PKH-Verfahren, Unterbrechung bei Insolvenz: Im Steuerprozess wird das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unterbrochen, wenn über das Vermögen des Antragstellers nach Eintritt der Rechtshängigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet wird. - Urt.; BFH 27.9.2006, IV S 11/05 (PKH); SIS 06 45 95
I. Die Klägerin,
Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Antragstellerin)
begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung ihrer
Prozessbevollmächtigten für die bereits eingelegte
Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts (FG) Berlin vom 21.6.2004 8 K 8272/03 betreffend die
Einkommensteuerbescheide 1989 bis 1996.
Nach fristgerechter Begründung des
Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss
des Amtsgerichts vom ...12.2005 das Insolvenzverfahren über
das Vermögen der Klägerin eröffnet und ein
Insolvenzverwalter bestellt. Mit Entscheidung vom 27.9.2006 hat der
Senat die Löschung des Verfahrens der
Nichtzulassungsbeschwerde in den Registern des Bundesfinanzhofs
(BFH) beschlossen.
II. Durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens wurde das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
unterbrochen (§ 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m.
§ 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO - ). Diese
Verfahrensunterbrechung erfasst auch das PKH-Verfahren.
1. Allerdings ist die Frage, ob ein
PKH-Verfahren durch den Eintritt der Insolvenz unterbrochen wird,
in der zivilprozessualen Rechtsprechung und dem dazu ergangenen
Schrifttum umstritten (bejahend: z.B. Beschlüsse des
Oberlandesgerichts - OLG - Köln vom 15.11.2002 2 U 79/02, MDR
2003, 526; des OLG Hamm vom 16.3.2006 27 W 11/06, juris, und des
Landesarbeitsgerichts - LAG - Hamm vom 30.1.2006 4 Ta 830/05,
juris; ebenso Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 118 Rn.
15; verneinend: z.B. Beschlüsse des OLG Stuttgart vom
25.3.2004 3 W 65/03, OLGR Stuttgart 2004, 313, und des OLG
Zweibrücken vom 15.11.2004 4 W 155/04, OLGR Zweibrücken
2005, 414; s. auch Fischer, MDR 2004, 252, und Zöller/Greger,
a.a.O., vor § 239 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Dieser
Auseinandersetzung liegt fast immer der Fall zu Grunde, dass das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gegners der
PKH-Partei eröffnet wird. Dabei wird die Anwendung der
Unterbrechungsvorschriften meist mit dem Argument abgelehnt, das
PKH-Verfahren sei vom Hauptsacheverfahren völlig
unabhängig; es setze weder voraus, dass die Hauptsache bereits
anhängig sei noch dass sie jemals anhängig gemacht werde
(s. nur LAG Hamm vom 30.1.2006 4 Ta 830/05, juris, m.w.N. unter Rn.
11); es handele sich eben nicht um ein kontradiktorisches
Verfahren, bei dem sich die Parteien des Rechtsstreits
gegenüberstehen, sondern der Antragsteller und die Staatskasse
(s. nur OLG Zweibrücken in OLGR Zweibrücken 2005, 414,
Rn. 7, m.w.N.).
2. Im Steuerprozess, wo die Partei, die PKH
beantragt hat, regelmäßig selbst vom Insolvenzverfahren
betroffen ist und wo im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
auch Rechtshängigkeit vorliegt, ist das PKH-Verfahren von der
Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO jedenfalls erfasst. Denn
die Antragstellerin ist persönlich nicht mehr
prozessführungsbefugt (§ 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung -
InsO - ) und auch die Insolvenzmasse ist bis zur eventuellen
Aufnahme des Verfahrens nach § 180 Abs. 2 InsO nicht wirksam
vertreten. Neben dem Eintritt des Insolvenzverwalters in das
Verfahren (§ 180 Abs. 2 InsO) besteht allerdings die
Möglichkeit, dass der Steuerpflichtige die
Prozessführungsbefugnis wieder erlangt, wenn das
Insolvenzverfahren wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes
eingestellt wird (§ 212 InsO). Daraus folgt eine -
grundsätzliche - Abhängigkeit des Anspruchs auf
Bewilligung von PKH von der weiteren Entwicklung des
Insolvenzverfahrens, die zu einer Unterbrechung des PKH-Verfahrens
nach § 240 ZPO führt.
3. Eine Fortsetzung des PKH-Verfahrens
würde hingegen dem Zweck der Unterbrechungsvorschrift des
§ 240 ZPO nicht gerecht. Diese Regelung trägt dem Wechsel
der Prozessführungsbefugnis in einem laufenden Verfahren
Rechnung (Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rn. 1). Die
Verfahrensunterbrechung soll dem Insolvenzverwalter hinreichend
Gelegenheit verschaffen, sich mit dem Rechtsstreit vertraut zu
machen und über die Fortführung des Verfahrens zu
entscheiden. Eine Entscheidung über ein PKH-Gesuch
während eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Verfahrens
würde aber stets zur Zurückweisung des PKH-Begehrens
wegen fehlender Erfolgsaussicht i.S. des § 114 ZPO i.V.m.
§ 142 Abs. 1 FGO führen, weil der Antragsteller seine
Prozessführungsbefugnis mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens verloren hat. Eine - wenn auch nur summarische
- materiell-rechtliche Prüfung des Steueranspruchs wäre
damit nicht verbunden, so dass sich aus diesem Verfahren auch keine
Hinweise zu den Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels für den
Insolvenzverwalter ergäben.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht
veranlasst, da auch im PKH-Verfahren keine Kostenentscheidung zu
treffen ist (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 142 Abs. 1
FGO).