Krankengeld, Progressionsvorbehalt: Die Einbeziehung des Krankengeldes, das ein freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherter Steuerpflichtiger erhält, in den Progressionsvorbehalt gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist verfassungsgemäß. - Urt.; BFH 26.11.2008, X R 53/06; SIS 09 06 79
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr 2002 mit
ihrem am 7.12.2002 verstorbenen Ehemann (E) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin war als
selbständiger Schornsteinfeger tätig. Als
Selbständiger hatte er sich bei der Innungskrankenkasse (IKK)
freiwillig krankenversichert. Anspruch auf Krankengeld bestand bei
ihm ab Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit.
Hierfür entrichtete er einen Beitragssatz von 15,8 % aufgrund
von § 22 Abs. 4 i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 4 der IKK-Satzung;
sein Beitrag überstieg damit den allgemeinen Beitragssatz um
einen Prozentpunkt.
In der Zeit vom 6.3.2002 bis zum 7.12.2002
bezog E Krankengeldleistungen von der IKK in Höhe von 24.570
EUR. Nach Mitteilung der IKK vom 20.7.2006 beruhten diese
Leistungen auf § 47 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
(SGB V, im Folgenden jeweils in der im Streitjahr geltenden
Fasssung). Die Höhe belief sich, da E kein Arbeitnehmer war,
auf 70 % des sog. Regelentgeltes, das begrenzt durch die
Beitragsbemessungsgrenze 78,75 EUR je Krankheitstag betrug.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) unterwarf die Krankengeldleistungen nach Abzug
des Werbungskosten-Pauschbetrages gemäß § 32b Abs.
1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im
Streitjahr gültigen Fassung dem Progressionsvorbehalt. Die
Einkommensteuer für 2002 wurde auf 9.455 EUR
festgesetzt.
Den hiergegen eingelegten Einspruch
begründete die Klägerin damit, dass nur die
gegenüber einem Arbeitnehmer, nicht jedoch die gegenüber
einem Selbständigen erbrachten Leistungen dem
Progressionsvorbehalt unterlägen. Das ihrem verstorbenen
Ehemann gezahlte Krankengeld stelle keine Sozialleistung im Sinne
der Reichsversicherungsordnung dar. Der Anspruch bestehe vielmehr
aufgrund eigener Beiträge. Die IKK sei in diesem Fall eine
Privatkasse unter dem Dach der gesetzlichen
Sozialversicherung.
Das FA wies den Einspruch als
unbegründet zurück und verwies darauf, dass § 32b
EStG den Progressionsvorbehalt nicht nur auf Pflichtversicherte
erstrecke, sondern auf alle Steuerpflichtigen, die Krankengeld auf
der Grundlage des SGB V bezogen hätten. Damit sei auch das an
freiwillig gesetzlich Versicherte gezahlte Krankengeld in den
Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Aufgrund der Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9.9.1996 VI B 86/95 (BFH/NV 1997,
22) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3.5.1995 1 BvR
1176/88 (BStBl II 1995, 758 = SIS 95 12 49) sei geklärt, dass
die Anwendung des Progressionsvorbehaltes auf Krankengeldleistungen
an freiwillig versicherte Selbständige verfassungsrechtlich
unbedenklich sei.
Die dagegen gerichtete Klage wies das
Finanzgericht (FG) mit dem in EFG 2007, 418 = SIS 07 22 33
veröffentlichten Urteil ab.
Zur Begründung der Revision trägt
die Klägerin vor, entscheidend sei, dass der
Krankengeldanspruch ihres Ehemannes durch eigene Leistung aufgrund
einer zusätzlichen freiwilligen Versicherungsvereinbarung
entstanden sei. Es sei die persönliche freiwillige
Entscheidung ihres Ehemannes gewesen, sich zu versichern, ebenso
wie er als selbständig Gewerbetreibender die Wahl gehabt habe,
einer privaten Versicherung beizutreten. Diese Wahlmöglichkeit
sei auch der entscheidende Unterschied zwischen einem Arbeitnehmer,
zu dessen Schutz Vorschriften im Sozialgesetzbuch (SGB) normiert
seien, und einem Gewerbetreibenden, für den die Vorschriften
des SGB keine Gültigkeit hätten.
