Vermehrung körpereigener Knorpelzellen, Ort der Leistung: 1. Ist Art. 28 b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass - a) das einem Menschen entnommene Knorpelmaterial ("Biopsat"), welches einem Unternehmer zum Zwecke der Zellvermehrung und anschließenden Rückgabe als Implantat für den betroffenen Patienten überlassen wird, ein "beweglicher körperlicher Gegenstand" im Sinne dieser Bestimmung ist, - b) das Herauslösen der Gelenkknorpelzellen aus dem Knorpelmaterial und die anschließende Zellvermehrung "Arbeiten" an beweglichen körperlichen Gegenständen im Sinne dieser Bestimmung sind, - c) die Dienstleistung dem Empfänger bereits dann "unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht" worden ist, wenn diese in der Rechnung des Erbringers der Dienstleistung angeführt ist, ohne dass eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung über ihre Verwendung getroffen wurde? - 2. Falls eine der vorstehenden Fragen verneint wird: Ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass das Herauslösen der Gelenkknorpelzellen aus dem einem Menschen entnommenen Knorpelmaterial und die anschließende Zellvermehrung dann eine "Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin" ist, wenn die durch die Zellvermehrung gewonnenen Zellen dem Spender wieder implantiert werden? - Urt.; BFH 1.4.2009, XI R 52/07; SIS 09 15 22
I. Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist ein in der Bundesrepublik Deutschland
ansässiges Biotechnologie-Unternehmen in der Rechtsform einer
AG. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Erforschung, Entwicklung,
Produktion und Vermarktung von Technologien zur Diagnose und
Therapie von Erkrankungen des Knorpels, der Knochen, des
Bindegewebes und der Haut. Die Klägerin ist im Bereich der
Gewebezüchtung („Tissue-Engineering“) tätig.
Streitig sind im Revisionsverfahren nur noch die Umsätze der
Klägerin aus der Vermehrung körpereigener (autologer)
Knorpelzellen (Chondrozyten) in den Fällen, in denen die
Leistungsempfänger (Ärzte oder Kliniken) in anderen
Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ansässig
sind und die Klägerin in ihren Rechnungen deren
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben hat.
Der Klägerin wird von dem behandelnden
Arzt oder der behandelnden Klinik Knorpelmaterial
(„Biopsat“) übersandt, das einem Patienten
entnommen wurde. Das Gewebe wird im Labor der Klägerin so
bearbeitet, dass die Gelenkknorpelzellen (Chondrozyten)
herauslösbar sind. Die Gelenkknorpelzellen werden nach
spezieller Aufbereitung in der Umgebung ihres eigenen Blutserums in
einem Brutschrank - in der Regel innerhalb von drei bis vier Wochen
- durch Züchtung vermehrt. Teilweise werden die
gezüchteten Zellen im Labor in eine Kollagen-Membran
eingebracht, so dass eine Art „Knorpelpflaster“
entsteht. Dieses wird dem behandelnden Arzt oder der Klinik zur
Implantation beim Patienten übersandt(sog.
„Matrix-unterstützte autologe
Knorpelzellen-Implantation“ - MACI - ). Teilweise
beschränkt sich die Klägerin auch darauf, die
Knorpelzellen zu züchten, ohne sie in eine Membran
einzubringen (sog. „Autologe Chondrozytenimplantation“
- ACI - ).
Die Klägerin behandelte ihre
Umsätze aus der Zellvermehrung mit ausländischen
Leistungsempfängern als nicht steuerpflichtig. Der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt) hielt diese Umsätze
für steuerbar und steuerpflichtig und setzte die Umsatzsteuer
für das Streitjahr 2002 mit Bescheid vom 17.12.2003
entsprechend fest.
