Testamentsvollstrecker, Unternehmer: 1. Ein Testamentsvollstrecker, der über einen längeren Zeitraum eine Vielzahl von Handlungen vornimmt, wird regelmäßig nachhaltig und damit unternehmerisch tätig; dies gilt auch bei einer "Auseinandersetzungs-Testamentsvollstreckung" (Anschluss an BFH-Urteile vom 26.9.1991 V R 1/87, BFH/NV 1992, 418, und vom 30.5.1996 V R 26/93, BFH/NV 1996 S. 938 = SIS 96 22 47). - 2. Die unternehmerische Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers unterliegt auch dann der Umsatzsteuer, wenn sie aus privatem Anlass aufgenommen wurde; die Rechtsprechung des EuGH zur "nur gelegentlichen" Ausführung von Umsätzen durch Nutzung privater Gegenstände kann hierzu nicht erweiternd angewendet werden. - Urt.; BFH 7.9.2006, V R 6/05; SIS 06 47 40
I. Streitig ist, ob die Umsätze des
Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) in den Jahren
1997 bis 1999 (Streitjahre) aus seinen Tätigkeiten als
Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter der Umsatzsteuer
unterlagen.
Aufgrund einer betriebsnahen Veranlagung
kam der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
zu dem Ergebnis, dass die - im Inland ausgeübten -
Tätigkeiten des Klägers als Testamentsvollstrecker
für den Nachlass K bzw. als Nachlassverwalter für den
Nachlass V (37 Miterben) steuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 1
des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG 1993/1999) seien. Die
Tätigkeiten hätten eine Vielzahl von Einzelhandlungen des
Klägers umfasst, über längere Zeit angedauert und
seien mit Einnahmeerzielungsabsicht betrieben worden. Gleichzeitig
berücksichtigte das FA die auf die Tätigkeiten
entfallenden Vorsteuern zu Gunsten des Klägers. Neben den hier
streitigen Umsätzen erzielte der Kläger außerdem
Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von
Grundstücken, für die er gemäß § 9 UStG
1993/1999 auf die Steuerbefreiung verzichtete.
Nach den Feststellungen des FA hat der
Kläger in den Jahren 1998 und 1999 jeweils 25.862 DM aus der
Nachlassverwaltung V (Summe 51.724 DM) und im Jahr 1997 7.826 DM
sowie im Jahr 1998 1.931 DM Umsätze aus der Tätigkeit als
Testamentsvollstrecker des Nachlasses K (Summe 9.757 DM) erzielt.
Das FA erließ jeweils am 4.4.2001 geänderte
Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1997 bis 1999 und setzte
die Umsatzsteuer für 1997 auf 8.163 DM (erklärt: 7.788,44
DM = 3.982,17 EUR), für 1998 auf 6.834 DM (erklärt:
3.371,40 DM = 1.723,77 EUR) und für 1999 auf 5.577 DM
(erklärt: 2.135,30 DM = 1.091,76 EUR) fest.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche
blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch
das in EFG 2005, 644 = SIS 05 14 85 veröffentlichte Urteil mit
der Begründung statt, der Kläger habe die
Tätigkeiten als Testamentsvollstrecker des Nachlasses K und
die Verwaltung des Nachlasses V nur deshalb übernommen, weil
er in beiden Fällen Miterbe war. In beiden Fällen sei es
von vornherein um die Auseinandersetzung des Nachlassvermögens
gegangen; nach diesen Tätigkeiten sei der Kläger nicht
mehr als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter tätig
geworden. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) ein Testamentsvollstrecker grundsätzlich
selbständig und nachhaltig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG
1993/1999 tätig; die Beurteilung als
„Steuerpflichtiger“ aufgrund einer
„wirtschaftlichen Tätigkeit“ komme aber nach dem
Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) vom 26.9.1996 C-230/94, Enkler (UR 1996, 418 = SIS 97 10 36)
nicht in Betracht, wenn die Umsätze - wie im Streitfall -
für private Zwecke und damit nur gelegentlich i.S. von Art. 4
Abs. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG)
ausgeführt würden.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner -
vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Revision
und macht insbesondere geltend: Die vom FG herangezogene
EuGH-Rechtsprechung sei zu Umsätzen mit Gegenständen
ergangen, die sowohl wirtschaftlichen wie privaten Zwecken dienen
können, sie könne deshalb nicht auf den hier vorliegenden
Fall von Dienstleistungen übertragen werden. Außerdem
habe das FG bei seiner Entscheidung nicht die gesamten
Gegebenheiten des Einzelfalls berücksichtigt, wie dies vom
EuGH gefordert werde, wenn es wesentlich darauf abstelle, dass die
- nicht unerheblich vergütete - Tätigkeit aus dem Umstand
entstanden sei, dass der Kläger Miterbe gewesen sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision
entgegengetreten und hält das Urteil des FG für
zutreffend.
