Sachaufklärungspflicht, Hinweispflicht, Recht auf Gehör: 1. Die schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung verstoßen, erfordert die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG hätte erheben müssen, wo Tatsachen vorgetragen waren aus denen sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche Erhebung von Beweisen aller Voraussicht nach gehabt hätte und inwieweit die unterlassene Beweiserhebung oder Ermittlungsmaßnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Außerdem muss vorgetragen werden, dass der Verstoß in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine derartige Rüge nicht möglich war. - 2. Der Verzicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens kann eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht beinhalten, sofern dem FG die erforderliche eigene Sachkunde fehlt und dargelegt wird, dass das Urteil des FG bei Einholung des Sachverständigengutachtens anders ausgefallen wäre. - 3. Die Rüge, das FG habe die Hinweispflicht verletzt, erfordert die substantiierte Darlegung, was ohne eine solche Verletzung noch Entscheidungserhebliches vorgetragen worden wäre. - 4. Weder § 76 Abs. 2 FGO noch der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das FG darauf hinzuweisen, dass es den Sachverhalt anders beurteilt als ein Beteiligter. - Urt.; BFH 10.10.2007, IV B 130, 131/06, BFH/NV 2008 S. 233; SIS 08 07 82
Vorinstanz: FG
Nürnberg 19.10.2006 VII 87/2006, VII 88/2006
I. Der
Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den
Streitjahren (1996 bis 1999) mit Unterbrechungen ganztags als
… nichtselbstständig tätig. Darüber hinaus
war er Pächter des landwirtschaftlichen Betriebs seiner Eltern
mit einer landwirtschaftlichen Fläche von 11,9585 ha.
Außerdem bewirtschaftete er eine zugepachtete Fläche von
2,78 ha. Nach einer vom Finanzgericht (FG) eingeholten Auskunft des
Landwirtschaftsamtes X baute der Kläger - ähnlich wie im
Streitjahr 1996 - in den Streitjahren 1997 bis 1999 ca. 4,44 bis
5,15 ha Getreide, ca. 1,33 bis 1,70 ha Silomais, über 6 ha
Kleegras, ca. 0,1 bis 0,62 ha Kartoffeln und teilweise 0,01 bis
0,03 ha Futterrüben an. Außerdem wurden in allen
Streitjahren durchschnittlich vier Milchkühe, sechs
Mutterkühe, drei männliche Rinder, 16 bzw. 27 Schafe und
eine Mutterziege gehalten.
Der
Kläger lebte im Haushalt seiner Eltern. Sowohl der Vater des
Klägers, geboren am ... 1927, als auch seine Mutter, geboren
am ... 1934, arbeiteten im landwirtschaftlichen Betrieb
unentgeltlich mit. Bis Oktober 1998 lebte auch der Bruder des
Klägers, der ebenfalls einer ganztägigen
Beschäftigung nachging, im Haushalt der Eltern.
Der Beklagte
und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) ermittelte den Gewinn
des Klägers nach § 13a des Einkommensteuergesetzes
(EStG). Dabei setzte es gemäß § 13a Abs. 3 Satz 1
Nr. 2, Abs. 5 EStG - in der in den Streitjahren geltenden Fassung -
den Wert der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers (Klägers)
und seiner Mutter mit insgesamt 0,6 einer Vollarbeitskraft (VAK)
an. Die Einsprüche des Klägers blieben im Streitpunkt
ohne Erfolg.
Mit seinen
Klagen begehrte der Kläger zuletzt noch, den Wert der
Arbeitsleistung mit lediglich 0,2 VAK anzusetzen. Das FG wies die
Klagen nach Vernehmung einer Schwester des Klägers als Zeugin
ab. Die Revision gegen seine Urteile ließ das FG nicht
zu.
Hiergegen
wendet sich der Kläger mit seinen
Nichtzulassungsbeschwerden.
II. Der Senat
verbindet die Beschwerdeverfahren IV B 130/06 (betreffend die
Einkommensteuer 1996) und IV B 131/06 (betreffend die
Einkommensteuer 1997 bis 1999) gemäß § 73 Abs. 1
Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen
Entscheidung. Beide Verfahren betreffen die gleichen
Rechtsfragen.
III. Die
Beschwerden sind - bei nicht unerheblichen Bedenken gegen ihre
Zulässigkeit - jedenfalls unbegründet und deshalb
zurückzuweisen.
