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I. Nachdem im Jahre 2000 die Wohnung der
Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) durch die
Steuerfahndung wegen des Verdachts auf Schenkungsteuerhinterziehung
durchsucht worden war, setzte der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA - ) im Oktober 2004 Schenkungsteuer fest. Zuvor
hatte die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 29.2.2000
(UrNr. S 631/2000) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
zusammen mit ihrem Sohn und ihrer Tochter gegründet, an der
sie mit 2 % und Sohn und Tochter mit jeweils 49 % beteiligt waren.
Im selben Vertrag brachte die Klägerin in ihrem Eigentum
stehende Grundstücke in diese GbR ein, behielt sich aber
jeweils das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an diesen
Grundstücken vor, das in der Folgezeit auch ins Grundbuch
eingetragen wurde. Weiter wurde der Klägerin unter bestimmten
Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht eingeräumt; die GbR
übernahm eine Buchgrundschuld, während die zugrunde
liegende Schuldverpflichtung bei der Klägerin verblieb;
für eine von der Klägerin gleichzeitig bestellte - von
der GbR ebenfalls übernommene - Eigentümergrundschuld
wurde der Klägerin das Recht zur Valutierung
eingeräumt.
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Mit notariellem Vertrag vom 14.12.2004
behielt sich die Klägerin auf Lebensdauer das unentgeltliche
Wohnrecht an sämtlichen Räumen eines weiteren, von ihr
selbst genutzten Anwesens mit der Maßgabe vor, dass der
Eigentümer das Gebäude instand zu halten und die Kosten
für Schönheitsreparaturen, Strom, Wasser und Heizung zu
tragen habe. Die Rechte wurden zusammen als Leibgedinge in das
Grundbuch eingetragen. Dieses Grundstück übertrug die
Klägerin mit notariellem Vertrag vom 5.1.2005 auf den Sohn,
für den zugleich die Eintragung einer Wohnungsreallast
für die Nutzung eines Wohnraums samt Küche und Bad/WC
während der Dauer des der Klägerin bestellten
Leibgedinges bewilligt und beantragt wurde. Für die
Klägerin wurde ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag
eingeräumt und dazu eine Rückauflassungsvormerkung im
Grundbuch eingetragen.
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3
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Nachdem Vollstreckungsversuche bei der
Klägerin nicht zur Tilgung der Steuerschuld führten,
erließ das FA gegen die Klägerin am 31.3.2005 einen
Duldungsbescheid, mit dem es die Bestellung der
Nießbrauchsrechte im Vertrag vom 29.2.2000 (Nrn. 1 und 2 des
Bescheids), die Vereinbarung des Rücktrittsrechts in § 11
des Vertrags (Nr. 3), die Einräumung eines Rechts zur
Valutierung einer zu bestellenden Eigentümergrundschuld in
§ 13 des Vertrags (Nr. 4), die Bestellung eines Wohnrechts im
Vertrag vom 14.12.2004 (Nr. 5) und die Einräumung eines
Rücktrittsrechts sowie die Bestellung der
Rückauflassungsvormerkung im Vertrag vom 5.1.2005 (Nr. 6)
gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 2, § 4
Abs. 1 und § 15 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 des Anfechtungsgesetzes
(AnfG) anfocht. Das FA werde über Anfechtungen der
Grundstücksübertragungen an die GbR und den Sohn die
Duldung der Eintragung von Zwangshypotheken, der Pfändung der
auf den Grundstücken lastenden Eigentümergrundschulden
und der damit zusammenhängenden
Rückübertragungsansprüche erwirken und dann die
Zwangsversteigerung der Grundstücke betreiben. Die
Klägerin habe den Vorrang dieser zu begründenden Rechte
bzw. Pfändungen vor den in den Nrn. 1 bis 6 bezeichneten, von
ihr als sonstiger Rechtsnachfolgerin anfechtbar erlangten Rechte
nach §§ 11, 15 AnfG zu dulden.
