Rücktritt von Grundstückskauf, Reuegeld nicht steuerbar: Die Vereinnahmung eines Reuegeldes für den Rücktritt vom Kaufvertrag über ein Grundstück des Privatvermögens ist nicht steuerbar. - Urt.; BFH 24.8.2006, IX R 32/04; SIS 06 44 46
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) waren je hälftige Miteigentümer zweier
Grundstücke. Mit notariellem Vertrag vom 21.12.1991
veräußerten die Kläger die Grundstücke
für 4.054.359 DM. In Ziffer IX. des Kaufvertrages war u.a.
bestimmt: „Der Käufer behält sich das Recht vor,
von diesem Vertrag durch einseitige Erklärung
zurückzutreten, wenn ... nicht bis zum 31.12.1992 das
Vertragsobjekt durch rechtswirksamen Bebauungsplan als
Gewerbegebiet ... ausgewiesen ist.“ In Ziffer IV. des
Vertrages wurde folgende Abrede getroffen: „Dafür,
daß der Verkäufer bis zu einem evtl. von dem Käufer
erklärten Rücktritt keine Möglichkeit der
anderweitigen Veräußerung des Kaufgegenstandes hat,
verpflichtet sich der Käufer für den Fall der
Ausübung des Rücktrittsrechts, einen Betrag von 10 % des
Kaufpreises gleich 405.435,90 DM zu zahlen.“
Nachdem die Grundstücke nicht bis
Jahresende 1992 als Gewerbegebiet ausgewiesen worden waren, trat
der Käufer Anfang 1993 vom Kaufvertrag zurück. Im Rahmen
der Rückabwicklung des Kaufvertrages verständigten sich
die Vertragsparteien auf ein verringertes Reugeld.
Nach Abzug von Werbungskosten stellte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
Einkünfte aus sonstigen Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3
des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 237.467 DM
fest.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die
Zahlung eines Reugeldes als nicht steuerbaren Vorgang im
Vermögensbereich (EFG 2004, 1527 = SIS 04 37 13).
Hiergegen richtet sich die Revision, mit
der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die
Vereinbarung eines Reugeldes sei ein selbständiges
Rechtsgeschäft mit eigenem Regelungsinhalt, welches
wirtschaftlich einem bindenden Kaufangebot vergleichbar sei und
daher der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG
unterliege.
Das FA beantragt, die angefochtene
Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht die
Vereinnahmung des Reugeldes als nicht steuerbaren Vorgang im
Vermögensbereich beurteilt.
1. Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige
Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus
Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den
Einkünften im Sinne der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift
gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen.
Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes
Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen
Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.8.2005 IX R 23/03,
BFHE 211, 143, BStBl II 2006, 248 = SIS 05 47 54, und vom 21.9.2004
IX R 13/02, BFHE 207, 284, BStBl II 2005, 44 = SIS 04 40 01).
Allerdings führt nicht jede Einnahme, der
eine Tätigkeit gegenübersteht, zu Einkünften
gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Die Vorschrift erfasst zur
Ergänzung der übrigen Einkunftsarten das Ergebnis einer
Erwerbstätigkeit oder Vermögensnutzung; sie setzt
dementsprechend die allgemeinen Merkmale des Erzielens von
Einkünften gemäß § 2 EStG voraus (BFH-Urteile
vom 16.12.1998 I R 137/97, BFH/NV 1999, 1250 = SIS 99 50 83, und
vom 14.9.1999 IX R 88/95, BFHE 189, 424, BStBl II 1999, 776 = SIS 99 21 08. Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 22
EStG Anm. 383; Leisner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG,
§ 22 Rdnr. D 110; Blümich/Stuhrmann, § 2 EStG Rz.
36). Nicht erfasst werden danach
Veräußerungsvorgänge oder
veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten
Bereich, durch die ein Vermögenswert in seiner Substanz
endgültig aufgegeben wird (BFH-Urteile vom 18.5.2004 IX R
63/02, BFHE 206, 174, BStBl II 2004, 874 = SIS 04 33 41, und vom
21.11.1997 X R 124/94, BFHE 184, 540, BStBl II 1998, 133 = SIS 98 06 03, jeweils m.w.N.). Dabei ist für die Abgrenzung im
Einzelfall der wirtschaftliche Gehalt der zu Grunde liegenden
Vereinbarung maßgebend. Entscheidend ist dabei nicht, wie die
Parteien diese Leistungen benannt, sondern was sie nach dem
Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich gewollt
und tatsächlich bewirkt haben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 206,
174, BStBl II 2004, 874 = SIS 04 33 41, und vom 18.8.1977 VIII R
7/74, BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796 = SIS 77 04 45).
2. Nach diesen Maßstäben hat das FG
zu Recht die Gewährung des Rücktrittsrechts gegen Zahlung
eines Reugeldes als bloße Folgevereinbarung eines
nichtsteuerbaren Grundstückskaufvertrages ohne
wirtschaftlichen Gehalt beurteilt.
Zwar besteht zwischen dem Reugeld und dem
vertraglichen Rücktrittsrecht des Käufers ein
wirtschaftlicher Zusammenhang.
Vereinbarung und Vereinnahmung eines Reugeldes
sind aber keine Elemente einer erwerbswirtschaftlichen
Tätigkeit. Die Kläger erstrebten nicht das Reugeld,
sondern den nicht steuerbaren Verkauf ihrer Grundstücke, der
durch die Vereinbarung des Reugeldes erst ermöglicht
wurde.
Die Regelung in Ziff. IV des Kaufvertrages
(„dafür, dass ... keine Möglichkeit der ...
Veräußerung hat“) verdeutlicht den
übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, dem Reugeld
einen Entschädigungscharakter beizumessen. Nach seinem
wirtschaftlichen Gehalt sollte dieses Reugeld im Streitfall einen
Mindererlös in der Vermögenssphäre ersetzen, den die
Kläger im Falle des Rücktritts bei einer erneuten
Veräußerung gewärtigen mussten.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem
vom FA angeführten BFH-Urteil vom 26.4.1977 VIII R 2/75 (BFHE
122, 271, BStBl II 1977, 631 = SIS 77 03 49). Denn anders als die
entgeltliche Bestellung eines Vorkaufsrechts (vgl. auch BFH-Urteile
vom 10.8.1994 X R 42/91, BFHE 175, 362, BStBl II 1995, 57 = SIS 95 04 01, und vom 10.12.1985 IX R 67/81, BFHE 145, 542, BStBl II 1986,
340 = SIS 86 08 05) ist die Vereinnahmung eines Reugeldes ohne
vorherigen Abschluss eines Grundstückkaufvertrages nicht
möglich. Das Reugeld ist bloße Folgevereinbarung des -
dem nicht steuerbaren Vermögensbereich zuzuordnenden -
Kaufvertrages.