Steuerbegünstigte Körperschaft, Konkurs, Insolvenz, KSt-Befreiung: Die Körperschaftsteuerbefreiung einer Körperschaft, die nach ihrer Satzung steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, endet, wenn die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit eingestellt und über das Vermögen der Körperschaft das Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet wird. - Urt.; BFH 16.5.2007, I R 14/06; SIS 07 25 15
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der
Stiftung X. Das Konkursverfahren war mit Beschluss vom 9.12.1997
eröffnet worden und ist bislang nicht abgeschlossen. Die
Beteiligten streiten darüber, ob X im Streitjahr 1998 noch
nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes
(KStG) von der Körperschaftsteuer befreit war.
Nach ihrer Satzung betätigte sich X
selbstlos im Sinne evangelischer Diakonie als Wesens- und
Lebensäußerung der evangelischen Kirche und in
praktischer Ausübung christlicher Nächstenliebe,
vornehmlich in der Jugend- und Suchtkrankenhilfe sowie in der
Arbeit für psychisch Kranke. Sie betrieb psychosoziale
Beratungs- und Behandlungsstellen, eine Fachklinik als
Rehabilitationseinrichtung für Suchtkranke sowie ein Alten-
und Pflegeheim. Ihr Stiftungsvermögen bestand unter anderem
aus einem bebauten Grundstück. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) stellte X bis
einschließlich 1997 nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der
Körperschaftsteuer frei, weil sie ausschließlich und
unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen und
mildtätigen Zwecken i.S. der §§ 51 ff. der
Abgabenordnung (AO) diene.
Mit Wirkung vom 1.11.1996 gliederte X den
Bereich der stationären und ambulanten Suchthilfebetreuung auf
eine neu gegründete GmbH aus, deren Stammkapital sie zu 80
v.H. hielt. Ihr Grundstück vermietete sie an eine als
gemeinnützig anerkannte Einrichtung. Den Pachtvertrag für
das Alten- und Pflegeheim kündigte sie mit Wirkung vom
10.12.1997. Das Haus wurde vom folgenden Tage an von einer anderen
Gesellschaft gepachtet und unter anderem Namen als Alten- und
Pflegeheim fortgeführt. Spätestens Ende 1997 stellte X
sämtliche früheren Tätigkeiten ein. Seit 1998, dem
Streitjahr, erwirtschaftete X neben den Mieteinnahmen aus ihrem
Grundbesitz nur noch Zinseinnahmen aus bestehenden Bankguthaben
(Gewinn 1998: 64.593,32 DM).
Das FA war der Auffassung, X sei ab 1998
nicht mehr steuerbefreit, und erließ einen entsprechenden
Körperschaftsteuerbescheid. Der hiergegen erhobenen Klage gab
das Niedersächsische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom
15.9.2005 6 K 609/00 (abgedruckt in EFG 2006, 1195 = SIS 06 28 13)
statt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine
Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ist eine
Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie
nach ihrer Satzung, ihrem Stiftungsgeschäft und der
tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich
und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder
kirchlichen Zwecken dient. Welche Voraussetzungen die
Körperschaft hinsichtlich ihrer Satzung und tatsächlichen
Geschäftsführung im Einzelnen erfüllen muss, um die
Steuerbefreiung zu erlangen, ist in den §§ 51 ff. AO
geregelt. Danach setzt die Steuerbefreiung u.a. voraus, dass die
tatsächliche Geschäftsführung auf die
ausschließliche und unmittelbare Erfüllung
steuerbegünstigter Zwecke gerichtet ist und den Bestimmungen
entspricht, die die Satzung über die Voraussetzungen für
Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO).
Diese Bedingungen müssen während des ganzen
Veranlagungszeitraums, für den die Steuerbefreiung beansprucht
wird, erfüllt sein (§ 63 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 2
AO).
2. X ist danach im Streitjahr 1998 nicht von
der Körperschaftsteuer befreit, weil ihre tatsächliche
Geschäftsführung nicht mehr auf die ausschließliche
und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke
gerichtet war.
a) X hatte in der Vergangenheit entsprechend
ihrem Satzungszweck einen gemeinnützigen Zweckbetrieb mit
Suchtkrankenhilfe sowie ein Alten- und Pflegeheim unterhalten. Nach
den Feststellungen des FG hat sie ihre laufenden Geschäfte
hieraus bereits 1997 vollständig eingestellt und
endgültig aufgegeben. Aktivitäten zur Verwirklichung
ihres Satzungszweckes entfaltete sie dementsprechend in der
Folgezeit nicht mehr. Vielmehr beschränkte sich ihre
Tätigkeit im Streitjahr und auch in der Zeit danach auf die
Vermietung ihres Grundstückes und die Vereinnahmung von Zinsen
aus Bankguthaben. Da die eigentliche steuerbegünstigte
Tätigkeit endgültig eingestellt wurde und die
Vermögensverwaltung kein steuerbegünstigter Zweck i.S.
