Feststellungsverfahren, Streitwert nach StEntlG 1999/2000/2002: Die durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 beschlossene Absenkung des für die Einkommensteuer maßgeblichen Eingangssteuersatzes gibt keine Veranlassung, bei Verfahren wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Einkünften gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 im Jahre 2001 und 2002 den bislang angewandten Regelsatz von 25 v.H. des streitigen Gewinns oder Verlustes für die Streitwertfeststellung zu ändern. - Urt.; BFH 10.10.2006, VIII B 177/05; SIS 06 45 45
I. Die Klägerin,
Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin), eine
GmbH & Co. KG, erklärte für den Veranlagungszeitraum
2001 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 106.006 DM und für
2002 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 55.276 EUR. Die negativen
Einkünfte 2001 setzen sich aus 97.792 DM für eine
Rücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG)
sowie 8.214 DM für eine Rückstellung der
Jahresabschlusskosten zusammen. Für das Jahr 2002 beträgt
der Anteil für die Rücklage 47.500 EUR. Nachdem der
Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -
) die Ansparrücklage nicht anerkannte, legte die Klägerin
nach erfolglosem Einspruch Klage ein, welche vom Finanzgericht (FG)
zurückgewiesen wurde. Der Kostenbeamte des FG hat den
Streitwert nicht festgestellt. Die gegen das Urteil des FG erhobene
Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wurde vom Senat mit
Beschluss vom 10.10.2006 VIII B 177/05 als unzulässig
verworfen.
Mit Schreiben vom 14.12.2005 beantragte die
Klägerin beim Bundesfinanzhof (BFH), den Streitwert
festzusetzen. Es bestehe Rechtsschutzbedürfnis für die
Stellung eines solchen Antrages, da der Urkundsbeamte des Gerichts
des ersten Rechtszuges den Streitwert noch nicht ermittelt habe.
Die Höhe des Streitwerts sei zwischen den Beteiligten
umstritten. Zudem könne die Höhe nicht aus den
Anträgen der Beteiligten ohne weiteres abgelesen werden. Im
Übrigen werde für die Abrechnung mit der
Rechtsschutzversicherung der Klägerin ein Streitwert
benötigt.
II. 1. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung
ist zulässig.
a) Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2
i.V.m. Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG n.F.) i.d.F. des
Gesetzes vom 5.5.2004 (BGBl I 2004, 718) setzt im
finanzgerichtlichen Verfahren das Prozessgericht den Wert des
Streitgegenstandes für die zu erhebenden Gebühren durch
Beschluss fest, wenn ein Beteiligter dies beantragt. Vorliegend ist
davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der
Klägerin den Antrag auf gerichtliche Festsetzung des
Streitwerts im Namen der Klägerin gestellt hat. Zwar kann
gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vom 5.5.2004 (BGBl I
2004, 718, 788) der Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf
Streitwertfestsetzung auch im eigenen Namen stellen. Der
Antragsschrift vom 14.12.2005 kann jedoch eine Antragstellung im
eigenen Namen seitens des Prozessbevollmächtigten nicht
entnommen werden. Vielmehr wird darin auf die eindeutig im Namen
der Klägerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde Bezug
genommen. Im Schreiben vom 3.1.2006 wird das
Rechtsschutzbedürfnis für die Antragstellung zudem damit
begründet, dass die Klägerin einen Streitwert für
die Abrechnung mit ihrer Rechtsschutzversicherung benötige;
auch dies spricht für eine Antragstellung im Namen der
Klägerin.
b) Das für einen Antrag gemäß
§ 63 Abs. 2 Satz 2 GKG n.F. erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BFH-Beschluss vom 20.10.2005 III S
20/05, BFHE 211, 267, BStBl II 2006, 77 = SIS 06 00 21, m.w.N.) ist
deshalb zu bejahen, weil Unsicherheit darüber besteht, ob bei
Klagen gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Einkünften gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
der Abgabenordnung (AO 1977) die bislang von der Rechtsprechung
für die Streitwertfeststellung angewandten pauschalen
Sätze von 25 v.H. bis 50 v.H. des streitigen Gewinns oder
Verlustes (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8.11.1973 IV B 90/70, BFHE
110, 491, BStBl II 1974, 140 = SIS 74 00 76; vom 17.11.1987 VIII R
346/83, BFHE 152, 5, BStBl II 1988, 287 = SIS 88 10 53; vom
21.9.1994 VIII E 1/94, BFH/NV 1995, 254) im Hinblick auf die durch
das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002)
vom 24.3.1999 beschlossene Absenkung des für die
Einkommensteuer maßgeblichen Höchst- und
Eingangssteuersatzes fortgelten (vgl. Brandis in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Tz. 199;
Eberl, DStR 2000, 1639).
