Ingenieur, schlüsselfertiges Gebäude, Gewerbetreibender: 1. Ein Ingenieur, der schlüsselfertige Gebäude errichten lässt, erzielt gewerbliche, nicht freiberufliche Einkünfte. - 2. Schuldet er seinem Auftraggeber die schlüsselfertige Erstellung des Gebäudes, sind seine Einkünfte auch insoweit gewerblich, als er ggf. Ingenieur- oder Architektenleistungen erbringt. - Urt.; BFH 18.10.2006, XI R 10/06; SIS 07 28 26
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Diplom-Ingenieur. Er war als Architekt und
„Baubetreuer“ tätig. Er und der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) beurteilten seine
Einkünfte als solche aus freiberuflicher Tätigkeit.
Dementsprechend wiesen die Einkommensteuerbescheide für die
Jahre 1994 bis 1997 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus.
Der Einkommensteuerbescheid 1997 erging unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
Anlässlich einer
Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger
nahezu ausschließlich fertige Verwaltungsgebäude sowie
Lager und Produktionsstätten für ein Unternehmen (GmbH)
herstellte. Dabei erhielt er von der GmbH den Auftrag zur
Durchführung aller Baumaßnahmen, die für die
Errichtung der Gebäude nötig waren, einschließlich
Architektur und Statik. Er schuldete der GmbH die
schlüsselfertige Übergabe des jeweiligen Gebäudes.
Die Gebäude wurden auf seine Rechnung und Gefahr errichtet.
Der Kläger vergab die Aufträge für die
Ausführung der einzelnen Baumaßnahmen im eigenen Namen
an Drittunternehmen. Für die schlüsselfertige Erstellung
der Gebäude war ein Pauschalhonorar vereinbart. Ein
Architektenhonorar wurde nicht gesondert abgerechnet.
Das FA stellte für die Streitjahre
1996 bis 1999 Gewerbesteuermessbeträge fest, wobei es die
gesamte Tätigkeit des Klägers als gewerbliche
beurteilte.
Die Klage, mit der der Kläger geltend
machte, freiberuflich i.S. des § 18 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) tätig gewesen zu sein, hatte
keinen Erfolg (EFG 2006, 585 = SIS 06 19 28).
Mit seiner Revision rügt der
Kläger Verletzung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Zu
Unrecht habe das Finanzgericht (FG) bei Feststellung des
Sachverhalts unberücksichtigt gelassen, dass er jeweils zu
Beginn einer Baumaßnahme als Architekt mittels eines normalen
Architektenvertrages beauftragt worden sei. In einigen Fällen
sei es bei diesem Auftrag geblieben, wobei dann nur das
Architektenhonorar berechnet und bezahlt worden sei. Bei den
übrigen Projekten habe er anschließend den Bauantrag
gestellt und Angebote eingeholt. Auf der Grundlage einer
Kostenzusammenstellung habe er dann der GmbH ein Pauschalangebot
unterbreitet. In den Bauaufträgen sei stets die GmbH als
Bauherr bezeichnet worden. Auch habe er die Rechnungen an die
Baufirmen erst nach Eingang der Zahlung der GmbH beglichen. Die
Gesamtleistung sei eine freiberufliche, die allenfalls in gewissem
Maße durch andere Tätigkeiten abgerundet worden sei. Das
vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 23.10.1956 I 116/55 U (BFHE
64, 46, BStBl III 1957, 17 = SIS 57 00 12) festgestellte Berufsbild
des Architekten sei überholt. Den vom FA und vom FG zitierten
Urteilen lägen andere Sachverhalte zugrunde; insbesondere
hätte dort der Steuerpflichtige - anders als er, der
Kläger - ein Vertriebsrisiko getragen. Das nach dem Vertrag
für die Bauleistungen von ihm zu tragende Risiko habe faktisch
nicht bestanden. Die unzureichende Sachverhaltswürdigung
beruhe möglicherweise auf mangelnder
Sachaufklärung.
