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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarben je zur Hälfte einen Miteigentumsanteil
an einem Grundstück, der mit dem Sondereigentum an
Büroräumen in dem auf dem Grundstück befindlichen,
1997 fertig gestellten Gebäude verbunden war.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stellte für den Miteigentumsanteil
gegenüber den Klägern mit bestandskräftigem
Einheitswertbescheid vom 23.6.1998 im Wege der Nachfeststellung
(§ 23 des Bewertungsgesetzes - BewG - ) zum 1.1.1998 einen
Einheitswert von 40.200 DM fest und legte seiner Berechnung eine
Grundstücksfläche von 2.280 qm zugrunde, obwohl auf den
Miteigentumsanteil der Kläger rechnerisch nur 228 qm
entfielen. Mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom
gleichen Tag setzte er den Grundsteuermessbetrag auf 281,40 DM
fest.
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Die Kläger beantragten am 28.9.2004,
den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermessbescheid vom
23.6.1998 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 129 der
Abgabenordnung - AO - ) dahin zu berichtigen, dass der Einheitswert
mit Wirkung auf den 1.1.2000 ausgehend von einer
Grundstücksfläche von 228 qm anstatt 2.280 qm
festgestellt wird. Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom
13.10.2004 ab, weil der Einheitswert auf den 1.1.1998 festgestellt
worden sei. Es erließ jedoch neue Bescheide, die im Wege der
fehlerbeseitigenden Fortschreibung (§ 22 Abs. 3 BewG) die
richtige Grundstücksfläche auf den 1.1.2004
berücksichtigten.
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Nach erfolglosem Einspruch gegen den
Ablehnungsbescheid wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Sie
sei bereits unzulässig, soweit die Kläger eine Korrektur
des Grundsteuermessbescheids begehrten, weil sich ihre Einwendungen
allein gegen den Einheitswertbescheid richteten. Im Übrigen
sei die Klage unbegründet. Der Einheitswertbescheid könne
nicht mehr nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO berichtigt werden, weil
die Frist für die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags
abgelaufen sei und die Vorschrift die Korrektur des
Einheitswertbescheids bei noch nicht verjährter
Grundsteuerfestsetzung nicht erlaube. Das Urteil ist in EFG 2008,
1002 = SIS 08 18 71 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügen die Kläger
fehlerhafte Anwendung von § 181 Abs. 5 Satz 1 AO. Sie meinen,
dass der Einheitswertbescheid auch dann noch berichtigt werden
könne, wenn die Festsetzung der Grundsteuer wie hier für
die Jahre 2000 bis 2003 noch nicht verjährt sei.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, die Vorentscheidung und den
Ablehnungsbescheid vom 13.10.2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 13.6.2005 aufzuheben sowie das FA zu
verpflichten, den Einheitswertbescheid vom 23.6.1998 dahin zu
berichtigen, dass der Einheitswert mit Wirkung auf den 1.1.2000
ausgehend von einer Grundstücksfläche von 228 qm anstatt
2.280 qm festgestellt wird, und den Grundsteuermessbescheid dahin
zu ändern, dass der Grundsteuermessbetrag auf den 1.1.2000
ausgehend vom neuen Einheitswert festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. 1. Die Revision ist, soweit sich die
Kläger gegen die Vorentscheidung über den
Grundsteuermessbescheid wenden, mangels Begründung
unzulässig und war daher zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Nach § 120 Abs. 3 FGO muss der
Revisionskläger die Revisionsgründe angeben. Das
erfordert nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO die bestimmte
Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung
ergibt. Die erhobene Rüge muss eindeutig erkennen lassen,
welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält.
Bezieht sich die Revision auf zwei in einem Verfahren verbundene
Steuerbescheide, müssen bezogen auf beide Steuerbescheide die
verletzten Rechtsnormen angegeben werden, aus denen sich die
Mängel ergeben (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
9.12.1987 I R 1/85, BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463 = SIS 88 07 21). Die Revision der Kläger erfüllt diese
Voraussetzungen nur hinsichtlich des Einheitswertbescheids, nicht
aber hinsichtlich des Grundsteuermessbescheids. Das FG hat die
Klage betreffend den Grundsteuermessbescheid als unzulässig
abgewiesen. Hiergegen haben die Kläger keine Einwände
erhoben. Sie rügen vielmehr ausschließlich eine
Verletzung von § 181 Abs. 5 AO und beziehen sich damit nur auf
den Einheitswertbescheid.
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2. Soweit sich die Revision gegen die
Vorentscheidung über den Einheitswertbescheid richtet, ist sie
begründet und führt insoweit zur Aufhebung der
Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des
Ablehnungsbescheids sowie zur Verpflichtung des FA, den
Einheitswertbescheid dahin zu berichtigen, dass der Einheitswert
auf den 1.1.1998 mit Wirkung auf den 1.1.2000 ausgehend von einer
Grundstücksfläche von 228 qm anstatt 2.280 qm
festgestellt wird (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG ist
zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Einheitswertbescheid vom
23.6.1998 wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr berichtigt
werden könne.
