Gemeinnützigkeit eines Wettbewerbsvereins: Ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ist nicht gemeinnützig, wenn seine Satzung nicht ausschließt, dass er vornehmlich zur Wahrung der gewerblichen Interessen seiner unternehmerisch tätigen Mitglieder tätig wird. - Urt.; BFH 6.10.2009, I R 55/08; SIS 09 37 62
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger)
gemeinnützig und deshalb von der Körperschaftsteuer und
der Gewerbesteuer befreit ist.
Der Kläger ist ein eingetragener
Verein, zu dessen Mitgliedern in den Streitjahren (2001 und 2003
bis 2006) ungefähr 17 Verbände, eine Innung, zehn
Freiberufler und 270 Unternehmer verschiedener Branchen
zählten. Sein satzungsmäßiger Zweck war
zunächst die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und
der Wirtschaftskriminalität im Interesse der Allgemeinheit,
der gewerblichen Unternehmen und der freiberuflich Tätigen,
insbesondere der Mitglieder. Die Satzung bestimmte ferner, dass
„die Verbraucherinteressen durch Aufklärung, Beratung
und Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zu wahren“ seien.
Die „Verbindung dieser Aufgaben“ solle „bewirken,
dass das Verständnis der Verbraucher über das
Zusammenwirken von Hersteller, Händler und freiberuflich
Tätigen durch sachliche Information gestärkt
wird“.
In den Jahren 1982 und 1984 entschied der
Bundesgerichtshof (BGH), einem „Mischverband“ - das ist
ein Verband, der sowohl die Förderung gewerblicher Interessen
als auch die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen bezweckt - fehle
in Wettbewerbssachen die Klagebefugnis (BGH-Urteile vom 14.10.1982
I ZR 81/81, NJW 1983, 1061; vom 10.11.1983 I ZR 107/81, NJW 1984,
1687). Daraufhin änderte der Kläger seine Satzung dahin,
dass der Zusatz über die Verbraucherinteressen entfiel. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erkannte
nunmehr erstmals die Gemeinnützigkeit des Klägers nicht
an; er erließ entsprechende Steuerbescheide, die das
Finanzgericht (FG) bestätigte (FG Berlin, Urteil vom 4.10.1993
VIII 553/90).
Im Anschluss daran und an einen weiteren
Rechtsstreit wurde die Satzung des Klägers wiederum wiederholt
geändert. Ihre für die Streitjahre geltende Fassung
benennt als Zweck des Klägers, „unlauteren Wettbewerb
und Wirtschaftskriminalität im Interesse der Allgemeinheit,
der gewerblichen Unternehmen, der freiberuflich Tätigen sowie
der Mitglieder zu bekämpfen“. Diesen Zweck erfüllt
der Kläger nach § 2 Abs. 3 der Satzung insbesondere durch
Abmahnungen und notfalls gerichtliche Verfolgung von
Verstößen gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften, die
Entgegennahme von Unterlassungsverpflichtungen, die Geltendmachung
von Vertragsstrafen, die Einleitung behördlicher und
gerichtlicher Verfahren, die Zusammenarbeit mit staatlichen
Stellen, Informationsarbeit sowie die Beratung von Mitgliedern und
Dritten. Nach der Satzung ist der Kläger nicht gehindert,
gegen seine Mitglieder vorzugehen; er muss sie aber zunächst
abmahnen.
Nachdem der Kläger für das Jahr
2001 keine Steuererklärungen abgegeben hatte, erließ das
FA Steuerbescheide, in denen es von steuerpflichtigen
Einkünften des Klägers ausging und die
Besteuerungsgrundlagen schätzte. Der Kläger focht die
Bescheide mit Einsprüchen an, reichte die Steuerklärungen
nach und beantragte den Erlass eines Freistellungsbescheids. Das FA
wies die Einsprüche zurück. Im Verlauf des daraufhin
eingeleiteten Klageverfahrens hat das FA
Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide
für 2003 bis 2005 sowie einen
Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid für 2006
erlassen. Das FG hat die Klage auf Aufhebung der genannten
Bescheide sowie auf Erlass eines Freistellungsbescheids abgewiesen
(FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9.4.2008 8 K 8327/04 B).