Die Versicherungsbeiträge seien nicht
dadurch umzuqualifzieren, dass der gezahlte Betrag, insbesondere
der erhöhte Betrag zur Erlangung des Versicherungsschutzes ab
der 3. Woche, nicht von der Krankenkasse getrennt verwaltet und
ohne Rücksicht auf Alter und Gesundheit kalkuliert werde sowie
dem Risikostrukturausgleich unterliege.
Die von dem Ehemann erbrachten
Beitragsleistungen stünden in keinem Zusammenhang mit seinen
Einkünften aus Gewerbebetrieb als Schornsteinfeger oder
anderen Einkünften i.S. des § 2 EStG. Dies zeige auch das
Urteil des BFH vom 26.5.1998 VI R 9/96 (BFHE 186, 247, BStBl II
1998, 581 = SIS 98 17 33), in dessen Entscheidungsgründen
ausgeführt werde, dass „soweit Leistungen aus einem
Versicherungsverhältnis auf eigene - nicht lediglich dem
Arbeitgeber zustehende - Ansprüche des Arbeitnehmers erbracht
werden, ... regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn
vor(liegt), wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem
Arbeitsverhältnis gewährt wird“. Dieses Urteil sei
auf den vorliegenden Fall zu übertragen.
Die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1
i.V.m. § 47 SGB V sei in ihrem Fall zweifelhaft. Dies ergebe
sich aus der entsprechenden Gestaltung der Satzung der
Krankenkasse. Danach sei hier eine zusätzliche
Versicherungsmöglichkeit durch die gesetzliche Krankenkasse
für die freiwillig Versicherten künstlich geschaffen
worden, die grundsätzlich nicht Adressaten des Schutzzwecks
des SGB seien. Die gesetzliche Krankenkasse habe nur für den
Bereich der Arbeitnehmer die Schutzvorschriften des SGB zu
beachten. Daher sei für Leistungen, die nicht durch das SGB
geschützt seien, keine andere rechtliche Bewertung
möglich als für Leistungen aus Versicherungen, die bei
einer anderen privaten Versicherungsgesellschaft abgeschlossen
worden seien.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG
Düsseldorf vom 9.10.2006 den Bescheid für 2002 über
Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 20.10.2003 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2.8.2004 dahingehend zu
ändern, dass bei der Steuerfestsetzung die im Jahr 2002 dem
verstorbenen Ehemann zugeflossenen Krankengeldzahlungen nicht in
die Berechnung des Steuersatzes gemäß § 32b EStG
einbezogen werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es ist der Ansicht, die Einbeziehung der an
sich steuerfreien Sozialleistungen in den Progressionsvorbehalt
begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. § 32b Abs. 1
Nr. 1 Buchst. b EStG unterscheide bei dem in den
Progressionsvorbehalt einzubeziehenden Krankengeld nicht danach, ob
es sich um einen Anspruch aufgrund einer freiwilligen Versicherung
handele oder ob der Bezieher pflichtversichert sei. Es sei auch
unmaßgeblich, dass der Anspruch auf Krankengeld ohne, nur
teilweise oder gänzlich aufgrund eigener Beitragsleistung
erworben worden sei. Gesetzliche Voraussetzung sei lediglich, dass
der Leistungsbezug auf der Grundlage des Fünften, Sechsten
oder Siebten Buches Sozialgesetzbuch erfolge. Dies sei hier der
Fall, da die IKK als gesetzliche Krankenkasse in ihrer Satzung
ausdrücklich an die Regelungen des SGB V anknüpfe und
sich explizit darauf berufe. Soweit die Klägerin auf die um
einen Prozentpunkt erhöhten Beitragsleistungen hinweise, sei
zu berücksichtigen, dass diese nur erhoben würden, damit
das freiwillig versicherte Mitglied nicht erst ab Beginn der 7.
