Solistisch besetztes Ensemble, ausländische Künstler, ESt-Erlass: Haben ausländische Künstler Einkünfte aus Auftritten im Inland erzielt, so ist die hierdurch ausgelöste Einkommensteuer nicht gemäß § 50 Abs. 7 EStG zu erlassen, wenn die Auftritte im Rahmen eines solistisch besetzten Ensembles erzielt worden sind. Als "solistisch besetztes Ensemble" in diesem Sinne ist eine Formation jedenfalls dann anzusehen, wenn bei den einzelnen Veranstaltungen nicht mehr als fünf Mitglieder auftreten und die ihnen abverlangte künstlerische Gestaltungshöhe mit derjenigen eines Solisten vergleichbar ist. - Urt.; BFH 7.3.2007, I R 98/05; SIS 07 19 22
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
verpflichtet ist, dem Kläger und Revisionskläger
(Kläger) Einkommensteuer gemäß § 50 Abs. 7 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erlassen.
Der Kläger ist in der Schweiz
ansässig und von Beruf Tänzer. Er war Mitglied einer
Tanzgruppe, die im Streitjahr (1999) unter dem Namen C in
Deutschland mehrere Vorstellungen gab. Dabei traten jeweils
fünf Tänzer auf, die von einem zur Gruppe gehörenden
Techniker unterstützt wurden. Als Entgelt für die
Aufführungen wurden insgesamt 49.000 DM zuzüglich
Übernachtungs-, Verpflegungs- und Reisekosten gezahlt. Die
Vorstellungen waren Bestandteil einer Veranstaltungsreihe, an der
mehrere ausländische Tanzgruppen teilnahmen.
Die Kosten für die Veranstaltungen
wurden von X, von einzelnen nordrhein-westfälischen
Städten sowie von der S getragen. Bei X handelt es sich um
einen Zusammenschluss theater- und orchestertragender
Großstädte in Nordrhein-Westfalen; zu diesen
Städten zählt u.a. die Beigeladene. Die S, die nach den
Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zu den Gesamtkosten von
307.319 DM einen Teil von 37.319 DM beitrug, wird vom Schweizer
Staat finanziert.
Am 11.4.2000 beantragte X, die auf die
Schweizer Tanzensembles entfallenden Einkommensteuern
gemäß § 50 Abs. 7 EStG zu erlassen. Diesen Antrag
lehnte das FA mit der Begründung ab, dass dem
Vergütungsschuldner kein Antragsrecht auf Freistellung
gemäß § 50 Abs. 7 EStG zustehe und dass Vollmachten
der Vergütungsgläubiger nicht beigebracht worden seien.
In dem daraufhin eingeleiteten Einspruchsverfahren legte X eine vom
Kläger unterzeichnete Vollmachtsurkunde vor. Das FA behandelte
das Ensemble C als Einspruchsführer und wies den Einspruch
zurück.
In dem deshalb eingeleiteten Klageverfahren
trat zunächst die Beigeladene „in Vertretung für
das Ensemble C“ als Klägerin auf. Das FG erließ
daraufhin ein Urteil, in dem das Ensemble C als Kläger
bezeichnet wurde. Dieses Urteil hob der erkennende Senat auf
(Senatsurteil vom 26.5.2004 I R 81/03, juris); er entschied, dass
in einem Rechtsstreit um die Anwendung des § 50 Abs. 7 EStG
nicht C selbst, sondern nur die Mitglieder des Ensembles
klagebefugt sein könnten. Die Sache wurde an das FG
zurückverwiesen, um ihm die Prüfung zu ermöglichen,
ob die Klage im Namen der einzelnen Ensemblemitglieder erhoben
worden sei.
Im zweiten Rechtsgang trug die
Klägerseite vor, dass als Kläger die Ensemblemitglieder
anzusehen seien. Dazu wurde wiederum eine vom Kläger
unterzeichnete Vollmachtsurkunde vorgelegt. Vollmachten anderer
Ensemblemitglieder konnten nach Auskunft der Prozessvertreter des
Klägers nicht beigebracht werden. Das FG trennte daraufhin die
Klage hinsichtlich der übrigen Ensemblemitglieder ab.
