Tarifbegrenzung bei Gewinneinkünften, negative Einkünfte, gewerbesteuerliche Kürzung: Negative gewerbliche Einkünfte i.S. der Tarifbegrenzungsvorschrift des § 32 c EStG a.F., die ein Kommanditist aus einer Beteiligung an einer Seeschifffahrtsgesellschaft erzielt, sind nach § 9 Nr. 3 GewStG um 80 v.H. zu kürzen. - Urt.; BFH 24.4.2008, IV R 31/06; SIS 08 31 43
I. Die Beteiligten streiten darum, ob
negative Einkünfte i.S. der Tarifbegünstigungsvorschrift
des § 32c des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr
1999 geltenden Fassung (EStG) um gewerbesteuerliche
Kürzungsbeträge i.S. des § 9 Nr. 3 Satz 2 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zu mindern sind.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren
Unternehmensgegenstand der Bau und Betrieb eines Containerschiffs
im internationalen Verkehr ist. Neben der Komplementär-GmbH
sind an ihr 84 Kommanditisten beteiligt. Die Klägerin erzielt
aus dem Betrieb des Schiffes Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.
des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG und ermittelt den Gewinn nach
§§ 5, 4 Abs. 1 EStG.
Im Streitjahr erzielte die Klägerin
einen Verlust, der sich nach den im Rahmen einer
Betriebsprüfung getroffenen - nicht mehr streitigen -
Feststellungen auf 5.180.261 DM belief. Dieser Verlust war nach
§ 15a EStG lediglich verrechenbar. Die Summe der
Sonderbetriebseinnahmen der Gesellschafter übertrafen deren
Sonderbetriebsausgaben um 345.207,88 DM. Die Höhe der
„gewerblichen Einkünfte, die der Tarifbegünstigung
nach § 32c EStG unterliegen“ ermittelte der Prüfer
in der Weise, dass er, soweit die Gesellschafter positive
Einkünfte aus dem Bereich der Sonderbetriebseinnahmen und
–ausgaben erzielten, diese im Hinblick auf die
gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG
nur in Höhe von 20 v.H. ansetzte. Soweit demgegenüber
andere Gesellschafter negative Einkünfte aus diesem Bereich
bezogen, setzte der Prüfer negative tarifbegünstigte
Einkünfte in voller Höhe an. Der Saldo der positiven und
negativen tarifbegünstigten Einkünfte belief sich nach
dieser Berechnung auf 55.645 DM, also lediglich 16 v.H. der Gewinne
aus dem Bereich der Sonderbetriebseinnahmen/Sonderbetriebsausgaben.
Der Prüfer begründete sein Vorgehen damit, dass zwar die
tarifbegünstigten Einkünfte nach § 32c Abs. 2 Nr. 1
EStG um die Kürzungsbeträge nach § 9 Nr. 3 GewStG zu
vermindern seien, dass jedoch im Verlustfall bei Anwendung des
§ 32c EStG eine negative Kürzung nach § 9 Nr. 3
GewStG nicht vorgenommen werden dürfe; denn die Vorschrift des
§ 32c Abs. 2 EStG beziehe sich nur auf positive
Kürzungsbeträge.
Auf der Grundlage dieser
Prüfungsfeststellungen änderte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) den
Gewinnfeststellungsbescheid für 1999.
Den Gewerbesteuermessbetrag und die
Gewerbesteuer setzte das FA mit inzwischen bestandskräftigem
Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuerbescheid für 1999 auf Null
fest.
Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid
wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der
Klage.
Sie vertrat die Auffassung, das FA habe zu
Unrecht bei den Kommanditisten, bei denen nach Anwendung des §
15a EStG laufende negative Einkünfte festgestellt worden
seien, eine Kürzung dieser Einkünfte nach § 9 Nr. 3
GewStG unterlassen. Das führe dazu, dass den betroffenen
Kommanditisten die Privilegierung des § 32c EStG - zumindest
für einen Teil ihrer Einkünfte - in einem
überhöhten Maß genommen werde.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Die Entscheidung vom 10.3.2006 VII 165/05 ist in EFG 2006, 1680 =
SIS 06 32 72 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit
der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass, soweit
die Kommanditisten der Klägerin aus ihrer Beteiligung negative
gewerbliche Einkünfte i.S. des § 32c EStG erzielt haben,
diese nach § 9 Nr. 3 GewStG um 80 v.H. zu
„kürzen“ sind.