2. Der Streitwert im Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde entspricht gemäß § 47
Abs. 3 GKG n.F. im Regelfall dem voraussichtlichen Streitwert des
angestrebten Revisionsverfahrens (vgl. Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 135 Rz. 35). Davon ist
auch im Streitfall auszugehen, wobei die Weiterverfolgung der
erstinstanzlichen Anträge auf Abänderung der Bescheide
über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 2001 und 2002 zugrunde zu legen
ist. Bei einer solchen Klagenhäufung sind die Streitwerte der
verschiedenen Klagebegehren zusammenzurechnen (§ 39 Abs. 1 GKG
n.F.; § 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 5
der Zivilprozessordnung - ZPO - ; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom
26.11.2002 IV E 2/02, BFH/NV 2003, 338 = SIS 03 14 46; vom 3.1.2000
II E 6/99, BFH/NV 2000, 852 = SIS 00 56 37).
3. Im Verfahren der einheitlichen und
gesonderten Gewinnfeststellung bemisst sich der Streitwert nach der
typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die
Gesellschafter. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist
diese grundsätzlich mit 25 v.H. des streitigen Gewinns oder
Verlustes zu bemessen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29.9.2005 IV E
5/05, BFH/NV 2006, 315 = SIS 06 08 06; vom 28.2.2001 VIII E 5/00,
BFH/NV 2001, 1035 = SIS 01 67 14, jeweils m.w.N.). Die
tatsächlichen einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen bei den
einzelnen Gesellschaftern werden nicht ermittelt.
An der pauschalen Ermittlung des Streitwerts
ist selbst dann festzuhalten, wenn im Verfahren über die
gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung die
tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen bei den
Feststellungsbeteiligten bekannt geworden sind (BFH-Beschluss vom
27.5.2002 XI E 2/02, BFH/NV 2002, 1323 = SIS 02 94 21).
Ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren Prozentsatzes
dann in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im
Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz
von 25 v.H. den tatsächlichen einkommensteuerlichen
Auswirkungen nicht gerecht wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006,
315 = SIS 06 08 06, m.w.N.). Werden Umstände erkennbar, die
darauf schließen lassen, dass die angestrebten
Verlustbeträge bei der Ermittlung des Einkommens der
Mitunternehmer zum Ausgleich entsprechend hoher positiver
Einkünfte dienen sollen, kann im Rahmen des Streits über
die Höhe des Verlustes ein Prozentsatz, der in der Nähe
des Höchststeuersatzes liegt, angemessen sein (vgl.
BFH-Beschluss in BFHE 152, 5, BStBl II 1988, 287 = SIS 88 10 53).