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a) Dem FA ist beim Erlass des
Einheitswertbescheids eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 AO)
unterlaufen, indem es eine Grundstücksfläche von 2.280 qm
anstatt 228 qm zugrunde gelegt hat.
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b) Im Zeitpunkt der Antragstellung im Jahre
2004 war die - auch für die Berichtigung offenbarer
Unrichtigkeiten zu beachtende (§ 169 Abs. 1 Satz 2 AO) - Frist
für die Korrektur der gesonderten Feststellung des
Einheitswerts bereits abgelaufen. Sie begann mit Ablauf des
Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Nachfeststellung vorzunehmen
ist, also mit Ablauf des Jahres 1998 (§ 181 Abs. 3 Satz 1 AO
i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 2 BewG), und endete nach vier Jahren
(§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Jahres 2002.
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c) Das FG hat jedoch übersehen, dass der
Einheitswertbescheid auch dann noch berichtigt werden kann, wenn
die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer wie hier für
die Jahre 2000 bis 2003 noch nicht abgelaufen ist.
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Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine
gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden
Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte
Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist,
für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten
Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171
Abs. 10 AO außer Betracht. Die Vorschrift trägt dem
Umstand Rechnung, dass die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen nur eine Vorstufe der Steuerfestsetzung ist,
d.h. nur eine dienende Funktion hat. Aus der Technik der getrennten
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem
Steuerpflichtigen keine Nachteile, aber auch keine Vorteile
entstehen (BFH-Urteile vom 10.12.1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336,
BStBl II 1994, 381 = SIS 93 12 17; vom 13.7.1999 VIII R 76/97, BFHE
189, 309, BStBl II 1999, 747 = SIS 99 24 35; vom 12.6.2002 XI R
26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681 = SIS 02 93 36; BTDrucks
VI/1982, S. 157). Die Vorschrift gilt nicht nur für den
erstmaligen Erlass, sondern ihrem Sinn und Zweck entsprechend auch
für die Änderung oder Berichtigung von
Feststellungsbescheiden (BFH-Urteile in BFHE 170, 336, BStBl II
1994, 381 = SIS 93 12 17; vom 31.10.2000 VIII R 14/00, BFHE 193,
392, BStBl II 2001, 156 = SIS 01 05 78; vom 6.7.2005 XI R 27/04,
BFH/NV 2006, 16 = SIS 06 02 30).
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aa) Das Verfahren zur Festsetzung der
Grundsteuer vollzieht sich in drei Stufen (vgl. BFH-Urteil vom
24.7.1985 II R 227/82, BFHE 144, 201, BStBl II 1986, 128 = SIS 85 22 09). Auf der ersten Stufe stellt das FA im Einheitswertbescheid
den Einheitswert für die wirtschaftliche Einheit des
Grundbesitzes fest (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 19 Abs. 1
BewG). Auf der zweiten Stufe setzt das FA im
Grundsteuermessbescheid den Steuermessbetrag durch Multiplikation
der Steuermesszahl mit dem Einheitswert fest (§ 184 Abs. 1 AO,
§ 13 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes - GrStG - ). Auf der
dritten Stufe schließlich setzt die Gemeinde die Grundsteuer
fest, wobei sie den Grundsteuermessbetrag mit ihrem Hebesatz
multipliziert (§ 27 Abs. 1 GrStG).
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bb) Im Verhältnis von
Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid ist § 181
Abs. 5 Satz 1 AO mit der Maßgabe anwendbar, dass anstelle der
„Steuerfestsetzung“ die
„Messbetragsfestsetzung“ auf der zweiten Stufe
tritt, so dass es auf den Ablauf der Festsetzungsfrist für die
zweite Stufe ankommt (vgl. FG Köln, Urteil vom 21.11.2001 6 K
1134/01, EFG 2002, 1245 = SIS 02 88 96; zum zweistufigen
Feststellungsverfahren: BFH-Urteil in BFHE 189, 309, BStBl II 1999,
747 = SIS 99 24 35). Denn nach § 184 Abs. 1 Satz 3 AO gelten
für die Festsetzung von Steuermessbeträgen die
Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung
sinngemäß. Die Feststellung des Einheitswerts auf der
ersten Stufe hat für die Festsetzung des
Grundsteuermessbetrags auf der zweiten Stufe die gleiche dienende
Funktion wie bei einem einfachen Feststellungsverfahren die
Feststellung für die Steuerfestsetzung.
