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Änderung von älteren Folgebescheiden, Beweislast

Änderung von älteren Folgebescheiden, Beweislast: Das FA kann aufgrund der Feststellungslast die Änderung eines Folgebescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht mit der Begründung ablehnen, es bestünden wegen Fehlens der Steuerakten Unklarheiten über die im ursprünglichen Folgebescheid angesetzten Besteuerungsgrundlagen, wenn die Ursachen für die Unklarheiten der Finanzverwaltung zuzurechnen sind. - Urt.; BFH 28.11.2007, X R 11/07; SIS 08 11 99

Kapitel:
Verschiedenes > Aufhebung, Änderung, Berichtigung
Fundstellen
  1. BFH 28.11.2007, X R 11/07
    BStBl 2008 II S. 335
    LEXinform 0588200

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 9.4.2008
    erl in StuB 6/2008 S. 242
    T.C. in DStZ 8/2008 S. 239
Normen
[AO 1977] § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 25.04.2006, SIS 07 26 14, Änderung, Folgebescheid, Schätzung, Besteuerungsgrundlagen, Beweislast
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Münster 22.8.2018, SIS 18 16 23, Steuerbarkeit von Schadensersatzzahlungen aufgrund der Verletzung von Markenrechten, Entschädigung für en...
  • FG München 2.5.2018, SIS 19 20 83, Zahlung aufgrund einer vor der Ehe abgeschlossenen Güterrechtsvereinbarung als freigebige Zuwendung: 1. D...
  • LfSt Bayern 6.10.2017, SIS 17 18 17, Folgebescheide, Anpassung an Grundlagenbescheide: Das Bayerische Landesamt für Steuern hat seine Verfügun...
  • OFD Frankfurt 2.3.2017, SIS 17 16 52, Folgebescheid, Anpassung an Grundlagenbescheid: Die OFD Frankfurt a.M. hat ihre Rundverfügung zur Anpassu...
  • FinMin Nordrhein-Westfalen 26.6.2015, SIS 15 23 36, Folgebescheid, Anpassung an Grundlagenbescheid: Das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat ...
  • FG Düsseldorf 14.1.2015, SIS 15 06 60, Spekulationsgewinn, Veräußerung des Grundstücks durch GbR, Zurechnungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG...
  • FinMin Nordrhein-Westfalen 3.12.2014, SIS 15 08 86, Folgebescheid, Anpassung an Grundlagenbescheid: Eine Verwaltungsanweisung äußert sich ausführlich zur Anp...
  • BFH 5.2.2014, SIS 14 11 05, Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren durch Nichtberücksichtigung einer unberechtigten Aktenv...
  • LfSt Bayern 19.8.2013, SIS 13 27 47, Folgebescheide, Anpassung an Grundlagenbescheide: Das Bayerische Landesamt für Steuern hat seine Verfügun...
  • FG Rheinland-Pfalz 4.6.2013, SIS 13 33 53, Rückstellungen für die Nachbetreuung von Versicherungsverträgen: Eine Klausel, mit der der Versicherungsv...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 5.12.2012, SIS 13 23 89, Rückstellungsbildung wegen Erfüllungsrückstand, Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, Nichtberücksi...
  • FG Köln 14.3.2012, SIS 12 20 71, Telefoninterviewer, Arbeitnehmer, Haftung: 1. Telefoninterviewer, die nach Inhalt, Ort und zeitlichem Rah...
  • BFH 29.2.2012, SIS 12 18 95, Anpassungsverpflichtung im Umfang der Bindungswirkung: 1. Die Bindungswirkung gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO...
  • BFH 7.2.2012, SIS 12 12 91, Keine Fehlerkorrektur nach § 177 AO ohne Änderungsrahmen: Eine Fehlerberichtigung nach § 177 AO kann nich...
  • FG Köln 19.10.2011, SIS 12 02 55, Keine zeitliche Grenze durch § 171 Abs. 10 AO bei Anrechnungsverfügung: Die Umsetzung geänderter Feststel...
