USt-Verrechnung bei Organschaft, Rückforderung: 1. Hat das für die Besteuerung der Organgesellschaft zuständige FA den Umsatzsteuererstattungsbetrag nicht an die Organgesellschaft, sondern an das für die Organträgerin zuständige FA - zugunsten des Steuerkontos der Organträgerin - überwiesen, und ist dieser Betrag dort mit Umsatzsteuerschulden der Organträgerin verrechnet worden, so stellt die Überweisung des Erstattungsbetrags keine Leistung des für die Organgesellschaft zuständigen FA an die Organträgerin dar und löst folglich auch keinen Rückforderungsanspruch dieses FA gegenüber der Organträgerin aus. - 2. Die Überweisung eines Geldbetrags von einem FA an ein anderes FA - zugunsten des Steuerkontos eines dort veranlagten Steuerpflichtigen - kann nicht wie die Zahlung eines Dritten auf eine fremde Schuld behandelt werden, hat also keine unmittelbare Tilgungswirkung. - Urt.; BFH 16.12.2008, VII R 7/08; SIS 09 13 45
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) dem
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) einen Betrag
von rd. 272.000 EUR zurückzahlen muss, weil sie diesen Betrag
ohne Rechtsgrund von dem FA dadurch erhalten hat, dass das für
die umsatzsteuerliche Veranlagung der Klägerin zuständige
Finanzamt (im Folgenden: Veranlagungs-FA) diesen ihm vom FA
überwiesenen Betrag auf Umsatzsteuerschulden der Klägerin
angerechnet hatte.
Im Einzelnen liegt dem Streitverfahren
folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin hat in den Streitjahren
2001 bis 2003 ein Einzelunternehmen betrieben, welches einer bei
dem FA umsatzsteuerlich geführten GmbH, deren Gesellschafterin
die Klägerin ist, sein Warenlager verkauft und sein
Anlagevermögen vermietet hat, damit die GmbH damit einen
Elektrogroßhandel betreiben kann. Die GmbH hat hierüber
seit 2001 Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben und
Umsatzsteuerbeträge in Höhe von insgesamt rd. 272.000 EUR
an das FA abgeführt. Nach dem Ergebnis einer 2003 bei der
Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung besteht
jedoch zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass eine
umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorlag und die Umsätze der
GmbH daher der Klägerin als Organträgerin zuzurechnen
sind. Über das Vermögen der GmbH ist inzwischen das
Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Das FA hat nach Feststellung der
Organschaft den vorgenannten Betrag von rd. 272.000 EUR dem
für die Klägerin zuständigen Veranlagungs-FA
zugunsten des Steuerkontos der Klägerin überwiesen. Dies
hat das Veranlagungs-FA der Klägerin mit Umbuchungsmitteilung
vom 7.1.2004 (unter Aufteilung des vorgenannten Betrags auf die
Umsatzsteuern 2001 bis 2003) mitgeteilt und den dem Steuerkonto der
Klägerin gutgeschriebenen Betrag auch bei der Änderung
der Umsatzsteuerbescheide der Klägerin für die
Streitjahre angerechnet.
Der Insolvenzverwalter hat jedoch der
Umbuchung der von der GmbH geleisteten Zahlungen zugunsten der
Klägerin widersprochen und unter Bezugnahme auf die
Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 23.8.2001 VII R
94/99, BFHE 196, 18, BStBl II 2002, 330 = SIS 02 01 93) einen
Erstattungsanspruch der GmbH geltend gemacht. Das FA hat deshalb im
Mai 2005 dem Insolvenzverwalter den Betrag von rd. 272.000 EUR als
von der GmbH zu Unrecht geleistete Umsatzsteuer erstattet. Im
Zusammenhang damit belastete das Veranlagungs-FA das
Umsatzsteuerkonto der Klägerin erneut mit dem zuvor zu deren
Gunsten verrechneten Betrag von rd. 272.000 EUR, machte dies jedoch
alsbald einschließlich des darüber ergangenen
Abrechnungsbescheids, der aufgehoben wurde, rückgängig
(Bescheid des Veranlagungs-FA vom 17.10.2005). Auch in einem
erneuten Abrechnungsbescheid vom 30.11.2005 hielt das
Veranlagungs-FA an der Verrechnung des vorgenannten Betrags
zugunsten der Klägerin fest.
