Ausgelagertes Optionsmodell, Risikoausgleich, Sachbezug: Leistet der Arbeitgeber im Rahmen eines ausgelagerten Optionsmodells zur Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer Zuschüsse an einen Dritten als Entgelt für die Übernahme von Kursrisiken, so führt dies bei den Arbeitnehmern zu Sachlohn, wenn die Risikoübernahme des Dritten auf einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beruht. - Urt.; BFH 13.9.2007, VI R 26/04; SIS 08 04 28
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft, die ihren
Arbeitnehmern Vermögensbeteiligungen in zwei Modellvarianten
anbot. Die erste Variante sah die steuerbegünstigte
Überlassung von Aktien nach § 19a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) vor. Im Rahmen der zweiten Variante
(Innovatives Modell) bestand für die Arbeitnehmer der
Klägerin und ihrer Konzernunternehmen die Möglichkeit,
sich an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft
(Beteiligungs-GbR) zu beteiligen. Alleiniger Geschäftszweck
der Beteiligungs-GbR war es, ein Paket Aktien der Klägerin zu
erwerben, zu halten und zu verwalten. Die Arbeitnehmer erhielten
für eine Bareinlage von 300 DM einen Anteil am Aktienpaket im
Emissionswert von 1.500 DM. Der Differenzbetrag von 1.200 DM wurde
durch ein verzinsliches Darlehen der X (Bank) an die
Beteiligungs-GbR finanziert. Zur Verwaltungsoptimierung und
Risikoverlagerung wurde das Aktienpaket der Beteiligungs-GbR im
Rahmen einer Wertpapierleihe gegen Kompensationszahlungen und eine
Leihgebühr auf die Bank übertragen. Während der
Dauer der Wertpapierleihe konnte die Bank über die geliehenen
Aktien frei verfügen. Anstelle der jährlichen Zinszahlung
konnte die Beteiligungs-GbR wahlweise ihre Ansprüche aus der
Wertpapierleihe an Erfüllungs Statt an die Bank abtreten. Das
Darlehen hatte eine Laufzeit von etwas mehr als fünf Jahren.
So lange sollte auch die Beteiligungs-GbR bestehen. Am Laufzeitende
war das Darlehen an die Bank zurückzuzahlen, wobei der
Rückzahlungsbetrag von der Notierung der Aktie der
Klägerin am Rückzahlungstag abhängig war. Lag der
Wert der Aktie unter dem Wert bei Darlehensabschluss, fiel der
Rückzahlungsbetrag um den Unterschiedsbetrag, so dass die
Arbeitnehmer ihre Bareinlage von 300 DM in voller Höhe
zurückerhielten. Für die Übernahme des Kursrisikos
und die Gewährleistung der Rückzahlung der Bareinlage
zahlte die Klägerin der Bank einen Modellkostenzuschuss
(Zuschuss) von insgesamt 220 DM für jeden beteiligten
Arbeitnehmer, der bis zum Laufzeitende der Beteiligungs-GbR in
monatlichen Teilbeträgen geleistet wurde.
Im Anschluss an eine
Lohnsteuer-Außenprüfung sah der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) den Zuschuss für
die Streitjahre (1996 und 1997) als steuerpflichtigen Arbeitslohn
an, da der Zuschuss eine Kostenerstattung seitens der Klägerin
gegenüber den Arbeitnehmern für die Absicherung des
Kursrisikos durch die Bank darstelle. Das FA erließ einen
Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer nebst
Annexsteuern in Höhe von … DM. Hiervon entfielen ein
Teilbetrag in Höhe von … DM auf die Nachforderung von
Lohnsteuer nebst Annexsteuern für 1996 und 1997, die die
geleisteten Zuschüsse betraf, und ein weiterer Teilbetrag in
Höhe von … DM auf die Nachforderung von Lohnsteuer
nebst Annexsteuern für die steuerbegünstigte
Überlassung von Aktien nach § 19a EStG.
