Sicherungsübereignung, Verwertung nach Insolvenzverfahren, Doppelumsatz: 1. Die Veräußerung eines sicherungsübereigneten Gegenstands durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten führt zu einem sog. Doppelumsatz, nämlich zu einer Lieferung des Sicherungsnehmers an den Erwerber (Dritten) und zugleich zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. - 2. Hat der Sicherungsnehmer einen sicherungsübereigneten Gegenstand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Besitz genommen, aber erst nach der Eröffnung verwertet, liegt keine "Lieferung eines sicherungsübereigneten Gegenstands durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens" i.S. des § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG vor. - Urt.; BFH 19.7.2007, V B 222/06; SIS 07 34 83
I. Der Kläger und
Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter
über das Vermögen der N-AG (AG). Diese war im
Speditionsgewerbe tätig und hatte im ersten Halbjahr 2002 die
Anschaffung von 17 Nutzfahrzeugen über die X-Bank finanziert
und dieser die Fahrzeuge als Sicherheit bis zur Tilgung der
Darlehen übereignet.
Am 18.11.2002 stellte die AG einen Antrag
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin kündigte
die Bank mit Schreiben vom 22.11.2002 sämtliche
Darlehensverträge mit sofortiger Wirkung. Am selben Tag
übergab die AG der Bank die Fahrzeuge zum Zwecke der
Verwertung.
Der am 26.11.2002 zum vorläufigen
Insolvenzverwalter bestellte Kläger stimmte einer Verwertung
der Fahrzeuge durch die Bank am 12.12.2002 zu.
Am 1.1.2003 wurde das Insolvenzverfahren
über das Vermögen der AG eröffnet und der
Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Am 29.1.2003 veräußerte die Bank
die Fahrzeuge und erteilte der AG eine Gutschrift in Höhe von
826.270 EUR zuzüglich 16 % Umsatzsteuer in Höhe von
132.203,20 EUR.
Mit berichtigter Umsatzsteuer-Voranmeldung
für Januar 2003 erklärte der Kläger die Umsätze
aus der Veräußerung der Fahrzeuge, legte hiergegen
jedoch zugleich Einspruch ein mit der Begründung, die
Umsätze seien bereits in der Umsatzsteuer-Voranmeldung
für Dezember 2002 zu berücksichtigen.
Der Einspruch gegen die
Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2003 sowie die Klage
gegen den mittlerweile ergangenen Umsatzsteuerjahresbescheid
für 2003 blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte zur
Begründung im Wesentlichen aus, die Veräußerung des
Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer (hier: die X-Bank) an
einen Dritten führe nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) zu einem sog. Doppelumsatz, nämlich zu
einer Lieferung des Sicherungsnehmers (hier: die X-Bank) an den
Erwerber (Dritten) und zugleich zu einer Lieferung des
Sicherungsgebers (hier: die AG) an den Sicherungsnehmer (hier: die
X-Bank). Im Streitfall habe erst die Veräußerung der
Fahrzeuge am 29.1.2003 durch die X-Bank - und nicht bereits die
Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu einer
Veräußerung der Fahrzeuge am 12.12.2002 - zu Lieferungen
der AG an die X-Bank geführt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er beantragt Zulassung
der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache
gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
(FGO).
II. Die Beschwerde des Klägers ist
unbegründet.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung
der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache liegen nicht
vor.
1. Die Zulassung der Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO) setzt u.a. voraus, dass die von dem Kläger
hervorgehobene Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren
klärungsbedürftig und (im Streitfall) klärbar ist
(vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28.11.1997 V B 90/97, BFH/NV
1998, 628 = SIS 98 08 48; vom 3.3.2006 V B 80/05, BFH/NV 2006, 1250
= SIS 06 25 56).
2. Der Kläger hält folgende
Rechtsfrage für klärungsbedürftig:
|
„Führt die
‘Freigabe’ durch einen vorläufigen
Insolvenzverwalter, d.h. die gleichzeitige körperliche
Übergabe von Sicherungsgut an den Sicherungsnehmer und der
Verzicht auf das Auslöserecht - ungeachtet einer späteren
Verwertung des Sicherungsnehmers nach Verfahrenseröffnung gem.
§ 173 Abs. 1 InsO - zu einer Verwertung außerhalb des
Insolvenzverfahrens i.S. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
UStG?“
|
3. Diese Frage hat keine grundsätzliche
Bedeutung, weil sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH
geklärt ist (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 14.3.2006
IV B 14/05, BFH/NV 2006, 1253 = SIS 06 25 59; vom 7.6.2006 II B
129/05, BFH/NV 2006, 1616 = SIS 06 33 84). Sie ist zu
verneinen.