Das FA hat jedoch mit dem in diesem
Verfahren angefochtenen Bescheid vom 28.9.2005 von der
Klägerin den Betrag von rd. 272.000 EUR für sich
zurückgefordert. Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage, die das Finanzgericht (FG)
abgewiesen hat.
Es urteilte, das FA habe durch
Überweisung auf das beim Veranlagungs-FA geführte
Steuerkonto der Klägerin eine Leistung an die Klägerin
erbracht; die Überweisung habe im Wege der Anrechnung im
Rahmen von Umsatzsteuerbescheiden des Veranlagungs-FA zu einer
Minderung der Steuerschulden der Klägerin geführt. Die
Klägerin sei dadurch in ähnlicher Weise bereichert, als
wenn die Zahlung unmittelbar an sie erfolgt wäre und sie damit
ihre Steuerschulden bei dem Veranlagungs-FA getilgt
hätte.
Die im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzungen
für die Klägerin von dem Veranlagungs-FA erlassenen
Anrechnungsverfügungen hätten der Klägerin
allerdings eine Rechtsposition eingeräumt, die ihr nach §
130 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) nicht mehr genommen werden
könne. Die Anrechnung von Umsatzsteuer, die die Klägerin
nie geleistet habe und die sie durch die fehlerhafte
Überweisung auf das Steuerkonto beim Veranlagungs-FA auf
Kosten des FA erlangt habe, sei jedoch ohne Rechtsgrund erfolgt.
Denn die von der Organgesellschaft, der GmbH, geleisteten Zahlungen
hätten dieser zugestanden. Deren Abtretung des
diesbezüglichen Erstattungsanspruchs an die Klägerin sei
aus mehreren Gründen unwirksam, insbesondere deshalb, weil ihr
der Insolvenzverwalter widersprochen habe.
Mit dem Rückforderungsbescheid werde
in die Bestandskraft der zu Unrecht erfolgten
Anrechnungsverfügungen des Veranlagungs-FA nicht eingegriffen,
sondern vielmehr der materielle Rückgewährsanspruch des
FA mit einem - neuen - Verwaltungsakt durchgesetzt. § 814 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) stehe der Rückforderung
nicht entgegen; denn diese Vorschrift schließe einen
Bereicherungsanspruch nur bei positiver Kenntnis von der fehlenden
Zahlungsverpflichtung aus.
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision der Klägerin, die im Wesentlichen wie folgt
begründet wird:
Bei der Abrechnung von Umsatzsteuer handele
es sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht um
schlichte Kassenmitteilungen, sondern um Verwaltungsakte, die nur
unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO berichtigt
werden könnten. Die Rechtsprechung des BFH zur Bindungswirkung
der Anrechnungsverfügung wäre obsolet, wenn, wie das FG
meine, Umbuchungen als Zahlungen anzusehen seien und über
§ 37 Abs. 2 AO kondiziert werden könnten. Es entbehre
überdies jeglicher Logik, wenn das FG einerseits eine
Änderung der erlassenen Anrechnungsverfügungen
gemäß § 130 Abs. 2 AO für ausgeschlossen
halte, andererseits aber einen Rückforderungsanspruch des FA
bejahe. Denn Anrechnungsverfügungen des für die
Klägerin zuständigen Veranlagungs-FA, die regelten, dass
die festgesetzte Steuerschuld der Klägerin durch Zahlung
erloschen ist, könnten keinen Erstattungsanspruch bei anderen
Finanzbehörden auslösen, auf deren Kosten die Anrechnung
zu erfolgen hatte.
Ferner fehle es jedenfalls an einer Zahlung
des FA an die Klägerin. Diese liege zwar in der erstmaligen
Anrechnung der Steuerzahlungen der GmbH durch Umbuchung im Januar
2004. Infolge der Rückbuchung im März 2005 habe das FA
diese Beträge jedoch zurückerhalten. Wenn man in der
erneuten Überweisung des FA auf das Steuerkonto der
Klägerin bei deren Veranlagungs-FA im Juli 2005 eine erneute
Leistung sehe, stehe deren Kondizierung jedenfalls § 814 BGB
entgegen.