Woche, dem Ende der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung, sondern
bereits ab dem Beginn der 3. Woche Anspruch auf den entsprechenden
Leistungsbezug habe. Auch die Erweiterung des Leistungsbezuges
beruhe - worauf das FG zu Recht hingewiesen habe - auf § 242
SGB V und sei unter § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG zu
subsumieren. Zudem könnten die erhöhten Zahlungen - wenn
überhaupt - die Annahme eines „privaten“
Versicherungsverhältnisses nur in Bezug auf die
Krankengeldzahlungen für die 3. bis 6. Woche der
Arbeitsunfähigkeit begründen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der angefochtene
Einkommensteuerbescheid 2002 ist rechtmäßig. Das FG hat
zu Recht entschieden, dass das vom Ehemann der Klägerin im
Streitjahr 2002 gemäß § 44 Abs. 1 SGB V bezogene
Krankengeld in Höhe von 24.570 EUR gemäß § 32b
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG dem Progressionsvorbehalt unterliegt
(unten 1.). Die Einbeziehung des Krankengeldes der gesetzlichen
Rentenversicherung in die Berechnung des besonderen Steuersatzes
nach § 32b EStG verletzt die Klägerin nicht in dem
Grundrecht aus Art. 3 des Grundgesetzes - GG - (unten 2.).
1. Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger
in dem Veranlagungszeitraum Krankengeld, Mutterschaftsgeld,
Verletztengeld, Übergangsgeld oder vergleichbare
Lohnersatzleistungen nach dem Fünften, Sechsten oder Siebten
Buch Sozialgesetzbuch, dem Gesetz über die Krankenversicherung
der Landwirte oder dem Zweiten Gesetz über die
Krankenversicherung der Landwirte erhalten, sind diese Bezüge
dem Progressionsvorbehalt unterworfen (§ 32b Abs. 1 Nr. 1
Buchst. b EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung). Diese
Voraussetzungen treffen auf den Leistungsbezug des verstorbenen
Ehemannes der Klägerin zu, mit dem sie im Streitjahr zusammen
veranlagt wurde und der als freiwillig Versicherter Krankengeld
gemäß § 44 Abs. 1 i.V.m. § 47 SGB V erhalten
hatte.
a) Die von der Klägerin vertretene
Auffassung, § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG erfasse nicht
das Krankengeld, das auf einem freiwillig abgeschlossen
Krankenversicherungsvertrag beruhe, findet keine Stütze im
Gesetz. Der Wortlaut dieser Vorschrift enthält keine
grammatikalische Einschränkung des nach dem SGB V
gewährten Krankengeldes dahingehend, dass der
Krankengeldberechtigte pflichtversichert sein muss. Eine
entsprechende Einschränkung ergibt sich auch nicht aus den in
der weiteren Aufzählung der Ersatzleistungen genannten
„vergleichbaren Lohnersatzleistungen nach dem
Fünften, Sechsten oder Siebten Buch
Sozialgesetzbuch“.
Für eine den Wortlaut einschränkende
Auslegung des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG lediglich auf
das Krankengeld, das von einem Pflichtversicherten bezogen wird,
besteht keine Notwendigkeit. Dies wird durch die
Gesetzesbegründung der Vorschrift im Rahmen des
Steuerreformgesetzes 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988, 1093)
bestätigt. In der Gesetzesbegründung wird
ausdrücklich ausgeführt, durch die Anwendung des
Progressionsvorbehalts auf „Lohn- und
Einkommensersatzleistungen“ solle erreicht werden, dass
die progressive Besteuerung nach dem Jahresprinzip nicht
unangemessen ermäßigt werde, wenn der Steuerpflichtige
anstelle von der Besteuerung unterliegenden Einnahmen steuerfreie
Ersatzleistungen erhalte. Während zunächst die Anwendung
des Progressionsvorbehalts auf bestimmte Lohnersatzleistungen nach
dem Arbeitsförderungsgesetz und dem Soldatenversorgungsgesetz
beschränkt gewesen sei, sollten nunmehr aus Gründen der
Gleichbehandlung die zusätzlich und abschließend
genannten Leistungen ebenfalls in den Progressionsvorbehalt
einbezogen werden. Der Gleichmäßigkeit der Besteuerung
werde insoweit Vorrang vor der damit verbundenen
Verwaltungserschwernis eingeräumt (BTDrucks 11/2157, 149).