a) Wie der Senat im Beschluss vom 13.2.2004 V
B 110/03 (BFH/NV 2004, 832 = SIS 04 29 86, m.w.N.) dargelegt hat,
kommt es mit der Veräußerung des Sicherungsgutes durch
den Sicherungsnehmer an einen Dritten für Rechnung des
Sicherungsgebers zu zwei Lieferungen: Der Sicherungsnehmer liefert
an den Erwerber und der Sicherungsgeber liefert an den
Sicherungsnehmer; erst mit dem Zeitpunkt der Veräußerung
an den Erwerber ist der Gegenstand (auch wirtschaftlich)
endgültig aus dem Vermögen des Sicherungsgebers
ausgeschieden. Eine Vereinbarung, nach der der Sicherungsgeber dem
Sicherungsnehmer das Sicherungsgut zur Verwertung frei gibt und auf
sein Auslösungsrecht verzichtet, stellt noch keine Lieferung
des Sicherungsguts an den Sicherungsnehmer dar.
b) Die in dem Beschluss zitierte
Rechtsprechung, die das FG zutreffend auch im Streitfall angewendet
hat, ist zwar unter Geltung der Konkursordnung ergangen. Entgegen
der Ansicht des Klägers ist diese Rechtsprechung aber auf das
Insolvenzverfahren übertragbar.
Denn die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich
(bereits) eine Lieferung vorliegt, richtet sich nach
umsatzsteuerrechtlichen Kriterien, nicht etwa nach konkurs- bzw.
insolvenzrechtlichen Regelungen.
c) Das Inkrafttreten des § 13b Abs. 1 Nr.
2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 in der ab 2002 geltenden Fassung
(UStG), wonach bei „Lieferungen
sicherungsübereigneter Gegenstände durch den
Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des
Insolvenzverfahrens“ die Steuer mit Ausstellung der
Rechnung entsteht (§ 13b Abs. 1 UStG) und der
Leistungsempfänger die Steuer schuldet, wenn er ein
Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen
Rechts ist (§ 13b Abs. 3 UStG), ändert an der
Maßgeblichkeit der bisherigen Abgrenzungsgrundsätze zum
Vorliegen einer Lieferung im Falle sicherungsübereigneter
Gegenstände nichts.
Die Lieferung erfolgt in Fällen der
vorliegenden Art nicht „außerhalb des
Insolvenzverfahrens“. Aus dem Umstand, dass § 173
Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) für diesen Fall keine dem
§ 170 Abs. 2 InsO entsprechende Verpflichtung des
Gläubigers zur Abführung des Umsatzsteuerbetrages an die
Masse vorsieht, kann - entgegen der Auffassung des Klägers -
nicht geschlossen werden, dass die Lieferung doch außerhalb
des Insolvenzverfahrens erfolgt (zutreffend Stadie in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz
70).
d) Auch eine analoge Anwendung des § 13b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG scheidet aus.
aa) Dem Gesetzgeber war die ständige
Rechtsprechung des BFH zum sog. Doppelumsatz bei
Veräußerung des Sicherungsgutes durch den
Sicherungsnehmer an einen Dritten bekannt, als er mit Wirkung zum
1.1.2002 - wie beim vorherigen Abzugsverfahren nach § 51 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
(UStDV) 1993/1999 - die Regelung des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
UStG auf die Lieferungen sicherungsübereigneter
Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer
auf Fälle außerhalb des Insolvenzverfahrens
begrenzte.
Hätte der Gesetzgeber die vom Kläger
befürwortete Anwendung der Vorschrift gewollt, hätte er
dies durch eine eindeutige Formulierung für Lieferungen von
zur Sicherheit übereigneten Gegenständen „durch
den Insolvenzverwalter“ klarstellen können. Daraus,
dass er dies nicht getan hat, ergibt sich, dass sämtliche
Lieferungen von Sicherungsgut während des Insolvenzverfahrens
nicht der Regelung des § 13b UStG unterworfen werden sollten
(vgl. bereits für das Abzugsverfahren: BFH in BFH/NV 1998, 628
= SIS 98 08 48).
bb) Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs
(BGH) vom 29.3.2007 IX ZR 27/06 (DB 2007, 1351, UR 2007, 583 = SIS 07 23 37) folgt nichts anderes.
Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet zwar:
„Hat der wegen sicherungsübereigneter
Gegenstände zur abgesonderten Befriedigung berechtigte
Gläubiger das Sicherungsgut vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens in Besitz genommen, aber erst nach der
Eröffnung verwertet, hat er in Höhe der wegen der
Lieferung des Sicherungsgutes an ihn angefallenen
Umsatzsteuerschuld aus dem Verwertungserlös einen Betrag in
dieser Höhe in analoger Anwendung von § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG, § 170 Abs. 2,
§ 171 Abs. 2 Satz 3 InsO an die Masse
abzuführen.“
Aus den Entscheidungsgründen des
BGH-Urteils ergibt sich jedoch, dass (auch) der BGH eine Verwertung
außerhalb des Insolvenzverfahrens i.S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG verneint, wenn
die Verwertung erst nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens erfolgt (vgl. die Urteilsgründe unter II.
1. c), und dass der BGH das von ihm im Leitsatz wiedergegebene
Ergebnis im Wesentlichen aus einer analogen Anwendung von §
170 Abs. 2 InsO herleitet (vgl. die
Urteilsgründe unter II.3.).
4. Von einer weiteren Begründung sieht
der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.