Alkohol, USt-Satz: Die Lieferung alkoholischer Flüssigkeiten unterliegt dem Regelsteuersatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999. - Urt.; BFH 12.3.2008, XI R 65/06; SIS 08 20 23
I. Strittig ist der Steuersatz für die
Lieferung von Kirschmaische nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes
1999 (UStG).
Unternehmensgegenstand der Klägerin
und Revisionsbeklagten (Klägerin) ist die Herstellung, der
Vertrieb sowie der Im- und Export von Spirituosen. Im Streitjahr
2000 lieferten Landwirte im Rahmen ihrer land- und
forstwirtschaftlichen Betriebe vergorene Kirschmaische an die
Klägerin. Über die von ihr bezogenen Lieferungen von
vergorener Kirschmaische rechnete die Klägerin gegenüber
den Landwirten durch Erteilung von Gutschriften ab, die
entsprechend § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG den damaligen
Regelsteuersatz von 16 v.H. auswiesen. Aus den Rechnungen nahm sie
den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in
Anspruch.
Aufgrund einer Außenprüfung ging
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) davon
aus, dass die Lieferung der Kirschmaische gemäß §
24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG nur einem Steuersatz von 9 v.H.
unterliege und kürzte den Vorsteuerabzug der Klägerin
entsprechend. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Nach den Feststellungen des FG handelte es sich bei der
Kirschmaische um eine vergorene Flüssigkeit, die nicht
genießbar war. Die Lieferung der Kirschmaische unterliege
§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG. Es handele sich um eine
alkoholische Flüssigkeit. Auf weitere Voraussetzungen komme es
nicht an, insbesondere sei die Anlage zum UStG nicht zu
berücksichtigen, da die Anlage keine alkoholischen
Flüssigkeiten aufführe. Die Klage habe aber auch dann
Erfolg, wenn auf die Tarifierung nach der Anlage abzustellen sei.
Eine Tarifierung als genießbare Frucht (Pos. 0801 der
Kombinierten Nomenklatur - KN - ) komme nicht in Betracht, da die
Unterscheidung in § 24 UStG zwischen Getränken und
alkoholischen Flüssigkeiten nur Sinn mache, wenn zu den
alkoholischen Flüssigkeiten nicht nur alkoholische
Getränke, sondern auch Alkohol gehöre, der zu
Getränken verarbeitet werden könne. Hierzu gehöre
neben reinem Alkohol auch vergorene Maische. Die Maische stelle
eine Flüssigkeit dar, bei der es sich mangels
Genießbarkeit nicht um ein Getränk handele. Die fehlende
Genießbarkeit schließe eine Zuordnung zu den
genießbaren Früchten aus. Eine Zuordnung zu den in der
Anlage begünstigten Umsätzen scheitere auch daran, dass
die auf der Grundlage der Maische gefertigten alkoholischen
Getränke unter keinen Umständen begünstigt seien. Es
käme allenfalls eine Zuordnung nach Kap. 22 KN in Betracht.
Die Waren dieses Kapitels unterlägen umsatzsteuerrechtlich
aber ausnahmslos dem Regelsteuersatz.
Das Urteil des FG ist in EFG 2007, 1123 =
SIS 07 11 27 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA
sinngemäß die Verletzung von § 24 UStG. Für
den Begriff der alkoholischen Flüssigkeit komme es nach §
24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG auf den Zolltarif an. Während das
FA im Revisionsverfahren zunächst geltend gemacht hatte, dass
die vergorene Maische nach den Pos. 0801 bis 0813 KN als
genießbare Früchte und Nüsse zu tarifieren sei,
hielt es hieran später nicht fest und macht nunmehr geltend,
dass die Maische als „Früchte ..., in anderer Weise
zubereitet oder haltbar gemacht“ nach Pos. 2008 KN oder als
„Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch
inbegriffen“ nach Pos. 2106 KN einzureihen sei. Mit dem
gesetzgeberischen Willen sei es weiter nicht vereinbar, eine
Lieferung bei der Regelbesteuerung nach dem ermäßigten
Steuersatz und bei der Durchschnittssatzbesteuerung nach dem
allgemeinen Steuersatz zu besteuern.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist die
Klägerin darauf, dass Kirschmaische nicht in der Anlage zum
UStG aufgeführt sei.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Lieferung der von der
Klägerin erworbenen vergorenen Kirschmaische unterliegt nach
§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG dem Regelsteuersatz.
1. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG
führt zur Besteuerung nach dem Regelsteuersatz und gilt
für „die Lieferungen der in der Anlage nicht
aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie
von alkoholischen Flüssigkeiten“. Die Lieferung
alkoholischer Flüssigkeiten unterliegt nach § 24 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 UStG dem Regelsteuersatz. Denn § 24 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 UStG stellt nur für die beiden Warenkategorien der
Sägewerkserzeugnisse und Getränke, nicht aber auch
für alkoholische Flüssigkeiten darauf ab, ob es sich um
Gegenstände handelt, die in der Anlage zum UStG
aufgeführt sind. Der Satzteil „der in der Anlage
nicht aufgeführten“ Produkte bezieht sich bei
grammatikalischer Auslegung nicht auf alkoholische
Flüssigkeiten. Es handelt sich nicht um eine in sich
geschlossene Aufzählung, bei der alle drei Warenkategorien des
§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG dieselben Voraussetzungen zu
erfüllen haben. Dies folgt aus der Verwendung der beiden
unterschiedlichen Konjunktionen „und“ und
„sowie“ in Verbindung mit der Präposition
„von“.
