1
|
I. Streitig ist, ob der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) Anspruch auf die
Bergmannsprämie hat.
|
|
|
2
|
Der Kläger ist als ausgebildeter
Elektroinstallateur nichtselbständig bei der Firma L
beschäftigt. L, der Arbeitgeber des Klägers, ist im
Bereich Elektro-Installationen, Industrie- und Telefonanlagen, TV,
Hifi, Video, Einbauküchen und Reparaturservice tätig.
Seit 1972 ist L von der S-GmbH (GmbH) beauftragt, Elektroarbeiten
im Bergbau auszuführen. Die GmbH betreibt eine Schwerspatgrube
und untersteht nach § 69 Bundesberggesetz (BBergG) der
Bergaufsicht durch das zuständige Bergamt. Die GmbH
beschäftigt keine eigenen Elektriker. Instandsetzung und
Erweiterungsarbeiten der elektrischen Anlagen der GmbH werden von L
ausgeführt. Diese insbesondere unter Tage notwendigen Arbeiten
zur Aufrechterhaltung des Grubenbetriebes führt seit 1982
ausschließlich der Kläger aus. Er ist darüber
hinaus im Untertagebereich als Bohrhelfer, Ausbauhelfer sowie
Laderfahrer tätig. Gesetzlich krankenversichert ist der
Kläger bei der Bundesknappschaft.
|
|
|
3
|
Der Kläger beantragte für die
Monate Januar und Februar 2005 die Feststellung der hier streitigen
Bergmannsprämie gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 des
Gesetzes über Bergmannsprämien (BergPG) i.d.F. der
Bekanntmachung vom 12.5.1969 (BGBl I 1969, 434), zuletzt
geändert durch Art. 37 des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl I
2003, 2954) i.V.m. § 11 der Verordnung zur Durchführung
des Gesetzes über Bergmannsprämien (BergPDV) vom
20.12.1977 (BGBl I 1977, 3135). Er machte geltend, im Januar 2005
21 Schichten und im Februar 2005 12 Schichten unter Tage
abgeleistet zu haben. Er sei nicht nur gelegentlich, sondern
ständig und ausschließlich unter Tage beschäftigt.
Die im Gesetz beabsichtigte Vergünstigung solcher
Tätigkeiten treffe auf ihn zu. Zur weiteren Begründung
legte er Erklärungen der Bergämter T-Stadt und S-Stadt
vom 22.8.1986 und vom 4.4.2005 vor, nach denen die Schwerspatgrube
der GmbH der Bergaufsicht nach § 69 BBergG unterstehe und
somit auch die durch L im Unter- und Übertagebereich
durchgeführten Arbeiten der Aufsicht durch die
Bergbehörde unterliegen.
|
|
|
4
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) lehnte den Antrag des Klägers ab und wies
den dagegen eingelegten Einspruch zurück.
|
|
|
5
|
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen
erhobene Klage aus den in EFG 2008, 588 = SIS 08 15 23
veröffentlichten Gründen ab.
|
|
|
6
|
Der Kläger rügt mit der Revision
die Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
7
|
Er beantragt, das Urteil des FG
Münster vom 9.10.2007 sowie den Bescheid vom 15.3.2005 in der
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.9.2005 aufzuheben und das
FA zu verpflichten, Bergmannsprämie betreffend die Monate
Januar und Februar 2005 in Höhe von zusammen 165 EUR
festzusetzen.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Klage
abzuweisen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und der
Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der Kläger hat
einen Anspruch auf eine Bergmannsprämie auf Grundlage des
Gesetzes über Bergmannsprämien. Zur Feststellung der
Höhe der zu gewährenden Prämie wird die Sache an das
FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
|
|
|
10
|
1. Nach § 1 Abs. 1 BergPG erhalten
Arbeitnehmer des Bergbaus, die unter Tage beschäftigt werden,
Bergmannsprämien. Das Gesetz über Bergmannsprämien
selbst enthält keine weitere Definition dazu, was unter
Arbeitnehmer des Bergbaus zu verstehen ist. Auf Grundlage des
§ 6 Abs. 1 BergPG hat die Bundesregierung mit Zustimmung des
Bundesrates die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes
über Bergmannsprämien erlassen. Nach § 1 Abs. 1 Satz
1 dieser Verordnung (BergPDV) sind Arbeitnehmer des Bergbaus
Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen
des Bergbaus (Abs. 2) stehen und in den der bergbehördlichen
Aufsicht unterstellten Betrieben (Abs. 2 Nr. 1) beschäftigt
werden. Nach § 1 Abs. 2 BergPDV sind Unternehmen des Bergbaus
1. Unternehmen, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstellte
Betriebe unterhalten, 2. Unternehmen, soweit sie ständig
Schachtbau oder andere bergbauliche Aufschließungs- und
Vorrichtungsarbeiten als spezifisch bergmännische Arbeiten in
den unter Nr. 1 bezeichneten Betrieben verrichten
(Bergbauspezialgesellschaften).
|
|
|
11
|
2. Gemessen daran hat das FG zwar zutreffend
entschieden, dass L als Arbeitgeber des Klägers keinen der
bergbehördlichen Aufsicht unterstellten Betrieb unterhält
(a). Der Kläger ist aber dennoch ein unter Tage
beschäftigter Arbeitnehmer des Bergbaus i.S. des § 1 Abs.
