäß §§ 5
Abs. 1 SGB V, 23 Abs. 1 SGB XI in der gesetzlichen Kranken- und in
der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig.
Wegen Überschreitens der
Jahresarbeitsentgeltgrenze war sie in den Streitjahren jedoch
gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der gesetzlichen
Krankenversicherung versicherungsfrei. Sie hatte deshalb gegen X
einen Anspruch auf Zahlung eines Beitragszuschusses. Denn nach
§ 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Beschäftigte, die von
der Versicherungspflicht befreit und bei einem privaten
Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und unter den
weiteren dort genannten Voraussetzungen Vertragsleistungen
beanspruchen können, die der Art nach den Leistungen des SGB V
entsprechen, von ihrem Arbeitgeber einen Beitragszuschuss. §
61 Abs. 2 SGB XI enthält eine weitgehend inhaltsgleiche
Regelung für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung. Der
Zuschuss beträgt gemäß §§ 257 Abs. 2 Satz
2 SGB V, 61 Abs. 2 Satz 2 SGB XI höchstens die Hälfte des
Betrages, den der Beschäftigte für seine Kranken- bzw.
Pflegeversicherung zu zahlen hat. Darüber hinausgehende
Beitragszuschüsse hat X nach
den Feststellungen des FG nicht gezahlt.
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Im Gegensatz zu zivilrechtlich geschuldetem
Entgelt standen diese Beitragszuschüsse nicht zur Disposition
der Klägerin und der X. Denn der Anspruch auf den
Beitragszuschuss nach § 257 SGB V ist unabdingbar, so dass ein
Verzicht des Arbeitnehmers darauf unzulässig ist (vgl. Urteil
des Bundessozialgerichts - BSG - vom 8.10.1998 B 12 KR 19/97 R,
BSGE 83, 40; Engelhard in: Schulin, HS-KV, § 54 Rz 405).
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bb) Zwar unterscheiden sich die
Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung von
Sozialversicherungsbeiträgen dadurch, dass der Arbeitgeber
Erstere gegenüber dem Beschäftigten, Letztere hingegen
gegenüber den Sozialversicherungsträgern schuldet (vgl.
dazu BFH-Urteil in BFHE 226, 415, BStBl II 2009, 873 = SIS 09 28 47). Jedoch handelt es sich bei beiden um
öffentlich-rechtliche Ansprüche (vgl. zu § 257 SGB V
BSG-Urteil in BSGE 83, 40; sowie Beschluss des Gemeinsamen Senats
der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4.6.1974 GmS-OGB
2/73, BSGE 37, 292, zu der mit § 257 SGB V weitgehend
inhaltsgleichen Regelung in § 405 der
Reichsversicherungsordnung). Zudem ist der Zuschuss nach § 257
SGB V das Gegenstück zum vom Arbeitgeber gemäß
§ 249 Abs. 1 SGB V geschuldeten Anteil zur gesetzlichen
Krankenversicherung des Beschäftigten (vgl. Knispel in Peters,
Handb KV II SGB V § 257 Rz 7). Es ist daher nicht
gerechtfertigt, die von X gezahlten Beträge
umsatzsteuerrechtlich anders zu beurteilen als gesetzlich vom
Arbeitgeber geschuldete Sozialversicherungsbeiträge. Dabei ist
auch zu berücksichtigen, dass es unter Umständen nur von
Zufälligkeiten abhängt, ob die Jahresarbeitsentgeltgrenze
überschritten wird und statt der Pflichtversicherung in einer
gesetzlichen Krankenkasse ein Anspruch auf Beitragszuschuss
gemäß § 257 SGB V besteht.
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cc) Die von der Klägerin gegenüber X
ausgeführten Leistungen hingen ferner nur mittelbar mit den
von X gezahlten Zuschüssen zusammen. Denn X hätte keine
Beitragszuschüsse nach den §§ 257 Abs. 2 SGB V, 61
Abs. 2 SGB XI zahlen müssen, wenn die Klägerin sich nicht
privat krankenversichert hätte. Außerdem hatte die
Klägerin einen Anspruch auf einen Zuschuss zu ihrer privaten
Krankenversicherung auch für Zeiten, in denen sie von X
Urlaubsgeld erhielt und keine Leistungen ausführte (vgl.
Knispel in Peters, a.a.O., § 257 Rz 32).
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