Im vorliegenden Verfahren nahm das FG an,
dass sowohl der ursprüngliche Antrag als auch Einspruch und
Klage im Namen des Klägers eingereicht worden seien. Die in
diesem Sinne ausgelegte Klage wies es als unbegründet ab. Sein
Urteil ist in EFG 2006, 353 = SIS 06 19 60 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger eine Verletzung des § 50 Abs. 7 EStG. Er
beantragt, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung
aufzuheben und das FA zum Erlass der Steuerabzugsbeträge zu
verpflichten.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Der Senat entscheidet gemäß
§ 126a Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss.
Er hält einstimmig die Revision für unbegründet und
eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind vorher gehört worden.
III. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das
angefochtene Urteil weist keinen zu Lasten des Klägers
wirkenden Rechtsfehler auf.
1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die
Klage im Namen des Klägers - und nicht des Ensembles C -
erhoben worden ist. Zwar heißt es in der von der Beigeladenen
verfassten Klageschrift, dass die Klage „in Vertretung
für das Ensemble C“ eingelegt werde. Jedoch ist im
Hinblick auf das hier verfolgte Begehren nicht das Ensemble als
solches, sondern nur jedes einzelne seiner Mitglieder klagebefugt
(Senatsurteil vom 26.5.2004 I R 80/03, BFH/NV 2005, 26 = SIS 05 03 95). Vor diesem Hintergrund entspricht es dem Grundsatz der
„rechtsschutzgewährenden Auslegung“
verfahrensrechtlicher Erklärungen (vgl. dazu Senatsurteil vom
9.11.2005 I R 10/05, BFH/NV 2006, 750, 752 = SIS 06 15 30, m.w.N.),
die Klage in dem Sinne auszulegen oder zumindest umzudeuten, dass
sie im Namen der Ensemblemitglieder erhoben worden ist. Dasselbe
gilt sinngemäß im Hinblick auf den ursprünglich
gestellten Erlassantrag und den gegen die Ablehnung dieses Antrags
gerichteten Einspruch. Im Streitfall ist nur über das
Erlassbegehren des Klägers zu entscheiden, da sich das
angefochtene Urteil nur auf dessen Klage bezieht.
2. Das FG ist ferner ohne Rechtsfehler von der
Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Dem steht nicht entgegen,
dass im finanzgerichtlichen Verfahren eine Klage grundsätzlich
nur im Anschluss an ein erfolglos gebliebenes
außergerichtliches Vorverfahren zulässig ist (§ 44
Abs. 1 FGO). Denn diese Voraussetzung ist im Streitfall
erfüllt:
Das FA hat über den Erlassantrag und den
nachfolgenden Einspruch des Klägers zwar durch Verwaltungsakte
entschieden, die als Adressaten das Ensemble C bezeichnen. Diese
Tenorierung ist jedoch ersichtlich nur darauf
zurückzuführen, dass der Kläger bei der
Antragstellung wie auch bei der Einlegung des Einspruchs ebenfalls
unter der Bezeichnung „Ensemble C“ gehandelt
hatte. Nachdem diese Erklärungen im Wege der Auslegung oder
Umdeutung als vom Kläger selbst abgegeben zu verstehen sind,
ist es nur folgerichtig, die daran anknüpfende
Beteiligtenbezeichnung durch das FA in demselben Sinne zu deuten.
Deshalb greift im Streitfall insbesondere nicht der Grundsatz ein,
dass eine Einspruchsentscheidung rechtswidrig ist, wenn sie sich an
eine nicht am Einspruchsverfahren beteiligte Person richtet (vgl.
dazu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7.9.1995 III R
111/89, BFH/NV 1996, 521; vom 26.8.2004 IV R 68/02, BFH/NV 2005,
553 = SIS 05 15 98, m.w.N.). Vielmehr ist davon auszugehen, dass
das FA bei der Adressierung der angefochtenen Verwaltungsakte
lediglich die (unrichtigen) Bezeichnungen aus der Antrags- und der
Einspruchsschrift übernommen hat, der Sache nach aber
erkennbar über das dem Kläger selbst zuzurechnende
Begehren entscheiden wollte. In diesem Sinne schlägt die
Auslegung bzw. Umdeutung jenes Begehrens mithin auf die Bestimmung
des Adressaten der Verwaltungsentscheidungen durch. Die dahin
gehende Deutung durch das FG wird zudem von den
Verfahrensbeteiligten nicht beanstandet, weshalb der Senat auf
weitere Ausführungen hierzu verzichtet.