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4
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Mit einem weiteren Duldungsbescheid focht
das FA die mit Vertrag vom 5.1.2005 vereinbarte
Grundstücksüberlassung gegenüber dem Sohn der
Klägerin an.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage der Klägerin blieb hinsichtlich der Anfechtung
der Rückauflassungsvormerkung (Vertrag vom 5.1.2005)
erfolglos, im Übrigen hob das Finanzgericht (FG) den
Duldungsbescheid auf. Die Nießbrauchsbestellungen zu Gunsten
der Klägerin seien nicht anfechtbar, weil die Klägerin,
die das jeweilige Grundstück bereits mit dem
Nießbrauchsrecht belastet auf die GbR übertragen habe,
zum einen nicht i.S. der § 3 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2
Nr. 1 AnfG Sonderrechtsnachfolgerin der GbR als der bezüglich
der Eigentumsübertragung an den Grundstücken eigentlichen
Anfechtungsschuldnerin sei, zum anderen durch die Bestellung des
Nießbrauchs gerade keinen Gegenstand aus ihrem Vermögen
weggegeben, sondern sich den weitgehenden wirtschaftlichen Wert der
Immobilie bis an ihr Lebensende gesichert habe. Da die
Klägerin durch die bloß schuldrechtlichen, nicht durch
Vormerkungen im Grundbuch gesicherten Vereinbarungen eines Rechts
zum Rücktritt vom Vertrag und zur Valutierung einer zu
bestellenden Eigentümergrundschuld nicht
Sonderrechtsnachfolgerin der GbR geworden sei, scheitere die
Anfechtung auch insoweit. Gleiches gelte bezüglich der
Bestellung des Wohnrechts an dem von ihr bewohnten
Hausgrundstück. Auch diese scheitere mangels
Sonderrechtsnachfolge der Klägerin nach ihrem Sohn, da nicht
dieser, sondern die Klägerin selbst vor Übertragung des
Grundstücks das Wohnrecht bestellt habe und weil sie, wie im
Falle der Nießbrauchsbestellung, keinen Gegenstand aus ihrem
Vermögen weggegeben habe. Demgegenüber sei die Bestellung
und Eintragung der Rückauflassungsvormerkung zu Gunsten der
Klägerin gemäß § 3 Abs. 2, § 15 Abs. 2
Nrn. 1 bis 3 AnfG zu Recht angefochten und der Duldungsbescheid
insoweit rechtmäßig, weil die Klägerin durch die
Vormerkung Sonderrechtsnachfolgerin ihres Sohns als dem
eigentlichen Anfechtungsgegner geworden sei und die Durchsetzung
der berechtigten Anfechtung der Grundstücksübertragung
gegenüber dem Sohn durch die Rückauflassungsvormerkung
vereitelt würde. Gläubigerbenachteiligung liege vor, da
das Grundstück bei Vornahme der Rechtshandlung
wertausschöpfend belastet gewesen sei und die Klägerin
keine gleichwertige Gegenleistung für die Übertragung des
Grundstücks erlangt habe. Die gesetzliche Vermutung der
Gläubigerbenachteiligungsabsicht in § 3 Abs. 2 AnfG und
die diesbezügliche Kenntnis des Sohns habe nicht widerlegt
werden können.
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Gegen die teilweise Aufhebung des
Duldungsbescheids richtet sich die Revision des FA. Es hält
die Auffassung des FG für falsch, dass die Bestellung eines
Nießbrauchsrechts bzw. eines Wohnrechts durch den
Eigentümer für sich selbst nicht gemäß §
3 Abs. 1 AnfG angefochten werden könne, weil es nicht sein
könne, dass ein vorsätzliches
„In-sich-Geschäft“ des Schuldners zum Nachteil des
Gläubigers nicht anfechtbar sei, nur weil § 3 Abs. 1 Satz
1 AnfG bei Fremdgeschäften die zusätzliche Voraussetzung
aufstelle, dass „der andere Teil“ den Vorsatz des
Schuldners gekannt habe. Auch aus § 1 Abs. 1 AnfG ergebe sich,
dass es entscheidend auf eine Gläubigerbenachteiligung im
Sinne einer Erschwerung der Vollstreckungsmöglichkeiten in den
konkreten Gegenstand ankomme.