Die Klägerin hat sowohl im
Einspruchsverfahren als auch im Klageverfahren die Auffassung
vertreten, die Vermehrung der Knorpelzellen sei keine
Heilbehandlung. Vielmehr handele es sich um
„routinemäßige Laborleistungen“, die von
biotechnischen oder medizinisch-technischen Assistenten
ausgeführt würden. Die notwendigen
Qualitätskontrollen würden von einem Pharmazeuten und
einem externen Apotheker vorgenommen.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die
Zellvermehrung sei eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 Satz 1
des Umsatzsteuergesetzes 1999 - UStG - ). Bei dieser bestimme sich
der Ort der Leistung nach § 3a UStG. Die Zellvermehrungen
seien als „Arbeiten an beweglichen körperlichen
Gegenständen“ i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c
Satz 1 UStG zu beurteilen. Auch zur Transplantation entnommene
Organe seien mit der Trennung vom Körper bewegliche Sachen. Ob
der abgetrennte Körperteil später zu einer Eigen- oder
Fremdtransplantation verwendet werde, könne für die
Subsumtion unter den gemeinschaftsrechtlichen Begriff der
„beweglichen körperlichen Gegenstände“ keinen
Unterschied machen. Ausweislich der Ausgangsrechnungen der
Klägerin hätten die in den anderen Mitgliedstaaten
ansässigen Kunden gegenüber der Klägerin die ihnen
erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummern ihres jeweiligen
Mitgliedstaats verwendet. Die Umsätze seien daher in der
Bundesrepublik Deutschland nicht steuerbar. Das Urteil ist in EFG
2007, 959 = SIS 07 11 60 veröffentlicht.
Das Finanzamt macht zur Begründung
seiner Revision geltend, durch die kurzzeitige Trennung vom
Körper würden die Zellen nicht zu beweglichen
Gegenständen. Darüber hinaus handele es sich bei den
Zellvermehrungen auch nicht um „Arbeiten“ i.S. des
§ 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 1 UStG. Es liege auch keine
„Verwendung“ der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 2 UStG vor.
Dafür wäre grundsätzlich eine ausdrückliche
Vereinbarung vor der Ausführung der Leistung zwischen der
Klägerin und den Leistungsempfängern erforderlich gewesen
(vgl. Abschn. 42c Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 und
Abschn. 36 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abschn. 42c Abs. 3 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 2008).
Das Finanzamt beantragt, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Senat setzt das Verfahren aus und legt
dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im
Leitsatz genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
1. Die maßgeblichen Vorschriften und
Bestimmungen
a) Die Vorschriften des deutschen Rechts
aa) Ort der sonstigen Leistung
Zum Ort der sonstigen Leistung bestimmt §
3a Abs. 2 Nr. 3 UStG:
„Die folgenden sonstigen Leistungen
werden dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils
ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig
wird:
...
c)
|
Arbeiten an beweglichen körperlichen
Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände.
Verwendet der Leistungsempfänger gegenüber dem leistenden
Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, gilt die unter dieser Nummer in
Anspruch genommene Leistung als in dem Gebiet des anderen
Mitgliedstaats ausgeführt ...“
|
bb) Steuerbefreiung
Nach § 4 Nr. 14 UStG sind von den unter
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei
„die Umsätze aus der
Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut
(Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen
heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1
des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als
klinischer Chemiker ...“
b) Die Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts
aa) Ort der Dienstleistung
Art. 9 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 77/388/EWG) bestimmt:
„Es gilt jedoch
...
c)
|
als Ort der folgenden Dienstleistungen der
Ort, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich bewirkt
werden:
|
|
...
|
|
- Arbeiten an beweglichen körperlichen
Gegenständen;
|
...“
Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG lautet:
„Bei Begutachtungen von oder Arbeiten
an beweglichen körperlichen Gegenständen, die an
Empfänger erbracht werden, die eine
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in einem anderen Mitgliedstaat
als dem haben, in dem diese Dienstleistungen tatsächlich
erbracht werden, gilt abweichend von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe
c) der Ort der Dienstleistungen als im Gebiet des Mitgliedstaats
gelegen, der dem Empfänger der Dienstleistung die
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, unter der ihm die
Dienstleistung erbracht wurde.“
Die Begründungserwägung 10 der
Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10.4.1995 zur Änderung der
Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung weiterer
Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer
(Richtlinie 95/7/EG; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr. L 102/18) bestimmt:
„Um den innergemeinschaftlichen
Handel im Bereich der Bearbeitung beweglicher körperlicher
Gegenstände zu erleichtern, sind die Einzelheiten der
Besteuerung dieser Umsatzgeschäfte zu ändern, wenn diese
für einen Empfänger erbracht wurden, der eine
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in einem anderen Mitgliedstaat
als dem hat, in dem die Umsatzgeschäfte tatsächlich
erfolgt sind.“
bb) Steuerbefreiung
Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der
Steuer
„c)
|
die Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem
betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und
arztähnlichen Berufe erbracht werden;
|
...“
2. Rechtliche Würdigung
Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem
Finanzgericht und den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der
Übergabe der vermehrten Knorpelzellen an den behandelnden Arzt
oder die Klinik nicht um eine Lieferung handelt (vgl. Art. 5 Abs. 1
der Richtlinie 77/388/EWG), sondern dass die Klägerin mit der
Vermehrung der Zellen eine Dienstleistung erbracht hat (vgl. Art. 6
Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Denn sie kann nicht frei
wie ein Eigentümer über das ihr übersandte
Knorpelmaterial verfügen, sondern ist verpflichtet, die aus
dem Knorpel herausgelösten und vermehrten Zellen
zurückzuschicken.