4. In den Streitjahren 2001 und 2002 ist
für die Streitwertfeststellung gemäß den
vorgenannten Grundsätzen weiterhin von einem pauschalen
Prozentsatz des streitigen Gewinns oder Verlustes in Höhe von
25 v.H. als Regelsatz auszugehen. Die Eingangssteuersätze sind
zwar für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2005 von 22,9
v.H. auf 15 v.H. abgesenkt (Veranlagungszeitraum 2000: 22,9 v.H.;
Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003: 19,9 v.H.;
Veranlagungszeitraum 2004: 16 v.H.; Veranlagungszeitraum 2005: 15
v.H.) und die Grundfreibeträge - schrittweise - von 6.902 EUR
(Veranlagungszeitraum 2000) auf 7.664 EUR (Veranlagungszeitraum
2005) angehoben worden. Diese Tarifentwicklung rechtfertigt indes
nicht, den für die Streitwertbestimmung geltenden Regelsatz
von 25 v.H. auf 20 v.H. herabzusetzen (a.A. Brandis in Tipke/Kruse,
a.a.O., Vor § 135 Tz. 199; Eberl, DStR 2000, 1639). Zum einen
deshalb, weil der Pauschalsatz auf der typisierenden Annahme
beruht, dass die Gesellschafter auch andere nach dem EStG
steuerbare Einkünfte erzielen. Zum anderen ist zu
berücksichtigen, dass aufgrund der Neufassung des
Einkommensteuertarifs 1996 durch das Jahressteuergesetz 1996 vom
11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) nicht nur der
Grundfreibetrag von zuvor 5.616 DM (= 2.871 EUR) auf 12.095 DM (=
6.184 EUR), sondern zugleich auch der Eingangssteuersatz von bis
dahin 19 v.H. auf 25,9 v.H. erhöht wurde (vgl. hierzu auch
Laux, BB 1996, 567); Letzteres hatte weiterhin zur Folge, dass sich
der Betrag des zu versteuernden Einkommens, ab dem nach der
Grundtabelle der Grenzsteuersatz 25 v.H. (und mehr) beträgt,
von zuvor rd. 28.000 DM (= 14.316 EUR) - Tarif 1990 bis 1995 - auf
nur noch 12.096 DM (= 6.185 EUR) - Tarif 1996 und 1997 - vermindert
hat. Da aber dieser Einschnitt in die Tarifstruktur aufgrund der
Tarifreformen ab dem Jahr 1998 erst für den
Veranlagungszeitraum 2005 wieder „ausgeglichen“
wurde (d.h.: Grenzsteuersatz von 25 v.H. bei einem zu versteuerndem
Einkommen im Veranlagungszeitraum 2005 von rd. 29.300 DM = 14.981
EUR; vgl. im Einzelnen Veröffentlichung des Bundesministeriums
der Finanzen unter
www.bundesfinanzministerium.de/Service/Interaktiver
Abgabenrechner), besteht jedenfalls für Streitjahre bis
einschließlich 2005 - selbst dann, wenn man die allgemeine
Einkommensentwicklung in den Jahren 1990 bis 2005 außer Acht
lässt - keine Veranlassung, den der Streitwertberechnung
zugrunde zu legenden Regelsatz (25 v.H.) zu korrigieren.
5. Im Interesse der Rechtssicherheit stellt
der Senat klar, dass die ab 2001 reduzierten
Höchststeuersätze (Veranlagungszeiträume 2001 bis
2003: 48,5 v.H.; Veranlagungszeitraum 2004: 45 v.H.;
Veranlagungszeitraum 2005: 42 v.H.) zugleich auch dazu führen
müssen, die Obergrenze des Pauschalsatzes für die
Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 auf 45 v.H., für den
Veranlagungszeitraum 2004 auf 42 v.H. sowie für den
Veranlagungszeitraum 2005 auf 40 v.H. anzupassen. Soweit nach
§ 35 EStG begünstigte (gewerbliche) Einkünfte im
Streit sind, ist ein weiterer (pauschaler) Abschlag in Höhe
von 5 v.H. geboten, so dass sich der Pauschalhöchstsatz
für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 auf 40 v.H.,
für den Veranlagungszeitraum 2004 auf 37 v.H. und für den
Veranlagungszeitraum 2005 auf 35 v.H. vermindert.
6. Der Streitwert für das
Beschwerdeverfahren VIII B 177/05 beläuft sich auf 27.369 EUR.
Er errechnet sich aus den streitigen Verlustbeträgen
einerseits sowie dem vorliegend nicht zu korrigierenden pauschalen
Regelsatz für die streitigen Verluste (25 v.H.) andererseits.
Der umstrittene Verlust aus dem Streitjahr 2001 war dabei von DM in
Euro umzurechnen; mithin ergibt sich ein Betrag von 54.200 EUR.
7. Der IV., IX. und XI. Senat des BFH haben
den vorstehenden Ausführungen zugestimmt.
8. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu
treffen, da für die Streitwertfestsetzung
Gerichtsgebühren im GKG nicht vorgesehen sind.