Damit werden nicht nur Lohnersatzleistungen in
den Progressionsvorbehalt einbezogen, sondern auch sonstige
enumerativ aufgezählten
„Einkommensersatzleistungen“, zu denen auch das
von dem Ehemann der Klägerin bezogene Krankengeld zählt
(so auch BFH-Urteil vom 30.8.1995 I R 113/94, BFHE 178, 369, BStBl
II 1996, 96 = SIS 95 23 05; Probst in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR
-, § 32b EStG Rz 8; Frotscher, EStG, 6. Aufl., § 32b Rz
14).
b) Die Zahlungen des Krankengeldes an den
verstorbenen Ehemann der Klägerin beruhen auf den Vorschriften
des SGB V, obwohl er als selbständiger Schornsteinfeger bei
der IKK nicht pflichtversichert sondern freiwillig versichert war
und erhöhte Beiträge für eine
Krankengeldgewährung bereits ab Beginn der 3. Woche der
Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage der Satzung der IKK
entrichtet hatte. Für die Annahme einer privaten
Krankenversicherung „unter dem Dach der
Sozialversicherung“ fehlen gesetzliche Anhaltspunkte.
Das SGB V hat sowohl die Voraussetzungen
für eine freiwillige Mitgliedschaft als auch deren
Rechtsfolgen, nämlich den Leistungsbezug auf der einen und die
Beitragspflicht auf der anderen Seite umfassend geregelt.
aa) Mit dem freiwilligen Beitritt zur IKK hat
der Ehemann der Klägerin die Möglichkeit wahrgenommen,
gemäß § 9 SGB V Mitglied einer gesetzlichen
Krankenversicherung zu werden. Das SGB V hat in § 188 den
Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft normiert, genauso wie durch
§ 191 die Regelungen für das Ende der freiwilligen
Mitgliedschaft geschaffen wurden.
bb) In Bezug auf das den Versicherten zur
Verfügung gestellte Leistungsspektrum (§ 2 in Verbindung
mit den Vorschriften des Dritten Kapitels - §§ 11 ff. -
SGB V) differenziert das SGB V nicht zwischen den verschiedenen
Arten von Versicherten. Der medizinische Standard gilt für
Freiwillig- und Pflichtversicherte gleichermaßen (siehe
Plagemann, in: Schlegel/Voelzke, SGB V, § 2 Rz 24).
cc) Die Beitragsbemessung für freiwillige
Mitglieder richtet sich nach § 240 SGB V, dessen Abs. 1 darauf
verweist, dass sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die
gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen
Mitglieds berücksichtigt. Für Mitglieder, die bei
Arbeitsunfähigkeit nicht für mindestens 6 Wochen Anspruch
auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgeltes haben, ist nach § 242
SGB V der allgemeine Beitragssatz entsprechend zu erhöhen,
während aufgrund von § 243 Abs. 1 SGB V dann, wenn kein
Anspruch auf Krankengeld besteht oder aufgrund von Vorschriften des
SGB V der Umfang der Leistungen für bestimmte
Mitgliedergruppen beschränkt wird, der Beitragssatz
entsprechend zu ermäßigen ist. Der Anspruch auf
Krankengeld entsteht zwar gemäß § 46 SGB V am Tag
der Krankenhausbehandlung bzw. am Tag nach der ärztlichen
Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Dieser Anspruch kann aber
für freiwillig Versicherte nach § 44 Abs. 2 SGB V
ausgeschlossen werden oder später entstehen, wenn die Satzung
der gesetzlichen Krankenkasse entsprechende Regelungen
enthält.