Die Beteiligten haben übereinstimmend
auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des Urteils des FG sowie zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die vom
Kläger als Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter
erzielten Umsätze nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993/1999
unterliegen u.a. die sonstigen Leistungen der Umsatzsteuer, die ein
Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens
ausführt. Streitig ist bei den Tätigkeiten des
Klägers als Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter
allein, ob er Unternehmer i.S. des § 2 UStG 1993/1999 war.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993/1999 ist Unternehmer, wer
eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig
ausübt; nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1993/1999 ist
gewerblich oder beruflich jede nachhaltige Tätigkeit zur
Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen,
fehlt.
a) Der Kläger war als Nachlassverwalter
und Testamentsvollstrecker selbständig tätig, weil er
seine Aufgaben weisungsfrei wahrgenommen hat.
b) Das hier streitige Merkmal der gewerblichen
oder beruflichen, d.h. nachhaltigen Tätigkeit ist nach der
Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 24.11.1992 V R 8/89, BFHE
170, 275, BStBl II 1993, 379 = SIS 93 08 26; vom 13.11.2003 V R
59/02, BFHE 203, 540, BStBl II 2004, 472 = SIS 04 05 42, mit
Nachweisen) aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse anhand
verschiedener Kriterien zu beurteilen, die im Einzelfall in
unterschiedlicher Gewichtung heranzuziehen sind. Es sind u.a. zu
würdigen: die Dauer und die Intensität des
Tätigwerdens, die Beteiligung am Markt, die Zahl der
ausgeführten Umsätze und das planmäßige
Tätigwerden. An die entsprechenden tatsächlichen
Feststellungen und deren Würdigung durch das FG ist der BFH
als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO
gebunden. Das Revisionsgericht hat insoweit nur zu prüfen, ob
dem FG bei der tatsächlichen Würdigung
Rechtsverstöße unterlaufen sind.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass
auch eine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker und
Nachlassverwalter in nur zwei Verfahren zur Auseinandersetzung
eines Nachlasses eine nachhaltige Tätigkeit sein kann (vgl.
BFH-Urteile vom 26.9.1991 V R 1/87, BFH/NV 1992, 418; vom 30.5.1996
V R 26/93, BFH/NV 1996, 938 = SIS 96 22 47). Nachhaltigkeit ist
nicht bereits deshalb zu verneinen, weil keine Verwaltungs-,
sondern eine sog. Auseinandersetzungs-Testamentsvollstreckung
ausgeführt wird. Insbesondere wegen der Vielzahl der
vorgenommenen Handlungen über einen längeren Zeitraum ist
das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise von
einer nachhaltigen Tätigkeit des Klägers ausgegangen.
c) Zu Unrecht hat das FG aber angenommen, dass
der Besteuerung der Umsätze des Klägers entgegenstehe,
dass er sie für private Zwecke „und damit nur
gelegentlich i.S. des Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie
77/388/EWG“ ausgeführt habe; diese Rechtsauffassung
deckt sich nicht mit den Grundsätzen zum Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer.
Der EuGH geht in ständiger Rechtsprechung
vielmehr davon aus, dass Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG der
Mehrwertsteuer einen sehr breiten Anwendungsbereich zuweist
(EuGH-Urteile vom 4.12.1990 Rs. C-186/89, Van Tiem, Slg. 1990,
I-4363 RandNr. 17; vom 29.4.2004 Rs. C-77/01, EDM, UR 2004, 292 =
SIS 04 23 42 RandNr. 47). Allerdings muss sich der Umsatz auf eine
„wirtschaftliche Tätigkeit“ beziehen, was
bei Zahlungen nicht der Fall ist, die auf dem bloßen Eigentum
an einem Gegenstand beruhen; der Steuerpflichtige muss vielmehr
„als solcher“ (vgl. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie
77/388/EWG) handeln (EuGH-Urteile vom 11.7.1996 Rs. C-306/94,
Régie dauphinoise, Slg. 1996, I-3695 = SIS 96 22 54 RandNrn.
15, 17; vom 22.6.1993 Rs. C-333/91, Sofitam, Slg. 1993, I-3513 =
SIS 93 25 12 RandNr. 13; vom 14.11.2000 Rs. C-142/99, Floridienne
und Berginvest, Slg. 2000, I-9567 = SIS 01 03 02 RandNr. 26).
Da Gegenstände sowohl privaten wie
unternehmerischen Tätigkeiten dienen können, kann ihre
(ggf. nur beabsichtigte) Nutzung Abgrenzungsfragen hervorrufen;
deshalb gehen die vom FG zitierten EuGH-Urteile (in UR 1996, 418 =
SIS 97 10 36; vom 4.10.1995 Rs. C-291/92, Armbrecht, BStBl II 1996,
392 = SIS 96 01 22) von der Nutzung bzw. der Veräußerung
von Gegenständen und der Frage aus, ob diese Vorgänge
privat oder unternehmerisch zu beurteilen sind. Wird der
Steuerpflichtige jedoch „als solcher“ - wie hier
der Kläger - mit Dienstleistungen (vgl. Art. 2 Nr. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG) gewerblich oder beruflich tätig, ohne
dass es dabei auf die Verwendung von Gegenständen ankommt,
greifen die Einschränkungen dieser EuGH-Rechtsprechung nicht
ein. Dann ist es aber auch unerheblich, aus welchen Gründen -
wie hier der Miterbenstellung - der Kläger die wirtschaftliche
Tätigkeit aufgenommen hat (zur Testamentsvollstreckung als
Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter siehe
auch BFH-Beschluss vom 10.6.1992 V B 135/01, BFH/NV 2002, 1504 =
SIS 02 98 59).
Das Gemeinschaftsrecht schließt eine
Besteuerung der Umsätze des Klägers damit nicht aus.
2. Die Sache ist entscheidungsreif. Das FG hat
die Voraussetzungen für die Besteuerung der Umsätze des
Klägers nach nationalem Recht ausdrücklich bejaht; da die
vom FG zu Unrecht angenommenen Einschränkungen durch das
Gemeinschaftsrecht nicht eingreifen, deretwegen allein das FG die
Umsatzsteuerpflicht verneint hatte, war die Klage abzuweisen.