  • FG Hamburg 12.10.2011, SIS 12 02 87, Einkommensteuerrecht, Schätzung von Auslandsinvestmentfonds-Einkünften: 1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ...
  • BFH 19.7.2011, SIS 11 36 43, Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen: 1. Rückste...
  • BFH 19.7.2011, SIS 11 36 44, Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen: 1. Rückste...
  • BFH 19.7.2011, SIS 11 33 69, Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen: 1. Rückste...
  • BFH 19.7.2011, SIS 12 11 12, Rückstellung eines Versicherungsvertreters für die Nachbetreuung von Versicherungsverträgen: Rückstellung...
  • OFD Niedersachsen 17.9.2010, SIS 10 36 50, Folgebescheide, Anpassung an Grundlagenbescheide: Die OFD Niedersachsen hat die Verfügung zur Anpassung v...
  • OFD Karlsruhe 1.6.2010, SIS 10 30 92, Folgebescheide, Aufhebung, Änderung: Ergänzend zur Regelung des AEAO zu § 175 AO äußert sich eine Verfügu...
  • Thüringer FG 19.5.2010, SIS 10 42 27, Beweislast in Zusammenhang mit dem behaupteten Nichtzugang der Einspruchsentscheidung: Behauptet der Kläg...
  • FG Baden-Württemberg 17.3.2010, SIS 10 17 22, Änderung eines Eigenheimzulagebescheides aufgrund erstmals erlassenem Grundlagenbescheid: 1. Die Finanzve...
  • BFH 20.10.2009, SIS 10 05 87, Divergenz, Auswertung eines Feststellungsbescheids bei unauffindbarem Einkommensteuerbescheid: 1. Es ist ...
  • FG Baden-Württemberg 16.6.2009, SIS 10 04 59, Werbungskostenabzug von Finanzierungskosten einer wesentlichen GmbH-Beteiligung bei Umwidmung des Darlehe...
  • FinBeh Berlin 3.4.2009, SIS 09 14 79, Folgebescheid, Anpassung an Grundlagenbescheid, wenn die Steuerakten des Folgebescheids bereits ausgesond...
  • BFH 25.2.2009, SIS 09 15 38, Anwendbarkeit von § 174 Abs. 4 AO: § 174 Abs. 4 AO erfasst auch die Fälle, in denen die Finanzbehörde aus...
  • BFH 30.1.2009, SIS 09 18 79, Vollstreckung von Steuerforderungen trotz Verlust der Steuerakten: 1. Im Vollstreckungsverfahren nach der...
  • FG Baden-Württemberg 30.1.2009, SIS 10 07 45, Änderung des Grundlagenbescheids führt zu keiner Änderung des Folgebescheids bei fehlender steuerlicher A...
  • BFH 28.1.2009, SIS 09 18 78, Keine auf die Feststellungslast gestützte Ablehnung der Änderung eines Folgebescheids bei vernichteten Ak...
  • BFH 7.11.2008, SIS 09 02 86, Zustellung mehrerer Schriftstücke in einer Postsendung mit PZU: Werden mehrere Schriftstücke verschiedene...
  • FG Düsseldorf 28.8.2008, SIS 09 04 73, Veräußerung einbringungsgeborener Anteile, nachträgliche Besteuerung: 1. Die Feststellungslast dafür, das...
  • LfSt Bayern 31.7.2008, SIS 08 32 97, Folgebescheide, Anpassung an Grundlagenbescheide: Das Bayerische Landesamt für Steuern hat seine Verfügun...
  • LfSt Bayern 6.5.2008, SIS 08 21 69, Folgebescheide, Anpassung: Das Bayerische Landesamt für Steuern hat die Verfügung zur Anpassung von Folge...

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war an der Firma A-KG (KG) beteiligt, die ein größeres Bauvorhaben begonnen hatte. Durch Gewinnfeststellungsbescheide 1975 des für die KG zuständigen Finanzamts vom 17.7.1984/30.4.1986/30.3.1988 wurde für den Kläger ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 40.974,53 DM festgestellt. Nach mehrjährigen Rechtsstreitigkeiten, die ein anderer Kommanditist der KG geführt hatte, wurde der Gewinnfeststellungsbescheid 1975 geändert. Die Einkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der KG wurden auf 0 DM festgestellt.

