BAföG und Ausbildungsfreibetrag: 1. Erhält das - während des gesamten Kalenderjahres studierende - Kind unterschiedlich hohe Zuschüsse als Ausbildungshilfe, ist der Ausbildungsfreibetrag für die Anrechnung der Zuschüsse aufzuteilen. Die Zuschüsse mindern nach § 33 a Abs. 4 Satz 3 EStG jeweils nur die zeitanteiligen Ausbildungsfreibeträge der Kalendermonate, für welche die Zuschüsse bestimmt sind. - 2. Nach dem BAföG geleistete Zuschüsse für ein Auslandsstudium sind grundsätzlich auf den Freibetrag nach § 33 a Abs. 2 Satz 2 EStG anzurechnen, soweit sie auf den Grundbedarf entfallen. - Urt.; BFH 18.5.2006, III R 5/05; SIS 06 31 69
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger), zusammen veranlagte Eheleute, beantragten in ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 für
ihre Tochter einen Ausbildungsfreibetrag bei auswärtiger
Unterbringung. Die auswärtig untergebrachte Tochter studierte
in den Monaten Januar bis Juli 1998 im Inland und in den Monaten
August bis Dezember 1998 in den USA. Sie erhielt im Streitjahr eine
Ausbildungsförderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in der im
Streitjahr 1998 geltenden Fassung. Die Ausbildungsförderung
betrug in den Monaten Januar bis Juli jeweils 341 DM, wovon jeweils
die Hälfte als Zuschuss und als Darlehen gewährt wurde.
In den Monaten August bis Dezember betrugen die monatlichen
Leistungen 1.554 DM, davon 101,60 DM als Darlehen und 1.452,40 DM
als Zuschuss. Das Amt für Ausbildungsförderung ging dabei
von einem monatlichen Bedarf in Höhe von 2.195,80 DM aus
(Grundbedarf 845 DM; Reisekosten 145,80 DM; Auslandszuschlag 305
DM; Studiengebühren im Ausland 900 DM).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) lehnte die Gewährung des
Ausbildungsfreibetrags ab, da er die als Zuschuss geleistete
Ausbildungsförderung nach einem Abzug von 360 DM in voller
Höhe (7 Monate x 170,50 DM + 5 Monate x 1.452,40 DM = 8.455,50
DM) auf den Ausbildungsfreibetrag anrechnete.
Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung,
die für den Auslandsaufenthalt gewährten Zuschüsse
seien nur insoweit anzurechnen, als sie anteilig auf den
Grundbedarf entfielen. Das FA erklärte sich in der
mündlichen Verhandlung bereit, den sich danach ergebenden
Ausbildungsfreibetrag von 571 DM zu berücksichtigen. Insoweit
haben die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt
erklärt. Im Übrigen hat das FG die Klage abgewiesen. Das
Urteil ist in EFG 2004, 906 = SIS 04 16 77
veröffentlicht.
Die Kläger rügen
sinngemäß die Verletzung des § 33a Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden
Fassung.
Die Kläger beantragen
sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die
Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des
Einkommensteuerbescheids 1998 die Einkommensteuer unter
Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrages von 4.200 DM
festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung
des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr 1998 insoweit,
als ein Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 1.467 DM zu
berücksichtigen ist, im Übrigen zur Abweisung der Klage
(§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Nach § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG
wird auf Antrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte je Kalenderjahr
ein Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 4.200 DM abgezogen, wenn
einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für die Berufsausbildung
eines Kindes erwachsen, für das er einen Freibetrag nach
§ 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld erhält, sofern das Kind
auswärtig untergebracht ist und das 18. Lebensjahr vollendet
hat. Dieser Freibetrag vermindert sich nach § 33a Abs. 2 Satz
2 EStG um die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes,
die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung
bestimmt oder geeignet sind, soweit diese 3.600 DM im Kalenderjahr
übersteigen, sowie um die von dem Kind als Ausbildungshilfe
aus öffentlichen Mitteln oder von
Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche
Mittel erhalten, bezogenen Zuschüsse.
