Lebensversicherung, steuerschädliche Verwendung zur Absicherung von Fondserwerb: Wird ein Darlehen, zu dessen Besicherung Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen eingesetzt werden, zur Anschaffung von Anteilen an offenen Aktienfonds genutzt, liegt eine steuerschädliche Verwendung des Darlehens vor. Die Zinsen aus den Lebensversicherungen sind daher in vollem Umfang nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtig. - Urt.; BFH 7.11.2006, VIII R 1/06; SIS 07 03 26
I. Die Beteiligten streiten über die
Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) nahm im Jahr 2000 bei der X-Versicherung zwei
Darlehen über 105.450 DM bzw. 50.000 DM auf, die mit
Lebensversicherungsansprüchen des Klägers aus seinen
Lebensversicherungen bei der X-Versicherung (Vertragsnrn. 1 bzw. 2)
besichert wurden. Mit der ausgezahlten Darlehenssumme von 153.210
DM erwarb der Kläger Anteile an offenen Aktienfonds.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stellte mit Feststellungsbescheid vom 31.5.2001
gemäß § 9 der Verordnung über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der
Abgabenordnung die steuerschädliche Verwendung der
Lebensversicherungsansprüche für den Erwerb von
Aktienfonds und damit die Steuerpflicht der
außerrechnungsmäßigen und
rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu
den Lebensversicherungen des Klägers enthaltenen Sparanteilen
fest. Das FA berief sich darauf, der Erwerb von Aktienfonds sei
steuerschädlich, da die in diesem Zusammenhang entstehenden
Aufwendungen keine begünstigten Werbungskosten darstellten.
Denn mit dem Erwerb eines Anteils an einem Aktienfonds werde zwar
ein Anteil am Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft
erworben. Da das zulässige Vermögen eines Aktienfonds
u.a. aber auch Kapitalforderungen umfassen dürfe, sei der
Anteilserwerb unter Einsatz von Lebensversicherungen insgesamt
steuerschädlich.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2006,
492 = SIS 06 10 23 veröffentlichten Urteil vom 24.11.2005 10 K
1364/02 ab. Das FG entschied, Anteile an offenen Aktienfonds
gehörten nicht zu den privilegierten Wirtschaftsgütern
i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a des
Einkommensteuergesetzes (EStG), weil das Vermögen eines
Aktienfonds neben Aktien und GmbH-Anteilen auch Kapitalforderungen
umfassen dürfe.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG. Er
macht geltend, mit den Aktienfondsanteilen Wirtschaftsgüter
angeschafft zu haben, die dauernd zur Erzielung von Einkünften
bestimmt seien. Ein Aktienfondsanteil sei keine Forderung und daher
ein begünstigtes Wirtschaftsgut i.S. des § 10 Abs. 2 Satz
2 EStG. Der Umstand, dass zum Vermögen eines Aktienfonds auch
Kapitalforderungen gehören könnten, stehe dem schon nach
dem Wortlaut des Gesetzes nicht entgegen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG Köln vom 24.11.2005 10 K 1364/02 = SIS 06 10 23 und den
Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht
von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen vom 31.5.2001 i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 15.2.2002 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat rechtsfehlerfrei
entschieden, dass der angefochtene Bescheid über die
gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der
außerrechnungsmäßigen und
rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu
den Lebensversicherungen des Klägers enthaltenen Sparanteilen
(§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) rechtmäßig ist.
1. Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2
der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 9 der Verordnung
über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der Zweiten
Verordnung zur Änderung der Verordnung über die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180
Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16.12.1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl
I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des
Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht
der außerrechnungsmäßigen und
rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen
enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert
fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den
Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den
Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht
erfüllt sind. Das trifft im Streitfall zu.
2. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den
Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall
enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG
steuerpflichtig. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht
für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im
Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach
Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt
werden. Die Beiträge zu den Versicherungen i.S. des § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den in Abs. 2 derselben
Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als
Sonderausgaben abgezogen werden.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 i.d.F. des
Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 vom 25.2.1992 (BGBl
I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) - nunmehr: § 20 Abs. 1 Nr. 6
Satz 4 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung - gilt die
Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2
Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den
Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b
EStG erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen
Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in
denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG
abgezogen werden können (vgl. dazu im Einzelnen und mit
Nachweisen zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Senatsurteile
vom 13.7.2004 VIII R 48/02, BFHE 207, 136, BStBl II 2004, 1060 =
SIS 04 38 15; VIII R 52/03, BFH/NV 2005, 181 = SIS 05 07 54, und
VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184 = SIS 05 07 55). Anwendbar ist die
Neufassung des Gesetzes, wenn die Ansprüche aus dem
Versicherungsvertrag nach dem 13.2.1992 zur Sicherung eines
Darlehens dienen (vgl. § 52 Abs. 13a Satz 4 und Abs. 20 Satz 2
EStG i.d.F. des StÄndG 1992).
