Ausfuhrerstattung, Prozesszinsen: Die im Ausfuhrerstattungsrecht vorgesehene Sanktion wegen zu Unrecht beantragter Erstattung aufgrund falscher Angaben des Ausführers ist keine Abgabe zu Marktordnungszwecken, sondern ein unselbständiger Rechnungsposten bei der Festsetzung des zustehenden Erstattungsbetrags, so dass im Fall einer erfolgreichen gerichtlichen Anfechtung der Erstattungsfestsetzung Prozesszinsen auch auf den erstrittenen Sanktionsbetrag gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG zu berechnen sind. Das gilt auch dann, wenn die angefochtene Verminderung der Erstattung einen negativen, vom Ausführer zu zahlenden Betrag ergeben hat. - Urt.; BFH 26.6.2007, VII R 53/06; SIS 07 28 52
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) hatte im Juni 1999 Rindfleisch ausgeführt und
hierfür Ausfuhrerstattung erhalten. Mit Änderungsbescheid
forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt -
HZA - ) die gewährte Erstattung zurück und setzte mit
einem weiteren Bescheid eine Sanktion gegen die Klägerin fest.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG)
hob mit rechtskräftig gewordenem Urteil sowohl den
Änderungs- als auch den Sanktionsbescheid auf. Das HZA
erstattete daraufhin sowohl die zurückgeforderte Erstattung
als auch die gezahlte Sanktion. Mit Bescheid vom Mai 2004
berechnete das HZA außerdem Prozesszinsen auf den
Erstattungsbetrag, während es die Zahlung von Prozesszinsen
auf den Sanktionsbetrag ablehnte.
Das FG gab der nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt (vgl. SIS 06 10 56) und
hob den angefochtenen Bescheid vom Mai 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung insoweit auf, als die Zahlung von
Prozesszinsen auf den Sanktionsbetrag abgelehnt worden war. Das FG
urteilte, dass sich der Anspruch der Klägerin auf
Prozesszinsen zwar nicht aus § 14 Abs. 1 (gemeint offenbar
§ 14 Abs. 2) des Gesetzes zur Durchführung der
gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 20.9.1995 (BGBl I 1995, 1146) ergebe, da die
Sanktion ersichtlich keine besondere Vergünstigung sei. Der
Anspruch folge jedoch aus § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. §
236 der Abgabenordnung (AO), denn bei der Sanktion handele es sich
um eine Abgabe zu Marktordnungszwecken. Die Sanktion sei eine
hoheitlich auferlegte Geldleistung an die öffentliche
Gemeinschaft, die Bestandteil der Ausfuhrerstattungsregelung sei
und somit zu Marktordnungszwecken erhoben werde.
Mit seiner Revision macht das HZA geltend,
dass die Sanktion im Ausfuhrerstattungsrecht nicht als Abgabe zu
Marktordnungszwecken i.S. des § 12 Abs. 1 MOG angesehen werden
könne. Wie sich aus verschiedenen gemeinschaftsrechtlichen
Verordnungen ergebe, sei es das Ziel marktordnungsrechtlicher
Abgaben, das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu
verringern und strukturelle Überschüsse zu vermeiden
sowie der Regulierung und der Stabilisierung des Marktes zu dienen,
während die Sanktion im Ausfuhrerstattungsrecht das Ziel habe,
zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehende
Unregelmäßigkeiten zu bekämpfen und den
Ausführer davon abzuschrecken, falsche Angaben bei der
Beantragung von Ausfuhrerstattung zu machen. Auch finde § 14
Abs. 2 MOG im Streitfall keine Anwendung, da diese Vorschrift
keinen Anspruch auf Verzinsung zu Unrecht erhobener Sanktionen
vorsehe.
Die Klägerin schließt sich der
Auffassung des FG an, dass es sich bei der Sanktion um eine Abgabe
zu Marktordnungszwecken handele.
Jedenfalls ergebe sich ein Anspruch auf
Prozesszinsen aus §§ 284, 291 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs.
II. Die Revision ist zurückzuweisen. Die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben zwar
eine Verletzung des bestehenden Rechts, jedoch stellt sich die
Entscheidung im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Der Anspruch der Klägerin auf
Prozesszinsen lässt sich nicht auf § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG
i.V.m. § 236 AO stützen, weil die erstattungsrechtliche
Sanktion keine Abgabe zu Marktordnungszwecken, sondern ein
unselbständiger Rechnungsposten bei der Festsetzung der dem
Ausführer zustehenden Ausfuhrerstattung ist.
Wird festgestellt, dass der Ausführer
eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat,
wird nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG)
Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27.11.1987
über gemeinsame Durchführungsvorschriften für
Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L
351/1) in der Fassung der (Änderungs-)Verordnung (EG) Nr.