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision
rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Er
beantragt sinngemäß, die angefochtenen Steuerbescheide
aufzuheben sowie das FA zum Erlass eines Freistellungsbescheids
für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer ab 2001
zu verpflichten.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im
Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger weder von der
Körperschaftsteuer noch von der Gewerbesteuer befreit ist.
1. Der Kläger unterliegt als
eingetragener Verein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) der Körperschaftsteuer.
Er ist aber von ihr befreit, wenn er nach seiner Satzung und seiner
tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich
und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i.S. der §§
51 bis 68 der Abgabenordnung (AO) dient (§ 5 Abs. 1 Nr. 9
KStG). Seine Steuerbefreiung hängt hiernach insbesondere davon
ab, dass der Kläger im Interesse der Allgemeinheit
ausschließlich und selbstlos einen der in § 52 Abs. 2 AO
genannten Zwecke verfolgt und dass sich seiner Satzung ein dahin
gehender Zweck eindeutig entnehmen lässt (§ 60 Abs. 1
AO). Dass sich eine Steuerbefreiung des Klägers nicht aus
anderen gesetzlichen Regelungen ergibt, ist zwischen den
Beteiligten nicht im Streit.
2. Ausweislich des angefochtenen Urteils
besteht das in der Satzung verankerte Ziel des Klägers in der
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und der
Wirtschaftskriminalität. Dieses Ziel verfolgt der Kläger,
wie es in der Satzung weiter heißt, „im Interesse
der Allgemeinheit, der gewerblichen Unternehmen, der freiberuflich
Tätigen sowie der Mitglieder“. Das FG hat
angenommen, dass diese Formulierung die notwendige
ausschließliche und selbstlose Förderung
gemeinnütziger Zwecke nicht mit der von § 60 Abs. 1 AO
geforderten Eindeutigkeit zum Ausdruck bringe. Dem ist
beizupflichten.
In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob
die in der Satzung beschriebene Aufgabe des Klägers insgesamt
der „Allgemeinheit“ i.S. des § 52 Abs. 1
Satz 1 AO dient und ob namentlich die - in der Satzung
ausdrücklich erwähnte - Förderung der Interessen der
Mitglieder des Klägers als „Förderung der
Allgemeinheit“ verstanden werden kann. Auf die dazu von
der Revision angestellten Überlegungen muss deshalb nicht
eingegangen werden. Denn jedenfalls gewährleistet die Satzung
des Klägers nicht, dass dieser selbstlos tätig wird.
a) Nach § 55 Abs. 1 AO erfolgt eine
Förderung nur dann selbstlos, wenn dadurch nicht in erster
Linie eigenwirtschaftliche Zwecke - z.B. gewerbliche Zwecke oder
sonstige Erwerbszwecke - verfolgt werden; das gilt auch für
die „Förderung der Allgemeinheit“ i.S. des
§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO. Die dort geforderte Selbstlosigkeit ist
insbesondere dann nicht gegeben, wenn die Körperschaft
eigenwirtschaftliche Zwecke ihrer Mitglieder fördert
(Senatsurteile vom 13.12.1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II
1979, 482 = SIS 79 02 40; vom 26.4.1989 I R 209/85, BFHE 157, 132,
BStBl II 1989, 670 = SIS 89 16 36; Gersch in Klein, Abgabenordnung,
10. Aufl., § 55 Rz 2). In diesem Zusammenhang ist es zwar
nicht stets schädlich, wenn die Tätigkeit der
Körperschaft nicht nur der Allgemeinheit, sondern daneben
zugleich den Mitgliedern zugute kommt (Senatsurteil in BFHE 127,
330, 340, BStBl II 1979, 482, 487 = SIS 79 02 40). Die Wahrung der
Interessen der Mitglieder darf aber nicht „in erster
Linie“ erfolgen, also jedenfalls nicht das vorrangige
Ziel der Körperschaft sein (Gersch in Klein, a.a.O., § 55
Rz 2). Schließt die Satzung eine solche Zielrichtung nicht
aus, so ist der Anforderung des § 60 Abs. 1 AO nicht
genügt und deshalb für eine Steuerbefreiung kein
Raum.
