ABM-Kräfte, Arbeitnehmer i.S. des InvZulG: Personen, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz in einem Betrieb tätig werden, sind Arbeitnehmer im Sinne des Investitionszulagenrechts und deshalb miteinzubeziehen, soweit es für die erhöhte Investitionszulage auf die Zahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ankommt. - Urt.; BFH 17.4.2008, III R 9/07; SIS 08 29 14
I. Der Revisionskläger ist
Insolvenzverwalter über das Vermögen der vormaligen
Klägerin und Revisionsklägerin, einer GmbH & Co. KG
(KG), in deren Betrieb im Streitjahr 1995 neben 240
„regulären“ Arbeitnehmern auch 12 im Rahmen von
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) beschäftigte Personen
arbeiteten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) lehnte im geänderten
Investitionszulagenbescheid für 1995 die Festsetzung
erhöhter Investitionszulage ab, weil die KG mehr als 250
Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis
beschäftigt habe. Der Einspruch der KG blieb
erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Es war der Auffassung, bei den 12 ABM-Kräften handele es sich
nach der auch für das Investitionszulagenrecht
maßgeblichen Norm des § 1 der
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) ebenfalls um
Arbeitnehmer.
Zur Begründung der Revision wird
vorgetragen, die Steuerverwaltung beziehe Auszubildende nicht in
den Schwellenwert ein und halte sich insoweit selbst nicht an
§ 1 LStDV. ABM hätten vorrangig arbeitsmarkt- und
sozialpolitische Ausrichtung. Sie dienten vornehmlich der Erhaltung
oder Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit
arbeitsloser Arbeitnehmer. Auf die nach Abstimmung mit der EU
für die Bestimmung des zulagenrechtlichen Schwellenwertes
maßgebenden Kriterien wie Umsatz, Marktposition,
Managementstrukturen und Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen
hätten ABM-Kräfte keinen Einfluss. ABM würden nach
den §§ 260 bis 271 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch
(SGB III) nur gefördert, wenn die zu verrichtenden Arbeiten
zusätzlich anfielen und im öffentlichen Interesse
lägen. ABM-Kräfte würden nicht vom Unternehmen
eingestellt und entlassen, sondern vom Arbeitsamt zugewiesen und
abberufen; das Unternehmen habe nach den Vorschriften des SGB III
die Funktion des Trägers der ABM. Eine Einbeziehung der
ABM-Kräfte in den Schwellenwert stände dem
Förderzweck der ABM-Maßnahme entgegen.
Der Revisionskläger beantragt, das
FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter
Änderung des geänderten Investitionszulagenbescheids
für 1995 eine weitere Investitionszulage in Höhe von ...
EUR festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
Nach zutreffender Entscheidung des FG steht
dem Revisionskläger die erhöhte Investitionszulage nicht
zu, weil auch die ABM-Kräfte Arbeitnehmer im Sinne des
Investitionszulagenrechts sind und durch sie die für
erhöhte Investitionszulage maßgebende Arbeitnehmerzahl
überschritten wurde.
Die hier beanspruchte erhöhte
Investitionszulage setzt nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des
Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996, das auf das Streitjahr
1995 anzuwenden ist (§ 11 Abs. 1 InvZulG 1996), voraus, dass
der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die
Investitionen vorgenommen werden, nicht mehr als 250 Arbeitnehmer
in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis
beschäftigte, die Arbeitslohn, Kurzarbeitergeld,
Schlechtwettergeld oder Winterausfallgeld bezogen.
a) Das InvZulG 1996 definiert den Begriff des
Arbeitnehmers nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats
sind die im Investitionszulagenrecht verwendeten Begriffe nach den
für die Einkommensbesteuerung maßgebenden
Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem InvZulG,
seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes
entnehmen lässt (Senatsurteil vom 26.1.2006 III R 5/04, BFHE
212, 381, BStBl II 2006, 771 = SIS 06 20 02, m.w.N.).
Auch nach der Gesetzesbegründung soll der
Begriff des Arbeitnehmers nach steuerlichen Grundsätzen
auszulegen sein (BTDrucks 12/7427, S. 34). Maßgeblich ist die
in § 1 LStDV enthaltene Begriffsbestimmung (Rosarius,
Investitionsförderung Handbuch, § 2 InvZulG 1999 Rz 189).
Arbeitnehmer sind danach u.a. Personen, die in privatem Dienst
angestellt oder beschäftigt sind und dem Arbeitgeber ihre
Arbeitskraft schulden; dies ist der Fall, wenn die Personen in der
Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung
des Arbeitgebers stehen oder im geschäftlichen Organismus des
Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet sind.
b) Die ABM-Kräfte sind Arbeitnehmer in
diesem Sinne. Das FG hat festgestellt, dass sie ihre Arbeitskraft
der insolvent gewordenen KG aufgrund eines mit dieser geschlossenen
Vertrages schuldeten, dass sie unter deren Leitung standen und von
ihr den Arbeitslohn bezogen. Daraus hat das FG zutreffend
gefolgert, dass die Voraussetzungen des § 1 LStDV erfüllt
seien.
c) Die tatsächlichen und
arbeitsrechtlichen Besonderheiten der ABM, bei denen der
Arbeitgeber als Träger im Sinne des
Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Förderungsleistungen der
Arbeitsverwaltung erhält, um Arbeitsgelegenheiten für
arbeitslose Arbeitnehmer zu schaffen, führen nicht zu einer
abweichenden Beurteilung. Weder die Tatsache, dass die Arbeitnehmer
von der Agentur für Arbeit zugewiesen werden müssen
(§ 267a SGB III), noch die besonderen Kündigungsrechte
und Befristungsmöglichkeiten (vgl. ErfK/Müller-Glöge
§ 14 TzBfG Rz 64) widersprechen den maßgeblichen
Tatbestandsmerkmalen des § 1 LStDV. Dies gilt auch für
die Bezuschussung der Lohnkosten (§ 260, § 264 SGB III)
und die Einschränkungen hinsichtlich der förderbaren
Maßnahmen (§ 261 SGB III) und der
förderungsbedürftigen Arbeitnehmer (§ 263 SGB
III).
Gegenüber den
„regulären“ Arbeitnehmern deutlich
herabgesetzte Einsatzmöglichkeiten und eine niedrigere
Wertschöpfung rechtfertigen es nicht, ABM-Kräfte trotz
Vorliegens der Merkmale des § 1 LStDV bei der Prüfung des
Schwellenwertes des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1996 nicht
mitzuzählen. Eine Differenzierung nach der
Leistungsfähigkeit und Einsatzbreite der Arbeitnehmer
lässt sich mit dem nur auf die Zahl abstellenden
Gesetzeswortlaut nicht vereinbaren.
d) Der Revisionskläger kann sich nicht
auf die Behandlung der Auszubildenden durch die Steuerverwaltung
berufen. Darüber, ob Auszubildende als Arbeitnehmer i.S. des
§ 1 LStDV zu beurteilen sind, ist im Streitfall nicht zu
entscheiden. Dass die Steuerverwaltung Auszubildende bei der
Ermittlung des Schwellenwerts anscheinend nicht als Arbeitnehmer
einbezieht (vgl. Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern vom
2.7.1998 IV 300 - InvZ 1260 - 30/98, juris; dagegen Rosarius, Die
Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1998,
555), bindet den Senat nicht bei der Auslegung, ob ABM-Kräfte
die Tatbestandsmerkmale des § 1 LStDV erfüllen.