1 BergPG (b).
|
|
|
12
|
a) Zu Recht gelangte das FG zu der
Beurteilung, dass der Kläger bei L in einem Betrieb der
Elektrotechnik beschäftigt ist und dieser Betrieb selbst nicht
der bergbehördlichen Aufsicht untersteht. Zutreffend hat das
FG insoweit darauf abgehoben, dass die Bescheinigungen der
Bergämter T-Stadt und S-Stadt vom 22.8.1986 und vom 4.4.2005
nicht erklären, dass L der bergbehördlichen Aufsicht
unterliege. Für den Streitfall kann allerdings dahinstehen, ob
der Rechtsauffassung des FG, wonach es nicht an die
Rechtsauffassung der Bergaufsicht gebunden sei, zu folgen
wäre. Der Senat weist in diesem Zusammenhang fürsorglich
darauf hin, dass nach der übereinstimmenden Rechtsprechung
aller fünf obersten Bundesgerichte auf Grundlage der
sogenannten Tatbestandswirkung jedenfalls dann, wenn eine
Behörde durch Verwaltungsakt zu einer verbindlichen Regelung
oder Qualifikation gelangt, dieser Verwaltungsakt als Ausfluss des
Rechtsstaatsprinzips Tatbestandswirkung entfaltete und die
Entscheidung über dessen Rechtmäßigkeit und Bestand
den dazu berufenen Spezialgerichten überlassen bliebe (dazu
zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 21.1.2010 VI R 52/08,
BFH/NV 2010, 1169 = SIS 10 13 17).
|
|
|
13
|
b) Das die Bergmannsprämie berechtigende
Merkmal „Arbeitnehmer des Bergbaus“ erfordert
u.a. ein Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen des Bergbaus.
Unternehmen des Bergbaus im Sinne der Verordnung zur
Durchführung des Gesetzes über Bergmannsprämien sind
nach § 1 Abs. 2 BergPDV nicht nur Unternehmen, die der
bergbehördlichen Aufsicht unterstellte Betriebe unterhalten
(§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BergPDV), sondern auch die
Bergbauspezialgesellschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BergPDV).
§ 1 Abs. 1 Satz 1 BergPDV fordert nur für die
eigentlichen Unternehmen des Bergbaus i.S. des § 1 Abs. 2 Nr.
1 BergPDV deren bergbehördliche Aufsicht; denn § 1 Abs. 1
Satz 1 BergPDV nimmt allein auf Abs. 2 Nr. 1 BergPDV Bezug. Ein
Unternehmen des Bergbaus i.S. des § 1 Abs. 2 BergPDV kann
mithin auch ein der bergbehördlichen Aufsicht nicht
unterstelltes Unternehmen sein. Entgegen der Ansicht des FG konnte
es deshalb auch dann, wenn L nicht der Bergaufsicht unterliegt,
nicht offen bleiben, ob L als Bergbauspezialgesellschaft anzusehen
ist.
|
|
|
14
|
aa) Wenn § 1 Abs. 1 Satz 1 BergPDV sowohl
ein Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen des Bergbaus als
auch die Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem der
bergbehördlichen Aufsicht unterstellten Betrieb voraussetzt,
beziehen sich die Merkmale
„Arbeitsverhältnis“ und
„beschäftigt“ nicht tautologisch auf
denselben Lebenssachverhalt. § 1 Abs. 1 Satz 1 BergPDV
normiert vielmehr eine rechtliche und eine tatsächliche
Bedingung. Die rechtliche Bedingung ist die arbeitsvertragliche
Rechtsbeziehung zu einem Unternehmen des Bergbaus i.S. des § 1
Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BergPDV. Die tatsächliche Bedingung
ist die Beschäftigung im Sinne der Ausübung einer
spezifischen bergmännischen Betätigung, wie sie auch in
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BergPDV in den Merkmalen „spezifisch
bergmännische Arbeiten ... verrichten“ zum Ausdruck
kommt. Dieser tatsächlichen Bedingung ist auch dann
genügt, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht in einem
Arbeitsverhältnis zu einem der bergbehördlichen Aufsicht
unterstellten Unternehmen steht, aber für eine spezifisch
bergmännische Arbeiten verrichtende Bergbauspezialgesellschaft
in einem der bergbehördlichen Aufsicht unterstellten
Unternehmen tätig wird. Entsprechendes folgt auch aus der
Begründung zu § 1 Abs. 2 BergPDV (BRDrucks 218/57,
Begründung, S. 1). Die umschreibt „Arbeitnehmer des
Bergbaus“ dahin, dass sie in einem Arbeitsverhältnis
zu einem Unternehmen des Bergbaus stehen und in einem der
bergrechtlichen Aufsicht unterstellten Betrieb beschäftigt
sein müssen. Die nicht nur rechtliche, sondern auch
tatsächliche Bedingung kommt in der Begründung dadurch
zum Ausdruck, dass zu diesen „Unternehmen des
Bergbaus“ auch die Bergbauspezialgesellschaften
gehören, die nur von bergmännisch ausgebildeten
Arbeitskräften zu leistende und auch seitens der Unternehmen
besondere bergmännische Kenntnisse und Erfahrungen erfordernde
Arbeiten ausführten und deshalb einen solch engen Zusammenhang
mit der Gewinnung von Bodenschätzen aufwiesen, dass ihre
Zurechnung zum Kreis der Unternehmen des Bergbaus gerechtfertigt
sei.