3. Schließlich hat das FG in der Sache
zutreffend entschieden, dass dem Kläger der von ihm begehrte
Steuererlass nach Maßgabe des § 50 Abs. 7 EStG zu Recht
versagt worden ist.
a) Nach § 50 Abs. 7 EStG können die
obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen
beauftragten Finanzbehörden mit Zustimmung des
Bundesministeriums der Finanzen beschränkt Steuerpflichtigen
die Einkommensteuer unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder zum
Teil erlassen. Zur Umsetzung dieser Regelung haben der
Bundesminister der Finanzen (BMF) und die obersten
Landesfinanzbehörden bestimmt, dass u.a. ausländische
Kulturvereinigungen nach § 50 Abs. 7 EStG von der Steuer
freizustellen sind, wenn ihr Auftritt im Inland wesentlich aus
inländischen oder ausländischen öffentlichen Mitteln
gefördert wird (BMF-Schreiben vom 20.7.1983, BStBl I 1983, 382
= SIS 83 16 42). Die Zuständigkeit für die Ausstellung
einer entsprechenden Freistellungsbescheinigung - und damit
ersichtlich auch für die Erlassentscheidung selbst - wurde den
Finanzämtern übertragen (Schreiben des Bundesministeriums
für Finanzen vom 30.5.1995, BStBl I 1995, 337 = SIS 95 15 12,
und vom 23.1.1996, BStBl I 1996, 89 = SIS 96 10 49, jeweils Tz.
1.4).
b) Das FG hat festgestellt, dass die
Aufführungen der C weit überwiegend aus öffentlichen
Mitteln finanziert wurden. Diese in dem BMF-Schreiben in BStBl I
1983, 382 = SIS 83 16 42 genannte Bedingung für einen
Steuererlass ist mithin im Streitfall erfüllt. Angesichts
dessen streiten die Beteiligten nur darum, ob das Ensemble C als
„Kulturvereinigung“ im Sinne des BMF-Schreibens
in BStBl I 1983, 382 = SIS 83 16 42 anzusehen ist.
c) Das FG hat angenommen, dass es darauf nicht
ankomme, da die genannte Verwaltungsanweisung von der gesetzlichen
Vorgabe nicht gedeckt sei. Nach dem Wortlaut des § 50 Abs. 7
EStG könne auf diese Vorschrift ein Steuererlass nur dann
gestützt werden, wenn entweder ein solcher aus
volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder eine
gesonderte Berechnung der zu besteuernden Einkünfte besonders
schwierig sei. Diese Vorgabe müsse auch im Bereich der
Besteuerung ausländischer Kulturvereinigungen gelten; allein
der Umstand, dass deren Auftritt überwiegend aus
öffentlichen Mitteln gefördert werde, könne deshalb
einen Steuererlass nicht rechtfertigen. Im Streitfall sei aber
weder das Auftreten der Gruppe C im Inland volkswirtschaftlich
bedeutsam gewesen noch die Berechnung der hierdurch erzielten
Einkünfte besonders schwierig. Damit lägen die
Voraussetzungen für einen Erlass nicht vor.
d) Der Streitfall bietet keine Veranlassung,
zu der vom FG erörterten Frage nach der
Rechtmäßigkeit des BMF-Schreibens in BStBl I 1983, 382 =
SIS 83 16 42 umfassend Stellung zu nehmen. Denn im Ergebnis ist dem
FG schon deshalb beizupflichten, weil die vom FA getroffene
Entscheidung auch unter Berücksichtigung dieser
Verwaltungsanweisung rechtmäßig ist.
aa) Bei dem Erlass von Einkommensteuer nach
§ 50 Abs. 7 EStG handelt es sich um eine
Billigkeitsmaßnahme (Gosch, DStZ 1988, 136). Über eine
solche muss die zuständige Behörde gemäß
§ 5 der Abgabenordnung (AO) nach pflichtgemäßem
Ermessen entscheiden. Dabei ist ihr ein Ermessen allerdings nur
dann eröffnet, wenn die in § 50 Abs. 7 EStG genannten
tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen; ist weder ein Erlass
aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig noch
die Ermittlung der in Rede stehenden Einkünfte besonders
schwierig, so ist deshalb für eine positive Erlassentscheidung
kein Raum (Gosch, DStZ 1988, 136, 138; Kruse in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 5 AO Rz 30,
m.w.N.).