2. Die wortlautgemäße Auslegung
führt auch nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen. Dies könnte
zwar in Betracht kommen, wenn in der Anlage alkoholische
Getränke aufgeführt wären und diese damit einem
niedrigeren Steuersatz unterworfen würden als alkoholische
Flüssigkeiten. Das trifft aber nicht zu. Denn in der Anlage
sind keine alkoholischen Getränke genannt.
3. Eine den Wortlaut korrigierende Auslegung
wäre nur dann zu erwägen, wenn die Höhe der
einzelnen „Durchschnittssätze“
nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG im Verhältnis zu den im
Rahmen der Regelbesteuerung anzuwendenden Steuersätzen auf
einer in sich folgerichtigen Regelung beruhen und die
wortlautgemäße Auslegung hierzu in Widerspruch stehen
würde. Auch dies trifft aber nicht zu. Der Besteuerung der
Umsätze nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UStG
liegt nicht der Grundsatz zugrunde, dass die Umsätze, die im
allgemeinen Besteuerungsverfahren nach § 12 Abs. 1 UStG zu
versteuern sind, auch im Rahmen der Durchschnittssatzbesteuerung
diesem Regelsteuersatz zu unterwerfen sind. Denn Umsätze, die
im Rahmen der Regelbesteuerung gemäß § 12 Abs. 1
UStG dem Regelsteuersatz unterliegen, sind nur nach § 24 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 UStG, nicht aber auch im Rahmen des § 24 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 UStG nach dem Regelsteuersatz zu versteuern.
So war z.B. auf die Lieferung anderer forstwirtschaftlicher
Erzeugnisse als Sägewerkserzeugnisse nach § 24 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 UStG im Streitjahr ein Steuersatz von 5 v.H.
anzuwenden, obwohl derartige Erzeugnisse mit Ausnahme der in Nr. 48
der Anlage zum UStG genannten Holzarten (im Wesentlichen Brennholz
und Briketts) im allgemeinen Besteuerungsverfahren dem
Regelsteuersatz unterlagen (vgl. z.B. zur Lieferung von
Weihnachtsbäumen Abschn. 265 Abs. 1 Satz 1 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 2000). Ebenso waren im Streitjahr
landwirtschaftliche Dienstleistungen (zum
Begriff vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 24
Rz 81 ff., 164) nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG mit
einem Steuersatz von 9 v.H. zu versteuern, obwohl diese
Dienstleistungen im allgemeinen
Besteuerungsverfahren mit Ausnahme der in § 12 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 UStG bezeichneten
Leistungen (Aufzucht und Halten von Vieh, Anzucht von Pflanzen,
Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere und Leistungen
der Vatertierhaltung, der Tierzucht und der Tierbesamung usw.)
§ 12 Abs. 1 UStG unterlagen.
4. Bei richtlinienkonformer Auslegung des
nationalen Rechts ist schließlich zu beachten, dass der
nationale Gesetzgeber über die Abgrenzung zwischen
Regelsteuersatz und ermäßigtem Steuersatz nicht frei
entscheiden kann, sondern an die im Streitjahr geltenden
Bestimmungen des Art. 12 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG)
einschließlich des Anhangs H zu dieser Richtlinie gebunden
war. Nach Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG waren die
Mitgliedstaaten berechtigt, Nahrungs- und Futtermittel
einschließlich nichtalkoholischer Getränke, lebende
Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die
Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten
sowie üblicherweise als Zusatz oder Ersatz für Nahrungs-
und Futtermittel verwendete Erzeugnisse ermäßigt zu
besteuern. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung dürfte
die Lieferung alkoholischer Flüssigkeiten nur dann dem
ermäßigten Steuersatz unterworfen werden, wenn es sich
hierbei um eine Zutat für die Zubereitung von Nahrungs- und
Futtermitteln handelt.
5. Nach den nicht mit begründeten
Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118
Abs. 2 FGO) handelt es sich bei der Maische um eine vergorene und
damit um eine alkoholische Flüssigkeit. Da diese
Flüssigkeit nicht zum Verzehr bestimmt und somit unstreitig
kein Getränk ist, ist die Würdigung des FG, die
Kirschmaische als alkoholische Flüssigkeit i.S. von § 24
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG anzusehen, revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden. Denn der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der
„alkoholischen Flüssigkeiten“ ist
umsatzsteuerrechtlich auszulegen. Deshalb wäre es unerheblich,
wenn die vergorene Kirschmaische zolltariflich nicht unter die
alkoholischen Flüssigkeiten des Kap. 22 KN, sondern - wie das
FA geltend macht - unter andere Pos. (2008 KN oder 2106 KN)
fiele.
Auch bei richtlinienkonformer Auslegung (s.
oben 4.) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Denn bei der im
Streitfall gelieferten vergorenen Kirschmaische handelt es sich um
ein Vorprodukt, das nicht selbst verwendungsfähig ist, sondern
ausschließlich der Herstellung von alkoholischen
Getränken dient, die nach dem UStG ausnahmslos dem
Regelsteuersatz unterliegen (vgl. z.B. Husmann in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr.
1 und 2 Rz 17).