|
|
|
15
|
bb) Der erkennende Senat hatte bereits
früher zu den Bergbauspezialgesellschaften entschieden (Urteil
vom 16.9.1960 VI 299/58, HFR 1962, 122). Danach bezieht die
Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über
Bergmannsprämien über die im Gesetz angesprochenen
eigentlichen Bergleute hinaus auch die Arbeitnehmer solcher
Bergbauspezialgesellschaften ein. Und der Senat hatte solche
Arbeitnehmer nicht von der Begünstigung ausgeschlossen, die -
wie alle Bergleute - bei der Knappschaft pflichtversichert sind und
die nicht nur gelegentlich, sondern ständig unter Tage
beschäftigt werden.
|
|
|
16
|
cc) Dem entspricht es, wenn die
Begründung zum Gesetz über Bergmannsprämien
(BTDrucks 2/2351, S. 4) nicht nur das allgemeine Regelungsziel des
Gesetzes - der besorgniserregenden Abwanderung von Bergleuten aus
der Untertagearbeit mit der Prämie entgegenzuwirken - betont
hatte, sondern auch konkret § 1 des Gesetzesvorschlags
erläutert, wonach die Bergmannsprämie zwar Arbeitnehmer
des Bergbaus und auch nur die, die unter Tage beschäftigt
seien, erfasse, dass aber darüber hinaus die
Bergmannsprämie auch handwerklich unter Tage
Beschäftigten, z.B. Schlossern und Elektrikern, gewährt
werden solle. In Abgrenzung dazu sollten Angehörige von
Gewerbezweigen, die nur gelegentlich unter Tage, etwa zur Montage
von Maschinen und Ähnlichem, beschäftigt seien, die
Prämie nicht erhalten.
|
|
|
17
|
3. Danach hat der Kläger
grundsätzlich Anspruch auf die Bergmannsprämie. Denn er
ist Arbeitnehmer des Bergbaus, der unter Tage beschäftigt wird
(§ 1 Abs. 1 BergPG). Der Kläger ist Arbeitnehmer des
Bergbaus, weil er in einem Arbeitsverhältnis zu L, einer
Bergbauspezialgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BergPDV,
steht, das als solches ein Unternehmen des Bergbaus ist und er in
einem der bergbehördlichen Aufsicht unterstellten Betrieb, der
die Schwerspatgrube betreibenden GmbH, beschäftigt wird und
tatsächlich seiner Tätigkeit nachgeht, indem er dort
spezifisch bergmännische Arbeiten verrichtet.
|
|
|
18
|
a) L ist eine Bergbauspezialgesellschaft, weil
sie die zur Aufrechterhaltung des Grubenbetriebs notwendigen
Elektroarbeiten im Bereich der Instandsetzung und Erweiterung
ausgeführt und darüber hinaus weitere Arbeiten im
Untertagebereich verrichtet hatte, wenn für sie dort der
Kläger insbesondere auch als Bohrhelfer, Ausbauhelfer sowie
als Laderfahrer tätig war. In diesem Zusammenhang kommt dann
auch den Erklärungen der Bergämter T-Stadt und S-Stadt
Bedeutung zu, wenn danach die durch L ausgeführten Arbeiten in
der von der GmbH unterhaltenen Grube der Aufsicht durch die
Bergbehörde unterliegen. Dies belegt, dass insoweit Arbeiten
ausgeführt werden, die nach ihrer Eigenart nur von
bergmännisch ausgebildeten Arbeitskräften geleistet
werden können und seitens der ausführenden Unternehmen
besondere bergmännische Kenntnisse und Erfahrungen erfordern.
Insoweit liegen also nicht nur Tätigkeiten anderer
Gewerbezweige vor, die gelegentlich unter Tage arbeiten, aber keine
spezifisch bergmännische Arbeiten wie etwa die Montage einer
Maschine ausführen (BTDrucks 2/2351, S. 4).
|
|
|
19
|
b) Der Kläger hatte diese vorgenannten
Tätigkeiten für L in dem der bergbehördlichen
Aufsicht unterstellten Betrieb der GmbH verrichtet und war damit
i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 BergPDV in einem solchen Betrieb
beschäftigt.
|
|
|
20
|
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger
tatsächlich, wie im Verwaltungsverfahren und im
finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, im Januar 2005 und im
Februar 2005 die angegebene Anzahl der Schichten unter Tage
abgeleistet hatte. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen im
zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
|