Solche Regelungen hat die IKK in ihrer Satzung
erlassen. Nach § 22 Abs. 2 der IKK-Satzung werden die
Leistungen durch den Wegfall des Krankengeldes beschränkt,
während dessen Abs. 4 freiwilligen Mitgliedern, die
selbständig tätig sind, die Möglichkeit
einräumt, entweder vom Beginn der 3. Woche oder vom Beginn der
7. Woche der Arbeitsunfähigkeit an mit Anspruch auf
Krankengeld versichert zu werden. Die Höhe der Beiträge
variiert dementsprechend zwischen 12,9 % der beitragspflichtigen
Einnahmen für eine Krankenversicherung ohne
Krankengeldanspruch, 14,8 % für einen Krankengeldanspruch ab
Beginn der 7. Woche bzw. 15,8 %, wenn - wie im vorliegenden Fall -
ein Anspruch auf Krankengeld bereits ab Beginn der 3. Woche
besteht. Wenn die konkrete Regelung für den Krankengeldbezug
auch in der Satzung der IKK zu finden ist, so beruht die Zahlung
dennoch - im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - auf den
oben genannten gesetzlichen Vorschriften des SGB V, da die IKK als
öffentlich-rechtliche Körperschaft im Rahmen ihrer
Satzungsautonomie gemäß § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB V
den verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt zu beachten hat, was
bedeutet, dass die Selbstverwaltung nur aufgrund und im Rahmen
gesetzlicher Ermächtigung tätig werden darf (vgl.
Schneider-Danwitz, in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 194 Rz 46).
Diese gesetzliche Ermächtigung findet sich in § 44 Abs. 2
SGB V mit den weiteren Vorgaben für die Bestimmung der
Beitragshöhe in den §§ 240, 242 und 243 SGB V. dd)
Die gerade aufgeführten Vorschriften des SGB V zeigen auch,
dass entgegen der Annahme der Klägerin kein Raum für die
Annahme eines separaten (privaten) Versicherungsverhältnisses
außerhalb des SGB V gegeben ist, da eine solche
Möglichkeit ansonsten in diesem Gesetz geregelt worden
wäre. Dies ist aber nicht geschehen; das SGB V sieht lediglich
in § 194 Abs. 1a eine Ermächtigung vor, in die Satzung
eine Bestimmung aufzunehmen, nach der die gesetzliche Krankenkasse
den Abschluss privater Zusatzversicherungsverträge zwischen
ihren Versicherten und privaten Versicherungsunternehmen vermitteln
kann.
c) Das Argument der Klägerin, die
Schutzvorschriften des SGB seien auf ihren selbständig
tätigen Ehemann nicht anwendbar, so dass auch der
Krankengeldanspruch nicht dem SGB unterfalle, geht ebenfalls fehl.
Die gesetzliche Krankenversicherung ist zwar auch heute noch vor
allem eine Pflichtversicherung der abhängig
Beschäftigten, die grundsätzlich als schutzbedürftig
angesehen werden. Das SGB V eröffnet dementsprechend nur noch
wenigen, in § 9 SGB V aufgeführten anderen
Personengruppen, bei denen der Gesetzgeber ein (begrenztes)
Schutzbedürfnis vermutet, (Wille, in: Schlegel/Voelzke,
a.a.O., § 9 Rz 16), die Möglichkeit, Mitglied einer
gesetzlichen Krankenkasse zu werden und sich damit dem besonderen
Schutz der gesetzlichen Krankenkasse zu unterwerfen. Dafür hat
sich der Ehemann der Klägerin entschieden. Darauf, dass er
ggf. aufgrund seiner gewerblichen Tätigkeit als
Schornsteinfeger weniger schutzbedürftig war, kommt es dann
nicht mehr an.
d) Der Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 186,
247, BStBl II 1998, 581 = SIS 98 17 33 kann nicht
weiterführen, da dort nicht die Frage des Einbezugs von
Krankengeld in den Progressionsvorbehalt der Streitgegenstand war,
sondern vielmehr die vorgelagerte Frage zu entscheiden war, ob es
sich bei den Zahlungen um steuerfreie Leistungen aus einer
Krankenversicherung gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG
oder um steuerpflichtigen Arbeitslohn handelte.
2. § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG
verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3
GG.
a) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben
sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen
unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom
bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Genauere
Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen
Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot
verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den
Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein,
sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen
Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Im Bereich des Steuerrechts,
insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die
Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vor allem durch zwei eng
miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der
Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch
das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.4.2008
2 BvL 4/05, BFH/NV 2008, Beilage 4, 295 = SIS 08 32 52, mit
weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG).
Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener
steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden,
Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich
hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während
(in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im
Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen
ausgestaltet werden muss (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 4.12.2002
2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27 = SIS 03 19 40; vom
16.3.2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 = SIS 05 30 25; vom
21.6.2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 = SIS 06 33 60, und in
BFH/NV 2008, Beilage 4, 295 = SIS 08 32 52, jeweils mit weiteren
Nachweisen).
Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des
Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen
weitreichenden Entscheidungsspielraum. Er muss aber unter dem Gebot
möglichst gleichmäßiger Belastung aller
Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerlichen
Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung
folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umsetzen
(BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 107, 27 = SIS 03 19 40, und in
BFH/NV 2008, Beilage 4, 295 = SIS 08 32 52, jeweils mit weiteren
Nachweisen).
Diese Grundsätze zugrunde gelegt
verstößt die Einbeziehung des Krankengeldes lediglich
gesetzlicher Krankenkassen und nicht privater Krankenkassen in den
Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1
Buchst. b EStG nicht gegen Art. 3 GG (so auch BFH-Beschluss in
BFH/NV 1997, 22; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde
wurde nicht zur Entscheidung angenommen, siehe Kammerbeschluss vom
21.12.1996 2 BvR 2111/96, StE 1997, 170; Naujok in Lademann, EStG,
§ 32b EStG Rz 32c; Blümich/Wagner, § 32b EStG Rz 19;
siehe auch HHR/Probst, § 32b EStG Rz 7 f.; Frenz, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32b Rz A 168; Handzik
in Littman/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §
32b Rz 54 f.).
Dies gilt sowohl für die Einbeziehung des
von einem freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse
versicherten, selbständig Erwerbstätigen bezogenen
Krankengeldes in § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG (unten b)
als auch für die gleichzeitige Nichteinbeziehung des
Krankengeldes aus einer privaten Krankenversicherung in den
Progressionsvorbehalt (unten c).
b) Die Einbeziehung des aufgrund des SGB V
gezahlten Krankengeldes in den Progressionsvorbehalt wird mit der
Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerechtfertigt (siehe
oben unter II.1.a), während das arbeitsmarktpolitische
Argument, den Versicherten zu einer schnelleren Arbeitsaufnahme zu
motivieren, Grund für die vorherige Einbeziehung des
Arbeitslosengeldes und anderer Lohnersatzleistungen in den
Progressionsvorbehalt durch das Zweite Haushaltsstrukturgesetz vom
22.12.1981 (BGBl I 1981, 1523) war; diese Regelung wurde vom BVerfG
im Kammerbeschluss in BStBl II 1995, 758 = SIS 95 12 49 als
verfassungsgemäß bestätigt.