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Durch die Bestellung des Nießbrauchs
habe die Klägerin das unbelastete Volleigentum i.S. des §
11 Abs. 1 Satz 1 AnfG „aufgegeben“. Aus dieser
Vorschrift werde deutlich, dass die Anfechtung keine Rechtshandlung
zu Gunsten eines Dritten voraussetze, sondern dass auch
Rechtsgeschäfte, die der Schuldner mit sich selbst
abschließe, angefochten werden könnten. Dass die
Belastung zu Gunsten der Klägerin eingetragen worden sei,
könne keine Rolle spielen, da sich die Zusammensetzung ihres
Vermögens und der in der Verwertung zu erzielende Erlös
geändert hätten, und zwar ausschließlich in der
Absicht, das FA zu benachteiligen. Durch diese Rechtshandlung sei
eine Vollstreckung nur noch über den Weg der
Zwangsversteigerung eines nießbrauchsbelasteten
Grundstücks und der Vollstreckung in den Nießbrauch
möglich. Dieser Weg verspreche neben einer
umständlicheren Vollstreckung einen angesichts der
Ungewissheit von Dauer und Höhe des Nießbrauchs deutlich
geringeren Erlös als eine Zwangsversteigerung des unbelasteten
Grundstücks. Durch den Nießbrauch sinke der Verkehrswert
des Grundstücks erheblich. In den Nießbrauch könne
lediglich durch Pfändung der Mieteinnahmen vollstreckt werden.
Wenn aber, wie vorliegend, die Mieterträge vorrangig
abgetreten seien, sei eine Vollstreckung nicht
möglich.
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8
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Auch die Bestellung des Wohnrechts an dem
auf den Sohn übertragenen Hausgrundstück habe das FG zu
Unrecht für zulässig gehalten, da sie nicht in erster
Linie wegen der beabsichtigten Veräußerung, sondern
allein deshalb vorgenommen worden sei, die Vollstreckung in das
Grundstück deutlich zu erschweren. Auch insoweit sei deshalb
die Anfechtung gerechtfertigt.
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9
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben, soweit es die Regelungen des Duldungsbescheids in Nrn.
1, 2 und 5 aufgegeben hat, und die Klage insoweit
abzuweisen.
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Die Klägerin schließt sich den
Ausführungen des FG an und beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils, soweit darin der
Duldungsbescheid hinsichtlich der Positionen 1, 2 und 5 aufgehoben
worden ist und insoweit zur Abweisung der Klage. Die Entscheidung
des FG verletzt in dem angefochtenen Umfang Bundesrecht (§ 118
Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) kann das FA nach § 191 der
Abgabenordnung denjenigen durch Duldungsbescheid in Anspruch
nehmen, der nach dem AnfG verpflichtet ist, die Vollstreckung zu
dulden (BFH-Urteil vom 15.10.1996 VII R 35/96, BFHE 181, 268, BStBl
II 1997, 17 = SIS 97 06 73, m.w.N.). Im Streitfall steht dem FA der
mit dem angefochtenen Duldungsbescheid in der Fassung der
Einspruchsentscheidung gegen die Klägerin geltend gemachte
Anspruch auf Duldung des Vorrangs seiner Rechte (noch zu erwirkende
Zwangshypotheken, Pfändung der auf den Grundstücken
lastenden Eigentümergrundschulden und der damit
zusammenhängenden Rückübertragungsansprüche)
gegenüber den in den Nrn. 1, 2 und 5 des Duldungsbescheids
bezeichneten Rechten zu.
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13
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Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dem
Gläubiger, soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist,
das zur Verfügung gestellt werden, was durch eine anfechtbare
Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners
veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist.
