Erbbaurecht, Erwerb durch Grundstückseigentümer, GrESt: Erwirbt der Eigentümer eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks das Erbbaurecht, gehört die Erbbauzinsreallast nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung. - Urt.; BFH 14.11.2007, II R 64/06; SIS 08 14 76
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines
Grundstücks, das mit einem bis zum 5.4.2039 laufenden
Erbbaurecht belastet ist. Der jährliche Erbbauzins betrug
zuletzt ... DM.
Mit Vertrag vom 28.10.1999 verkaufte die
Erbbauberechtigte das Erbbaurecht an die Klägerin zum
Kaufpreis von ... DM. Die Klägerin sollte in den Erbbauvertrag
mit allen Rechten und Pflichten anstelle der bisherigen
Erbbauberechtigten eintreten. Die Klägerin übernahm die
in Abteilung II Nummer 1 und 6 des Erbbaugrundbuchs eingetragenen
Belastungen, darunter den Erbbauzins, laut Vertrag ohne Anrechnung
auf den Kaufpreis.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte mit Bescheid vom 23.11.1999 für den
Erwerb des Erbbaurechts Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM
fest. In die Bemessungsgrundlage bezog das FA dabei neben dem
Kaufpreis auch den Kapitalwert des Erbbauzinses in Höhe von
... DM ein. Der Einspruch, mit dem sich die Klägerin u.a.
hiergegen wandte, hatte aus anderen Gründen teilweise Erfolg;
mit Einspruchsentscheidung vom 26.2.2003 setzte das FA die
Grunderwerbsteuer auf ... EUR herab. Die Klage, mit der sich die
Klägerin nunmehr nur noch gegen die Berücksichtigung des
Erbbauzinses bei der Bemessungsgrundlage wandte, blieb erfolglos
(vgl. SIS 06 04 32).
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer auf X EUR
festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung war aufzuheben und der Klage stattzugeben (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das
Finanzgericht (FG) hat zu Unrecht angenommen, der Kapitalwert des
Erbbauzinses gehöre zur Gegenleistung.
1. Ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch
auf Übertragung eines bestehenden Erbbaurechts begründet,
unterliegt der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m.
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Die Steuer ist vom Wert der
Gegenleistung zu berechnen (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Zur
Gegenleistung gehören gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2
Satz 1 GrEStG die Belastungen, die auf dem Erbbaurecht ruhen,
soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen und es
sich nicht um dauernde Lasten handelt (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2
GrEStG). Der Erbbauzins gilt nicht als dauernde Last (§ 9 Abs.
2 Nr. 2 Satz 3 GrEStG). Zur Gegenleistung gehört damit
grundsätzlich auch der nach § 13 des Bewertungsgesetzes
(BewG) zu kapitalisierende Wert der Erbbauzinsverpflichtung
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23.10.2002 II R 81/00,
BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199 = SIS 03 10 90; vom 5.12.1979 II
R 103/76, BStBl II 1980, 135 = SIS 80 00 80; vom 21.12.1977 II R
47/73, BFHE 124, 381, BStBl II 1978, 318 = SIS 78 01 78), soweit
sie nicht schon deswegen zur Gegenleistung gemäß §
9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gehört, weil der Erwerber sie
ausdrücklich übernommen hat (Hofmann,
Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 9 Rz 47; Sack
in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 9 Rz 269
und 587).
2. Etwas anderes gilt, wenn das Erbbaurecht
durch den Eigentümer des Grundstücks, das mit dem
Erbbaurecht belastet ist, erworben wird. Zwar geht die
Erbbauzinsreallast auch in diesem Fall wie bei einem Erwerb durch
einen Dritten kraft Gesetzes auf den Erwerber über, so dass
§ 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG dem Wortlaut nach erfüllt
ist. Ihr Ansatz bei der Bemessungsgrundlage ist jedoch unter
Berücksichtigung des in § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG
verwendeten Begriffs der „Gegenleistung“ und
nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Fiktion des § 9 Abs.
2 Nr. 2 Satz 3 GrEStG nicht geboten. Zwar bleibt die als Reallast
verdinglichte Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses in diesen
Fällen bestehen und erlischt gemäß § 889 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht durch Konsolidation, d.h.
durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit beim erwerbenden
Grundstückseigentümer; in dessen Person entsteht vielmehr
eine Eigentümerreallast (vgl. Palandt/Bassenge,
Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., § 1105 Rz 3 und
ErbbRVO § 33 Rz 3). Diese stellt aber keine Belastung für
den das Erbbaurecht erwerbenden Grundstückseigentümer
dar, weil keine Leistungspflicht einer anderen Person
gegenüber gegeben ist. Vielmehr steht der
Eigentümerreallast das ebenfalls in der Person des
Grundstückseigentümers fortbestehende Zinsstammrecht
einschließlich des Rechts auf die noch nicht fälligen
Einzelleistungen als Bestandteil des Grundstückseigentums nach
§ 96 BGB gegenüber (MünchKommBGB/von Oefele, 4.
Aufl., ErbbauVO § 9 Rz 7). Auf den Erwerber des Erbbaurechts
geht damit die Verpflichtung zu einer solchen Leistung über,
auf die er in seiner Eigenschaft als
Grundstückseigentümer einen Anspruch hat. Damit fehlt dem
Übergang der verdinglichten Verpflichtung zur Zahlung des
Erbbaurechts auf den Grundstückseigentümer der Charakter
einer Gegenleistung für den Erwerb des Erbbaurechts.
Die Vorentscheidung entspricht nicht den
vorgenannten Grundsätzen. Sie war daher aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif.
a) Soweit mit der Vertragsklausel, die
Klägerin übernehme den Erbbauzins ohne Anrechnung auf den
Kaufpreis, eine auch schuldrechtliche Übernahme des
Erbbauzinses gemeint gewesen sein sollte, käme zwar
grundsätzlich eine Gegenleistung gemäß § 9
Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in Betracht. Im Streitfall scheidet die Annahme
einer Gegenleistung nach dieser Vorschrift jedoch von vornherein
aus, weil Erbbauzinsverpflichtung und Erbbauzinsanspruch durch
Konfusion erloschen sind.
b) Aber auch eine Gegenleistung nach § 9
Abs. 2 Nr. 2 Sätze 1 und 3 GrEStG liegt nicht vor. Der
Erbbauzins als Reallast ist zwar von Gesetzes wegen auf die
Klägerin übergegangen. Da die Klägerin jedoch das
Erbbaurecht als Grundstückseigentümerin erworben hat,
gehört der Erbbauzins im Streitfall nicht zur Gegenleistung
gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 1 und 3 GrEStG.
Der Steuerbescheid vom 23.11.1999 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 26.2.2003 ist daher zu ändern und
die Steuer ohne Berücksichtigung des Kapitalwerts des
Erbbauzinses auf X EUR festzusetzen.