a) Nach § 32c Abs. 1 EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung ist, wenn in dem zu versteuernden
Einkommen gewerbliche Einkünfte i.S. des Abs. 2 enthalten
sind, deren Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 93.744
DM beträgt, von der tariflichen Einkommensteuer ein
Entlastungsbetrag nach Abs. 4 abzuziehen. Nach § 32c Abs. 2
Satz 1 EStG sind gewerbliche Einkünfte im Sinne dieser
Vorschrift vorbehaltlich des Satzes 2 Gewinne oder Gewinnanteile,
die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer
unterliegen. Ausgenommen sind gemäß § 32c Abs. 2
Satz 2 Nr. 1 EStG insbesondere Gewinne und Gewinnanteile, die nach
§ 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen sind. Die Regelung, die dazu
dienen soll, mit der Senkung des Tarifs für gewerbliche
Einkünfte einen Ausgleich für die Gewerbesteuerbelastung
zu schaffen, ist nicht verfassungswidrig (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 21.6.2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116,
164 = SIS 06 33 60).
aa) Unter der Summe der begünstigten
gewerblichen Gewinne i.S. des § 32c Abs. 1 EStG ist nur eine
positive Größe zu verstehen, weil nur aus ihr - wie in
§ 32c Abs. 1 EStG verlangt - ein positiver Anteil am zu
versteuernden Einkommen in einer Mindesthöhe von 93.744 DM
ermittelt werden kann.
bb) Allerdings ist zur Ermittlung des
gewerblichen Gewinns i.S. des § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG
insoweit eine Saldierung vorzunehmen, als alle nach § 7 und
§ 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer
„unterliegenden“ Gewinne und Verluste
zusammengefasst werden (siehe Schmidt/Glanegger, EStG, 27. Aufl.,
§ 32c Rz 7, 8). Das ist dann von Bedeutung, wenn
Einkünfte aus mehreren Gewerbebetrieben bzw. gewerblichen
Beteiligungen bezogen werden und diese mindestens in einem Fall
positiv sind. Zwar ließe sich gegen diese Betrachtung
einwenden, dass auf Grund einer solchen Saldierung Gewinne, die der
Gewerbesteuer unterlegen haben, gleichwohl von der
Tarifbegünstigung nach § 32c EStG ausgenommen werden.
Letztlich ausschlaggebend erscheint demgegenüber, dass
Maßstab für die Tarifbegrenzung die nach
einkommensteuerlichen Grundsätzen ermittelten Einkünfte
sind; denn nach der in Abs. 3 vorgegebenen Gesetzestechnik werden
die begünstigten gewerblichen Einkünfte zur Summe der
Einkünfte ins Verhältnis gesetzt, um den gewerblichen
Anteil und damit die Bemessungsgrundlage für die
Tarifentlastung zu ermitteln (Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 32c EStG Rz 29). Ob der Betrag i.S. von § 32c Abs. 1
EStG erreicht wird, kann nicht auf der Feststellungsebene der
Gesellschaft, sondern nur auf der Ebene eines jeden Gesellschafters
beurteilt werden. Das führt dazu, dass im
Gewinnfeststellungsverfahren gegebenenfalls auch Verluste nach
§ 32c EStG gesondert festzustellen sind. Das hat der
Bundesfinanzhof (BFH) zu den seinerzeit ebenfalls
tarifbegünstigten Einkünften aus dem Betrieb von
Handelsschiffen im internationalen Verkehr (§ 34c Abs. 4 EStG
a.F.) ausdrücklich entschieden (BFH-Urteil vom 8.2.1995 I R
17/94, BFHE 177, 79, BStBl II 1995, 692 = SIS 95 12 77).
cc) Geht man dementsprechend davon aus, dass
positive (gewerbesteuerbelastete) gewerbliche Einkünfte um
negative gewerbliche Einkünfte zu mindern sind, so drängt
sich die Konsequenz auf, dass die entsprechenden negativen
Einkünfte ihrerseits um Kürzungsbeträge i.S. des
§ 32c Abs. 2 Satz 2 EStG zu mindern sind. Das gilt jedenfalls
für Kürzungsbeträge nach § 9 Nr. 3 GewStG. Der
BFH hat in seinem Urteil vom 21.4.1971 I R 200/67 (BFHE 102, 524,
BStBl II 1971, 743 = SIS 71 03 90) entschieden, dass der Teil des
Gewerbeertrags i.S. des § 9 Nr. 3 GewStG, um den die Summe des
Gewinns zu kürzen ist, auch ein auf die inländische
Betriebsstätte entfallender Verlust sein kann (ebenso
BFH-Urteil vom 10.7.1974 I R 248/71, BFHE 113, 242, BStBl II 1974,
752 = SIS 74 04 26). Ein gewerbesteuerlicher Verlust mindert sich
demnach um die Anteile, die nicht auf eine im Inland belegene
Betriebsstätte entfallen. Dass es naheliegt, auch im Bereich
des § 32c EStG so zu verfahren, zeigt der Streitfall. Geht man
nämlich von der Möglichkeit aus, dass die Gesellschafter,
für die das FA negative Einkünfte i.S. des § 32c
EStG festgestellt hat, aus einer anderen Schifffahrtsbeteiligung
positive Einkünfte erzielen, so sind diese nach dem Wortlaut
des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG (i.V.m. § 9 Nr. 3 Satz 2
GewStG) nur in Höhe von 20 v.H. tarifbegünstigt.