Die Zellvermehrung ist in der Bundesrepublik
Deutschland nicht steuerbar oder fällt nicht in den
Anwendungsbereich des deutschen UStG, wenn der Ort dieser
Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat liegt. Das ist
gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG und
gemäß Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG nur dann der Fall, wenn die unter Nr. 1 des Leitsatzes
aufgeführten Fragen bejaht werden.
a) Zu den Fragen unter Nr. 1.
aa) Zu Frage 1. Buchst. a
Der Begriff der „beweglichen
körperlichen Gegenstände“ in Art. 9 Abs. 2
Buchst. c 4. Gedankenstrich und Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG sowie in § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c
UStG ist ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff, der autonom und
nicht nach den Grundsätzen des deutschen Zivilrechts
auszulegen ist.
Für die Annahme, dass das entnommene
Knorpelmaterial ein beweglicher körperlicher Gegenstand ist,
spricht, dass der Richtliniengeber nach Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG und der deutsche Gesetzgeber
nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG davon ausgehen, dass
menschliche Organe, menschliches Blut und Frauenmilch Gegenstand
von Lieferungen sein können. Daraus lässt sich ableiten,
dass ein dem menschlichen Körper entnommenes und zur
Transplantation in einen fremden Körper bestimmtes Organ
umsatzsteuerrechtlich als Gegenstand beurteilt wird.
Auch im Arzneimittelrecht steht der
Auffassung, es liege ein Gegenstand, nämlich ein Arzneimittel
vor, nicht entgegen, dass es lebensfähige Zellen oder Gewebe
enthält. Die Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über
Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der
Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (VO Nr.
1394/2007) sieht als „Arzneimittel für neuartige
Therapien“ unter anderem „biotechnologisch
bearbeitete Gewebeprodukte“ an, und zwar auch dann, wenn
sie menschliche Zellen oder Gewebe enthalten (vgl. Kap. 1 Art. 2
Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b VO Nr. 1394/2007). An der
Qualifikation als Arzneimittel ändert sich nichts, wenn es
auch autologe (vom Patienten selbst stammende) Zellen oder Gewebe
enthält (vgl. Kap. 1 Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 1394/2007).
Unabhängig davon, ob es sich im
Streitfall um ein Arzneimittel für eine neuartige Therapie
i.S. der VO Nr. 1394/2007 handelt, zeigen die Regelungen
jedenfalls, dass eine autologe Anwendung der Qualifizierung als
„Gegenstand“ nicht unbedingt entgegensteht.
Der Senat neigt vor diesem Hintergrund dazu,
die Frage, ob das zur Eigenimplantation entnommene Gewebe ein
„beweglicher körperlicher Gegenstand“ im
umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist, zu bejahen.
bb) Zu Frage 1. Buchst. b
Ist das an die Klägerin übersandte
Knorpelmaterial ein beweglicher körperlicher Gegenstand, liegt
es nahe, das Herauslösen des Zellkerns und die Zellvermehrung
als „Arbeiten“ an diesem Gegenstand anzusehen.
Der Begriff „Arbeiten“ schließt nicht von
vornherein aus, dass als Folge und Ziel der
„Arbeiten“ eine Vermehrung des Gegenstands
eintritt.
Auch die VO Nr. 1394/2007 geht ohne weiteres
und ohne Unterscheidung zwischen einer autologen oder allogenen
Anwendung davon aus, dass Gewebeprodukte biotechnologisch
„bearbeitet“ werden können (vgl. Kap. 1
Art. 2 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 1394/2007). Es sind keine
Gründe erkennbar, weshalb dies aus umsatzsteuerrechtlicher
Sicht anders beurteilt werden sollte.
Dieser Auffassung steht das EuGH-Urteil vom
6.3.1997 C-167/95 - Linthorst, Pouwels en Scheren - (Slg. 1997,
I-1195 = SIS 97 10 38) nicht entgegen. Soweit sich der EuGH darin
mit dem Begriff der „Arbeiten an beweglichen
körperlichen Gegenständen“ im Zusammenhang mit
der Dienstleistung von Tierärzten befasst hat, hat er darauf
verwiesen, dass es sich bei diesen „Arbeiten“ um
einen Eingriff handelt, der - anders als die Heilbehandlung von
Tieren - nicht wissenschaftlicher oder intellektueller Natur ist
(Randnr. 16).