 

Da weder beim Kläger noch beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) Unterlagen zur Einkommensteuer 1975 vorhanden waren, beantragte der Kläger, in einem geänderten Einkommensteuerbescheid 1975 den ursprünglich festgestellten Veräußerungsgewinn in Höhe von 40.974,53 DM von einem geschätzten zu versteuernden Einkommen des Jahres 1975 in Höhe von 150.000 DM abzuziehen. Diesen Antrag lehnte das FA mit der Begründung ab, nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen für die Steuerakten liege die Beweislast für die Besteuerungsgrundlagen des Jahres 1975 beim Kläger. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in Anlehnung an die angrenzenden Veranlagungszeiträume sei nicht möglich.

 

Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage mit in EFG 2007, 1481 = SIS 07 26 14 veröffentlichtem Urteil abgewiesen. Zwar sei nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukomme, geändert werde. Dies gelte jedoch nur für den Fall, dass der bisherige Folgebescheid eine andere Regelung enthalte als der neue Grundlagenbescheid. Ein Grundlagenbescheid, der den Regelungsinhalt des Folgebescheids unberührt lasse, löse keine Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aus (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13.12.2000 X R 42/96, BFHE 194, 305, BStBl II 2001, 471 = SIS 01 10 39). Das für die KG zuständige FA habe zwar den Grundlagenbescheid hinsichtlich der Beteiligung des Klägers an der KG geändert. Der Kläger könne jedoch nicht nachweisen, dass dies auch zu einer Änderung des Einkommensteuerbescheids 1975 führen müsse.

 

Eine gesetzlich festgelegte Regel über die Verteilung der Feststellungslast fehle für den Steuerprozess. Nach der Rechtsprechung des BFH trage jedoch der Steuerpflichtige die Feststellungslast für die Tatsachen, die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen begründen oder einen Steueranspruch aufheben oder einschränken (Urteil vom 7.7.1983 VII R 43/80, BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760 = SIS 83 18 44). Diese Regel gelte nicht nur für Steuerermäßigungen, sondern für alle Tatsachen, die einen Steueranspruch einschränkten. Damit trage der Kläger die Feststellungslast dafür, dass der bisherige Ansatz der Einkünfte aus seiner KG-Beteiligung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1975 unzutreffend sei. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht. Es könne nicht festgestellt werden, dass im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 1975 andere Einkünfte aus der KG-Beteiligung angesetzt worden seien als nun durch den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid verbindlich vorgeschrieben. Auch würden Angaben über die bisherige Höhe der Einkommensteuerfestsetzung fehlen.

 

Der Kläger könne nicht geltend machen, dass das FA die Steuerakten des Streitjahres hätte aufbewahren müssen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Steuerakten ergebe sich kein Hinweis auf ein finanzgerichtliches Verfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1975.

 

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von Verfahrensvorschriften. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO beinhalte eine absolute Anpassungsverpflichtung, die allein dem FA obliege. Die geänderte Besteuerungsgrundlage aus der KG-Beteiligung des Klägers sei bekannt. Die unbekannten anderen Besteuerungsgrundlagen seien zu schätzen. Soweit das FA bestreite, den Veräußerungsgewinn in Höhe von 40.974,53 DM der Besteuerung 1975 zugrunde gelegt zu haben, treffe es die Feststellungslast. Zu berücksichtigen sei obendrein, dass ein Verschulden für die Vernichtung der Akten ausschließlich die Finanzverwaltung treffe. Hätte das Betriebsstätten-FA den Kläger zum Verfahren hinzugezogen, hätte dieser nicht seine Akten vernichtet. Hätte das Betriebsstätten-FA das Wohnsitz-FA pflichtgemäß über den Prozess unterrichtet, hätte auch dieses seine Unterlagen nicht vernichtet.

 

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und das Verfahren an das FG zurückzuverweisen bzw. die Einkommensteuer um 10.244 DM herabzusetzen.