bb) Sowohl der Begriff „aus
volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig“
als auch die „besondere Schwierigkeit“ der
Berechnung der Einkünfte sind Tatbestandsmerkmale, die der
wertenden Ausfüllung bedürfen. Derartige
„unbestimmte Rechtsbegriffe“ können zwar
von den Verwaltungsbehörden - ebenso wie von jedem anderen
Rechtsanwender - ausgelegt werden. Doch sind die Gerichte an diese
Auslegung grundsätzlich nicht gebunden; sie müssen ihr
vielmehr nur dann folgen, wenn sie den gesetzlichen Vorgaben
entspricht (BFH-Urteil vom 4.4.1986 III R 245/83, BFHE 147, 231,
BStBl II 1986, 852, 853 = SIS 86 21 02; Birk in Hübschmann/
Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 5 AO
Rz 190, m.w.N.). Eine Ausnahme von dieser Regel besteht nur dort,
wo das Gesetz der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum
gewährt, innerhalb dessen sie die Auslegung eines
Tatbestandsmerkmals verbindlich vornehmen kann (vgl. dazu Birk in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 5 AO Rz 66 ff.,
m.w.N.). Eine in diesem Rahmen erfolgte Gesetzesauslegung durch die
zuständige Verwaltungsbehörde ist, wenn die Behörde
von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und
die Grenzen des ihr eröffneten Spielraums eingehalten hat,
für die Gerichte bindend. Besteht hingegen kein
Beurteilungsspielraum, so ist die von der Behörde vorgenommene
Auslegung in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar; das
gilt auch dann, wenn sie in die Form einer allgemeinen
Verwaltungsanweisung gekleidet ist.
cc) Im Streitfall kann offenbleiben, ob das
BMF-Schreiben in BStBl I 1983, 382 = SIS 83 16 42 eine zutreffende
Interpretation der in § 50 Abs. 7 EStG genannten
Voraussetzungen für einen Steuererlass enthält und ob in
diesem Zusammenhang insbesondere ein Beurteilungsspielraum der
Finanzbehörden zu berücksichtigen ist. Denn
unabhängig von der Beantwortung dieser Fragen erweist sich die
angefochtene Entscheidung des FG im Ergebnis als
rechtmäßig.
aaa) Geht man in Übereinstimmung mit dem
FG davon aus, dass die genannte Verwaltungsanweisung vom Tatbestand
des § 50 Abs. 7 EStG nicht gedeckt ist (ebenso Holthaus, IStR
2003, 120; evtl. auch Nieland in Lademann, Einkommensteuergesetz,
§ 50 Rz 162), so sind die dort getroffenen Regelungen für
die Beurteilung des Streitfalls unbeachtlich. Sie könnten dann
insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der
Verwaltung (vgl. dazu Birk in Hübschmann/ Hepp/Spitaler,
a.a.O., § 5 AO Rz 200, m.w.N.) berücksichtigt werden, da
eine rechtswidrige Verwaltungspraxis keine solche Selbstbindung
auslösen kann (BFH-Urteil vom 22.4.1980 VIII R 149/75, BFHE
130, 391, BStBl II 1980, 441, 447 = SIS 80 02 36; Birk in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 5 AO Rz 204, m.w.N.).
Vielmehr ist dann die Entscheidung des FA ausschließlich
anhand der gesetzlichen Vorgaben zu überprüfen.
Dazu hat das FG zum einen ausgeführt,
dass die Berechnung der vom Kläger erzielten inländischen
Einkünfte nicht i.S. des § 50 Abs. 7 EStG
„besonders schwierig“ sei. Das ist
offensichtlich zutreffend und wird auch vom Kläger nicht in
Abrede gestellt. Ebenso zutreffend ist aber auch die Annahme des
FG, dass der vom Kläger begehrte Steuererlass nicht
„aus volkswirtschaftlichen Gründen
zweckmäßig“ ist.
Denn die Anknüpfung der
Erlassmöglichkeit an „volkswirtschaftliche“
Gründe begrenzt den Anwendungsbereich des § 50 Abs. 7
EStG auf Vorgänge, bei denen die Tätigkeit des
beschränkt Steuerpflichtigen im Inland gesamtwirtschaftliche
Zwecke nachhaltig fördert (ebenso schon Hessisches FG, Urteil
vom 17.12.1975 II 828/67, EFG 1976, 452 unter Hinweis auf die
Gesetzesgeschichte; Balzerkiewicz/Voigt, BB 2005, 302, 303;
ähnlich Herkenroth in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer-
und Körperschaftsteuergesetz, § 50 EStG Rz 483).