1. Die geltend
gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind
zumeist nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3
Satz 3 FGO erfordert. Jedenfalls liegen sie nicht vor.
a) Das
Vorbringen des Klägers, das FG habe Beweismittel
verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, rechtfertigt
die Zulassung der Revision nicht.
aa) Eine
schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung
zur Sachverhaltsermittlung verstoßen (§ 76 Abs. 1 Satz 1
FGO), erfordert die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen
weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem
Beweisthema das FG hätte erheben müssen, wo Tatsachen
vorgetragen waren, aus denen sich dem FG die Notwendigkeit weiterer
Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte
aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche
Erhebung von Beweisen aller Voraussicht nach gehabt hätte und
inwieweit die unterlassene Beweiserhebung oder
Ermittlungsmaßnahme zu einer anderen Entscheidung des FG
hätte führen können (ständige Rechtsprechung,
vgl. aus neuerer Zeit Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
14.3.2007 VII B 175/06, BFH/NV 2007, 1716 = SIS 07 28 10; s. auch
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz
69, 70, m.w.N.). Außerdem muss vorgetragen werden, dass der
Verstoß in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine
derartige Rüge nicht möglich war (Gräber/Ruban,
a.a.O., § 120 Rz 69, 70, m.w.N.).
bb) Das
Vorbringen des Klägers wird diesen Anforderungen nicht
gerecht.
(1) Soweit der
Kläger rügt, das FG habe Frau Y nicht als Zeugin
vernommen, fehlt es schon an der Darlegung, dass der - sachkundig
vertretene - Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem
FG einen Antrag auf Vernehmung der Zeugin gestellt oder das
Übergehen eines schriftsätzlich bereits gestellten
Beweisantrags gerügt hat. Nach dem Protokoll über die
mündliche Verhandlung vor dem FG hat der
Prozessbevollmächtigte des Klägers weder eine
Beweiserhebung beantragt noch die Nichterhebung angebotener Beweise
gerügt. Ebenso wenig hat der Kläger dargelegt, warum ihm
eine solche Rüge ggf. nicht möglich gewesen sein sollte.
Nach der Sitzungsniederschrift hat der Prozessbevollmächtigte
des Klägers rügelos zur Sache verhandelt und die
Klageanträge gestellt. Auf das Rügerecht ist damit
wirksam verzichtet worden (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der
Zivilprozessordnung - ZPO - ).
(2) Die
Rüge, das FG hätte auch ohne entsprechenden Antrag ein
Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand der Mutter
des Klägers einholen müssen, ist ebenfalls
unschlüssig. Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt,
warum sich - mangels eines Beweisantrags - dem FG die Einholung
eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen
müssen, zumal die vom FG ursprünglich als Zeugin geladene
Mutter des Klägers dem Gericht bereits vor dem Termin zur
mündlichen Verhandlung mitgeteilt hatte, sie mache von ihrem
Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Mutter des Klägers war
aufgrund ihres Zeugnisverweigerungsrechts (§ 84 Abs. 1 FGO
i.V.m. § 101 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung) auch nicht
verpflichtet, die Begutachtung ihres Gesundheitszustands durch
einen Sachverständigen zu dulden (vgl. § 155 FGO i.V.m.
§ 144 ZPO). Im Übrigen hat der Kläger nicht
dargelegt, dass er die Nichterhebung des
Sachverständigenbeweises in der mündlichen Verhandlung
gerügt hat oder warum ihm eine solche Rüge nicht
möglich war.
(3) Soweit der
Kläger geltend macht, das FG habe verfahrensfehlerhaft ohne
„jegliche medizinische Fachkenntnis“
gemutmaßt, durch körperliche Bewegung sei einer
Thrombosegefahr vorzubeugen, ist dem Kläger zwar darin
zuzustimmen, dass der Verzicht auf die Einholung eines
Sachverständigengutachtens eine Verletzung der
Sachaufklärungspflicht i.S. des § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO
beinhalten kann, sofern dem FG die erforderliche eigene Sachkunde
fehlt (vgl. BFH-Beschluss vom 5.5.2004 VIII B 107/03, BFH/NV 2004,
1533 = SIS 04 38 77, m.w.N.). Der Kläger hat jedoch nicht
dargelegt, dass das Urteil des FG bei Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob körperliche
Bewegung einer Thrombosegefahr vorbeuge, anders ausgefallen
wäre. Hiervon kann auch nicht ausgegangen werden, weil es das
FG schon nicht als erwiesen angesehen hat, dass die Mutter des
Klägers in den Streitjahren überhaupt an einer
wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung litt. Die vom
Kläger in der Beschwerdebegründung wiedergegebene Aussage
der Zeugin Z zum Gesundheitszustand der Mutter ist der
Sitzungsniederschrift nicht zu entnehmen. Einen Antrag auf
Berichtigung des Protokolls (§ 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO)
hat der Kläger nicht gestellt. Er hat im Rahmen der
Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht dargetan, warum er hiervon
abgesehen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 23.9.1998 I B 53/98, BFH/NV
1999, 458 = SIS 98 51 34, unter 2. der Gründe).