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2. Der in § 11 AnfG vorausgesetzte
Anfechtungstatbestand ergibt sich in der Konstellation des
Streitfalls aus einer entsprechenden Anwendung des § 3 Abs. 1
AnfG. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung, die der
Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem
Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat,
anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz
des Schuldners kannte.
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a) Nach ihrem Wortlaut setzt die Norm voraus,
dass eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung zu Gunsten
eines Dritten vorliegt. Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom
14.7.1981 VII R 49/80 (BFHE 133, 501, BStBl II 1981, 751 = SIS 81 24 46), worauf das FG zutreffend hingewiesen hat, ausgeführt,
das Anfechtungsgesetz enthalte „nach seinem Wortlaut
keinen Anfechtungstatbestand, der es ermöglichte,
gegenüber dem Schuldner selbst die zu seinen Gunsten erfolgte
Bestellung von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten
anzufechten“. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass
grundsätzlich Voraussetzung einer Anfechtung das Ausscheiden
eines Gegenstands aus dem Vermögen des Schuldners ist und
etwas, was im Vermögen des Schuldners ist, schwerlich in
dieses zurückgewährt werden kann.
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b) Der Senat hat in jener Entscheidung
allerdings ausdrücklich dahinstehen lassen, ob sich diese
Anfechtungsnorm erweiternd auf Fälle anwenden lasse, in denen
ein Recht an dem bisher dem Schuldner gehörenden
Grundstück zu seinen eigenen Gunsten bestellt werde. Auch der
Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Fall, in dem der
Empfänger eines anfechtbar übertragenen Grundstücks
dem Übertragenden, dem Schuldner, daran ein Wohnrecht bestellt
hatte, nicht abschließend festgelegt (BGH-Urteil vom
13.7.1995 IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314). Die Frage, ob es anfechtbar
gewesen wäre, wenn sich der Übertragende, der Schuldner,
von Anfang an selbst das Wohnrecht bestellt hätte, konnte dort
offenbleiben. Denn der Schuldner war in jenem Fall hinsichtlich des
Wohnrechts Sonderrechtsnachfolger des Grundstückserwerbers
i.S. des § 15 Abs. 2 AnfG (dort § 11 Abs. 2 AnfG a.F.)
und als solcher der Anfechtung ausgesetzt.
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17
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c) Im Streitfall ist die Frage, ob § 3
Abs. 1 AnfG nur auf Rechtshandlungen des Schuldners zu Gunsten
eines Dritten anwendbar ist, entscheidungserheblich. Denn anders
als in den vom BGH entschiedenen Fällen sind hier die
Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AnfG nicht gegeben.
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aa) Nach § 15 Abs. 2 AnfG kann die
Anfechtbarkeit gegen einen sonstigen Rechtsnachfolger, der nicht
Gesamtrechtsnachfolger ist, geltend gemacht werden, wenn dem
Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs die Umstände bekannt
waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines
Rechtsvorgängers begründen, oder wenn der
Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs zu den Personen
gehörte, die dem Schuldner nahestehen, es sei denn, dass ihm
zu dieser Zeit die Umstände unbekannt waren, welche die
Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers
begründen oder wenn dem Rechtsnachfolger das Erlangte
unentgeltlich zugewendet worden ist.
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Die Vorschrift dehnt die Anfechtbarkeit von
Rechtshandlungen gegenüber Ersterwerbern auf deren
„Sonderrechtsnachfolger“ aus, um einen
umfassenden Gläubigerschutz zu gewährleisten.
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bb) Die Klägerin ist nicht
Rechtsnachfolgerin im Sinne dieser Norm.
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(1) Zwar setzt die Sonderrechtsnachfolge i.S.
des § 15 Abs. 2 AnfG nach der Rechtsprechung des BGH nicht die
Vollübertragung des anfechtbar Erlangten voraus, sondern kann
schon vorliegen, wenn aus dem anfechtbar Erworbenen ein neues,
beschränktes Recht geschaffen oder eine besondere Befugnis
abgezweigt wird.