§ 33a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG ist
dahin gehend auszulegen, dass Ausbildungshilfen aus
öffentlichen Kassen grundsätzlich in voller Höhe
anzurechnen sind (Senatsurteil vom 7.3.2002 III R 22/01, BFHE 198,
493, BStBl II 2002, 802 = SIS 02 08 20, m.w.N.). Hierzu
gehören insbesondere die als Zuschüsse gewährten
Leistungen nach dem BAföG (Senatsurteil vom 7.8.1992 III R
45/89, BFHE 168, 569, BStBl II 1992, 1023 = SIS 92 20 01).
Ausnahmsweise hat eine Anrechnung jedoch dann zu unterbleiben, wenn
die Ausbildungshilfe für Maßnahmen gewährt wird, zu
deren Zahlung die Eltern gesetzlich nicht verpflichtet sind; denn
in diesen Fällen werden sie durch die Ausbildungshilfe von
ihren Unterhaltspflichten nicht entlastet. Entsprechendes gilt,
wenn die Ausbildungshilfe eine besondere Leistung des
Auszubildenden belohnen soll oder wenn die Anrechnung mit dem
besonderen Förderzweck unvereinbar wäre (Senatsurteil vom
17.10.2001 III R 3/01, BFHE 197, 85, BStBl II 2002, 793 = SIS 02 02 21).
Nach § 33a Abs. 4 Satz 3 EStG mindern
aber die als Ausbildungshilfe bezogenen Zuschüsse nur die
zeitanteiligen Ausbildungsfreibeträge der Kalendermonate,
für welche die Zuschüsse bestimmt sind. Diese Regelung
weicht von dem sog. Jahresprinzip, das dem Ausbildungsfreibetrag
zugrunde liegt, ab. Der Ausbildungsfreibetrag wird
grundsätzlich je Kalenderjahr gewährt und es werden die
im Kalenderjahr vom Kind bezogenen Einkünfte, Bezüge und
Ausbildungshilfen gegengerechnet (§ 33a Abs. 2 Sätze 1
und 2 EStG). Der Ausbildungsfreibetrag ermäßigt sich
für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für
seine Gewährung nicht vorgelegen haben, um ein Zwölftel;
die Einkünfte und Bezüge des Kindes für diese Monate
werden nicht angerechnet (§ 33a Abs. 4 Sätze 1 und 2
EStG). Werden während des Kalenderjahres unterschiedlich hohe
Zuschüsse als Ausbildungshilfe gezahlt, ist der
Ausbildungsfreibetrag für die Anrechnung der Zuschüsse
aber auch dann zeitanteilig aufzuteilen, wenn die Voraussetzungen
für seine Gewährung während des gesamten
Kalenderjahres vorgelegen haben und er deshalb nicht nur
zeitanteilig zu gewähren ist (vgl. Kanzler in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 33a EStG Anm. G 61; Hufeld, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rdnr. E 11, sowie
Berechnungsbeispiel von Stöcker in Lademann, EStG, § 33a
EStG Anm. 869).