Die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs
sind aber auch nach dieser erweiterten Fassung des Gesetzes nicht
erfüllt:
a) Unstreitig sind die Lebensversicherungen
des Klägers Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG.
b) Die Finanzierungskosten des Klägers
für die Darlehen zum Erwerb der Aktienfondsanteile sind jedoch
als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG bei
seinen Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehbar, so dass der
Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG
ausgeschlossen ist. Denn das ihm gewährte Darlehen hat der
Kläger dazu verwendet, Aktienfondsanteile zu erwerben und
daraus Kapitaleinnahmen zu erzielen. Die Darlehenszinsen sind daher
als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
Kapitalvermögen abzugsfähig.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers
ist der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a
EStG nicht erfüllt. Diese Vorschrift setzt nach ihrem
eindeutigen Wortlaut u.a. voraus, dass das Darlehen unmittelbar und
ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur
Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist. Wie
das FG zutreffend darlegt, hat der Gesetzgeber Forderungen selbst
bei langfristiger Einkunftserzielungsabsicht nachträglich
ausdrücklich als steuerschädlich von den
begünstigten Wirtschaftsgütern ausgenommen (vgl. auch
Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl., § 10 Rz. 189, m.w.N.). Mit
dem Erwerb von Anteilen an offenen Aktienfonds hat der Kläger
Anteile am Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft
erworben (§ 6 des Gesetzes über
Kapitalanlagegesellschaften - KAGG -, jetzt: § 2
Investmentgesetz). Nach § 8 KAGG (ab 1.1.2004 §§ 46
ff. i.V.m. § 2 Abs. 4 Investmentgesetz) enthält das
zulässige Vermögen eines offenen Aktienfonds neben Aktien
und GmbH-Anteilen typischerweise auch Kapitalforderungen. Da diese
nach der gesetzlichen Regelung ausdrücklich nicht
begünstigt sind, ist der Anteilserwerb steuerschädlich.
Dieser Auffassung ist auch die Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 15.6.2000 IV C 4 - S
2221 - 86/00, BStBl I 2000, 1118 = SIS 00 08 54 Rz. 12 und 13).
Soweit der Kläger sich insoweit darauf
beruft, der Erwerb eines Anteils an einem Aktienfonds sei mit dem
Erwerb von Anteilen an einer AG bzw. einer GmbH vergleichbar,
vermag der Senat dem nicht zu folgen. AG und GmbH sind
Kapitalgesellschaften und als juristische Personen des Privatrechts
eigenständig Träger von Rechten und Pflichten. Das hat
zur Folge, dass ihr Vermögen nicht den Anteilseignern, sondern
der Kapitalgesellschaft selbst zuzurechnen ist. Erwirbt ein Anleger
hingegen Anteile an einem Aktienfonds, so beteiligt er sich an
einem Sondervermögen i.S. des § 6 Abs. 1 KAGG (jetzt:
§ 2 Abs. 2 Investmentgesetz) und erwirbt Bruchteilseigentum
entsprechend seiner Beteiligungsquote. Unabhängig davon, ob
das Rechtsverhältnis der Anleger am Sondervermögen in
Form der sog. Treuhandlösung oder in Form der sog.
Miteigentumslösung geregelt ist (vgl. Zeller in
Brinkhaus/Scherer, KAGG, § 6 Rn. 4 ff.; Baur,
Investmentgesetze, 2. Aufl., Einleitung I Rz. 73), sind die Anleger
Miteigentümer am Fondsvermögen nach Bruchteilen
gemäß §§ 1008, 741 ff. des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB). Bei der sog. Treuhandlösung stehen die
Gegenstände des Sondervermögens zwar im formalen Eigentum
der Kapitalanlagegesellschaft, wirtschaftlich sind jedoch die
Anteilsinhaber Eigentümer. Das formale (nicht aber
wirtschaftliche) Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft
beschränkt sich darauf, dass sie nur insoweit über die
Gegenstände des Sondervermögens verfügen kann, als
die gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften dies zulassen; das
Rechtsverhältnis der Anleger untereinander ist auch hier als
Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 1008, 741 ff. BGB
anzusehen (vgl. Zeller in Brinkhaus/Scherer, a.a.O., § 6 Rn.
7; Baur, a.a.O., Einleitung I Rz. 73).