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(2) Auch muss der Rechtsnachfolger nach §
15 Abs. 2 AnfG nicht ein Dritter sein. Vielmehr kann auch der
Schuldner des Anfechtungsgläubigers selbst Rechtsnachfolger im
anfechtbaren Erwerb werden, wenn er sich an dem von ihm
übertragenen Grundeigentum ein Teilrecht von dem Erwerber hat
zurückübertragen lassen (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 130,
314).
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(3) Anders als in dem vom BGH entschiedenen
Fall sind aber weder die Nießbrauchsrechte noch das Wohnrecht
zu Gunsten der Klägerin von den Erwerbern der Grundstücke
- der GbR bzw. dem Sohn - bestellt worden. Nach den Feststellungen
des FG hat sich die Klägerin diese Teilrechte an ihren eigenen
Grundstücken vor der Eigentumsübertragung selbst
bestellt.
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(4) Ob in einer solchen Konstellation eine
entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 2 AnfG in Betracht
käme, weil die Interessenlage, der § 15 Abs. 2 AnfG
Rechnung trägt, sich nur unwesentlich von derjenigen
unterscheidet, die entsteht, wenn das neue, beschränkte Recht
nicht erst nach der anfechtbaren Übertragung des
Grundstücks durch den Erwerber, sondern schon vor dieser
Übertragung durch den bisherigen Eigentümer im Hinblick
auf die beabsichtigte Übertragung des Grundstücks
geschaffen wird, muss hier nicht geprüft werden, denn:
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d) Die Anfechtbarkeit der Bestellung
dinglicher Rechte am eigenen Grundstück ergibt sich nach
Auffassung des Senats unmittelbar aus § 3 Abs. 1 AnfG.
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aa) Der Wortlaut der Norm, wonach eine
gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung anfechtbar ist, wenn
der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des
Schuldners kannte, beschränkt ihre Anwendbarkeit nicht auf den
Fall der Fremdbegünstigung. Vielmehr erschöpft sich die
Bedeutung des „Wenn“-Satzes darin, den
gutgläubigen Erwerber in Fällen der
Fremdbegünstigung vor einer Anfechtung zu schützen. Im
Fall der Selbstbestellung eines Teilrechts am eigenen
Grundstück geht der Konditionalsatz ins Leere.
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bb) Die Gläubigerbenachteiligung besteht
darin, dass sich schon allein durch die Bestellung einer
Grundstücksbelastung am eigenen Grundstück die
Zugriffslage für die Gläubiger - unabhängig von
einer sich daran anschließenden Übertragung des
Grundeigentums - verschlechtern kann. Denn im Fall einer
Zwangsvollstreckung in das Grundstück bleibt dieses im Rang
vor dem Anfechtungsgläubiger stehende Teilrecht bestehen (vgl.
Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 19. Aufl., § 15 Rz
26, § 44 Rz 4). Im Streitfall liegen solche Verschlechterungen
der Zugriffslage für die Gläubiger vor.
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(1) Die Zwangsvollstreckung und damit die
Befriedigungsmöglichkeit für Gläubiger in das von
der Klägerin im Vertrag vom 14.12.2004 für sich selbst
bestellte Wohnrecht ist ausgeschlossen, weil die Beteiligten die
Überlassung des Wohnrechts an Dritte nicht gestattet haben
(§ 857 Abs. 3 der
Zivilprozessordnung - ZPO -, § 1092 Abs. 1 Satz 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - ; vgl. BGH-Urteil in
BGHZ 130, 314).
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(2) Der an den Grundstücken bestellte
Nießbrauch kann zwar grundsätzlich Gegenstand der
Pfändung sein; allerdings, wie sich aus § 857 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 1059 BGB
ergibt, ist er der Pfändung nur insoweit unterworfen, als die
Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Wegen
seiner Unveräußerlichkeit, die auch in der
Zwangsvollstreckung Bestand hat, darf der
Pfändungspfandgläubiger den Nießbrauch nicht zu
seiner Befriedigung verwerten, sondern ihn nur zu diesem Zweck
ausüben. Dies schließt eine Überweisung des
Stammrechts selbst zur Einziehung oder an Zahlungs statt nach
§ 857 Abs. 1, § 835 Abs. 1
ZPO ebenso aus wie eine anderweitige Verwertung durch
Versteigerung oder freien Verkauf (so BGH-Urteil vom 12.1.2006 IX
ZR 131/04, BGHZ 166, 1).