Diese Auslegung ergibt sich zum einen daraus,
dass nach § 33a Abs. 4 Satz 3 EStG „nur die
zeitanteiligen Höchstbeträge und Freibeträge der
Kalendermonate“ zu mindern sind und nicht - so wie §
33a Abs. 4 Satz 2 EStG formuliert - „die nach Satz 1
ermäßigten Höchstbeträge und
Freibeträge“. Zum anderen wird nur diese Auslegung
der Regelungsabsicht des Gesetzgebers gerecht. Ausweislich der
Gesetzesbegründung sollte durch die Regelung des § 33a
Abs. 4 Satz 3 EStG vermieden werden, dass in Fällen, in denen
ein Kind im Kalenderjahr sowohl im Ausland als auch im Inland
studiert, Auslandsstipendien auf den zeitanteiligen
Ausbildungsfreibetrag für das Inlandsstudium angerechnet
werden (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 151). Dieses Ziel würde aber
weitgehend verfehlt, wenn man diese Regelung nur in den Fällen
des § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG anwenden wollte. So wäre
§ 33a Abs. 4 Satz 3 EStG dann in Fällen, in denen die
Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zwar
während des gesamten Veranlagungszeitraums vorliegen, weil das
Kind auswärtig untergebracht ist, das Kind aber während
eines Teils des Veranlagungszeitraums im Ausland studiert, nicht
einschlägig. Nach Sinn und Zweck des § 33a Abs. 4 Satz 3
EStG wäre es sachlich nicht gerechtfertigt, diese Fälle
gegenüber Fällen, in denen die Voraussetzungen des §
33a Abs. 2 EStG nicht während des ganzen Veranlagungszeitraums
vorgelegen haben, das Kind aber zeitweise mit Auslandsstipendium im
Ausland studiert hat, unterschiedlich zu behandeln.
2. Nach diesen Grundsätzen sind zwar -
wie das FG zutreffend angenommen hat - im Streitfall neben den in
den Monaten Januar bis Juli bezogenen Ausbildungszuschüssen
nach dem BAföG auch die in den Monaten August bis Dezember
geleisteten Zuschüsse grundsätzlich auf den Freibetrag
nach § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG anzurechnen, soweit sie auf den
Grundbedarf entfallen. Allerdings mindern die in den Monaten August
bis Dezember anrechenbaren Zuschüsse nach § 33a Abs. 4
Satz 3 EStG nur den zeitanteiligen Freibetrag für diese
Monate.
a) Soweit der Senat die Regelung des §
33a Abs. 2 Satz 2 EStG einschränkend ausgelegt hat
(Senatsurteil in BFHE 197, 85, BStBl II 2002, 793 = SIS 02 02 21),
liegt im Streitfall hinsichtlich des auf den Grundbedarf
entfallenden Anteils der Zuschüsse nach dem BAföG
für die Monate August bis Dezember kein vergleichbarer
Sachverhalt vor. Die Ausbildungsförderung nach dem BAföG
wird für die Ausbildung und den Lebensunterhalt geleistet
(vgl. § 11 Abs. 1 BAföG). Der auf den Grundbedarf
entfallende Anteil der Zuschüsse ist in seiner Höhe
unabhängig davon, ob das Studium im Inland oder im Ausland
durchgeführt wird; differenziert wird lediglich danach, ob die
Ausbildungsstätte in den neuen oder in den alten
Bundesländern liegt (vgl. §§ 13 Abs. 2, 12 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a BAföG). Insoweit decken die Zuschüsse die
vom Ausbildungsfreibetrag in typischer Weise erfassten Aufwendungen
ab und nicht Maßnahmen, zu deren Zahlung die Eltern nicht
gesetzlich verpflichtet sind. Aus den gleichen Gründen sind
die Zuschüsse entgegen der Auffassung der Kläger auch
nicht mit Stipendien, die aus dem ERASMUS/SOKRATES-Programm
geleistet werden, vergleichbar. Wie der Senat in seiner
Entscheidung in BFHE 197, 85, BStBl II 2002, 793 = SIS 02 02 21
ausgeführt hat, sollen diese Stipendien nach den
Förderrichtlinien nicht die üblichen
Unterhaltsaufwendungen, sondern allein die anfallenden Mehrkosten
abdecken. Die üblichen Kosten, die im Rahmen der
Berufsausbildung entstehen, entfallen bei einem Auslandssemester
hingegen regelmäßig nicht.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist
unerheblich, ob die geleisteten Zuschüsse nach dem BAföG
den durch die Studiengebühren in den USA verursachten
Mehraufwand für die Tochter ausgleichen. Die Vorschriften
über die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages sind
typisierende Regelungen. Der Ausbildungsfreibetrag wird
unabhängig davon gewährt, wie hoch die tatsächlichen
Aufwendungen des Steuerpflichtigen sind. Die
Ausbildungsfreibeträge umfassen auch die Studiengebühren
(vgl. Senatsurteil vom 22.3.1996 III R 7/93, BFHE 180, 541, BStBl
II 1997, 30 = SIS 96 19 04, m.w.N., sowie Senatsbeschluss vom
31.1.2005 III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081 = SIS 05 26 00).
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH)
vom 14.11.2000 VI R 62/97 (BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491 = SIS 01 03 87) ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht auf den
Streitfall übertragbar, da sie die Auslegung des § 32
Abs. 4 Satz 3 EStG betrifft. Nach dieser Vorschrift bleiben
Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt
sind, für den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
außer Ansatz. Entsprechendes gilt für Einkünfte,
soweit sie für solche Zwecke verwendet werden. Der BFH hat
§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG dahin gehend ausgelegt, dass
Bezüge - ebenso wie Einkünfte - bereits dann außer
Ansatz bleiben, wenn sie für besondere Ausbildungszwecke - wie
z.B. für Studiengebühren - verwendet werden. Im
Streitfall ist jedoch § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG
einschlägig, der im Unterschied zu § 32 Abs. 4 Satz 3
EStG die Minderung der Ausbildungsfreibeträge um die als
Ausbildungshilfen bezogenen Zuschüsse ausdrücklich
anordnet. Die Minderung der Ausbildungsfreibeträge ist
gerechtfertigt, da sich durch die Zuschüsse die
Unterhaltsverpflichtungen der Eltern mindern, so dass die
Aufwendungen für die Berufsausbildung nicht zusätzlich
über einen (ungeminderten) Freibetrag berücksichtigt zu
werden brauchen (vgl. Senatsurteil in BFHE 197, 85, BStBl II 2002,
793 = SIS 02 02 21, m.w.N.).
b) Die Zuschüsse nach dem BAföG
mindern gemäß § 33a Abs. 4 Satz 3 EStG allerdings
nur die zeitanteiligen Freibeträge der Kalendermonate,
für welche die Zuschüsse bestimmt sind. Danach sind die
Zuschüsse für die Monate Januar bis Juli 1998 in
Höhe von insgesamt 1.193 DM abzüglich des anteiligen
Betrags nach R 190 Abs. 5 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien
(EStR) 1996/1998 in Höhe von (360 DM x 7/12 =) 210 DM vom
anteiligen Freibetrag in Höhe von (4.200 DM x 7/12 =) 2.450 DM
abzuziehen, so dass insoweit ein Freibetrag in Höhe von 1.467
DM verbleibt. Die anrechenbaren Zuschüsse für die Monate
August bis Dezember in Höhe von insgesamt 2.796 DM
abzüglich des anteiligen Betrags nach R 190 Abs. 5 Satz 2 EStR
1996/1998 in Höhe von (360 DM x 5/12 =) 150 DM mindern den
anteiligen Freibetrag in Höhe von (4.200 DM x 5/12 =) 1.750 DM
auf 0 DM. Es verbleibt mithin ein Freibetrag in Höhe von 1.467
DM und nicht - wie vom FG angenommen - von 571 DM.
3. Da das FG von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung
aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger hat Anspruch
auf einen Freibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG in Höhe von
1.467 DM. Dieser Betrag ist daher bei der Veranlagung vom Einkommen
abzuziehen. Die Berechnung der Einkommensteuer wird nach § 100
Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 1 i.V.m. § 138 Abs. 2 FGO, soweit der Rechtsstreit in
der Hauptssache erledigt ist; im Übrigen auf § 136 Abs. 1
FGO. Eine Teilerledigung i.S. des § 138 Abs. 2 FGO liegt auch
dann vor, wenn sie sich wie im Streitfall verfahrensrechtlich auf
unselbständige Teile eines Streitgegenstandes bezieht (vgl.
BFH-Beschluss vom 6.8.1974 VII B 49/73, BFHE 113, 171, BStBl II
1974, 748 = SIS 74 04 23).