Sollte er tatsächlich auch gewerblich
tätig sein, so müsse zwischen freiberuflicher und
gewerblicher Tätigkeit getrennt werden. Dass eine getrennte
Buchführung fehle, liege letztlich nur daran, dass das FA im
Jahr 1993 anlässlich eines Einspruchsverfahrens seine
Auffassung, er sei gewerblich tätig, ausdrücklich
aufgegeben habe. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 64, 46, BStBl III
1957, 17 = SIS 57 00 12 seien die verschiedenartigen Einkünfte
im Schätzungswege aufzuteilen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung
des Urteils des FG die Bescheide über die einheitlichen
Gewerbesteuermessbeträge 1996 bis 1999 in Form der
Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt - im Wesentlichen unter
Hinweis auf die Ausführungen im Urteil des FG - die Revision
als unbegründet zurückzuweisen. Der Vortrag des
Klägers, er habe vereinzelt nur das Architektenhonorar
berechnet, sei neu und könne daher im Revisionsverfahren nicht
mehr berücksichtigt werden.
II. Die Revision des Klägers ist als
unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Auffassung des FG, die
Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren sei voll
umfänglich als gewerbliche einzustufen, ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
1. Unter Gewerbebetrieb ist gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ein
gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG zu verstehen. Nach § 15
Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige
Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen,
unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder
als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als
Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere
selbständige Tätigkeit anzusehen ist. Freier Beruf in
diesem Sinne ist u.a. gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz
2 EStG die selbständige Berufstätigkeit eines Architekten
und/oder eines (Bau-)Ingenieurs. Maßgeblich ist, wie schon
der Wortlaut der Bestimmung sagt, die tatsächlich
ausgeübte Tätigkeit. Der erfolgreiche Abschluss einer
für einen Katalogberuf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
EStG vorgeschriebenen Ausbildung reicht allein nicht aus (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 17.9.1981 V R 144/76, juris Nr: STRE815051060; vom
11.12.1985 I R 285/82, BFHE 146, 121, BStBl II 1986, 484 = SIS 86 10 39; Beschluss vom 22.9.1997 IV B 152/96, BFH/NV 1998, 312).
2. Der Kläger war in den Streitjahren -
zumindest auch - gewerblich tätig. Seine Tätigkeit
bestand nicht - allein - in der Erbringung von
Architektenleistungen. Zu den typischen Tätigkeiten eines
freiberuflichen Architekten gehören nach ständiger
Rechtsprechung des BFH - in Anlehnung insbesondere an § 15 der
Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - die Planung,
Überwachung und Leitung von Baumaßnahmen (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 12.10.1989 IV R 118-119/87, BFHE 158, 413, BStBl II
1990, 64 = SIS 90 02 37; vom 22.1.1988 III R 43-44/85, BFHE 152,
345, BStBl II 1988, 497 = SIS 88 09 38). Die Herstellung fertiger
Verwaltungsgebäude, Lager und Produktionsstätten für
einen Auftraggeber gegen ein Pauschalentgelt entspricht nicht mehr
der von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfassten typischen
Berufstätigkeit eines Architekten, sondern ähnelt der
eines Bauunternehmers. Das gilt auch dann, wenn - wie vom
Kläger vorgetragen - Architekten zunehmend auch als
Bauunternehmer tätig sein sollten. Das Festhalten am
historischen Tätigkeitsbild eines Architekten ist insoweit
nicht zuletzt aus Gründen der steuerlichen
Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - )
geboten, denn Steuerpflichtige, die auftragsgemäß
schlüsselfertige Bauten herstellen oder herstellen lassen und
dem Auftraggeber überlassen, sind gewerbesteuerpflichtig. Es
ist sachlich nicht zu rechtfertigen, Steuerpflichtige, deren
Tätigkeitsschwerpunkt in der Errichtung von Gebäuden
durch Einschaltung von Subunternehmern liegt, nur deswegen
steuerlich besser zu behandeln, weil sie ein Architekturstudium
absolviert haben und daher mit der Planung des Bauwerks keine
Dritten beauftragen müssen. Dass der Kläger, wie von ihm
vorgetragen, wirtschaftlich letztlich kein Vertriebsrisiko getragen
und auch nicht die Grundstücke, auf denen die Gebäude
errichtet wurden, an- und verkauft hat, ist nicht
entscheidungserheblich. Maßgeblich ist, dass die Erstellung
von Gebäuden im Auftrag eines Dritten nicht zur
freiberuflichen Architektentätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1
Nr. 1 Satz 2 EStG, sondern zur typischen Tätigkeit
gewerblicher Bauunternehmer gehört.
