Gebäude auf fremdem Grund und Boden, InvZul: Investitionszulage für die Herstellung eines Gebäudes i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 setzt nicht voraus, dass der Hersteller bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes wird. - Urt.; BFH 28.6.2006, III R 19/05; SIS 06 42 36
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) führt einen in die Handwerksrolle eingetragen
Handwerksbetrieb. Seine Ehefrau war im Streitjahr 1999
Alleineigentümerin eines mit einem Wohngebäude bebauten
Grundstücks. Am 21.9.1998 vereinbarten beide in
privatschriftlicher Form,
„... dass ... [der Kläger] auf
dem mir allein gehörenden Grundstück ... einen
Büroneubau an das bestehende Gebäude bauen darf. Er hat
den Bau auf eigenes Risiko durchzuführen und mich von
jeglicher Haftung freizustellen. Er hat ferner auch die
Finanzierung des Objektes zu übernehmen. Ich verpflichte mich,
meinem Ehemann den zum Neubau gehörenden Grund- und
Bodenanteil unentgeltlich zu übertragen. Da mit dem Neubau
unverzüglich begonnen werden soll, bin ich einverstanden, dass
die Eigentumsverhältnisse erst während beziehungsweise
nach Abschluss der Baumaßnahmen geklärt werden. Es
bleibt aus Kostengründen noch offen, ob ich nur den anteiligen
Grund und Boden nach Vermessung übertrage oder ob
anschließend Wohn-/Teileigentum gebildet wird.“
Die untere Bauaufsichtsbehörde
bestätigte mit Bescheid vom 19.10.1999 die Durchführung
des Bauvorhabens. Der Kläger errichtete den Anbau in den
Jahren 1998 und 1999. Die Herstellungskosten betrugen 207.696
DM.
Nach Erteilung der
Abgeschlossenheitsbescheinigung am 24.8.2000 teilte die Ehefrau des
Klägers am 2.11.2000 ihr Eigentum in einen Miteigentumsanteil
zu 90/100 (Wohnungseigentum) und einen zu 10/100 (Sondereigentum an
den gewerblichen Räumen). Den Miteigentumsanteil zu 10/100
übertrug sie am selben Tage auf den Kläger.
Bereits am 7.6.2000 hatte der Kläger
beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - )
Investitionszulage für den Anbau in Höhe von 10 v.H. der
Herstellungskosten beantragt. Das FA lehnte dies mit Bescheid vom
16.8.2000 ab, da der Kläger das Gebäude nicht auf seinem
eigenen Grundstück errichtet habe und auch nicht
wirtschaftlicher Eigentümer geworden sei. Den Einspruch wies
es als unbegründet zurück.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht
(FG), dessen Urteil in EFG 2005, 727 = SIS 05 22 56 abgedruckt ist,
ließ offen, ob der Kläger wirtschaftliches Eigentum am
Gebäude erlangt habe. Nach dem Urteil des VIII. Senats des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.5.2002 VIII R 30/98 (BFHE 199, 181,
BStBl II 2002, 741 = SIS 02 92 99) sei der Kläger
wirtschaftlicher Eigentümer geworden, da er den Bau ohne
Zuwendungsabsicht errichtet habe und ihm gegen die
Grundstückseigentümerin ein Anspruch auf Wertausgleich
zugestanden habe. Auch wenn man dem - wie Dötsch (Die
Information für Steuer und Wirtschaft - Inf - 2002, 634),
Kanzler (FR 2002, 1124) und Kulosa (HFR 2003, 1040) - nicht folge,
habe der Kläger jedenfalls aber eine Position erlangt, die ihm
in Bezug auf die Investitionszulage die gleichen Rechte
gewähre, wie sie einem wirtschaftlichen oder rechtlichen
Eigentümer zuständen. Denn bei Bauten auf fremdem Grund
und Boden könne der Erbauer den Herstellungsaufwand in Form
von Abschreibungen abziehen. Die Einbeziehung eines Gebäudes
in die Gewinnermittlung eines Gewerbetreibenden rechtfertige es,
dieses als Betriebsgebäude anzusehen. Da das
Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1999 die Verwendung in einem
Betrieb genügen lasse und - anders als bei der Förderung
des Wohneigentums - gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 InvZulG
1999 kein wirtschaftliches Eigentum verlange, sei die
Förderung zu gewähren, zumal sie dem Gesetzeszweck
entspreche.