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cc) Auch an der nach § 3 Abs. 1 AnfG
erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsabsicht der
Klägerin bestehen nach den Feststellungen des FG keine
Zweifel.
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(1) Bezüglich der im
Grundstücksübertragungsvertrag vom 5.1.2005 vereinbarten
Rückauflassungsvormerkung, deren Anfechtung das FG für
berechtigt erachtet hat, hat das FG die
Gläubigerbenachteiligung und die entsprechende Absicht der
Klägerin festgestellt. Da das Wohnrecht in demselben
Vertrag bestellt wurde, erfassen die Feststellungen des FG zur
Gläubigerbenachteiligung auch diese Rechtshandlung. Mangels
entsprechender Verfahrensrügen ist der Senat daran
gebunden.
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(2) In Bezug auf die
Nießbrauchsbestellungen war das FG einer
Würdigung der die Gläubigerbenachteiligung betreffenden
Umstände enthoben, da es deren Anfechtung aus anderen
Gründen für nicht berechtigt hielt. Anhand der vom FG
insoweit gleichwohl getroffenen Feststellungen kann der Senat
hierzu aber selbst entscheiden. Die Gläubigerbenachteiligung
muss nicht das Ziel des Schuldnerhandelns sein. Es genügt,
wenn der Schuldner die Benachteiligung als mögliche Folge
seines Handelns erkennt und billigend in Kauf nimmt (BGH-Urteil in
BGHZ 130, 314, m.w.N.).
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Hiernach steht die
Gläubigerbenachteiligungsabsicht außer Zweifel. Sowohl
der zeitliche Zusammenhang der Grundstücksübertragung auf
die neu gegründete GbR mit der Wohnungsdurchsuchung durch die
Steuerfahndung wegen Verdachts der Schenkungsteuerhinterziehung als
auch die Gesamtschau der Verfügungen der Klägerin lassen
keinen anderen Schluss zu als den, dass die Klägerin ihr
Grundvermögen vor dem Zugriff des Fiskus schützen
wollte.
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So stellt sich die Eigentumsübertragung
auf die GbR als eine nach § 4 Abs. 1 AnfG anfechtbare
Schenkung dar, da die Klägerin für die Hingabe keine
Gegenleistung erhalten hat (vgl. BGH-Urteil vom 15.12.1994 IX ZR
153/93, BGHZ 128, 184, m.w.N.). Die Grundstücke waren
werthaltig. Eine wertausschöpfende Belastung der auf die GbR
übertragenen Grundstücke scheidet angesichts eines von
der Klägerin im FG-Verfahren selbst eingeräumten
Verkehrswerts von 400.000 EUR und einer Grundschuldbelastung von
300.000 EUR (davon eine noch nicht zur Sicherung eingesetzte
Eigentümergrundschuld über 100.000 EUR) aus, so dass die
Übertragung an die GbR, an der sie selbst neben ihren beiden
Kindern nur mit 2 % beteiligt war, wie eine Schenkung zu beurteilen
ist. Die vorbehaltenen Nießbrauchsrechte sind keine
„Gegenleistung“; Gegenstand der Schenkung ist
vielmehr das damit jeweils belastete Grundstück (vgl.
BGH-Urteil vom 7.4.1989 V ZR 252/87, BGHZ 107, 156 = SIS 89 15 19).
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Auch die vorbehaltenen Nießbrauchsrechte
selbst bieten den Gläubigern - wie oben dargestellt - keine
dem Volleigentum vergleichbare Befriedigungsmöglichkeit. Sie
beeinträchtigen vielmehr zusätzlich die Verwertbarkeit
der Grundstücke in der - nach Anfechtung der Schenkung
vorgesehenen - Zwangsvollstreckung.