3. Das FG hat es letztlich auch zu Recht
abgelehnt, die Tätigkeit des Klägers in eine gewerbliche
(Bauunternehmer) und eine freiberufliche (Architekt) aufzuteilen.
Zwar ist - entgegen seiner Auffassung - hierfür eine
gesonderte Buchführung nicht unerlässlich (vgl. z.B.
Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Anm. 75, m.w.N.).
Entscheidend ist aber, dass der Kläger gegenüber seinem
Auftraggeber einen einheitlichen Leistungserfolg schuldete.
Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine
freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so
sind diese zwar nach der (jüngeren) steuerlichen
Rechtsprechung des BFH zu trennen, sofern dies nach der
Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn
sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den
verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Sind aber bei einer
Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander
verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so
liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach
zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche
Element vorherrscht. Schuldet ein Steuerpflichtiger gegenüber
seinem Auftraggeber einen einheitlichen Erfolg, so ist auch die zur
Durchführung des Auftrags erforderliche Tätigkeit
regelmäßig als einheitliche zu beurteilen (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 24.4.1997 IV R 60/95, BFHE 183, 150, BStBl II 1997,
567 = SIS 97 15 34; vom 18.5.2000 IV R 89/99, BFHE 191, 568, BStBl
II 2000, 625 = SIS 00 11 33, m.w.N.). Auf den geschätzten
Anteil der einzelnen Tätigkeit am Umsatz oder Ertrag der
Gesamttätigkeit kommt es dann nicht an (BFH-Urteile in BFHE
183, 150, BStBl II 1997, 567 = SIS 97 15 34; vom 1.2.1979 IV R
113/76, BFHE 128, 67, BStBl II 1979, 574 = SIS 79 02 91).
An diesen Maßstäben gemessen ist es
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG im Hinblick
auf den vom Kläger einheitlich geschuldeten Erfolg von einer
einheitlichen Tätigkeit ausgegangen ist. Seine Würdigung
verletzt weder Denkgesetze noch Erfahrungssätze. Ob ein
Steuerpflichtiger im Sinne der genannten Rechtsprechung einen
einheitlichen Erfolg schuldet, ist eine vom FG zu treffende
Feststellung tatsächlicher Art, an die das Revisionsgericht
grundsätzlich gebunden ist (vgl. Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 24, m.w.N., §
118 Rz 27, 28). Der Einwand des Klägers im Revisionsverfahren,
die Würdigung des FG beruhe möglicherweise auf mangelnder
Sachaufklärung, ist als bloße Vermutung nicht geeignet,
einen die Bindung aufhebenden Verfahrensfehler zu begründen
(vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 66 ff.).
Sein Vortrag, er sei, insbesondere, wenn die Baumaßnahme
nicht durchgeführt worden sei, nur als Architekt
gegenüber der GmbH tätig geworden und er habe in diesen
Fällen auch nur ein Architektenhonorar in Rechnung gestellt,
kann als neuer Vortrag im Revisionsverfahren nicht
berücksichtigt werden.
4. Auch im Übrigen ist die Entscheidung
des FG nicht zu beanstanden. Für das Streitjahr 1996 konnte
erstmals ein Gewerbesteuermessbescheid ergehen, da die
Einkommensteuerveranlagung für 1997 unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung stand (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.3.1991 IV R
135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769 = SIS 91 17 35, m.w.N.).
Auch die Feststellungsfrist für 1996 war noch nicht
abgelaufen, da der Kläger keine Gewerbesteuererklärung
abgegeben hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22.10.2004 XI B 166/02,
BFH/NV 2005, 504 = SIS 05 15 66, m.w.N.).