 

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Zu Unrecht hat dieses erkannt, dass die Einkommensteuerfestsetzung des Klägers für das Kalenderjahr 1975 nicht zu ändern ist.

 

1. Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO, dem Bindungswirkung für diesen Bescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird.

 

Diese Bindungswirkung beinhaltet, dass das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige FA verpflichtet ist, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 28.11.2001 X R 23/97, BFH/NV 2002, 614 = SIS 02 62 04). § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO begründet eine „absolute Anpassungsverpflichtung“ (Pahlke/Koenig, Abgabenordnung § 175 Rz 22). Die Vorschrift stellt die Anpassung des Folgebescheids mithin nicht in das Ermessen der Finanzbehörden. Sie bezweckt die Ermittlung und Festsetzung der zutreffenden Steuer, wobei sie der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids den Vorrang vor der Bestandskraft eines bereits ergangenen Folgebescheids einräumt (Senatsurteil vom 16.7.2003 X R 37/99, BFHE 203, 14, BStBl II 2003, 867 = SIS 03 46 52).

 

2. Tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist, dass ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für den Folgebescheid erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Dies bedeutet: Im Umfang der in § 182 Abs. 1 AO festgelegten Bindungswirkung (dies ergibt sich aus der Formulierung „soweit ...“ in beiden Vorschriften) muss es entweder zu einer erstmaligen Regelung oder zu einer inhaltlichen Veränderung des bisherigen Regelungszustandes kommen (Senatsurteil in BFHE 194, 305, BStBl II 2001, 471 = SIS 01 10 39).

 

3. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Klägers nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vor.

 

a) Zwischen den Beteiligten unstreitig wurde für den Kläger in den Gewinnfeststellungsbescheiden 1975 vom 17.7.1984/ 30.4.1986 bzw. 30.3.1988 ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 40.974,53 DM festgestellt. Im Feststellungsbescheid vom 23.12.2002 wurden hingegen die Einkünfte des Klägers aus seiner KG-Beteiligung für das Kalenderjahr 1975 mit 0 DM angesetzt.

 

b) Der Umstand, dass wegen der Vernichtung der Steuerakten des Klägers nicht geklärt werden kann, ob die ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheide 1975, mit denen ein Veräußerungsgewinn des Klägers festgestellt wurde, vom FA ausgewertet wurden, kann nicht zu Lasten des Klägers gehen. Das FG hat insoweit die Verteilung der Beweislast verkannt.

 

aa) Nachdem das FG die Auswertung der ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheide 1975 als nicht erwiesen erachtet hat und es insoweit von einer nicht behebbaren Ungewissheit („non liquet“) ausgegangen ist, hat es seine Entscheidung zu Recht davon abhängig gemacht, welchen der Beteiligten die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trifft. Im finanzgerichtlichen Verfahren gibt es zwar keine gesetzlich festgelegten Regeln über die Verteilung der objektiven Beweislast. Grundsätzlich trifft jedoch die Finanzbehörde die Feststellungslast für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen, den Steuerpflichtigen hingegen die für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen (sog. Beweislastgrundregel; vgl. BFH-Urteil vom 25.7.2000 IX R 93/97, BFHE 192, 241, BStBl II 2001, 9 = SIS 00 14 49).

 

bb) Diese Regelung gilt aber nicht ohne Ausnahme (BFH-Urteil in BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760 = SIS 83 18 44, m.w.N.). Eine Abkehr von der Beweislastgrundregel ist beispielsweise dann geboten, wenn sich die Nichterweislichkeit auf eine Tatsache bezieht, die im alleinigen Willens- und Wissensbereich des Inanspruchgenommenen liegt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.1.1998 VII R 57/97, BFH/NV 1998, 893, m.w.N.). Auch die unzureichende Erfüllung der Mitwirkungspflichten nach § 90 AO kann bei der Verteilung der objektiven Beweislast eine Rolle spielen (BFH-Urteil vom 22.9.2004 III R 9/03, BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160 = SIS 05 02 14). Bei atypischen Geschehensabläufen kann bei der Beweislastverteilung von Bedeutung sein, in wessen Sphäre sich dieser Geschehensablauf ereignet (BFH-Urteil vom 23.1.2002 XI R 55/00, BFH/NV 2002, 1009 = SIS 02 86 12).