Kulturpolitische Gründe rechtfertigen deshalb einen
Steuererlass nach § 50 Abs. 7 EStG für sich genommen
ebenso wenig wie auf den einzelnen Betrieb bezogene wirtschaftliche
Erwägungen (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht - BVerfG -,
Beschluss vom 19.4.1978 2 BvL 2/75, BStBl II 1978, 548, 552 = SIS 78 03 10 zur insoweit wortgleichen Regelung in § 34c Abs. 3
EStG a.F.). Der Hinweis des Klägers auf den
„gesamtvolkswirtschaftlichen“ Nutzen eines
Kulturaustauschs geht in diesem Zusammenhang schon deshalb fehl,
weil bei einer solchen Auslegung des Begriffs
„volkswirtschaftlich“ dieser ins Uferlose
ausgedehnt würde, was im Hinblick auf das Gebot der
Bestimmtheit des Gesetzes nicht hingenommen werden könnte
(vgl. dazu BVerfG-Beschluss in BStBl II 1978, 548 = SIS 78 03 10).
Im Ergebnis wäre deshalb bei einer allein am Gesetz
orientierten Handhabung im Streitfall für einen Erlass nur
dann Raum, wenn die Auftritte der Gruppe C die wirtschaftlichen
Belange der Allgemeinheit in erheblicher Weise gefördert
hätten. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das FG zu Recht
verneint.
bbb) Im Ergebnis ebenso ist die Rechtslage,
wenn man - in Übereinstimmung mit den Beteiligten - das
BMF-Schreiben in BStBl I 1983, 382 = SIS 83 16 42 für
rechtmäßig erachtet. Denn dann wäre im Streitfall
maßgeblich, dass jenes Schreiben (in Tz. 4) Solisten und
Mitglieder „solistisch besetzter Ensembles“
ausdrücklich von der Erlassmöglichkeit ausschließt.
Diese Regelung greift hier ein, da die Gruppe C als
„solistisch besetztes Ensemble“ in diesem Sinne
anzusehen ist.
Der Kläger weist zwar zu Recht darauf
hin, dass das BMF-Schreiben in BStBl I 1983, 382 = SIS 83 16 42 den
Begriff „solistisch besetztes Ensemble“ nicht
eindeutig definiert. Das führt aber entgegen der Ansicht des
Klägers nicht dazu, dass in diesem Punkt bestehende Zweifel zu
Lasten der Finanzverwaltung gehen müssten. Vielmehr muss
insoweit der Grundsatz durchgreifen, dass eine dem Bürger
günstige Verwaltungsanweisung nicht wie ein Gesetz ausgelegt
werden kann, sondern ihre Reichweite allein aus dem
Verständnis der Verwaltung bezieht (vgl. dazu Senatsurteil vom
21.10.1999 I R 68/98, BFH/NV 2000, 891 = SIS 00 56 99; BFH-Urteil
vom 24.11.2005 V R 37/04, BFHE 211, 411, BStBl II 2006, 466 = SIS 06 16 31, m.w.N.). Ein hieran orientiertes Vorgehen führt im
Streitfall zu folgenden Ergebnissen:
aaaa) Das BMF-Schreiben in BStBl I 1983, 382 =
SIS 83 16 42 erläutert den Begriff „solistisch
besetztes Ensemble“ durch den Zusatz „z.B. Duo,
Trio oder Quartett“ (Tz. 4 des Schreibens). Dabei bringt
die Wendung „z.B.“ zweifelsfrei zum Ausdruck,
dass ggf. auch Gruppierungen von mehr als vier Künstlern als
„solistisch besetztes Ensemble“ sollen angesehen
werden können. Welche Gestaltungen hiervon betroffen sind und
nach welchen Kriterien die Abgrenzung in diesem Bereich erfolgen
muss, sollte in der Verwaltungsanweisung offenbar nicht
abschließend geregelt werden.