Die vom Kläger gezogenen Parallelen zum
Erwerb der Instandhaltungsrücklage bei gebrauchten
Eigentumswohnungen, zum Erwerb von Betrieben/Teilbetrieben bzw. zur
Beteiligung an Personengesellschaften oder
Grundstücksgemeinschaften sind ebenfalls nicht geeignet, zu
einer anderen rechtlichen Bewertung zu führen. Hinsichtlich
einer Instandhaltungsrücklage ist darauf hinzuweisen, dass
diese in der Regel als Bankguthaben (Termingeld) angelegt ist. Es
handelt sich damit um eine Forderung, die nicht mittels
Policendarlehens finanziert werden darf. Soweit es um Betriebe oder
Teilbetriebe geht, verkennt der Kläger, dass § 10 Abs. 2
Satz 2 Buchst. a EStG lediglich die Anschaffung oder Herstellung
eines Wirtschaftsguts begünstigt, das dauernd zur Erzielung
von Einkünften bestimmt ist. Der Betrieb als lebendiger
Organismus definiert sich hingegen aus der Summe seiner
wesentlichen Betriebsgrundlagen, d.h. der Summe derjenigen
Wirtschaftsgüter, die nach der Art des Betriebs für
dessen Funktionieren und die Erreichung des Betriebszwecks
bedeutsam sind (vgl. Stahl in Korn, § 16 EStG Rz. 33). Und
unter einem Teilbetrieb ist ein organisch geschlossener, mit einer
gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines
Gesamtbetriebs anzusehen, der - für sich betrachtet - alle
Merkmale eines Betriebs i.S. des EStG aufweist und als solcher
lebensfähig ist (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz.
143, m.w.N.). Der Erwerb eines Betriebs/Teilbetriebs gehört
damit bereits nach dem Wortlaut der Regelung nicht zu den
begünstigten Wirtschaftsgütern i.S. des § 10 Abs. 2
Satz 2 Buchst. a EStG.
Auch soweit es um die Beteiligung oder einen
Anteil an Personengesellschaften oder
Grundstücksgemeinschaften geht, handelt es sich nicht um
Wirtschaftsgüter im steuerlichen Sinn; darauf weist auch die
Finanzverwaltung hin (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118 =
SIS 00 08 54 Rz. 11). Wenn die Finanzverwaltung über den
Wortlaut des Gesetzes hinaus für den Erwerb eines Betriebs
oder eines Anteils an einer Personengesellschaft davon ausgeht,
dass unter Einsatz von Lebensversicherungsansprüchen der Teil
des Kaufpreises steuerunschädlich finanziert werden kann, der
nach dem Verhältnis der durch den Kaufpreis realisierten
Teilwerte/Verkehrswerte auf erworbene Wirtschaftsgüter, die
dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt sind, ohne
Forderungen, entfällt (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000,
1118 = SIS 00 08 54 Rz. 24), kann der Senat offenlassen, ob er
dieser Auffassung folgen könnte. Zum einen handelt es sich
insoweit um eine Billigkeitsregelung der Verwaltung, die den Senat
nicht bindet. Zum anderen wäre nach dem hier gegebenen
Sachverhalt eine derartige Aufteilung gar nicht möglich. Auch
dürfte eine Differenzierung, ob - und wenn ja - zu welcher
Zeit und in welchem Umfang das Vermögen der
Kapitalanlagegesellschaft Forderungen oder keine solchen
enthält, in der Praxis nicht durchführbar sein. Darauf
hat bereits das FG hingewiesen. Im Übrigen geht die
Finanzverwaltung in Rz. 25 des vorstehend genannten BMF-Schreibens
aber davon aus, dass die von ihr für den Erwerb von Betrieben,
Teilbetrieben oder Anteilen an Personengesellschaften vorgesehenen
und über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden
Ausnahmeregelungen auf offene Aktien- oder Immobilienfonds nicht
entsprechend anzuwenden sind.
Da eine Aufteilung in einen
steuerschädlichen und einen steuerunschädlichen Teil nach
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht in Betracht kommt
(Senatsurteile in BFHE 207, 136, BStBl II 2004, 1060 = SIS 04 38 15; in BFH/NV 2005, 181 = SIS 05 07 54, und in BFH/NV 2005, 184 =
SIS 05 07 55), konnte auch der hilfsweise gestellte Antrag des
Klägers, aus dem Aktienfonds den Teil herauszurechnen, der auf
den Erwerb begünstigter Wirtschaftsgüter entfällt,
keinen Erfolg haben. Insgesamt ist damit eine steuerschädliche
Verwendung gegeben, die in vollem Umfang zur Steuerpflicht der
Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG führt.