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cc) Eine Berichtigung des
Einheitswertbescheids auf der ersten Stufe ist aber nach § 181
Abs. 5 Satz 1 AO auch zulässig, wenn die Festsetzung der
Grundsteuer auf der dritten Stufe noch möglich ist. Zwar ist
der Einheitswertbescheid Grundlagenbescheid nur für den
Grundsteuermessbescheid, letzterer wiederum alleiniger
Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid
(Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 19 BewG Rz 108;
Troll/ Eisele, Grundsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2006, §
16 Rz 3) und damit der Einheitswertbescheid kein Grundlagenbescheid
für den Grundsteuerbescheid.
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Die dienende Funktion sowohl der Feststellung
des Einheitswerts als auch der Festsetzung des
Grundsteuermessbetrags letztlich für die
Grundsteuerfestsetzung rechtfertigt aber eine entsprechende
Anwendung des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO. Dem Steuerpflichtigen
sollen aus der Technik der getrennten Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen keine Nachteile entstehen. Der
Steuerpflichtige wäre aber durch die Auftrennung des
Verfahrens zur Festsetzung der Grundsteuer in drei Stufen
benachteiligt. Hätte der Gesetzgeber nämlich ein
bloß zweistufiges Verfahren vorgesehen, könnte der
Feststellungsbescheid, der dann sowohl den Einheitswert als auch
den Grundsteuermessbetrag enthielte, korrigiert werden, solange die
Festsetzung der Grundsteuer möglich ist.
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3. Die Sache ist spruchreif. Der
Ablehnungsbescheid vom 13.10.2004 ist rechtswidrig und verletzt die
Kläger in ihren Rechten. Sie haben einen Anspruch auf
Berichtigung des Einheitswertbescheids vom 23.6.1998 dahin, dass
der Einheitswert mit Wirkung auf den 1.1.2000 ausgehend von einer
Grundstücksfläche von 228 qm anstatt 2.280 qm
festgestellt wird (§ 101 FGO).
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Die Berichtigung des Einheitswertbescheids auf
den 1.1.1998 ist in entsprechender Anwendung des § 25 BewG mit
Wirkung auf den 1.1.2000 vorzunehmen.
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a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BewG kann u.a.
eine Nachfeststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist unter
Zugrundelegung der Verhältnisse vom Nachfeststellungszeitpunkt
mit Wirkung für einen späteren Feststellungszeitpunkt
vorgenommen werden, für den diese Frist noch nicht abgelaufen
ist. § 181 Abs. 5 AO bleibt unberührt (§ 25 Abs. 1
Satz 2 BewG). Der Anwendungsbereich des § 25 BewG umfasst
nicht nur die erstmalige Nachfeststellung des Einheitswerts,
sondern gleichermaßen die Änderung und Berichtigung
einschließlich der Aufhebung (vgl. §§ 129, 172 ff.
AO) von Nachfeststellungsbescheiden (BFH-Urteil vom 16.10.1991 II R
23/89, BFHE 166, 168, BStBl II 1992, 454 = SIS 92 07 15 zum
früheren § 21 Abs. 3 BewG i.d.F. des Art. 2 des
Vermögensteuerreformgesetzes vom 17.4.1974, BGBl I 1974,
949).
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Die Berichtigung des Einheitswertbescheids mit
Wirkung auf den 1.1.2000 kann ohne den Rückgriff auf § 25
BewG nicht erreicht werden. Die Korrekturvorschriften der AO sehen
für sich genommen die Rechtsfolge, einen Bescheid mit Wirkung
für einen späteren Zeitpunkt zu ändern, nicht vor.
Denn sie ermöglichen lediglich die Fehlerbeseitigung, nicht
aber eine Änderung der übrigen im Bescheid getroffenen
Regelungen wie etwa des Feststellungszeitpunkts 1.1.1998. Die
entsprechende Anwendung des § 25 BewG erlaubt es jedoch, die
Berichtigung des Einheitswertbescheids mit Wirkung für einen
späteren Feststellungszeitpunkt insoweit vorzunehmen, als die
Festsetzungsfrist für den Grundsteuermessbetrag oder die
Grundsteuer noch nicht abgelaufen ist (Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §
181 Abs. 5 Satz 1 AO).
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b) Im Streitfall war zum Zeitpunkt des von den
Klägern gestellten Antrags auf Änderung des
Einheitswertbescheids am 27.9.2004 die Festsetzungsfrist für
die Grundsteuer der Jahre 2000 bis 2003 noch nicht abgelaufen.
Diese beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, zu dessen Beginn die
Grundsteuer entsteht (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 9 Abs. 2
GrStG), und endet nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AO). Somit begann die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer
2000 mit Ablauf des Jahres 2000 und endete mit Ablauf des Jahres
2004. Die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer 2001 bis 2003
endete jeweils ein Jahr später.
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Das FA wird im Berichtigungsbescheid darauf
hinzuweisen haben, dass die getroffene Feststellung für die
Festsetzung der Grundsteuer 2000 bis 2003 von Bedeutung ist (§
181 Abs. 5 Satz 2 AO).
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