Das FA trägt vor, ihm stehe ein
Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin zu, weil aus
seinen Mitteln rechtsgrundlos an die Klägerin von der
Organgesellschaft gezahlte Umsatzsteuer erstattet worden sei. Das
FA greife damit nicht in die Bestandskraft des Abrechnungsbescheids
über die Umsatzsteuer 2001 bis 2003 ein.
II. Die zulässige Revision ist
begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils, des Rückforderungsbescheids und der
Einspruchsentscheidung des FA (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das angefochtene Urteil verletzt
Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
Als Rechtsgrundlage für den angefochtenen
Bescheid kommt nur § 37 Abs. 2 Satz 1 AO in Betracht. Nach
dieser Vorschrift hat derjenige, auf dessen Rechnung eine
Steuerrückzahlung bewirkt worden ist, gegenüber dem
Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des
zurückgezahlten Betrags, wenn ohne rechtlichen Grund
zurückgezahlt worden ist. Der Anspruch ist die Umkehrung des
ohne rechtlichen Grund erfüllten
Steuerrückzahlungsanspruchs. Er steht nach ständiger
Rechtsprechung nicht demjenigen zu, von dem oder auf dessen Kosten
die Zahlung erfolgt ist, sondern demjenigen, auf dessen Rechnung
dies geschehen ist. Das ist grundsätzlich derjenige, gegen den
sich der vermeintliche Zahlungsanspruch richtete, der also
materiell-rechtlich zur Rückzahlung verpflichtet war,
ungeachtet dessen, durch welche Zahlstelle er dieser vermeintlichen
Verpflichtung nachgekommen ist.
Dementsprechend fehlt es im Streitfall an
einer Zahlung des beklagten FA an die Klägerin nicht nur
deshalb, weil ein tatsächlicher
„Zahlungs“-Vorgang insofern nicht feststellbar
ist, wie das FG mit Recht bemerkt hat, welches Hindernis allerdings
unter Umständen nach den Grundsätzen der sog.
Durchgriffskondiktion überwunden werden könnte, sondern
vor allem deshalb, weil der vermeintliche Steuererstattungsanspruch
der Klägerin sich nicht gegen das beklagte FA, sondern gegen
das Land Berlin bzw. die Bundesrepublik Deutschland richtete. Das
FA ist als Behörde lediglich ein Organ des Landes, welches die
Umsatzsteuer verwaltet und nach näherer Maßgabe des Art.
106 Abs. 3 des Grundgesetzes und des dazu ergangenen
Ausführungsgesetzes Schuldner des dem Land zustehenden Teils
einer etwaigen, von der Klägerin zurückzufordernden
Umsatzsteuererstattungszahlung ist. Das zeigt z.B. § 226 Abs.
4 AO, der nicht etwa einzelne Behörden, sondern
Körperschaften als Gläubiger und Schuldner steuerlicher
Ansprüche anspricht. Deshalb kann die
„Überweisung“ eines FA an ein anderes FA
derselben Körperschaft nicht als eine Zahlung zu Gunsten eines
- wie auch immer infolge derselben wirtschaftlich begünstigten
- Steuerpflichtigen oder als eine kondizierbare
„Leistung“ diesem gegenüber angesehen
werden. Sie stellt vielmehr eine verwaltungsinterne Maßnahme
dar, die gegenüber dem Steuerpflichtigen in dem zu diesem
bestehenden Steuerrechtsverhältnis keine Rechtswirkung
zeitigt, genauso wenig wie es z.B. bei einer Umbuchung zwischen
zwei von demselben Finanzamt geführten Steuerkonten der Fall
wäre.
