Kindergeld für Zeitraum zwischen Ausbildung und Wehrdienst: Kinder können bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres (ab 1.1.2007: 25. Lebensjahr) auch in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen Ausbildungsabschluss und Beginn des gesetzlichen Wehrdienstes zu berücksichtigen sein. - Urt.; BFH 25.1.2007, III R 23/06; SIS 07 13 14
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) stellte am 22.5.2003 einen Antrag auf Festsetzung von
Kindergeld für seinen im September 1983 geborenen Sohn, dessen
Berufsausbildung als Kfz-Mechaniker am 31.1.2005 enden sollte. Die
Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) bewilligte daraufhin
ab Juni 2003 laufend Kindergeld.
Mit Bescheid vom 20.1.2005 hob die
Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes mit Ablauf des
Monats Januar 2005 auf. Nachdem der Kläger am 1.2.2005 eine
Bescheinigung über die Fortdauer der Berufsausbildung seines
Sohnes bis voraussichtlich Juli 2005 eingereicht hatte, zahlte die
Familienkasse ab Februar 2005 weiter laufend Kindergeld.
Am 11.7.2005 teilte der Kläger mit,
sein Sohn habe das Ausbildungsverhältnis am 20.6.2005 durch
Bestehen der Abschlussprüfung beendet. Er sei seit dem
21.6.2005 arbeitslos gemeldet und habe trotz mehrfacher Bewerbungen
keine Beschäftigung gefunden. Am 1.10.2005 beginne der
Wehrdienst, die kurzfristige Einberufung erschwere die
Arbeitsfindung.
Mit Bescheid vom 12.7.2005 hob die
Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2005
gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) auf. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die
Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Kindergeld
nicht mehr vorlägen. Der Sohn habe die Berufsausbildung
beendet und befinde sich somit nicht mehr i.S. von § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Ausbildung. Eine
Berücksichtigung als arbeitsuchendes Kind sei ausgeschlossen,
weil der Sohn das 21. Lebensjahr bereits vollendet habe.
Während des Einspruchsverfahrens
schrieb der Kläger, er könne die Frage, ob sein Sohn nach
dem Grundwehrdienst eine weitere Ausbildung beginnen werde, nicht
eindeutig beantworten. Der Sohn sei 22 Jahre alt und in seiner
Entscheidung nicht an seine - des Klägers - Vorgaben gebunden.
Es sei bisher weder besprochen noch entschieden worden, was der
Sohn nach Beendigung des Grundwehrdienstes machen werde. Er sei
nach Abschluss der Berufsausbildung arbeitslos geworden und habe
nur geringe Chancen, einen Arbeitsplatz in dem erlernten Beruf zu
erhalten. Ziel sei es, in diesem Beruf auch Arbeit zu finden.
Sofern es ihm nicht gelinge, nach Beendigung des Grundwehrdienstes
eine neue Arbeit zu beginnen, könne eine weitere Fortbildung,
Ausbildung oder Umschulung erforderlich sein. Nach dem Gesetz
reiche aber eine abgeschlossene Berufsausbildung und die
anschließende Ableistung des Grundwehrdienstes zur
Weiterzahlung des Kindergeldes.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in der in EFG 2006, 684 = SIS 06 18 95 veröffentlichten Entscheidung aus, der Sohn habe sich
nicht in einer Übergangszeit zwischen einem
Ausbildungsabschnitt und dem Wehrdienst i.S. von § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG befunden, da der Entschluss zu einer
weiteren Ausbildung vor Beginn des Wehrdienstes gefasst werden
müsse.
Dagegen richtet sich die Revision, mit der
die fehlerhafte Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst.
b EStG gerügt wird. Nach dem Gesetzeswortlaut könne ein
Kind in der höchstens viermonatigen Übergangszeit
zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des
Wehrdienstes berücksichtigt werden. Das Gesetz lasse nicht
erkennen, dass der letzte Ausbildungsabschnitt nicht als Abschnitt
i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG anzusehen
sei. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift gelte nichts anderes. Die
Zwangspause des Sohnes sei infolge der Wehrpflicht entstanden; in
dieser Zeit habe die wirtschaftliche Abhängigkeit von den
Eltern weiter bestanden.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom
1.11.2005 sowie den Ablehnungsbescheid vom 12.7.2005 aufzuheben und
das Kindergeld für den Sohn bis einschließlich September
2005 weiter zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet, denn der
Sohn des Klägers ist in der Übergangszeit zwischen dem
Abschluss der Lehre und dem Wehrdienstantritt zu
berücksichtigen, ohne dass es darauf ankommt, ob er danach
weiter ausgebildet wird.
Kinder, die - wie der Sohn des Klägers -
das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden nach §
32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG in der ab 1.1.2002 geltenden
Fassung durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom
16.8.2001 (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) in einer
Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem
Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen
Wehrdienstes berücksichtigt.
Unter einem Ausbildungsabschnitt ist jeder
Zeitraum zu verstehen, der nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Buchst. a EStG als Berufsausbildung zu berücksichtigen ist
(Dienstanweisung zur Durchführung des
Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG - 63.3.3 Abs. 2 Satz 3, BStBl
I 2004, 767). Danach handelt es sich bei der ersten Phase der
Ausbildung - regelmäßig die allgemeinbildende Schule -
ebenso um einen Ausbildungsabschnitt wie bei der letzten, dem
Ausbildungsabschluss vorangegangenen. Nach dem Wortlaut der
Vorschrift ist ein Kind - bei Erfüllung der weiteren
Voraussetzungen - daher auch in einer bis zu vier Monate
währenden Übergangszeit zwischen Ausbildungsende und
Antritt des gesetzlichen Wehrdienstes zu berücksichtigen. Der
gegenteiligen Auffassung des FG, eine derartige Übergangszeit
könne nur begünstigt werden, wenn der Gesetzgeber statt
„Ausbildungsabschnitt“ z.B. den Begriff
„Ausbildung“ verwendet hätte, ist nicht zu
folgen.
Als der Gesetzgeber § 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Buchst. b EStG durch das Zweite Gesetz zur
Familienförderung mit Wirkung ab dem 1.1.2002 durch
Einfügung der Dienstzeiten ergänzte, wollte er allerdings
Kinder begünstigen, die ihre Ausbildung wegen der Ableistung
des Grundwehrdienstes unterbrechen (BTDrucks 14/6160, S. 11). Dies
hat jedoch im Gesetzeswortlaut keinen hinreichenden Niederschlag
gefunden.
Der Senat sieht sich zu einer den
Gesetzeswortlaut einschränkenden Auslegung auch deshalb nicht
veranlasst, weil das Bestehen einer typischen Unterhaltssituation
in derartigen kurzen Übergangszeiten nicht davon abhängt,
ob die Ausbildung nach dem Wehrdienst - der nach
Verwaltungsauffassung bis zu drei Jahre dauern kann (DA-FamEStG
63.3.3 Abs. 1 Satz 5) - noch fortgesetzt werden soll. Die Suche
nach einem Arbeitsplatz ist wegen des im Interesse der
Allgemeinheit zu absolvierenden Dienstes erheblich erschwert, ohne
dass es auf eine spätere Fortsetzung der Ausbildung
ankäme.