 

cc) Es kann dahinstehen, ob - wie der Kläger im Revisionsverfahren vorträgt - das FA nach der Beweislastgrundregel die Feststellungslast dafür trägt, dass es in der ursprünglichen Steuerfestsetzung für das Streitjahr 1975 trotz der in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO begründeten „absoluten Anpassungsverpflichtung“ pflichtwidrig statt eines Veräußerungsgewinns von 40.974,53 DM 0 DM angesetzt hat, weil es eine für die Finanzbehörde günstige Tatsache ist, oder ob die objektive Beweislast nach der Grundregel - wie das FA meint - dem Kläger obliegt, weil er eine Minderung der gegen ihn festgesetzten Steuer begehrt. Im Streitfall trägt in jedem Fall das FA die Feststellungslast für die Behauptung, dass in der ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzung 1975 der anfänglich festgestellte Veräußerungsgewinn nicht berücksichtigt worden ist.

 

Trotz der bundeseinheitlichen Regelung, wonach Steuerakten nach Ablauf einer zehnjährigen Aufbewahrungsfrist zu vernichten sind, hätte das FA im Streitfall die Einkommensteuerakten des Klägers für das Streitjahr 1975 wegen des anhängigen Klageverfahrens gegen den Feststellungsbescheid aufbewahren müssen. Dies hat das FA unterlassen, weil es pflichtwidrig vom Betriebsstätten-FA nicht über das gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1975 anhängige Einspruchs- bzw. Klageverfahren informiert wurde. Zudem hat das Betriebsstätten-FA den Kläger - der wegen der Vollbeendigung der KG einspruchsbefugt war - entgegen § 360 Abs. 3 AO nicht zum Einspruchsverfahren hinzugezogen. Die Ursachen für die Vernichtung sowohl der Steuerunterlagen des Klägers als auch der Einkommensteuerakten des FA für das Streitjahr 1975 sind somit in der Sphäre der Verwaltung zu finden. Außerdem hat das FG die notwendige Beiladung des Klägers zum Klageverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1975 versäumt. Dies darf ihm nicht zum Nachteil gereichen.

 

Im Urteil in BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760 = SIS 83 18 44 hat der VII. Senat des BFH erkannt, dass der Steuerpflichtige seiner Feststellungslast durch Vorlage der zu ändernden Steuerbescheide nachkommt, wenn sich aus diesen die Besteuerungsmerkmale ergeben. Aus dieser Entscheidung kann jedoch - entgegen der Auffassung des FA - nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass der Steuerpflichtige seiner Feststellungslast dann nicht genügt, wenn er die bisherige Steuerfestsetzung durch Vorlage eines Steuerbescheids, einer Einspruchsentscheidung etc. nicht belegen kann.

 

4. Das FG wird im zweiten Rechtsgang das zu versteuernde Einkommen des Klägers im Jahr 1975 unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns aus der KG-Beteiligung in Höhe von 40.974,53 DM zu schätzen und der so ermittelten Einkommensteuer die Steuerbelastung des Klägers beim Ansatz eines Veräußerungsgewinns von 0 DM gegenüberzustellen haben.

 

Bei der Schätzung, die zu einem schlüssigen, wirtschaftlich möglichen und vernünftigen Ergebnis der laufenden Einkünfte des Klägers führen muss (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.1.1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594, 597 = SIS 93 16 30), kann das FG - ähnlich dem Verfahren für die Annahme eines Streitwerts im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, in denen die einkommensteuerlichen Auswirkungen nicht in tatsächlicher Höhe zu berechnen sind - davon ausgehen, dass sich nur Steuerpflichtige mit einer hohen Steuerbelastung an Abschreibungsgesellschaften beteiligen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13.5.1986 IV E 2/86, BFH/NV 1988, 110). Zudem ist zu berücksichtigen, dass im Streitjahr Veräußerungsgewinne nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes a.F. mit dem halben Steuersatz zu versteuern waren.