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung des § 39 der Abgabenordung (AO 1977). Die
Rechtsprechung zu früheren Fassungen des InvZulG, die
Verwaltungsmeinung und die überwiegende Ansicht in der
Literatur verlangten zivilrechtliches oder zumindest
wirtschaftliches Eigentum des Investors. Wirtschaftlicher
Eigentümer sei der Kläger nicht gewesen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Steuerpflichtige im Sinne des
Einkommensteuergesetzes (EStG), die im Fördergebiet
begünstigte Investitionen nach den §§ 2 bis 4
InvZulG 1999 vornehmen, haben gemäß § 1 Abs. 1 Satz
1 InvZulG 1999 Anspruch auf Investitionszulage. Zu den
begünstigten Investitionen gehört nach § 2 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 u.a. die Herstellung neuer Gebäude
und Gebäudeteile, soweit diese mindestens fünf Jahre nach
ihrer Herstellung in einem kleinen und mittleren Betrieb des
Handwerks i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 InvZulG 1999 verwendet
werden. Das FG hat dem Kläger die Investitionszulage zu Recht
zugesprochen, denn er hat einen neuen Gebäudeteil hergestellt
und in seinem Handwerksbetrieb i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2
InvZulG 1999 verwendet. Die insoweit streitige Frage, ob die
Förderung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999
voraussetzt, dass der Hersteller wirtschaftliches Eigentum erlangt,
ist zu verneinen; Investitionszulage kann auch für die
Herstellung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden
gewährt werden, für das dem Hersteller die
AfA-Berechtigung zusteht.
a) Das InvZulG 1999 begünstigt nicht
ausschließlich Investoren, die auch zivilrechtliche (§
39 Abs. 1 AO 1977) oder wirtschaftliche (§ 39 Abs. 2 Nr. 1
Satz 1 AO 1977) Eigentümer des Wirtschaftsgutes sind.
Das InvZulG 1999 enthält - abweichend von
den Zulagengesetzen 1991 bis 1996 - in seinen §§ 2 bis 4
mehrere unterschiedliche Fördertatbestände, die teilweise
aus dem InvZulG 1996 und teilweise aus dem Fördergebietsgesetz
(FördG) übernommen worden sind. Dabei handelt es sich um
selbständige Investitionszulagen, die
verfahrensmäßig voneinander getrennt beantragt,
festgesetzt und ausgezahlt werden. Dementsprechend hängen auch
die Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung von der
jeweils begünstigten Maßnahme ab (Urteil des Senats vom
5.9.2002 III R 37/01, BFHE 200, 168, BStBl II 2003, 772 = SIS 03 07 85).
Soweit die Anschaffung oder Herstellung von
neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des
Anlagevermögens gefördert wird, hat der Senat daraus in
seiner Rechtsprechung zu früheren Zulagengesetzen gefolgert,
dass der Investor Gewinneinkünfte erzielen und
bürgerlich-rechtlicher oder mindestens wirtschaftlicher
Eigentümer des Wirtschaftsgutes sein muss (vgl. BFH-Urteile
vom 9.12.1999 III R 74/97, BFHE 191, 125, BStBl II 2001, 311 = SIS 00 05 20, unter II. 1. a und b der Gründe, zu § 4b
InvZulG 1982, m.w.N.; vom 15.2.2001 III R 130/95, BFH/NV 2001,
1041, 1044 = SIS 01 67 18, zu § 2 Abs. 1 InvZulG 1991).