Es ist nicht zu beanstanden und entspricht der
folgerichtigen Weiterentwicklung einer getroffenen
Belastungsentscheidung, die verhindern soll, „dass die
progressive Besteuerung nach dem Jahresprinzip nicht unangemessen
ermäßigt wird“ (BTDrucks 11/2157, 149), wenn
auch weitere Leistungen, die steuerpflichtige Einkünfte
ersetzen und die vom Gesetzgeber zunächst als steuerfrei
behandelt werden, ebenso wie das Arbeitslosengeld in den
Progressionsvorbehalt einbezogen werden.
c) § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG
verstößt auch nicht deswegen gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz, weil er nur das Krankengeld einer
gesetzlichen Krankenversicherung und nicht auch das einer privaten
Versicherung in den Progressionsvorbehalt einbezieht. Der
Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes bzw. bei der
Auswahl der Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen
sollen, den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum
verfassungskonform ausgefüllt.
Die gesetzliche Krankenversicherung
unterscheidet sich von der privaten Krankenversicherung nicht nur
durch die weitgehende Ausgestaltung als Pflichtversicherung in
öffentlich-rechtlicher Organisationsform, sondern auch nach
den unterschiedlichen Grundstrukturen, auf denen die jeweiligen
Versicherungen aufbauen (siehe auch Ebsen, in: von
Maydell/Ruland/Becker, Sozialrechtshandbuch, 4. Aufl., § 15 Rz
52).
Während die gesetzliche
Krankenversicherung wesentlich durch das Solidarprinzip
geprägt ist, folgt die private Krankenversicherung dem
Äquivalenzprinzip. Die Bemessung der Beiträge zu einer
privaten Krankenversicherung bestimmt sich damit nach dem
versicherten Risiko. Bei privaten
Krankenversicherungsbeiträgen kann daher - anders als bei
Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung - davon
ausgegangen werden, dass einem höheren Beitrag ein
äquivalent höherer Individualvorteil des Beitragszahlers
entspricht (BVerfG-Beschluss vom 13.2.2008 2 BvL 1/06, BFH/NV 2008,
Beilage 3, 228 = SIS 08 16 87, m.w.N.). Ob der jeweilige
Arbeitnehmer durch seine Beiträge über das Solidarprinzip
der gesetzlichen Krankenversicherung individuell begünstigt
oder belastet wird, hängt von Einkommenshöhe, Alter,
Gesundheitszustand und Familienstand im Einzelfall ab.
Demgegenüber führen die
Finanzierungsvorschriften des SGB V dazu, dass den Mitgliedern der
gesetzlichen Krankenversicherungen Beiträge auferlegt werden,
die nicht allein der Absicherung ihres eigenen Krankheitsrisikos,
sondern zugleich dem sozialen Ausgleich und der Umverteilung
dienen. Insbesondere haben Beitragspflichtige mit hohem Einkommen
und niedrigem Krankheitsrisiko auf diese Weise Solidarlasten zu
tragen, die den im Übrigen gleich leistungsfähigen
Steuerpflichtigen, die nicht Mitglied der gesetzlichen
Krankenversicherungen sind, nicht abverlangt werden
(BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 = SIS 08 16 87,
m.w.N.).
Neben der Abkopplung der Beitragshöhe vom
versicherten Krankheitsrisiko ist grundsätzlich auch das
Leistungsniveau weitgehend unabhängig von der Höhe der
gezahlten Beiträge. Lediglich das Krankengeld nach
§§ 44 ff. SGB V knüpft der Höhe nach an das der
Beitragsberechnung unterliegende Entgelt an, wie dies auch bei dem
Ehemann der Klägerin der Fall war (siehe oben unter II.1.b
cc). Daher ist hier die Ähnlichkeit mit dem Krankengeld einer
privaten Krankenversicherung sehr groß.
Dennoch durfte der Gesetzgeber zwischen den
Krankengeldern der unterschiedlichen Krankenkassen differenzieren.