b) Der
Kläger beanstandet ferner, das FG habe es versäumt, ihm
einen Hinweis nach § 76 Abs. 2 FGO zu geben, dass er zum
Nachweis dafür, dass seine Mutter bereits aus gesundheitlichen
Gründen nicht in der Lage gewesen sei, im Betrieb
mitzuarbeiten, ein ärztliches Attest vorlegen solle. Hierdurch
sei auch sein Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des
Grundgesetzes - GG -, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Dieser
Vortrag entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von
Verfahrensfehlern.
Soweit die
Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO)
geltend gemacht wird, fehlt es an der erforderlichen
substantiierten Darlegung, was der Kläger ohne eine solche
(von ihm angenommene) Verletzung noch Entscheidungserhebliches
vorgetragen hätte. Der Kläger hätte in seiner
Beschwerde zumindest ausführen müssen, ob und wie es ihm
tatsächlich möglich gewesen wäre, die von ihm
behauptete Erkrankung seiner Mutter in den Streitjahren durch ein
ärztliches Attest zu belegen. Aus den gleichen Gründen
hat auch die vom Kläger erhobene Gehörsrüge keinen
Erfolg.
c) Die
Rüge, das FG hätte den Kläger darauf hinweisen
müssen, dass es seinen Angaben und den Bekundungen der Zeugin
Z nicht folge, greift ebenfalls nicht durch. Denn weder § 76
Abs. 2 FGO noch der Anspruch auf rechtliches Gehör
verpflichten das FG, darauf hinzuweisen, dass es den Sachverhalt
anders beurteilt als ein Beteiligter (vgl. BFH-Beschlüsse vom
26.6.2003 IV B 195/01, BFH/NV 2003, 1437 = SIS 03 46 19, und vom
29.4.2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303 = SIS 04 33 26, unter II.5.
der Gründe). Das FG ist auch nicht verpflichtet, seine
vorläufige Beweiswürdigung oder das Ergebnis einer
Gesamtwürdigung zahlreicher Einzelumstände offen zu legen
(vgl. BFH-Beschluss vom 10.9.2003 X B 132/02, BFH/NV 2004, 495 =
SIS 04 11 18; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 56,
m.w.N.).
d) Ohne Erfolg
bleibt letztlich auch die Rüge, das FG habe dem Kläger
sowie der Zeugin Z keine Gelegenheit gegeben, zur
Berufstätigkeit des Vaters vor Eintritt in das Rentenalter
vorzutragen bzw. auszusagen. Zum einen ist nicht dargelegt, warum
der Kläger sowie sein Prozessbevollmächtigter gehindert
gewesen sein sollte, hierzu alles Erforderliche vorzutragen und
ihrerseits die Zeugin zur früheren Berufstätigkeit des
Vaters zu befragen. Zum anderen hat der Kläger nicht
dargelegt, dass das Urteil der Vorinstanz anders ausgefallen
wäre, wenn das FG davon ausgegangen wäre, der Vater des
Klägers sei Vollerwerbslandwirt gewesen.
2. Die
(sinngemäß) erhobene Rüge, das Urteil der
Vorinstanz weiche bezüglich des vom FG zugrunde gelegten Werts
der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers von der Rechtsprechung des
BFH ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO), ist nicht
annähernd schlüssig. Hierzu wäre - woran es
vorliegend fehlt - erforderlich gewesen, dass die Beschwerde in
nachvollziehbarer Weise erläutert, dass das vorinstanzliche
Urteil auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem
gleichfalls tragenden Rechtssatz einer konkret benannten
Entscheidung des BFH abweicht (Gräber/Ruban, a.a.O., §
116 Rz 42, m.w.N.).
DokEnde
BFH(NV) <10.10.2007 IV B 130, IV B 131/06