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36
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Bei diesem Gesamtbefund greift zu Gunsten des
FA bezüglich der Nießbrauchsbestellungen die Vermutung
der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des § 3 Abs. 2 Satz
2 AnfG, die den gesamten Vertragsinhalt erfasst.
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3. Der Anspruch aus § 11 Abs. 1 Satz 1
AnfG ist bei gegebener Anfechtbarkeit darauf gerichtet, dem
Gläubiger das zur Verfügung zu stellen, was aus dem
Vermögen des Schuldners „veräußert,
weggegeben oder aufgegeben“ ist.
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a) Im Streitfall steht dem Duldungsanspruch
des FA nicht entgegen, dass sich die Klägerin die in Nrn. 1, 2
und 5 des Duldungsbescheids bezeichneten Rechte, also die
Bestellung der Nießbrauchsrechte und des Wohnrechts, bei der
Einbringung der Grundstücke in die GbR bzw. der
Übertragung auf den Sohn vorbehalten hat. Zwar bewirkt die
Bestellung dinglicher Rechte zu Gunsten des Grundeigentümers
keine Schmälerung seines Vermögens, wie sie bei einer
Veräußerung, Weggabe oder Aufgabe von
Vermögensbestandteilen an einen Dritten typisch ist. Der
Anspruchsinhalt des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG deckt aber nicht
nur diese Fälle der Vermögensminderung ab. Die Regelung
muss im Zusammenhang mit den Anfechtungstatbeständen gelesen
werden. § 11 AnfG regelt (nur) die Rechtsfolgen der wirksamen
Anfechtung einer Rechtshandlung; er ergänzt nicht die
Anfechtungsnormen um eine abschließende Bestimmung der
anfechtbaren Rechtshandlungen auf solche der
Veräußerung, Weggabe und Aufgabe. Ziel des § 11
AnfG ist - wie schon der mit Wirkung vom 1.1.1999 aufgehobenen
Vorgängervorschrift des § 7 AnfG a.F. (vgl. Art. 1 §
20 Abs. 2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung
vom 5.10.1994, BGBl I 1994, 2911) - die Wiederherstellung der durch
die Vermögensverschiebung vereitelten Zugriffslage für
die Gläubiger. Der gegenüber der früheren
Formulierung, das Erhaltene müsse vom Empfänger
„zurückgewährt“ werden, geänderte
Wortlaut, dass das durch die anfechtbare Handlung Weggegebene bzw.
Aufgegebene dem Gläubiger zu dessen Befriedigung „zur
Verfügung gestellt“ werden muss, macht dieses Ziel
besonders deutlich (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 10. Aufl.,
§ 11 Rz 4; BGH-Urteil vom 29.6.2004 IX ZR 258/02, BGHZ 159,
397). Der Gläubiger soll so - aber auch nur so - gestellt
werden, als könne er auf das Vermögen des Schuldners noch
so zugreifen, wie es ihm ohne die anfechtbare Disposition des
Schuldners möglich gewesen wäre (vgl. BGH-Urteil in BGHZ
130, 314; Kilger/Huber, Anfechtungsgesetz, 8. Aufl., § 7 Anm.
I, 2). § 11 AnfG umschreibt mit den Begriffen
„veräußert, weggegeben oder
aufgegeben“ eine Beschränkung des Anspruchs nach Art
und Umfang darauf, was zur Befriedigung des anfechtenden
Gläubigers nötig ist (vgl. dazu BGH-Urteil vom 9.5.1996
IX ZR 50/95, NJW 1996, 2231). So besteht z.B. infolge der
Anfechtung kein Anspruch auf Einräumung eines dinglichen
Rechts (so schon Urteil des Reichsgerichts vom 3.3.1931 VII 218/30,
RGZ 131, 340). Im Kern dieser Regelung geht es
„nur“ darum, den „Erfolg“ der
wirksam angefochtenen Rechtshandlung insoweit zu verhindern, wie
sie eine Gläubigerbenachteiligung konkret verursacht.