2945/94 der Kommission vom 2.12.1994 (ABlEG Nr. L 310/57), diese in
der Fassung der Berichtigung gemäß ABlEG vom 16.6.1995
Nr. L 132/22, die für die tatsächliche Ausfuhr
geschuldete Erstattung vermindert um den halben Unterschied
zwischen der beantragten Erstattung und der für die
tatsächliche Ausfuhr zustehenden Erstattung. Nach dieser
Vorschrift besteht somit die für den Fall, dass ein
Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung
beantragt hat, vorgesehene Sanktion in der Verminderung seines
Erstattungsanspruchs. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87
schreibt nicht etwa vor, gleichsam neben der Rückforderung des
Differenzbetrags, der sich aus der Gegenüberstellung der
Erstattung ergibt, die beantragt worden ist, und der Erstattung,
auf die der Ausführer nach Maßgabe der Beschaffenheit
der ausgeführten Ware und des für sie geltenden,
nämlich des durch eine Satz-Verordnung festgelegten
Erstattungssatzes Anspruch hat, eine Sanktion zu erheben, sondern
die in dieser Vorschrift vorgesehene Sanktion besteht darin, dass
dem Ausführer, der falsche Angaben gemacht und eine zu hohe
Ausfuhrerstattung beantragt hat, nur eine geringere
Ausfuhrerstattung zugestanden wird, als an sich in der
Satz-Verordnung vorgesehen ist und als sie dem Ausführer
folglich zugestanden hätte, wenn er die Ausfuhrerstattung in
richtiger Höhe beantragt hätte. Art. 11 Abs. 1 VO Nr.
3665/87 ergänzt mit anderen Worten die Satz-Verordnung und
modifiziert die Erstattungsberechnung (Senatsurteil vom 26.2.2004
VII R 32/03, BFHE 204, 527, ZfZ 2004, 234 = SIS 04 18 36;
Senatsbeschluss vom 17.1.2006 VII B 308/04, BFH/NV 2006, 1170 = SIS 06 21 88).
Demnach erhält ein Ausführer, der
falsche Angaben gemacht hat und beispielsweise tatsächlich nur
die Hälfte des beantragten Erstattungsbetrags beanspruchen
kann, im Ergebnis nicht 50 %, sondern nur 25 % der beantragten
Ausfuhrerstattung bzw. er hat, falls ihm die beantragte
Ausfuhrerstattung bereits gezahlt worden ist, 75 % des
Erstattungsbetrags zurückzuzahlen. Ficht er den entsprechenden
Erstattungs- bzw. Rückforderungsbescheid an, wendet er sich
somit nicht gegen eine ihm auferlegte Abgabe, sondern streitet um
die ihm seiner Ansicht nach zustehende 100 %ige
Ausfuhrerstattung.
Etwas anderes gilt im Prinzip auch dann nicht,
wenn die Verminderung des Erstattungsanspruchs zu einem
Negativbetrag führt, den der Ausführer nach Art. 11 Abs.
1 Unterabs. 4 VO Nr. 3665/87 zu zahlen hat. Der Verordnungsgeber
hat nämlich auch die in solchen Fällen eintretende
Zahlungspflicht nicht als eine gesonderte Abgabe gestaltet, sondern
spricht ausdrücklich von einem Negativbetrag, d.h. von einer
negativen Ausfuhrerstattung. Auch in einem solchen Fall streitet
daher der Ausführer, der - wie es die Klägerin getan hat
- den Rückforderungs- und Sanktionsbescheid anficht, um die
ihm seiner Ansicht nach zustehende Ausfuhrerstattung.
Das erstattungsrechtliche Klageverfahren geht
also auch in solchen Fällen, in denen das HZA unter Anwendung
des Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 den
Erstattungsanspruch so weit vermindert hat, dass sich ein vom
Ausführer zu zahlender negativer Erstattungsbetrag ergibt, um
die dem Ausführer rechtmäßig zustehende
Ausfuhrerstattung und somit unverändert um eine
marktordnungsrechtliche besondere Vergünstigung (§ 6 Abs.
1 Nr. 1 MOG).
Ansprüche auf besondere
Vergünstigungen sind nach § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG ab
Rechtshängigkeit nach Maßgabe der §§ 236, 238
und 239 AO zu verzinsen. Hierbei handelt es sich, wie der Senat
bereits entscheiden hat, um eine Rechtsgrundverweisung
(Senatsurteil vom 29.4.1997 VII R 91/96, BFHE 182, 253, BStBl II
1997, 476 = SIS 97 21 98). Die Voraussetzungen des § 236 Abs.
1 AO für die Berechnung von Prozesszinsen sind im Streitfall
gegeben, da die Klägerin mit ihrer gegen den Änderungs-
und den Sanktionsbescheid gerichteten Klage Erfolg gehabt und sie
danach im Festsetzungsverfahren durch eine rechtskräftige
gerichtliche Entscheidung die Festsetzung der Ausfuhrerstattung in
einer Höhe erreicht hat, die ihre Pflicht sowohl zur
Rückzahlung des Erstattungsbetrags als auch zur Zahlung des
Negativbetrags entfallen ließ.
Es handelt sich bei der auf die Gewährung
von Prozesszinsen gerichteten Klage allerdings um eine
Verpflichtungsklage, so dass es nicht wie im Tenor der
Vorentscheidung mit der entsprechenden Aufhebung des
Ablehnungsbescheids sein Bewenden haben kann. Im Rahmen des
erkennbaren Klagebegehrens war das FG nach § 96 Abs. 1 Satz 2
FGO an die Fassung des klägerischen Antrags nicht gebunden.
Insoweit war der Tenor zu berichtigen.