Die nach den Feststellungen des FG vom FA
gegenüber dem Veranlagungs-FA vorgenommene
„Überweisung“ des Steuerbetrags, welcher
der Klägerin erstattet werden sollte, ist also nicht wie die
Zahlung eines Dritten auf eine fremde Schuld zu behandeln, welche
infolge jener Tilgungsbestimmung die Schuld (hier: die vom
Veranlagungs-FA verwaltete Steuerschuld der Klägerin) zum
Erlöschen brächte und unter Umständen einen
Bereicherungsanspruch gegenüber demjenigen zur Folge haben
könnte, dessen Schuld die Zahlung des Dritten tilgen sollte.
Klägerin, FA und Veranlagungs-FA formen, soweit es den
Streitfall angeht, kein Dreieck selbständiger Rechtssubjekte
mit je eigenständigen Rechtsbeziehungen untereinander, sondern
der Umsatzsteuererstattungsanspruch ist der Klägerin
(vermeintlich) im Rahmen des zu ihr bestehenden
Umsatzsteuerschuldverhältnisses aufgrund des
Organschaftsverhältnisses zu der GmbH (Organgesellschaft)
erwachsen. Dementsprechend ist dieser Anspruch vom FA auch nicht
etwa durch eine Erstattungszahlung befriedigt worden, sondern das
FA hat die Befriedigung dem für das
Umsatzsteuerrechtsverhältnis der Klägerin
zuständigen Veranlagungs-FA überlassen, welches dann die
erforderlichen Entscheidungen und sonstigen Rechtsakte (wie etwa
eine Aufrechnungserklärung) erlassen hat. Auch das
Veranlagungs-FA hat offenbar der
„Überweisung“ des FA keine solche,
unmittelbar aufgrund einer Tilgungsbestimmung des FA eintretende
Tilgungswirkung beigemessen, sondern eine
„Umbuchungsmitteilung“ für erforderlich
gehalten, also durch einen von ihm als dem für Regelungen im
Umsatzsteuerschuldverhältnis zu der Klägerin
zuständigen FA vorgenommenen Rechtsakt die dem
(vermeintlichen) Erstattungsanspruch der Klägerin
entsprechende Steuerschuld zum Erlöschen bringen wollen.
Erst der Erklärung, die fragliche
Umsatzsteuerrückzahlung werde mit den Umsatzsteuerschulden der
Klägerin verrechnet, wohnt also eine Rechtswirkung in dem zu
der Klägerin bestehenden Steuerschuldverhältnis inne.
Diese Erklärung, die als wirksame Aufrechnungserklärung
zu verstehen ist, welche wirksam abzugeben das Veranlagungs-FA, was
die Gegenforderung angeht, gemäß § 226 Abs. 4 AO in
der Lage war - und zwar ungeachtet der erwähnten vorherigen
„Überweisung“ des FA -, sowie die darauf
fußenden, gegenüber der Klägerin erlassenen
Anrechnungsverfügungen und Abrechnungsbescheide sind indes
keine Rechtsakte des beklagten FA und folglich nicht Gegenstand
dieses Verfahrens und der von dem erkennenden Senat zu treffenden
Entscheidung. Diese muss deshalb darauf beschränkt sein, den
angefochtenen Rückforderungsbescheid aufzuheben, weil dieser
rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt
(§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Ob das Veranlagungs-FA das dem materiellen
Recht widersprechende steuerliche Ergebnis, dass der strittige, von
der Organgesellschaft (nach Aufhebung der entsprechenden
Voranmeldungen rechtsgrundlos) gezahlte Betrag von rd. 272.000 EUR
sowohl der Organgesellschaft (nämlich an die Insolvenzmasse)
erstattet als auch zu einer Minderung der Steuerschuld der
Klägerin (Organträgerin) verwandt worden ist, korrigieren
kann, oder ob dem unbeschadet der mangels Bestehens der
Hauptforderung unwirksamen Aufrechnungserklärung des
Veranlagungs-FA die Bestandskraft der von ihm erlassenen
Anrechnungsverfügungen und Abrechnungsbescheide oder unter
Umständen § 228 AO entgegensteht, ist daher nicht zu
entscheiden (zur begrenzten Bestandskraftwirkung von
Anrechnungsverfügungen vgl. Beschluss des Senats vom 13.1.2005
VII B 147/04, BFHE 208, 404, BStBl II 2005, 457 = SIS 05 17 29).