bbbb) Im Gefolge des BMF-Schreibens in BStBl I
1983, 382 = SIS 83 16 42 sind mehrere Verfügungen von
Mittelbehörden ergangen, in denen die Abgrenzung zwischen
„Kulturvereinigung“ und „solistisch
besetztem Ensemble“ erörtert wird. So sehen die
Oberfinanzdirektion (OFD) Münster (Verfügung vom
18.2.1998, S 2303-2-St 22-31, nicht veröffentlicht) und die
OFD Berlin (Verfügung vom 21.7.1998, DStR 1999, 26) Gruppen
von bis zu acht Künstlern regelmäßig als
„solistisch besetzte Ensembles“ an, wobei sie
aber auch das Niveau der teilnehmenden Künstler
berücksichtigen wollen. In einer Verfügung der OFD Kiel
vom 11.5.1998 (DB 1998, 1692 = SIS 98 19 84) heißt es, dass
die Abgrenzung nicht allein nach der Anzahl der Künstler
erfolgen könne, sondern auf die Umstände des Einzelfalls
abzustellen sei. Ähnlich hat sich die OFD München
(Verfügung vom 11.4.2000, DStR 2000, 1009 = SIS 98 21 53)
geäußert, die allerdings - ohne nähere
Erläuterung - Jazz-Ensembles
„grundsätzlich“ als Kulturvereinigungen
ansieht. Die genannten Verlautbarungen bringen bei aller
Unterschiedlichkeit im Detail letztlich übereinstimmend die
Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Betrachtung zum Ausdruck,
bei der eine Gruppe von Künstlern regelmäßig
jedenfalls dann als „solistisch geprägtes
Ensemble“ angesehen werden soll, wenn sie aus einem
überschaubaren Personenkreis besteht und das
künstlerische Niveau der Gruppenmitglieder demjenigen eines
Solisten gleichkommt. Diese Verwaltungssicht wird auch vom Text des
BMF-Schreibens in BStBl I 1983, 382 = SIS 83 16 42 gedeckt; sie
muss daher für die Auslegung jenes Schreibens maßgeblich
sein.
cccc) Dem Kläger ist zuzugeben, dass
speziell die Anknüpfung an die Zahl der zu einer Gruppe
gehörenden Künstler auf den ersten Blick formal
erscheint. Doch mag die vom BMF angestellte Unterscheidung zwischen
„Kulturvereinigungen“ einerseits und
„künstlerisch besetzten Ensembles“
andererseits auf der Erwägung beruhen, dass die in § 50
Abs. 7 EStG angesprochenen Berechnungsschwierigkeiten u.a. von der
Anzahl der an der Einkunftserzielung beteiligten Personen
abhängt und dass die von der Vorschrift geforderte
„besondere Schwierigkeit“ bei
zahlenmäßig überschaubaren Künstlergruppen
nicht gegeben ist (ebenso schon Niedersächsisches FG, Urteil
vom 21.9.1999 VI 327/97, EFG 2000, 220). Unabhängig davon muss
aber, wenn die Finanzverwaltung kleine Künstlergruppen von der
Erlassmöglichkeit ausschließt, diese Entscheidung von
den Gerichten akzeptiert werden; eine Erweiterung des
Anwendungsbereichs der hierzu getroffenen Anweisung ist ebenso
wenig zulässig wie deren eigenständige Auslegung.
dddd) Vor diesem Hintergrund erweist sich die
vom FA getroffene Entscheidung als mit den Vorgaben des
BMF-Schreibens in BStBl I 1983, 382 = SIS 83 16 42 vereinbar. Denn
zum einen bestand die Gruppe C nach den Feststellungen des FG aus
fünf Tänzern; die Zahl ihrer auftretenden Mitglieder, auf
die es nach dem Wortlaut jenes Schreibens ankommt, lag also nur
geringfügig über derjenigen eines Quartetts. Zum anderen
wiesen nach dem Vortrag des Klägers die von der C bestrittenen
Aufführungen eine herausgehobene Gestaltungshöhe auf,
weshalb die Darbietungen der teilnehmenden Tänzer qualitativ
mit denjenigen eines Solisten vergleichbar waren. Bei einer
Gesamtschau dieser Umstände ist die Annahme des FA, dass C als
„solistisch besetztes Ensemble“ im Sinne des
einschlägigen BMF-Schreibens einzustufen ist, zumindest
möglich. Damit ist diese Auslegung des BMF-Schreibens in BStBl
I 1983, 382 = SIS 83 16 42 im gerichtlichen Verfahren bindend (vgl.
BFH-Urteile vom 13.1.2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005,
460 = SIS 05 17 27, und in BFHE 211, 411, BStBl II 2006, 466 = SIS 06 16 31), weshalb auch bei einer Orientierung an dieser
Verwaltungsanweisung die Voraussetzungen für einen
Steuererlass nicht vorliegen.