Gleichwohl sollen sie nach der Vorstellung des FA um Verluste aus
der Beteiligung an der Klägerin in voller Höhe
gekürzt werden. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin,
dass unter Zugrundelegung der Auffassung des FA positive
Einkünfte aus Schifffahrtsbeteiligungen, die fünfmal so
hoch sind wie die festgestellten Verluste, von der
Tarifbegünstigung ausgenommen blieben, obwohl sie in Höhe
von 20 v.H. mit Gewerbesteuer belastet waren.
b) Die hiergegen vom FA vorgetragenen
Gesichtspunkte, die sich im Wesentlichen auf das
rechtskräftige Urteil des FG Münster vom 9.7.2004 4 K
2157/01 F (EFG 2004, 1845 = SIS 05 00 97) stützen, lassen
nicht erkennen, warum eine andere Betrachtung geboten sein
könnte.
aa) Es mag zutreffen, dass § 32c Abs. 2
EStG nicht versucht, eine spiegelbildliche Behandlung im
gewerbesteuerlichen Bereich einerseits und im Bereich der
einkommensteuerlichen Tarifbegrenzung andererseits herzustellen.
Das FA leitet diese Schlussfolgerung in Übereinstimmung mit
dem FG Münster (Urteil in EFG 2004, 1845 = SIS 05 00 97)
daraus her, dass § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG nicht auf alle
Kürzungstatbestände des § 9 GewStG Bezug nimmt. Das
spricht aber nicht dagegen, dort wo es der Gesetzeswortlaut
zulässt, dem gesetzgeberischen Ziel der
Tarifbegünstigung, nämlich der Kompensation der
Gewerbesteuerbelastung in größtmöglichem Umfang
Rechnung zu tragen.
bb) Gegen die Verminderung negativer
Einkünfte um die in § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG
aufgeführten Kürzungsbeträge lässt sich auch
nicht die Gesetzessystematik ins Feld führen (so aber FG
Münster, Urteil in EFG 2004, 1845 = SIS 05 00 97; ebenso
Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt vom 9.2.2001 S
2283 a A - 2 - St II 25, DB 2001, 839 = SIS 01 07 95;
Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 32c Rz 17; Paus, BB 1994, 2389,
2397; a.A. Müller, DB, Beilage 3/1998, 8). Es trifft zwar zu,
dass „gewerbliche Einkünfte“ i.S. des
§ 32c EStG nur positive Beträge sein können (s.o.
unter II.1.a bb). Daraus lässt sich jedoch nicht der Satz
ableiten, „im Rahmen des § 32c EStG“ seien
nur positive Einkünfte zu berücksichtigen. Im Rahmen der
Saldierung (s.o. unter II.1.a bb) spielen auch negative
Einkünfte aus einzelnen Gewerbebetrieben oder gewerblichen
Beteiligungen eine Rolle. Sie werden bei gewerblichen Beteiligungen
gesondert und einheitlich festgestellt, ohne dass bereits auf der
Ebene des Feststellungsbescheides eine Saldierung möglich
wäre. Die derart festgestellten Beträge mindern jedoch im
Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der betreffenden
Gesellschafter deren tarifbegünstigte Einkünfte i.S. des
§ 32c EStG, und zwar gerade auch dann, wenn Letztere mit
Gewerbesteuer belastet waren.
cc) Schließlich lässt sich die
Auffassung des FA auch nicht aus dem Wortlaut des § 32c Abs. 2
Satz 2 EStG herleiten, wenn dieser unter Nr. 1 für die
Tatbestände des § 9 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 3 etc. GewStG
von „Gewinnen und Gewinnanteilen“ und nicht -
wie unter Nr. 3 für die Tatbestände nach § 9 Nr. 2
GewStG - von „Kürzungsbeträgen“
spricht. In § 32c EStG ist überhaupt stets nur von
Gewinnen und nicht von Verlusten die Rede. Gleichwohl spielen - wie
mehrfach erwähnt - die Verluste aus einzelnen Gewerbebetrieben
oder gewerblichen Beteiligungen im Rahmen der Saldierung eine
Rolle. Nur wegen dieser - nicht aus dem Wortlaut, sondern aus der
Gesetzessystematik herzuleitenden - Bedeutung der Verluste ergibt
sich überhaupt die Notwendigkeit, die negativen Einkünfte
um die in § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG aufgeführten
Kürzungsbeträge zu vermindern.