Die gesetzlichen Krankenkassen nehmen als Träger
öffentlicher Verwaltung die Aufgaben der Sozialversicherung
i.S. des Art. 74 Nr. 12 GG wahr (siehe auch Art. 87 Abs. 2 GG;
Sachs, Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 87 Rz 49) und sind
öffentlich-rechtliche Körperschaften. Während der
Anspruch auf Krankengeld des Versicherungsnehmers einer privaten
Versicherung auf dem Versicherungsvertrag beruht, ergibt sich der
Anspruch auf Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung als
Sozialleistung aus dem gesetzlichen Leistungskatalog des § 11
SGB V, der in Abs. 1 Nr. 4 auf die Leistungen zur Behandlung einer
Krankheit in den §§ 27 bis 52 SGB V, also auch auf die
Gewährung von Krankengeld gemäß § 44 Abs. 1
SGB V, verweist. Dass es die Möglichkeit gibt, den
Krankengeldanspruch für freiwillig Versicherte in der Satzung
der gesetzlichen Krankenversicherung gegen Gebührenreduzierung
auszuschließen oder einzuschränken (siehe oben unter
II.1.b cc), ändert an der grundsätzlichen Qualifizierung
dieses Leistungsanspruchs nichts. Er ist Teil des
Sozialversicherungsverhältnisses und damit eines
öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses, das zwar im
Grundsatz dem Privatversicherungsverhältnis nachgebildet ist,
jedoch durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs modifiziert wurde
(Kreikebohm/von Koch, in: von Maydell/Ruland/Becker, a.a.O., §
6 Rz 8). Diese entsprechend den Geboten des Sozialstaats
vorgenommene Ergänzung des Versicherungsprinzips ist auch die
Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der
jeweiligen Krankengelder und gleichzeitig für die
Gleichbehandlung der Krankengelder der gesetzlichen
Krankenversicherungen mit den Leistungen der ebenfalls zur
Sozialversicherung zählenden Arbeitslosenversicherung.
d) Dieses Ergebnis wird zudem durch den Aspekt
der Administrierbarkeit gestützt, da der Praktikabilität
einer Steuerregelung im Interesse des Verifikationsprinzips eine
besondere Bedeutung zukommt und nicht allein auf die
Selbsteinschätzung des Steuerpflichtigen abgestellt werden
kann (siehe die Gesetzesbegründung zum
Alterseinkünftegesetz, BTDrucks 15/2150, 41). Durch § 32b
Abs. 3 EStG werden die Träger der Sozialleistungen i.S. des
Abs. 1 Nr. 1 verpflichtet, bei Einstellung ihrer Leistungen oder
spätestens am Ende des jeweiligen Kalenderjahrs dem
Empfänger die Dauer des Leistungszeitraums sowie die Art und
Höhe der während des Kalenderjahrs gezahlten Leistungen
zu bescheinigen. Nach § 32b Abs. 3 Satz 2 EStG ist der
Empfänger auf die steuerliche Behandlung dieser Leistungen und
seine Steuererklärungspflicht hinzuweisen. In der
Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass dieses Verfahren bereits bei Lohnersatzleistungen von der
Bundesanstalt für Arbeit praktiziert worden sei und sich in
der Praxis bewährt habe (BTDrucks 11/2157, 150).
Die Gewährleistung eines
gleichmäßigen Gesetzesvollzugs rechtfertigt es damit
auch, nur solche Ersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt
einzubeziehen, die von einer überschaubaren Gruppe von
öffentlich-rechtlichen Trägern von Sozialleistungen und
nicht von einer Vielzahl privater Versicherungen erbracht werden,
da so die Kontrollmöglichkeiten mit einem überschaubaren
Aufwand gegeben sind. Dass dieser Aspekt der Administrierbarkeit
und Kontrolle bei der Anwendung des Progressionsvorbehalts eine
immer wichtigere Rolle spielt, zeigt im Übrigen auch die
Änderung des § 32b Abs. 3 EStG durch das
Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150), wonach
die Sozialleistungsträger die Daten über die
gewährten Leistungen für jeden Empfänger bis zum 28.
Februar des Folgejahrs nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz
durch amtlich bestimmte Datenfernübertragung zu
übermitteln haben.