der §§ 52 bis 54 AO ist (Senatsurteil vom 11.12.1974 I R
104/73, BFHE 114, 495, BStBl II 1975, 458 = SIS 75 02 73; FG
München, Urteil vom 10.6.2003 6 K 4856/02, juris = SIS 03 40 69), liegen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach
§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG im Streitjahr nicht vor (Schauhoff,
Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl., § 8 Rz 31).
b) Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus,
dass X die Erträge aus der Vermögensverwaltung zur
Begleichung von Schulden verwendet hat, die aus der
steuerbegünstigten Tätigkeit herrühren. Diese
Verbindlichkeiten wurden zwar durch die satzungsmäßigen
Aktivitäten ausgelöst; deren Tilgung nach Einstellung der
satzungsmäßigen Tätigkeit ist jedoch nicht
steuerbegünstigt. Ob und ggf. für welche Zeitspanne einer
nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. §§ 51 ff. AO
steuerbefreiten Körperschaft ähnlich einer Anlaufphase
(vgl. Senatsurteil vom 23.7.2003 I R 29/02, BFHE 203, 251, BStBl II
2003, 930 = SIS 03 51 58) auch eine Abwicklungsphase zuzubilligen
ist, innerhalb derer trotz Beendigung der eigentlichen
steuerbegünstigten Tätigkeit ihre
Geschäftsführung noch als auf die Erfüllung der
steuerbegünstigten Zwecke gerichtet angesehen werden kann und
die Körperschaftsteuerbefreiung daher fortbesteht (vgl.
Becker/ Meining, FR 2006, 686), kann im Streitfall offenbleiben.
Die Geschäftsführung entspricht jedenfalls dann nicht
mehr den Bestimmungen der Satzung hinsichtlich der Voraussetzungen
der Steuervergünstigung, wenn - wie hier - die eigentliche
steuerbegünstigte Tätigkeit eingestellt und über das
Vermögen der Körperschaft das Konkurs- oder
Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
Denn hierdurch ändert sich der Zweck der
Körperschaft. Statt den in § 53 AO genannten
Personenkreis selbstlos zu unterstützen oder die Allgemeinheit
auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu
fördern (§ 52 AO), zielt sie nur noch darauf ab, alle
Gläubiger durch Verwertung ihres Vermögens zu befriedigen
(§ 3 der Konkursordnung - KO - ; § 1 der
Insolvenzordnung). Zwar gehört zur steuerbegünstigten
Tätigkeit auch die Begleichung von Schulden aus laufenden
Geschäften der ideellen Tätigkeit (Becker/Meining, FR
2006, 686); wie aus § 63 AO ersichtlich, gilt dies jedoch nur,
wenn die Tätigkeit daneben noch auf die Verwirklichung
steuerbegünstigter Zwecke gerichtet ist und die Befriedigung
der Gläubiger nicht ausschließlicher Zweck der
Körperschaft wird.
Mit Eröffnung des Konkursverfahrens
verlor X gemäß § 86 i.V.m. § 42 des
Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis 31.12.1998 geltenden
Fassung ihre Rechtsfähigkeit (zur Rechtslage seit
Inkrafttreten der Insolvenzordnung s. Gotthardt in Schauhoff,
a.a.O., § 21 Rz 41, 76). Ihre Organe waren nach § 6 KO
i.V.m. Art. 103 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur
Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl I 1994, 2911) nicht mehr
befugt, das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu
verwalten und über dasselbe zu verfügen. Das alleinige
Verwaltungs- und Verfügungsrecht übt seither allein der
Kläger als Konkursverwalter aus, der das zur Konkursmasse
gehörende Vermögen zu verwerten und zur
gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen
Gläubiger zu verwenden hat (§ 117 Abs. 1 i.V.m. § 3
KO). Da X im Streitjahr nur noch Interessen ihrer Gläubiger,
nicht aber die der Allgemeinheit gefördert hat, ist sie nicht
nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer
befreit. Ob sie nach Beendigung des Konkursverfahrens
möglicherweise wieder ihre satzungsmäßigen Zwecke
verfolgen kann, ist unerheblich. Die Voraussetzungen für die
Steuerbefreiung sind für jeden Veranlagungszeitraum gesondert
zu prüfen und müssen jeweils während des gesamten
Veranlagungszeitraums vorliegen.