Dagegen setzt die Investitionszulage für
Erhaltungsarbeiten an einem Gebäude gemäß § 3
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 nicht zwingend zivilrechtliches
oder wirtschaftliches Eigentum des Investors voraus, vielmehr sind
auch Nießbraucher und Mieter begünstigt (Urteile des
Senats in BFHE 200, 168, BStBl II 2003, 772 = SIS 03 07 85, und vom
28.7.2005 III R 59/04, BFHE 210, 563, BStBl II 2006, 272 = SIS 05 42 04). Denn der Fördertatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 InvZulG 1999 ist weder - wie § 4 InvZulG 1999
(„eigen“) - ausdrücklich auf den
Eigentümer beschränkt noch ergibt sich eine derartige
Beschränkung - wie bei der Anschaffung eines Gebäudes
i.S. von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 - aus dem
Sinngehalt einzelner Tatbestandsmerkmale. Anspruchsberechtigter
nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 ist, wer die
Herstellungskosten bzw. Erhaltungsaufwendungen der
begünstigten Investitionen getragen hat. Die Verwaltung wendet
das Urteil in BFHE 210, 563, BStBl II 2006, 272 = SIS 05 42 04
über den entschiedenen Einzelfall hinaus auf Mieter nicht an
(Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
17.3.2006, BStBl I 2006, 282 = SIS 06 17 91).
b) Keines der Tatbestandsmerkmale des § 2
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 setzt wirtschaftliches Eigentum
des Investors voraus, soweit die Herstellung neuer Gebäude
gefördert wird.
Während die Anschaffung eines
Gebäudes als Erwerb des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen
Eigentums zu verstehen ist (vgl. das Urteil des Senats in BFHE 200,
168, BStBl II 2003, 772 = SIS 03 07 85), sind Hersteller und
Eigentümer einer Sache nicht notwendig identisch. Denn
„Herstellung“ bezeichnet die Schaffung einer
Sache, d.h. einen tatsächlichen Vorgang, und nicht die
vermögensrechtliche oder wirtschaftliche Beziehung zwischen
Hersteller und Gegenstand.
Das Erfordernis wirtschaftlichen Eigentums des
Investors lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass §
2 InvZulG 1999 mit „Betriebliche Investitionen“
überschrieben ist. Denn eine betriebliche Investition wird
auch ohne Erwerb wirtschaftlichen oder bürgerlich-rechtlichen
Eigentums getätigt, wenn die Aufwendungen für ein
Gebäude auf fremdem Grund und Boden von einem
Gewerbetreibenden getragen werden, das Gebäude seinen Zwecken
dient und er demzufolge Absetzungen für Abnutzung auf die
Herstellungskosten vorzunehmen hat (vgl. BFH-Beschluss vom
23.8.1999 GrS 1/97, BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778 = SIS 99 20 54).
Die durch § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvZulG
1999 geforderte Verwendung des Gebäudes oder
Gebäudeteiles in einem Handwerksbetrieb kann auch dann
vorliegen, wenn das Gebäude oder der Gebäudeteil durch
den Betrieb genutzt wird, aber nicht im zivilrechtlichen oder
wirtschaftlichen Eigentum des Unternehmensträgers steht.
c) Ob Bauten auf fremdem Grund und Boden
materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter sind (dazu
Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 25. Aufl., § 5
Rz. 270), kann dahinstehen. Denn obwohl § 2 Abs. 3 Satz 1
InvzulG 1999 unter Gebäuden unbewegliche Wirtschaftsgüter
versteht, sind Baumaßnahmen auch dann begünstigt, wenn
sie bei der Gewinnermittlung des Investors wie Herstellungskosten
von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des
Anlagevermögens zu behandeln sind (Urteil des Senats vom
10.8.1984 III R 98/83, BFHE 142, 90, BStBl II 1984, 805 = SIS 84 21 25).
d) Die Gewährung von Investitionszulagen
für Bauten auf fremdem Grund entspricht auch dem Zweck des
InvZulG 1999; die Gefahr einer Doppelförderung oder einer
missbräuchlichen Inanspruchnahme ist nicht zu erkennen. Der
Senat sieht sich im Übrigen dadurch bestätigt, dass die
Verwaltung nunmehr die Urteile in BFHE 200, 168, BStBl II 2003, 772
= SIS 03 07 85, und in BFHE 210, 563, BStBl II 2006, 272 = SIS 05 42 04 auf Nießbraucher anwendet und bereits früher
Investitionszulagen für durch Bauten auf fremdem Grund und
Boden geschaffene Nutzungsrechte gewährt hat (Schreiben des
BMF vom 3.5.1985, BStBl I 1985, 188 = SIS 85 11 15 betr. das zu
§ 4b InvZulG 1975 ergangene Urteil des Senates in BFHE 142,
90, BStBl II 1984, 805 = SIS 84 21 25).