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39
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b) Mit Bestellung der Nießbrauchsrechte
und des Wohnrechts hat die Klägerin keine Rechte auf- oder
weggegeben, sie hat dadurch aber - wie gesehen - den Zugriff auf
ihre Vermögenswerte schon vor Übergang des Grundeigentums
- und erst recht vor dem Hintergrund dieser Verfügung -
beeinträchtigt. Diese Vermögenslage muss sie zu Gunsten
des Fiskus nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG wieder herstellen.
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4. Das FA hat die Klägerin mit dem
Duldungsbescheid zu Recht verpflichtet, seinen in der
Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu begründenden
Rechten den Vorrang vor dem jeweils eingetragenen Nießbrauch
und dem Wohnrecht einzuräumen.
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a) Das FA kann mit diesem Vorrang von der
Klägerin in der Zwangsvollstreckung das Nichtgebrauchmachen
von dem zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnrecht, ihre Einwilligung
in die Auszahlung des auf das Wohnrecht entfallenden
Versteigerungserlöses sowie - bei Bestehenbleiben des
Wohnrechts im Rahmen der Zwangsversteigerung - Wertersatz verlangen
(vgl. z.B. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom
26.6.2000 5 U 89/99, juris, Rz 70). Mit dem Vorrang gegenüber
dem Nießbrauch kann das FA entweder erreichen, dass der
Nießbrauch mit dem Zuschlag erlischt, § 52 Abs. 1 Satz
2, § 91 Abs. 1 i.V.m. § 44 Abs.
1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die
Zwangsverwaltung oder es kann mit dem Duldungstitel die
Anordnung der Zwangsverwaltung beantragen.
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42
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b) Ein Anspruchsinhalt des § 11 Abs. 1
Satz 1 AnfG auf Einräumung des Vorrangs wird in der
zivilrechtlichen Judikatur durchgehend bejaht. Da der
Anfechtungsgegner - wie oben ausgeführt - bei anfechtbaren
Grundpfandrechten die Zugriffslage nicht genauso wiederherzustellen
hat, wie sie ohne die anfechtbare Rechtslage bestände, sondern
nur insoweit, wie dies zur Befriedigung gerade des anfechtenden
Gläubigers nötig ist, genügt es, dass der
Anfechtungsgegner von dem anfechtbar erworbenen Recht keinen
Gebrauch machen kann. „Geht einem Grundpfandrecht des
Anfechtungsgläubigers ... ein anfechtbar erlangtes dingliches
Recht eines anderen an dem Grundstück vor, so begründet
der Anfechtungsanspruch ... in der Regel die schuldrechtliche
Verpflichtung des Anfechtungsgegners, dem Recht des Anfechtungsgläubigers in entsprechender
Anwendung des § 880 BGB den Vorrang
einzuräumen“ (BGH-Urteil in NJW 1996, 2231).
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c) Da das FA selbst nicht den Anspruch auf
Beseitigung der Dienstbarkeiten erhoben hat, bedarf es keiner
Erwägungen dazu, ob der Umstand, dass die Dienstbarkeiten
nicht für einen Dritten, sondern für den Eigentümer,
der zugleich Vollstreckungsschuldner ist, bestellt worden sind,
einen weitergehenden Anspruch als die Einräumung des Vorrangs
rechtfertigen könnte.
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5. Die Kosten des gesamten Verfahrens
trägt die Klägerin gemäß § 136 Abs. 1
Satz 3 FGO. Das FA ist nur hinsichtlich der Anfechtung des dinglich
nicht abgesicherten Rücktrittsrechts und des Rechts zur
Valutierung der Eigentümergrundschuld im Vertrag vom 29.2.2000
unterlegen. Beide Positionen fallen im Verhältnis zum
Anfechtungsrecht des FA im Übrigen wirtschaftlich nicht ins
Gewicht.
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