Nach erfolglosem Vorverfahren erhob die
Klägerin Klage gegen die Lohnsteuer-Nachforderung für die
geleisteten Zuschüsse und die steuerbegünstigte
Überlassung von Aktien nach § 19a EStG. Das Finanzgericht
(FG) gab der Klage mit den in EFG 2004, 1368 = SIS 04 25 89
veröffentlichten Gründen statt. Zur Begründung
führte das FG hinsichtlich der geleisteten Zuschüsse aus,
der Zuschuss der Klägerin bilde einen steuerfreien Sachbezug
nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in der in den Streitjahren
geltenden Fassung (a.F.). Die Revision wurde vom FG nur
hinsichtlich dieses Streitpunkts zugelassen.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit eine über den -
für die steuerbegünstigte Überlassung von Aktien
nach § 19a EStG nachgeforderten - Betrag von … DM
hinausgehende Reduzierung des Nachforderungsbescheides beantragt
wird.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
1. Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 1
Satz 1 FGO liegt nicht vor. Der Senat hat die vom FA erhobene
Verfahrensrüge geprüft. Er erachtet sie nicht für
durchgreifend und sieht insoweit von einer Begründung ab
(§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
2. Das FG hat den von der Klägerin an die
Bank gezahlten Zuschuss zutreffend als steuerfreien Sachbezug
angesehen und den Haftungs- und Nachforderungsbescheid des FA
insoweit zu Recht aufgehoben.
a) Zum Arbeitslohn gehören nach § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle geldwerten
Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werden. Zu den geldwerten
Vorteilen gehören neben Einnahmen in Geld auch Güter in
Geldeswert (Sachbezüge). Sachbezüge, die nach § 8
Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewerten sind, bleiben gemäß
§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG a.F. außer Ansatz, wenn die
geldwerten Vorteile des Steuerpflichtigen insgesamt 50 DM im
Kalendermonat nicht übersteigen.
Eine - die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz
9 EStG a.F. ausschließende - Einnahme in Geld i.S. des §
8 Abs. 1 EStG liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber eine Zahlung an
einen Gläubiger des Arbeitnehmers leistet und dadurch in
Abkürzung des Zahlungswegs eine Forderung des Gläubigers
gegen den Arbeitnehmer getilgt wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 20.8.1997 VI B 83/97, BFHE 183, 568, BStBl II 1997, 667
= SIS 97 22 52; Urteile vom 26.11.2002 VI R 161/01, BFHE 201, 130,
BStBl II 2003, 331 = SIS 03 11 62; vom 27.10.2004 VI R 51/03, BFHE
207, 314, BStBl II 2005, 137 = SIS 05 03 73). Die Annahme einer
Barlohnzuwendung im abgekürzten Zahlungsweg setzt voraus, dass
zwischen dem Arbeitnehmer und dem Zahlungsempfänger
hinsichtlich der von diesem zu erbringenden Leistung ein
Vertragsverhältnis besteht. Ist dagegen der Arbeitgeber
Vertragspartner des Leistungserbringers, liegt beim Arbeitnehmer
ein Sachbezug vor (Schmidt/ Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 8 Rz
30; Adamek in Bordewin/ Brandt, § 8 EStG Rz 9; Bergkemper,
Anm. in Finanzrundschau - FR - 2006, 1134; Kanzler, Anm. in FR
2002, 590; MIT, Anm. in DStR 2003, 732; vgl. BFH-Urteile in BFHE
201, 130, BStBl II 2003, 331 = SIS 03 11 62; in BFHE 207, 314,
BStBl II 2005, 137 = SIS 05 03 73).
b) Nach diesen Grundsätzen ist das
angefochtene Urteil des FG revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
aa) Der von der Klägerin an die Bank
gezahlte Zuschuss gehört zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Zuschuss begründet einen geldwerten
Vorteil, der den Arbeitnehmern für eine Beschäftigung bei
der Klägerin bzw. ihrem Konzernunternehmen gewährt wurde.
Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der
Senat mangels zulässiger und begründeter
Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), wurde
der Zuschuss von der Klägerin ausschließlich für
eigene Arbeitnehmer und Arbeitnehmer ihrer Konzernunternehmen
gezahlt. Die Veranlassung durch das
Beschäftigungsverhältnis schließt eine Zuordnung
des Zuschusses zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach
§ 20 Abs. 1 und 2 EStG aus.
Der Klägerin ist nicht darin zu folgen,
dass die Zahlung des Zuschusses in ganz überwiegend
eigenbetrieblichem Interesse erfolgt sei. Denn das Interesse der
Klägerin daran, über eine hohe Mitarbeiterbeteiligung zum
Erfolg des Börsengangs beizutragen, ist allenfalls als
gleichwertig zum Interesse der Arbeitnehmer anzusehen, dass durch
die Bank das Kursrisiko für die über die Beteiligungs-GbR
erworbenen Aktien der Klägerin übernommen und die
Rückzahlung der Einlage in die Beteiligungs-GbR sichergestellt
wurde (vgl. BFH-Urteil vom 4.6.1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl
II 1993, 687 = SIS 93 16 59, unter 2. a der Gründe).
bb) Entgegen der Auffassung des FA führt
der an die Bank gezahlte Zuschuss der Klägerin bei den
Arbeitnehmern nicht zu Einnahmen in Geld i.S. des § 8 Abs. 1
EStG, sondern zu einem Sachbezug nach § 8 Abs. 2 Satz 1
EStG.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des
FG leistete die Klägerin den Zuschuss aufgrund einer eigenen
Verpflichtung gegenüber der Bank. Der Zuschuss bildete danach
das Entgelt dafür, dass die Bank das Risiko aus der
Wertentwicklung der von den Arbeitnehmern über die
Beteiligungs-GbR erworbenen Aktien der Klägerin übernahm
und zugleich für die Arbeitnehmer über die gesamte
Laufzeit des Innovativen Modells die Rückzahlung der in die
Beteiligungs-GbR geleisteten Einlage sicherstellte. Die von der
Bank gegenüber den Arbeitnehmern erbrachten Dienstleistungen
beruhten auf vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin.
Zwischen der Bank und den einzelnen Arbeitnehmern bestanden - im
Gegensatz zur Auffassung des FA auch nicht über die
Beteiligungs-GbR - im Hinblick auf den Zuschuss keine
eigenständigen Rechtsbeziehungen. Die Klägerin hat damit
durch den Zuschuss nicht lediglich eine fremde Dienstleistung im
abgekürzten Zahlungsweg finanziert, sondern den Arbeitnehmern
selbst über die Bank eine Dienstleistung verschafft (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 201, 130, BStBl II 2003, 331 = SIS 03 11 62;
MIT, Anm. in DStR 2003, 732).
cc) Der den Arbeitnehmern in den Streitjahren
als Sachbezug zugeflossene Arbeitslohn liegt unterhalb der
Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG a.F.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des
FG wurde der Zuschuss von insgesamt 220 DM von der Klägerin ab
dem Streitjahr 1996 monatlich anteilig über etwas mehr als
fünf Jahre an die Bank gezahlt. Als Gegenleistung
übernahm die Bank bereits in den Streitjahren gegenüber
den Arbeitnehmern das Kursrisiko der Aktien der Klägerin und
sicherte die Rückzahlung der Einlage der Arbeitnehmer in die
Beteiligungs-GbR. Das FG hat daher zutreffend angenommen, dass den
Arbeitnehmern in den Streitjahren Sachbezüge in Höhe der
monatlich anteilig an die Bank gezahlten Zuschüsse zugeflossen
sind.
Auf die Sachbezüge der Arbeitnehmer ist
im Streitfall § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG a.F. anwendbar, da sich
die Bewertung der Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG
richtet. Die monatlich anteilig gezahlten Zuschüsse der
Klägerin überstiegen - in Ermangelung weiterer
Sachbezüge - die danach geltende Freigrenze von 50 DM nicht,
so dass die Sachbezüge der Arbeitnehmer steuerfrei
blieben.