b) Im Streitfall hat das FG ohne Rechtsfehler
angenommen, dass die Satzung des Klägers diesen nicht hindert,
in erster Linie gewerbliche Interessen seiner Mitglieder zu
verfolgen. Die Mitglieder sind zwar dort nur gleichrangig neben der
„Allgemeinheit“, den
„Gewerbetreibenden“ und den
„freiberuflich Tätigen“ als
Begünstigte benannt. Doch macht die Satzung immerhin nicht
deutlich, dass es den Organen des Klägers verwehrt ist,
vorrangig im gewerblichen Interesse der Mitglieder tätig zu
werden. Das schließt unabhängig davon, inwieweit sich
die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers
(§ 63 AO) an jenen Interessen einerseits und an den Interessen
der Allgemeinheit andererseits orientiert, die
Gemeinnützigkeit aus.
c) Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen
des FG die in der Satzung gewählte Formulierung mit der
Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Klagebefugnis in
Wettbewerbssachen zusammenhängt. Danach ist ein Verband nicht
klagebefugt, wenn er gleichrangig sowohl der Förderung
gewerblicher Interessen i.S. des § 13 Abs. 1 des Gesetzes
gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG a.F.) als auch der Wahrnehmung
von Verbraucherinteressen i.S. von § 13 Abs. 1a UWG a.F.
dient. Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass
bei „Mischverbänden“ ein Konflikt zwischen
den Interessen der gewerblichen Mitglieder und den
Verbraucherinteressen auftreten und die Wahrnehmung der Aufgaben
des Verbandes beeinträchtigen kann (BGH-Urteil in NJW 1983,
1061, 1062). Dass im Hinblick darauf die Satzung des Klägers
geändert wurde und dabei der zunächst vorhandene Hinweis
auf die Verbraucherinteressen entfiel, weist darauf hin, dass sich
der Kläger in erster Linie als Vertreter der Interessen seiner
gewerblichen Mitglieder versteht. Das lässt es in besonderem
Maße als zumindest möglich erscheinen, dass die Satzung
dem Kläger die vorrangige Wahrung gewerblicher Interessen der
Mitglieder erlaubt.
3. Aus denselben Gründen ist der
Kläger nicht von der Gewerbesteuer befreit. Er unterliegt
dieser Steuer gemäß § 1 Abs. 3 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG), da er selbständig und
nachhaltig eine zu Einnahmen führende Tätigkeit
ausübt, die über den Rahmen einer
Vermögensverwaltung hinausgeht und deshalb ein
wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist (§ 14 AO).
Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Eine
Befreiung von der Gewerbesteuer könnte sich für den
Kläger nur aus § 3 Nr. 6 GewStG ergeben; die dort
genannten Voraussetzungen sind aber mit denjenigen des § 5
Abs. 1 Nr. 9 KStG identisch und deshalb im Streitfall ebenfalls
nicht erfüllt.
4. Im Ergebnis hat das FA daher zu Recht dem
Kläger die beantragte Freistellungsbescheinigung versagt und
die angefochtenen Steuerbescheide erlassen. Anhaltspunkte
dafür, dass jene Bescheide aus anderen Gründen
rechtsfehlerhaft sein könnten, sind weder den Feststellungen
des FG zu entnehmen noch vom Kläger benannt worden. Damit
erweist sich das Urteil des FG als zutreffend und die dagegen
gerichtete Revision als unbegründet.