Im Streitfall hat die Klägerin selbst
vorgetragen, sie erbringe mit der Zellvermehrung
„routinemäßige Laborleistungen“.
cc) Zu Frage 1. Buchst. c
Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG erfordert, dass der Empfänger der Dienstleistungen
eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in einem anderen
Mitgliedstaat hat und ihm die Dienstleistung unter dieser
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht wurde. Der Wortlaut der
Bestimmung kann ohne weiteres dahin verstanden werden, dass die
Dienstleistung bereits immer dann unter dieser
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht wurde, wenn der
Leistungserbringer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des
Leistungsempfängers in seiner Rechnung angibt. Auch der
Begründungserwägung 10 der Richtlinie 95/7/EG ist nicht
zu entnehmen, dass für die Verlagerung des Orts der
Dienstleistung in den Mitgliedstaat des Leistungsempfängers
außer der Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in
der Rechnung weitere Voraussetzungen erfüllt sein
müssen.
Wollte man bei einer Rechnung über die
Bearbeitung von beweglichen körperlichen Gegenständen
über den Ausweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines
anderen Mitgliedstaats hinaus zusätzliche Vereinbarungen
verlangen, würde dies den Handelsverkehr jedenfalls nicht
erleichtern.
Zwar verlangt § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c
Satz 2 UStG, dass der Leistungsempfänger die
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer „verwendet“.
Dieser Begriff lässt Raum für die Annahme, dass der
Leistungsempfänger hinsichtlich der
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aktiv tätig werden muss und
ihre bloße Angabe im Briefkopf des Leistungsempfängers
bei der Erteilung des Auftrags nicht ausreicht. Es ist jedoch
zweifelhaft, ob der deutsche Gesetzeswortlaut die Vorgabe in Art.
28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zutreffend umsetzt
und der Zweck der Vorschrift eine derartige Auslegung
erfordert.
b) Zu Frage 2.
Für den Fall, dass die Voraussetzungen
des Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG nicht
erfüllt sind, läge ein in der Bundesrepublik Deutschland
steuerbarer, d.h. ein in den Anwendungsbereich des deutschen UStG
fallender Umsatz vor. Dieser könnte nach Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein. Sollte das
Knorpelmaterial nicht als „beweglicher körperlicher
Gegenstand“ qualifiziert werden, sondern wegen der
„funktionalen Einheit“ mit dem Körper eines
Menschen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.11.1993 VI ZR
62/93, BGHZ 124, 52) ebenso zu behandeln sein wie der Mensch
selbst, wäre es denkbar, dass an diesem Material - wie an
einem Menschen selbst - „Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin“ ausgeführt werden können. Es
wäre zu entscheiden, ob das Herauslösen der Zellen und
die Zellvermehrung eine solche Heilbehandlung wäre.
3. Entscheidungserheblichkeit der Fragen
Wenn alle drei Fragen zu Nr. 1 bejaht
würden, hätte das Finanzgericht der Klage zu Recht
stattgegeben und die Revision des Finanzamts wäre als
unbegründet zurückzuweisen.
Wenn nur eine dieser Fragen verneint wird,
läge ein in der Bundesrepublik Deutschland steuerbarer Umsatz
vor. Die Klage wäre abzuweisen, wenn die Voraussetzungen
für eine Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
der Richtlinie 77/388/EWG oder § 4 Nr. 14 UStG nicht
vorlägen. Dies wäre der Fall, wenn es sich bei der
Zellvermehrung nicht um „Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin“ handelt.
Sollte hingegen eine Heilbehandlung angenommen
werden, müsste die Sache an das Finanzgericht
zurückverwiesen und aufgeklärt werden, ob die
Laborleistungen der Klägerin im Rahmen der Ausübung eines
arztähnlichen Berufs erbracht worden sind. Dies erscheint
möglich, da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine
medizinisch-technische Assistentin einen arztähnlichen Beruf
ausübt (Urteil vom 29.1.1998 V R 3/96, BFHE 185, 287, BStBl II
1998, 453 = SIS 98 12 26). Die Klägerin hat vorgetragen, die
routinemäßigen Laborarbeiten würden sowohl von
biotechnischen als auch von medizinisch-technischen Assistenten
ausgeführt.
4. Rechtsgrundlage für die Anrufung des
EuGH ist Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft.